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Mittwoch, 10. September 2014

Auf Augenhöhe.

Vor ziemlich genau einem Jahr sass ich also in der Lobby des Schwarzen Adlers in Sterzing, und draussen regnete es. Angst hatte ich keine, am nächsten Morgen würde es entweder mit dem Rad oder der Bahn nach Meran gehen, und zwar im Tal. Den Jaufenpass kann man schliesslich nicht im Regen befahren. So bin ich dann beruhigt zu Bett. Was sollte schon passieren.



Am nächsten Morgen war der Himmel blaugefegt und ich musste lernen, dass 30 Zähne vorn und 27 Zähne hinten bei den 1150 Metern hoch zum Jaufenpass und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 5 km/h nicht ausreichen. Kaum war ich daheim, baute ich in der Folge einige neue Rentnerkrücken. Zuerst das Fimas, mit dem ich die erste Kriecherei auswetzte. Im Winter dann das Viner für längere Touren, und das Ridley, um auch höchste und steilste Pässe wie den Penegal zu erklimmen. Ein S-Works Roubaix noch, weil man ja nie weiss, wer alles kommen mag. Und so habe ich im folgenden Jahr dann einige harte Alpenpässe genommen, und besonders oft den Jaufenpass.



Ich kenne inzwischen die Strecke und ich weiss, wie ich meine Kräfte einteilen muss. Ich weiss, was es oben gibt, und wie schnell ich fahren muss, um bei Tageslicht anzukommen. Ich habe ein Gefühl für all die Kurven und kenne den Unterschied beim Strassenbelag, und die angst vor einer Abfahrt in der Dämmerung ist schon lange gewichen. Und nach all der Kletterei kommt er mir auch nicht mehr so unendlich lang wie vor einem Jahr vor. Der Pass ist mittlerweile, was seine Herausforderung angeht, anstrengend, aber überschaubar.



Aber wie auch immer, der Jaufenpass ist eine Strasse, die Gott am siebten Tag entworfen hat, und es ist jedes Mal wieder eine neue Sensation, dort hinauf zu fahren und besonders, dort oben anzukommen. Die letzten 20 Meter hinter der finalen Tornate hinaufzukeuchen, abzusteigen und hinunter nach Strezing zu schauen, das man gar nicht erkennen kann, weil es zu tief im Tal verborgen liegt. Will sagen, nach zwei Jahren Training und dafür fünf Jahren Unfähigkeit, so etwas auch nur zu denken, ist der Pass einerseits machbar. Und doch wieder jedes Mal unglaublich.



Es sind nur 15 Kilometer, eine an sich läppische Strecke. Und mit jeder Kurbelumdrehung geht es nur ein paar lumpige Zentimeter nach oben. Mit dem richtigen Rad, mit der richtige Übersetzung ist das alles kein existenzielles Problem - nur eines mit dem eigenen Kopf, der dieses ungetüm von sterzing aus sieht und eigentlich gar nicht will, und dann doch gezwungen ist. Jedes Mal gibt es einen limitierenden Faktor, das Wetter, die Lunge, die Beine, eine Erkrankung - diesmal bin ich mit der typischen kieferpocherei hoch, die ich ganz natürlich wegen der Reise nach Freitag bekam - aber dieser faktor begrenzt nur die Geschwindigkeit. Er verhindert nicht das Ankommen. Und beim Weg hinunter nehme ich das Wissen mit: Es geht. Und wenn nichts dazwischen kommt, wird es auch sehr, sehr lang noch gehen, und wenn ich nun in der lobby sitze, dann ist es egal, ob es regnet, oder nicht. Ich komme da hoch.

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Montag, 8. September 2014

Eine eisige und eine warme Dusche

Komm, wir nutzen den Spätsommer, nehmen die schönsten Räder und fahren ins nahe Österreich, und schauen fast bis nach Italien hinüber.















