Mechanik oder In die Art geschlagen

Beim Durchschauen alter Familienalben festgestellt: Die Neigung, sich mit benzingetriebenen Gefährten bildlich zu verewigen, gibt es bei unserer Familie seit 100 Jahren, hier etwa meine Grossmutter Anno 1948, mit Kleid, Brille und hohen Absätzen auf etwas Lautem, das man nur bedingt als damenhaft bezeichnen kann.
Ist doch nett, wenn man sich ans Auto lehnen und sagen kann: Das ist keine Angeberei, das ist nur die Familientradition.

Das ist auch der einzige Punkt, warum mich die Benzinpreise wirklich ärgern. Bekanntermassen halte ich weder veränderte Urlaubsgewohnheiten noch ein Ende der überflüssigen Mobilität für unerfreulich; ganz im Gegenteil, die Welt wurde in den letzten Dekaden doch etwas zu klein, und das beim Verlust von Heimat, Herkunft und Geschichte -oder glaubt jemand ernsthaft, dass Berlin-Mitte-Prekaristen den Raum haben, einen Meter Photoalben aufzuheben? Aber es sind diese Bilder, die weniger die Mobilität ausdrücken, als vielmehr die Möglichkeit, mobil zu sein. Wenn wir übereinkommen, dass die Seestücke der Niederländer Ausdruck der Kultur des 17. Jahrhunderts sind, und die Eisenbahnen die Ikone der Fortbewegung des 19. Jahrhunderts, müssen wir auch dem Auto, trotz allem, Umwelt, Gefahr, Raubbau, eine gewisse Kultur zusprechen.

Letzte Woche war ein Photograph hier, der nach guten Locations für ein medial verwendbares Bild suchte (falls Sie aktuell von Spon oder vom Spiegel kommen, genau, das Bild, schönen Tag übrigens). Nach all den Bildern im 408 Jahre alten Kollegiatsgebäude hätte es ihm gefallen, noch ein Bild mit einem alten Auto zu haben. Diese Blechkisten, die alten zumal ohne Katalysator und ABS, die keine fahrenden Computer sind und in denen man noch richtig starb, wenn man sich vor der Kurve verbremste, die reine, anfällige Mechanik, die wir sonst nur noch haben, wenn wir eine alte Uhr tragen, das alles übt einen enormen Reiz aus, weil es noch da war, weil man es noch kennt, aber gerade zu Ende geht und nie mehr kommen wird.

Ich musste letzte Woche schnell von Heidelberg zurück nach Bayern. Es war Nacht, und ich sass am Steuer eines modernen Sportwagens mit 270 PS, der stehenbleibt, wenn man den eingebauten Computer ausschaltet, und der erst mal booten muss. Es war schnell, gefahrlos und gestorben wird nur vor Langeweile. Eine Woche davor war ich mit der Barchetta - kein ESP, kein ABS - auf verwinkelten Bergstrassen hoch über dem Inntal, nie schneller als 80.



Das kleine Risiko, das man mit mechanischen Uhren eingeht - sie können stehen bleiben, und man versäumt die wichtigsten Termine des Lebens - ins Grosse übertragen, das lebt auf den holprigen Strassen, aber es fehlt bei der heutigen Mobilität vollkommen. Mechanik ist wie eine Droge, sie liefert bestenfalls das, was sie kann, und schlechtestenfalls ein Ende, von dem noch Generationen reden werden. Vor allem, weil es das später nicht mehr geben wird, weil es zunehmend verboten ist, gefährliche Dinge zu tun, mit dem Tod zu wetten und auf der Messerschneide zwischen Lebensgier und Todestrieb loszubrettern. Meine Grossmutter war eine über die Stadtgrenzen hinaus gefürchtete Pilotin, und selbst im Wissen, dass sie all ihre Rasereien immer gut überstanden hat, würde ich nach diesem Bild , wenn sie so losfährt, mit diesesn Schuhen und ohne Helm, auch in Versuchung kommen, ihr mehr Sicherheit einzureden. Allein schon, weil es für die Kinder ein schlechtes Beispiel gibt.

