: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 11. November 2011

Blau

Es ist grau in der Stadt, das Licht der Lampen erinnert entfernt an die Grenze zur DDR. Oder an die Geister von Wirtschaftsjournalisten.



Aber auf de Bergen ist es sonnig, heisst es. Also schnell den Koffer mit ein paar Rottacher Hundedecken beworfen.



Vor den Bergen - hier in Holzkirchen - ist die gleiche Suppe wie überall auch, und es bleibt so bis Gmund.



Spät bin ich dran, schnell muss ich hoch, da hilft dann nur der Griff zum Bergrad. Das verkürzt den Weg nach oben um eine halbe Stunde.



Ein paar Leute kommen mir entgegen. Im Nebel. Sie lachen. Da weiss ich: Sie kommen aus der Sonne. Wie schaut es oben aus? Traumwetter. Na dann. Weiter im kleinsten Gang.



Ich habe das ganz alte Rad ohne Federung genommen. Das hilft beim Weg nach oben. Etwas. Aber trotzdem ist es steil, und wenigstens wird der Nebel lichter.



Bei 1000 Metern dann, hoch oben, die ersten Gipfel im goldenen Glanz. Noch ist es kalt, noch ist es diesig, aber nicht mehr lang.



Zeit für eine kleine Pause. Ich bin nach dem Unfall vor der l'Eroica kaum mehr mit dem Bergrad gefahren. Ich habe ganz vergessen, wie schwer sich die Stollenreifen drehen. Aber ich bin guter Dinge, mit meinem 50-Euro-Rad rechtzeitig oben anzukommen.



Dann löst sich der Dunst ganz auf, und durch den Schatten der Bäume brennen sich die Farben des Herbstes.



Das letzte Steilstück ist erreicht - hier geht es mit dem Rad nicht mehr weiter. Hier muss man klettern. Also schliesse ich das Rad an und mache mich auf den Weg.



Auf der ersten Lichtung der Blick auf das, was normalerweise das Chiemgau ist, und jetzt eine graue Suppe mit Rotgoldglanz drüber.



Dann endlich: Oben. Die Sonne ist gerade verschwunden, ein kleinster Fleck sah noch heraus, aber bis die Kamera eingeschaltet ist und fokussiert, ist es vorbei.



Gewonnen? Verloren? Unentschieden? Die Sonne mag es anders sehen, aber ich bin oben. Und die anderen sind unten im Tal, dessen Grau von hier aus bis zur Küste fliesst. Gewonnen.



Grossbild

Es ist ein Glück, hier zu sein. Ich mache Schorschi die Tür auf und bestelle einen Tee. Das ist eigentlich alles, was ich jetzt brauche.



Und dann warte ich.



Grossbild

Darauf, dass der Himmel dunkel wird. Rechts hinten ist Frankfurt, wo sie die hohen Türme bauen. Sie sind zu niedrig.



Dann wird der Himmel tuxedoblau, und es ist Zeit, den Ort zu verlassen. Sonst wird es - bergab, schnell, in Nacht und Nebel und Bergwald - riskant.



Manche bleiben hier oben. Ich komme morgen wieder, je nachdem, wie das Wetter unten ist. Und wie hoch der Nebel diesmal reicht.



Dann die Abfahrt. Kalt, nass, die Lebensfeindlichkeit der Berge tropft von den Bäumen. Sie können einem solche Stunden schenken und das Leben nehmen, aber was wäre das Leben ohne solche Stunden.



Nun, wer weiss.

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Internet-Experten. Oder so.

Ab und an pflege ich mich hier über die Unerquicklichkeit des Schicksals zu beschweren, das mir und meinen Wünschen nach bunter Leinwand den ein oder anderen Zahnarzt in den Weg schiebt. Auch dieses Wochenende, da ich dachte, dieses Fragment des 16. Jahrhunderts,das falsch eingeordnet war: Das entdeckt keiner und so teuer kann das gar nicht sein. Prompt bin ich gnadenlos abgesoffen, mein Limit wurde um den Faktor 4 überboten. Selbst bei Ebay sind vier Portraits des Rokoko, die ich gerne kaufen würde, mir aber nicht leisten kann.

Ich gehe dabei aber stillschweigend davon aus, dass allen Lesern klar ist: Ich bin wie eine Ente im Tegernsee, ich finde dennoch genug Futter, man muss mir nichts hinwerfen. Es freut mich enorm für Holgi Klein, dass sein Podcast gut läuft, und ich finde es auch gut, wenn so etwas mit Flattr unterstützt wird. Ich selbst empfinde es als Akt der Grosszügigkeit, gelesen und kommentiert zu werden. Ich habe keine finanziellen Interessen. Ich finde es aber auch in Ordnung, dergleichen zu haben. Darum aber: Bitte keine Bilder, Sekretäre und griechische Büsten kaufen! Ich bekomme schon, was ich brauche.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nämlich auf zwei Texte hinweisen. Der eine kommt vom selbsternannten Postprivatisten und Social-Media-Versteher Mspro, der als solcher ja schon mal bei der FAZ über Bilderübernahmen gestolpert ist: Der hat nun einen Spendenaufruf geschrieben für einen Twitternutzer, der davon gar nicht wusste. Und weil sein Rechner kaputt war, sollte das Ziel gleich mal ein Mac für 2500 Euro sein. Dass daraufhin eine von, höflich gesagt, Unverständnis und Verwunderung geprägte Debatte folgt, die "Rechner" irgendwo nachvollziehen kann, aber "den teuersten wo gibt" eher nicht so ganz, ist keine Überraschung. Darunter auch einige hübsche Pöbeleien des Organisators auf kritische Stimmen.

Und hier der folgende Beitrag des sich nicht für einen Internetexperten haltenden und auf keinem Podium das Maul aufreissenden Begünstigten, oder besser gesagt, Betroffenen, dessen Probleme postprivatös in den Shitstorm gezogen wurden. Ich denke, so wie der Text von Mspro als Paradebeispiel für kompletten Internetfetischirrsinn gelten kann, ist der Text des Betroffenen das Idealbeispiel für den richtigen Umgang mit Empörungswellen. Er hat es natürlich insofern einfach, als er lediglich das Opfer so einer nicht abgesprochenen Egonummer ist, und es macht sicher keinen Spass, so in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, aber den würde ich gerne auf einem Podium sehen. Ich glaube, der kann das mit dem Netz, einfach, weil er den Ton des Netzes trifft.

Und weil es gerade passt: Hier noch eine Rezension des ansonsten, sagen wir mal, nicht sonderlich beachteten Buches über Post Privacy, das Leuten wie Mspro das Wort redet. Zumindest bis zu diesem Irrsinn gerade eben.

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