Soweit also die Fahrt nach Tirol. Richtuing Süden verschwinden die Wolken udn die Kieferschmerzen vom letzten Freitag., als es gen Norden ging. In Tirol ist das Wasser grün, die Sonne funkelt und der Kaiserschmarrn ist kaiserlich auch vom Umfang her. Er macht rund und warm und die Heimfahrt verlangt danach, denn sie wird kalt und feucht und bietet leichten Regen, beständigen Regen, Platzregen, Gewitter und Hagel und durch letzteren hindurch eine rasende Fahrt entlang der Weissach, die sich zum Tegernsee stürzt. Da ist es dann wieder schön.



Und es gibt eine heisse Badewanne. Das schönste Gewässer dieser 3-Seen-Runde mit genau 100 Kilometern.

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Sonntag, 7. September 2014

Anthony am See

Von den tragenden Charakteren in “Brideshead revisited“ ist Anthony Blanche derjenige, dem man am ehesten das grosse Scheitern zumuten könnte: Er ist weder sonderlich sympathisch, noch übermässig freundschaftlich, er ist ein Aussenseiter und lebt seine Exzentrik auch noch auf eine Art und Weise aus, die es schwer macht, ihn dafür zu mögen. Sogar für Exzentriker ist er sicher keine Identifikationsfigur, und eigentlich sollte er ein warnendes Beispiel sein.

Aber das wird er nicht.

Anthony Blanche nämlich kommt immer durch. Schmähungen machen ihm nichts aus, Krisen kennt er nicht, und von Gefühlen lässt er sich nicht beeindrucken. Er ist überhaupt nicht romantisch, er hat nichts für die Welt übrig, und seine Analysen der anderen Protagonisten, die allesamt menschlich leiden und scheitern, sind ebenso erkenntnisreich wie grausam. Er ist unerquicklich ehrlich, man könnte seine Intelligenz schätzen, aber der Charakter an sich verhindert das, und der Umstand, dass er als einziger keinen Schmerz empfindet. Keinen Hass, noch nicht einmal Verachtung für seine Feinde, er riskiert nichts und kann deshalb auch nichts an andere Menschen verlieren.

Am Ende haben alle weniger und Anthony hat nichts. Damit hat er, würde man das buch durchrechnen, den besten Part dank Agonie und Abweisung.



Ich bin Teil der Medienkrise, einerseits als Autor bei der FAZ und andererseits durch mein die Medien unterminierendes Treiben dort. Solche wie mich wird man bei allen Krisen immer brauchen, und wenn es nicht mehr die Zeitung ist, wird es etwas anderes sein. Ich bin ein Plauderer wie Blanche und fürchte nicht die Frage, wie lange es noch mein Büro geben wird. Ich habe keines. Beim Stern erwischt es wohl prekäre Frauen und bei der Nannenschule wird bejammert, dass sich nur noch Bürgerkinder die Ausbildung leisten könnten, und Ärmere und Migranten draussen bleiben – womöglich ist das so. Und ich sehe auch nicht, dass diese Geschnittenen dann in der Lage wären, meinen Weg zu gehen. Ich finde es nicht schlimm, so ist das eben in einer Umwälzung.

Frank Schirrmacher sagte einmal auf der Buchmesse zu Alice Schwarzer, wir Männer würden später einmal als Greise am Alice-Schwarzer-Platz auf einer Bank an einem Blumenbeet sitzen und uns daran erinnern, wie es war, als der Journalismus noch nicht in den gütigen Händen der Frauen war. Er konnte auf eine Art süss vergiftetes Lob aussprechen, von der Anthony Blanche noch etwas hätte lernen können. Aber wie auch immer, es wird nie einen Alice-Schwarzer-Platz geben, und wir werden auch nicht mehr zusammensitzen. Julia Jäkel räumt bei Gruner und Jahr auf, und die Berater, die bei der FAZ nach Sparpotenzialen suchen, haben so wenig Geschlecht wie ihre Zahlen.

Evelyn Waugh treibt im Roman ein Spiel mit dem Leser, dauernd werden Figuren angeboten, die einem dann wieder genommen werden, und selbst der zurück blickende Erzähler steht kurz vor der Invasion der Normandie und weiss nicht, ob er überleben wird. Man hätte gern - von Ekel Rex Mottram und Cousin Jasper abgesehen - jeweils die besseren Seiten und Momente der Figuren, aber das geht nicht, und ich selbst, nun, ich bin ein wenig in der Rolle desjenigen, der man absolut nicht sein möchte.