Folgerichtig wurde meine Mutter dann aber die sicherste und dezenteste Autofahrerin der Welt. Man kann es nie wissen. Alles, was ich weiss ist, dass mir die Mechanik in der Zukunft fehlen wird, und es ist nicht gut, dass sie zum Sklaven der Computer gemacht wird. Ich mein, was soll der Scheiss: Ein gedämpftes Gaspedal? Niemand wird sich jemals so auf einen Rechner setzen. Alles wird leiser werden, abgesicherter und mit der Sicherheit, dass wir im Altersheim nochmal 10 Jahre länger an Demenz leiden, als unsere Eltern. Meine Oma hat zwar auch sehr schnell gelebt, ist aber in geistiger Frische mit 92 alles andere als jung gestorben.

Und das erscheint mir auch ein ganz ordentliches Analogkonzept für die biologische Mechanik zu sein, die man Leben nennt.

Montag, 21. Juli 2008, 23:32, von donalphons | |comment

 
Ich bewege mich da gerne zwischen beiden Welten, mag aber nicht die Dominanz der Nüchternheit, die vielen Dingen jeglichen Zauber raubt. Mir gefällt die Technik, aber auch die umweltverschmutzende Lokomotive, der knatternde Oldtimer mit seiner nicht Windkanal erprobten Form, der Füllfederhalter neben dem Laptop, das griffige Buch gegenüber dem Ebook - das alles hat Scharm, eine Klasse für sich eben. Mittels Fortschritt, ohne diese dennoch missen zu wollen, gerät doch vieles zu Einheitsbrei.

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Stalin sagte zwar, dass Quantität eine Qualität für sich selbst ist, aber das bezog sich auf Panzer. Auf das Mehr der Wegwerfprodukte ist das aber nicht übertrgbar. Vielleicht wird man feststellen, dass in vielen Bereichen der Elektrobarock auf dauer einfach zu anfällig und zu stromintensiv ist. Und über die Lebensdauer von Digicams und Notebooks muss man hier erst gar ncht reden.

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Selbst bei Notebooks gibt es gewisse Unterschiede, die fuer eine laengere Lebenszeit sorgen. Mein 12" -Kraftbuch hat inzwischen 3 1/2 Jahre auf dem Buckel, reist im Urlaub immer auf dem Motorrad mit und zeigt bislang keinerlei Ermuedungserscheinungen, selbst der Akku haelt noch gut 3 von den urspruenglich 5 Stunden durch - und wegen der idealen Groesse moechte ich auch gar kein anderes haben. Haette ich seinerzeit ein gar nicht so viel guenstigeres PC-Modell inklusive Fenster-Aerger vom Discounter nebenan erstanden - wer weiss... und die erste Digicam war seinerzeit auch richtig teuer, ist 6 Jahre alt und macht nach wie vor prima Bilder, die sich trotz "nur" 2 Megapixel bequem auf DIN A4 vergroessern lassen (wenn sich inzwischen auch eine groessere dazugesellt hat - aber die will man ja nicht immer mitschleppen). Es ist eben wie mit allem - wer am falschen Ende spart, der spart am Ende nichts.

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Das 12' Kraftbuch soll ja das letzte qualitativ hochwertige Produkt des Herstellers gewesen sein. Ich habe vier Denkbretter, die nicht kaputt zu kriegen sind. Das älteste von 1999.

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Denkbretter

Davon bekomme ich gezwungenermassen alle 2 Jahre ein neues aus der Serie T - kann ich ebenfalls bestaetigen, die waren bisher sehr solide. Das Neue muss sich jetzt erst wieder bewaehren... nur mit der (Standard-)Akkulaufzeit hadere ich ein wenig - viel mehr als 2 Stunden gab es da nie.

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Ach Don es gibt Dinge die vergehen nicht. Mein Superduperfunkdingsbumshochverfügbarkeitszeitmesser ist praktisch für den Alltag, aber wenn es um das Leben geht, kommt er nicht mit.

Du kannst mit der Isetta nicht schnell fahren, aber die schönsten Mädchen fragen dich ob sie mit dürfen. Du kannst die an elektronischen Aufschnittschneidemaschinen kaufen was du willst. Wenn du einmal ein Stück Präzisionsarbeit in der Hand hattest bist du verloren.

Das vererbst du an deine Kinder. Das ist Haltung. Ich habe zur Zeit keine Wiese die ich mähen müsste, aber immer noch drei der der besten Sensenblätter (neu) und mehrere Gebrauchte, die es auf dieser Welt gab.

Qualität wird es immer geben, nur der Schund verschwindet. Glücklicherweise.

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Jochen, leider erscheint es mir genau umgekehrt - es gibt immer mehr Schund, und die Qualität stirbt langsam aber sicher aus. Warum? Weil die meisten nur noch billig können - ohne auch nur im Ansatz zu begreifen, daß man sich auch zu Tode sparen kann (bildlich gesprochen).

