: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 21. April 2006

Confessio

Heute vor 5 Jahren krachte just another Startup zusammen, mit meiner Beteiligung. Kein Grund, ein schlechtes Gefühl zu haben. Die hatten alles getan, was man nicht tun sollte, die VCs hatten schon vor einem halben Jahr den Stecker gezogen, und so schmierten sie ab, ohne Geld und die Chance, frischen Saft mit ihrem Shift2B2B zu bekommen. Es hatte sich mittlerweile rumgesprochen, dass die Idee, das Team, die Leute, ihre angeheuerten Freunde und was auch immer nicht taugte. Schon im Jahr davor, auf einer Tagung in einem Hotel, hatte ein Investor sie in seinem Portfolio auf 0 wertberichtigt. Ich hatte nur noch den Putzjob: Zusammenfassen, erklären, das Ding halbwegs gut aussehen lassen, Asets bewerten, einen Blöden finden, der glaubt, mit der Quintessenz von 2 Jahren Bullshit Bingo ein Geschäft zu machen. Und zur nächsten abstürzenden Firma weiterzutingeln. Those are the great times, von denen manche heute wieder schwärmen. Und das Peverse ist - obwohl klar war, dass es nicht gut gehen würde, für keinen, auch für uns nicht, feierten wir an diesem Abend, in einem Lokal, von dem die Öffentlichkeit erst jetzt erstaunt zur Kenntnis genommen hat, dass es dort Kokain gab. Nein, was für eine Überraschung. Das hätte ihnen eine Kollegin schon früher erzählen können, nehme ich an. Fragen kann ich sie nicht mehr, sie hatte später ein noch schlechteres Ende als die meisten der damaligen Startupper.

Damals hätten wir die Frage, was in fünf Jahren sein wird, komisch gefunden. Keiner wusste, was nächste Woche sein würde, welcher Konflikt, welcher neue Irrsinn uns irgendwo anspülen würde, um zu retten, was nicht mehr zu retten war. Um diese Zeit herum fing ich an, meine Auftraggeber und ihre Freunde bei Dotcomtod zu verraten, einfach um den Druck wegzubekommen. 5 Jahre? Wer weiss.



Heute weiss ich es. 5 Jahre später streiche ich Bretter für meine Bibliothek, am Nordrand der nicht mehr existenten greater Munich Area. Ich falle nicht mehr oft in den Consultant Slang zurück, es gibt hier kaum Möglichkeiten dazu. Ich habe auch nicht mehr viel mit Berlin Mitte zu tun, mit dem Kanzleramt und Ministerien, wo ich nur noch wenige kenne. Ich streiche Bretter für meine Bibliothek, ich schreibe an einem Sammelband über Weblogs des ZKM, die Sonne scheint, es geht mir gut.

Auch wenn ich weiss, dass eine andere Geschichte aus der Zeit vor fünf Jahren gerade, in anderem Gewand, gerade gar nicht gut läuft. Und wahrscheinlich mitliest. So ist das, Prinzessin. Ob ich dabei bin, ob jemand anderes die Reports schreibt, spielt keine Rolle. Die einzige Rolle, die wichtig ist, ist in meiner Hand und träufelt Nussbraun auf Kieferbretter.

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Sieh an, sieh an

Denn sie wissen, wie man den scharfen Nagel in das Herz der Bestie treibt.

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Die Skalpe meiner Feinde - Eyn Vorschlag

wie zu servieren sey der Spargel bey einer Lesung mit schwarzen Gedanken allhie auff dem Gottsacker:



Ich bin kein Christ. Trotzdem kenne ich diese Religion, zumindest was den Katholizismus angeht, besser als die meisten Christen. Ich habe ihre Kirchenväter gelesen, deren Bücher nach heutigem Verständnis klar verfassungsfeindlich sind. Ich kenne die Schriften, die mir aus Sicht der Kirche, im Prinzip bis heute, jedes Recht bishin zum Leben absprechen. Ich kenne die Debatten, ob eine Frau nun schon ein Tier oder noch eine Sache sei. Und wenn ich über die zersprungenen, abgeschliffenen Porphyrplatten laufe, die mit viel Geld an die Pfaffen und Betschwestern übergeben wurden, um das Andenken eines Menschen zu bewahren, weiss ich auch, wer der grösste Versicherungsbetrüger aller Zeiten ist.

Ich stehe dieser Schlechtigkeit mit der kühlen Betrachtung des Wissenschaftlers gegenüber. Und ich weiss, dass ich, der ich vor wenigen Jahrzehnten noch als ein Erzfeind gegolten hätte, heute Zeuge des letzten Kapitels ihres Niedergangs sein darf. 1900 verfluchte Jahre haben sie uns in Büchern gehasst, als Pöbel getreten und mit dem Segen der Oberen ermordet - wer das nicht weiss, kann den Luxus nicht empfinden, heute ungestraft, ohne mit Tritten und Steinen gejagt zu werden, die Reste des sterbenden Kolosses zu betrachten. Andere nehmen seine Stelle ein, die braunen Mordbanden, und die mittrabenden Schönbohms und Schäubles dieses Landes, in der einen Tasche den Scheck des Waffenhändlers und in der anderen das Handy, das hoffentlich irgendwann einmal die Bundeswehr dirigiert, im Inneren, gegen Missliebige; kein Wunder, dass sie sich in der Tradition des Ungetüms sehen.

Aber das ist vorbei. Ich kann es recht leidenschaftslos betrachten, in seinen letzten Zügen, im Wissen seiner Geschichte. Nur manchmal. Da überkommen mich diese Gedanken. Diese bitterbösen, fiesen Gedanken, von denen sie lange Zeit gedacht haben, unsereins könnte sie tatsächlich denken. Ja, wie wäre es denn. Heiliger Märtyrerspargel. Gedünstet, auf einem geschwungenen Teller mit Goldrand, ein klein wenig geriebenes Sauerkraut als Silber und ein Lauchblatt als Banderolen, schwimmend in goldener Bechamelsosse. Auf einer Rokokotischdecke. Wahlweise als Chrysostomos-Rippchen oder als Brustknochen der 1000 Jungfrauen zu interpretieren. Ein himmlischer Geschmack und ein höllisches Vergnügen, Satan, meines Elends Dich erbarme.

Morgen beginnt, um zum eigentlichen Thema zu kommen, die Spargelsaison. Die Zutaten bekommt man auch, wenn man am Sonntag nach Pfaffenhofen (sic!) auf den Flohmarkt fährt.

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