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Samstag, 6. September 2014

Frankfurt

Vielleicht wird jetzt bald alles wieder besser und ich habe mehr Lust auf Internet oder auch generell "die Öffentlichkeit".

Was ich aber sagen kann. FAZ oder nichts. Ja, es hat Abwerbeversuche gegeben und natürlich versuchen jetzt manche, aus den Entwiklungen Profite zu schlagen. Ich bleibe so, wie ich bisher dabei war, mit den gleichen Konditionen und ohne Interesse, daran etwas zu ändern, denn es war gut unter Schirrmacher und ich möchte, dass diese Art Journalismus weiter geht. Mir ist durchaus klar, dass ich auf der Schirrmacherskala des Gonzotums am oberen Ende schreibe, aber das soll ja auch so sein, gerade, wenn andere das nicht tun.

Es wird dennoch Veränderungen geben, die schön länger eingeleitet wurden und hoffentlich bald zum abschluss kommen. Solange schon mal ein klassischer Internetrant über Öttinger in der FAZ und im immer noch nötigen Ausweich-Blog.

Wenn hier alles geregelt ist, kehre ich in die Berge zurück. Frankfurt ist einfach nichts für mich.

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Freitag, 5. September 2014

Rassisches Profilieren

Vor mir gehen zwei Männer afrikanischer Herkunft, der eine hat ein Rad und der andere hat keines. Ich bin zwischen Bahnhof und Hellerhofstrasse, und sie diskutieren lebhaft auf holprigem Englisch, dass es dem mit dem Rad zu langsam geht. You need bike, sagt er zum anderen, deutet auf seines und dann kommen sie an einem Strassengeländer vorbei, an dem mehrere Räder angekettet sind. Der eine bleibt stehen und der andere beginnt, an allen Schlössern zu zerren. Es ist mitten in Frankfurt, taghell, auf offener Strasse, Passanten gehen vorbei und hier zerrt einer also an Radschlössern.

Grüss Gott, sage ich, was tun sie da?

Die beiden wenden sich abrupt ab und gehen weiter, nicht langsam, aber sie rennen auch nicht davon und ich denke mir nach meinen Erfahrungen in Italien, dass das jetzt nicht so ganz klug war, aber wenigstens war der Schlossrüttler in der Hocke und ich weiss ja, dass sie dann gern erst mal gegen die Schienbeine und Kniegelenke treten - so akrobatisch war der Rüttler nicht drauf, und der andere stand hinter ihm.

Um das klar zu sagen: Daheim hatten wir solche Diebesprobleme auch schon mit Bulgaren und Deutschen. In der Nacht, aber nicht so und nicht so öffentlich und ich würde einfach aus solchen Gründen in Frankfurt nicht leben wollen, denn so ein Verhalten würde in der kleinen Stadt, aus der ich komme, bei Tageslicht immer auf Leute wie mich treffen. Selbst wenn dort nicht alle meine italienische Erfahrung haben.

Daheim rufe ich öfters mal die Polizei. Die hat früher nach der Herkunft der beachteten Täter gefragt, deutsch, russisch, türkisch oder dunkel. Das tun sie jetzt nicht mehr, man hat sie dazu trainiert, die Zeugen indirekt nach derartigen Merkmalen zu befragen. Das tut man hier heute so. Die einen winden sich, damit sie ja nicht rassistisch sind und die anderen rütteln an Schlössern.

Und in Berlin demonstrieren Leute auf einem Dach, die sich früher auf dem Oranienplatz als verfolgte Südsudanesen ausgaben, und sich jetzt verplappern, dass sie aus dem relativ demokratischen Niger lieber zu Gadaffi als Söldner in die Diktatur rübergemacht haben und nun ein Bleiberecht in Deutschland haben, weil es ja der deutsche Waffenexport und der Kapitalismus ist, der Menschen wie sie über das Meer nach Italien und weiter nach Berlin treibt.

