: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 7. Januar 2007

Der nachwachsende Rohstoff Elitessen

Mit den Elitessen in diesem Haus ist es wie mit den Katzen: Irgendwann stehen sie vor der Tür, wollen rein, bleiben da und sind eigentlich sehr pflegeleicht. Manchmal fliegt ein Kronleuchter runter, etwas bricht zusammen, ein Computer geht nicht oder eine frisch bemalte Tapete kommt ihnen entgegen, dann läuten sie, und ich gehe runter und bringe das in Ordnung. Sie sind immer blond und freundlich mit Ausnahme der hier einmal residierenden japanischen Elitesse, die aber sicher für japanische Verhältnisse auch blond und freundlich war. Und wann immer eine Elitesse auszieht, kennt sie eine andere Elitesse, die die Wohnung unbedingt haben will. Wohnungen an die immer gleich wohlhabenden Eltern von Elitessen vermieten ist das ruhigste, angenehmste Geschäft der Welt - eine Ironie angesichts des Umstandes, dass sie an der Elite Uni zu Bestien für die Business Welt gedrillt werden. In der sagenhaften Munich Area hatte ich ein paar Mal mit den Endprodukten zu tun. Hier ist das alles noch locker, manche haben Krisen und wechseln dann weg, andere brauchen zu lange und schämen sich, manche kompensieren alles mit einem harten Nachtleben, aber im Prinzip kann ich nichts Schlechtes sagen.

Nun hat es unserer Hauselitesse gefallen, für ein paar Monate wegzugehen und fern der Heimat ein Praktikum zu machen. Wie es sich gehört, hat sie für die Zwischenzeit eine andere Elitesse angebracht, die die Wohnung übernahm, um ihre Diplomarbeit zu schreiben. Hin und wieder fragte ich nach, ob alles ok ist, nie gab es Klagen, es war alles ohne Probleme und Konflikte. Sie ist strebsam, fleissig und auch sonst ganz anders, als ich als Student war, aber das muss letztlich jeder selber wissen, und so sah und hörte ich sie kaum. Bis heute.

Denn heute klingelte es zaghaft an der Tür, und draussen war die Elitesse. Es gibt nämlich ein Problem: Ihre Vorgängerin kommt zurück. Und zwar weitaus eher, als erwartet. Genauer gesagt: Übermorgen. Und sie ist mit Diplomarbeit nicht fertig. Und ich hätte doch mal gesagt, dass es hier auch ein Gästezimmer gäbe.

Womit sie recht hat, unter dem Dach ist meine alte Wohnung, die vor allem von Besuch aus den diversen Städten des Landes bewohnt wird, wenn sie hier durchkommen. Es ist die kleinste, aber auch die schönste Wohnung, trotz niedriger Decken und schrägen Wänden, und der Weg nach oben führt durch viel Gerümpel infolge diverser Umziehereien. Was sie aber nicht daran gehindert hat, sofort zuzusagen. Sie nimmt die Wohnung inclusive der altmodischen grossen Teller, des unpraktischen Siberbestecks, der gebrauchten Biedermeiermöbel und was da sonst noch an unüblichen Sachen drin steht und hängt. Ist ja nur für ein paar Wochen.



Unten an der Donau werden ein paar Dutzend Wohnungen gebaut und alte Häuser restauriert, es gibt zwei neue Wohnheime, aber alles scheint nicht auszureichen, um alle Elitessen hier unterzubringen. Als vor zehn Jahren ein paar clevere Geschäftsleute auf dem verseuchten Boden der ehemaligen Gerberei und Reinigung (deren Besitzer übrigens eine hinreissend schöne Tochter hatten) ein Wohnheim errichteten, kamen sie auch zu meinen Eltern. Ob wir nicht auch investieren wollten. Was wir allein schon aus Prestigegründen nicht taten, schliesslich gehören wir zum besseren Professorenviertel und nicht da runter in´d Schleifmui, dem historischen Slum der Altstadt. Die Geschäftsleute verkauften die Kleinsteinheiten dennoch für horrendes Geld, und jetzt ist 9 Monate im Voraus alles ausgebucht, ein Bombengeschäft, weshalb vor der Stadt noch ein Wohnheim gebaut wurde. Und wenn die alten Elitessen weg sind, kommen neue nach. Ein ewiger Kreislauf, nur das Geld bleibt hier. Meistens.



Denn manche bekommen auch den satten Rappel. Es gibt welche - und bei besagten Elitesse habe ich den Verdacht - die von der Firma übernommen werden, wenn sie wollen. Und die dem Leben hier verfallen, weil es eigentlich ganz gut zu ihren anämischen Charakter passt. Warum weggehen, wenn man schon mal da ist. Die Altstadt ist sehenswert, die Torten sind famos, die Vermieter freundlich und flexibel, es mangelt nie an Salz, Geschirr und Kronleuchtern, es lockt der indiskrete Charme der bayerischen Boarschwahserie, es ist nicht zu gross und nicht so klein wie das Kaff, aus dem sie kommen, die Firma gehört zu den globalen Gewinnern, wieso also gehen...

Und so kann es im Mikrokosmos dieses Hauses dazu kommen, dass der nachwachsende Rohstoff Elitesse etwas ins Kraut schiesst. Mal schaun, wie sich das die nächsten Wochen entwickelt.

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