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Mir scheint,
die Wahrheit liegt irgendwo zwischendrin. Neben der großen Masse an Schund und Schrott hat das qualitativ hochwertige noch immer seine Nische gefunden. "Es gibt sie noch, die guten Dinge", heißt es ja so schön bei einem bekannten Versandunternehmen. Und nicht immer erschließt sich mir die Faszination. Das Thema Luxusuhren etwa, das in Hochglanzblättern alle Jahre wieder Sonderseiten-Strecken in Ottokatalog-Stärke zeitigt, lässt mich sowas von kalt. Ich wollte so ein vermeintliches Präzisionstrumm nicht geschenkt am Handgelenk (oder sonstwie) rumschleppen müssen. Uhren habe ich im Rechner, im Handy, in den Auto-Armaturen, alle paarhundert Meter ist hier irgendwo da draußen eine Nortmalzeituhr, desweiteren verfüge ich über ein passables Zeitgefühl, also geht mir weg mit Euren welschen Protz-Chronometern. ;-)

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Schade.
Ich wollte hier ja eine kleine Reihe machen mit dem Thema "Wohin in der Krise mit meinen 10.000 Euro" basierend auf den Erfahrungen meiner Familie, und da hätten mechanischer Wirtschaftswunderuhren von Longines, Bucherer, Gruen und Girard Peregaux natürlich auch einen Teil des Invstments ausgemacht: Klein, tragbar, in Krisen wertbeständiger als Geld, man hat einen Nutzen davon und obendrein etwas, das einen dauerhaft von der vollkommenen Verwahllosung abhält. Ein Stück Stabilität, das man häufig zu Gesicht bekommt. Gerade jetzt kann man bei den Amerikanern ganz grandiose Spekulationsgewinne machen.

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Der Schund rotiert schneller als die Qualität, das ist wohl sein ganzes Geheimnis. ich würde auch die Industrialisierung keinesfalls verdammen wollen, aber da, wo Technik den Menschen entkoppelt, muss man sich nicht wundern, wenn sich Menschen dann über einen tastatur, eine Software, ein social Network und andere geliehene Dinge definieren. Man hat mehr, besitzt aber weniger. Man sieht mehr, erlebt aber weniger.

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@10:58 Uhr:
Nur zu, lass Dich von meinem Einwurf nicht abhalten. Wenn ichs jemandem zutraue, die Sinnhaftigkeit einer solcher Anschaffung nachvollziehbar zu machen, dann Dir.

Aber eben nicht den armen Kollegen, welche die redaktionellen Begleitposaunen zu den alljährlichen Anzeigenstrecken von Ebel, Jaeger-le-Coultre & Co. in der "GQ" und anderen einschlägigen Magazinen blasen müssen.

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A propos Ihr: Man beachte das linke Handgelenk mit der über dem Kleid getragenen Uhr! So erkennt die sportliche Dame stets ihre Rundenzeiten auf dem Altstadtkurs. Das ist der Stil der modernen Frau: Schnell - sportlich - und trotzdem elegant!

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@mark793 - sicher gibt es noch Qualitaet, aber wenn ein Produkt erst einmal den Massenmarkt erreicht hat, dann muss man die mit der Lupe suchen - ein schoenes Beispiel sind aktuell die LCD- und Plasmafernseher, wo sich auch viel Schund fuer kleines Geld tummelt, jetzt wo jeder unbedingt so ein Ding haben will...

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Wäre ich
ein Fliegeras im ersten oder zweiten Weltkrieg gewesen, wäre ich mit Sicherheit auch nicht ohne Pilotenuhr ins Cockpit geklettert. Man musste ja schon genau wissen, ob der Feindflieger von Dreiviertel oder von Viertel vor kommt. ;-)

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@virtualmono:
Ja, richtig, Masse und Qualität schließen sich ab einer gewissen Stückzahl-Dimension fast zwangsläufig aus - vor allem in Produktkategorien, in denen der Preis das dominierende Auswahlkriterium ist.

Dass das "gefühlte Schnäppchen" - sei es aus dem Media-Murks oder dem schwedischen Furnierbretter-Mitnahmemarkt - bei Licht besehen eigentlich keins ist, war hier ja schon öfters Thema.