Say it loud, say it clear
Grüss Gott. Das Rad bleibt hier

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Sonntag, 31. August 2014

ICH HASSE JAVASCRIPT

Hier stand gerade ein Beitrag über den Focus und er war ein paar tausend Zeichen lang als Ergänzung zu dem, was ich über dessen Leser in der FAZ und nicht minder deutlich im Kommentarblog geschrieben habe.

Als die FAZ-Blogs vor anderthalb Jahren in einem Technikdebakel dem Leser und den Autoren zugemutet wurden, habe ich dem damals Verantwortlichen nach einer kleinen Vorführung seiner diversen Bugs gesagt, dass sein Javascript wörtlich "Dreck" ist. Und dieser Dreck hat auch jetzt, anderthalb Jahre später, den Browser abgechossen, mit dem fast fertigen Beitrag, bei dem nur noch die Links fehlten. Wordpress ist super, solange man da kein krankes Javascript dranbaut. Zum Glück wird das bald alles anders

Man bedanke sich also bis dahin bei Leuten, die ums Verrecken ihrer eigenen Inhalte und der Arbeit anderer Leute unbedingt Javascript auf der Seite haben wollen, wenn es jetzt hier etwas kürzer bleibt.

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Mittwoch, 27. August 2014

Zugegeben:

Musik von Friedrich II. ist nicht so ganz meine Sache und mit Traversflöte habe ich gewisse Probleme; wenige Instrumente klingen so sehr nach hysterischer Schwiegermutter, die eine Woche lang die falsche Telefonnummer immer wieder vergeblich versucht hat und nun glaubt, das Paar sei aus Griechenland vom Kalifat verschlept worden und sie hat es ihr ja immer gleich gesagt, dass der nichts taugt.. Aber so ist das eben in Konzerten und daher hatte ich auch Zeit zum Nachdenken, warum ich hier im Saal bin und andere nicht, und sich statt dessen den ganzen Irrsinn der gegenwärtigen Gewaltmedien antun. und darüber habe ich in der FAZ und im Kommentarblog jeweils einen längeren und ruhig bebilderten Text geschrieben.

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Sonntag, 24. August 2014

Pelzbesatz

Der Pelzbesatz ist eine gute Ausrede. Denn natürlich kann ich damit behaupten, dass es in diesem Sommer so kalt war, und ich deshalb um so leichter dafür anfällig wurde. Nachgerade absurd, noch absurder als diese Frisur, die nie wieder in der Weltgeschichte höher werden sollte, ist der Umstand, dass eine etwas ältere Dame so einen Ausschnitt zeigt und dann den Rand mit einem Pelzbesatz wärmt. Kein Wunder, dass sie damals oft früh starben, aber so ist das nun mal mit der Schönheit: Im nachfolgenden, angeblich ach so bescheidenen und sittsam bürgerlichen Biedermeier verwendete man hochtoxische Quecksilberpasten zum Bleichen der Haut.



Alles nur für die äussere Erscheinung.

Eine andere gute Aurede wäre natürlich, dass ich an diesem Bild Demut vor weiblichen Eigenheiten üben kann; Nicht fragen, einfach akzeptieren. Im Vergleich zu unserer magersüchtigen Gegenwart mit Piercings und Blauschimmel wird so ein Verhalten auch nicht wirklich klüger, aber da ist wenigstens nichts, was man nicht schnell mit einem Brusttuch beheben könnte. Oder einem Feuer im Kamin, oder wenigstens der Hoffnung, dass der Gegensatz von Haut und Pelz allein dem Willen des Malers und der Auftraggeberin entsprungen ist, und sie freizügiger wirken sollte, als sie letztlich war. Sind sie das nicht immer?

Und natürlich weiss ich, dass es damals nicht besser war und damals jede, sofern das Geld vorhanden gewesen wäre, zum Kurpfuscher für eine neue, moderne Lyotardnase gerannt wäre - nur ging das damals noch nicht. Damals ging nur Wachsschminke und Turmfrisuren und ein riesiger Ausschnitt, und ein passender Pelzflauschrahmen. Frau muss tun, was möglich ist und Männer nehmen, was sie kriegen können. So ist das immer, und hier ist nur der Umstand zu bemerken, dass zwischen Frau und Mann üppige 240 Jahre liegen.

Wo hänge ich das jetzt nur auf?

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