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Präkariatsvorfahren beim Vorfahren?
Ooops, ist das da ein Berliner Nummernschild auf der Karre? Ich kenn mich ja nicht aus mit Nachkriegs-Krad-Kennzeichen (oder ob das Bild abgeschnitten ist), aber sollte die werte Verwandtschaft doch nur kurz aus der berliner Mietskaserne heraus und auf ein herumstehendes Krad geklettert sein?

((Und sollten wir dann die mit Verve vorgetragenen Attacken gegen Berlin-Mitte-Prekaristen doch nur als einen gut-freudianischen Vorfahrenmord verstehen?))

Und wer jetzt noch weiß, wo die weißblauen Kräder (?) gebaut werden (wo ist sie, die Wisdom of the Crowd), der kommt ja vollends ins Trudeln zwischen Inntal, Heidelberg und Balin...

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Da fehlt ein A vor dem B. AB war die amerikanische Besatzungszone, für die mein Grossvater als eingesetzter Antinazi als Beamter unterwegs war. Und das wiederum bedeutete, dass er nicht nur an Motorräder kam - das hier war davor von der Wehrmacht requiriert worden - sondern auch an Benzin, was damals wie heute wohl das grössere Problem war.

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(Und als Kinder sangen wir zutreffend:
Meine Oma fährt Motorrad
ohne Bremse ohne Licht...)

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Klasse Frau.

Wenn die Energie immer teurer wird, lohnt es sich nicht mehr Schund herzustellen und zu transportieren.

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Das Bild kommt aus einer ganzen Packung von ähnlichen Aufnahmen. ich frage mich ja immer, wie es wohl wäre, wenn man schon damals auf Zurückhaltung und Demut gesetzt und es als überflüssig erachtet hätte, sich mit gefährlichen Luxusprodukten zu umgeben. Da sehe ich heute so einen gewissen Mangel, der in den kommenden Jahrzehnten unsere Zeit wird ärmlich wirken lassen - falls irgendeines der digitalen Bilder ohnehin überlebt.

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>falls irgendeines der digitalen Bilder ohnehin überlebt.

Das ist fürwahr ein interessanter Aspekt des digitalisierten Lebens. Wenn ich da schon sehe wie man sich in diversen Archiven abmüht, irgendeine Art Verläßlichkeit hineinzubringen, da graut es mir regelrecht vor der nahen Zukunft. Meines Urgroßvaters Bilder besitze ich heute noch, wo aber sind die unsrigen in vielleicht zehn Jahren? Die digitale Schnelllebigkeit wirkt in beiderlei Hinsicht mehr als desaströs.

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In der Forschung geht man davon aus, dass am Ende jedes Jahrzehnts nur die Hälfte aller längerfristigen Produkte noch existiert. Das schwankt von Objektgruppe zu Objektgruppe, je nachdem, wie sie verwendet werden kann; beim guten Geschirr sieht es anders aus als bei Fernsehtruhen. Selbst bei uns ist, wenn wir mal die Phase des grossen Reichtums im frühen Kaiserreicht nehmen, wenig übrig geblieben: 4 Schränke, drei Kommoden, eine Uhr, ein paar Stühle und Tische, sowie - eine gute Hausfrau wirft nichts weg - ein paar gefühlte tausend Tischdecken und Bettbezüge, die aber heiss beliebt und bei Besuchen begehrt sind. Aber das ist schon, relativ gesehen, sehr viel.

Durch das Einfache des Wegwerfens und die Anfälligkeit der Technik - Festplatten rauchen nun mal häufiger ab als Häuser - wird diese Reduktion sehr viel spitzer. Nicht nur das Leben beschleunigt sich, sondern auch sein Zerfall.

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@13:49 Uhr:
Das klingt jetzt aber schon fast wie eines der letzten Editorials von Poschardt in der VF, wo er sich (mal wieder) ellenlang über den angeblichen Gleichmacherei-Fetischismus der Deutschen aufregte und beklagte, dass es hierzulande zu wenig gesellschaftliche Würdigung erfahre, die luxuriösen Früchte seines erfolgreichen Schaffens freimütig zur Schau zur stellen wie etwa in Amerika.

Hier in Düsseldorf und Umgebung sehe ich von diesem "gewissen Mangel", den Du da konstatierst, ehrlich gesagt ziemlich wenig. Und diese Leute werden schon wissen, wie Sie ihren Luxus in effigie perpetuieren werden. Da mache ich mir wenig Sorgen.

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Gut. Düsseldorfer Kö und anderes ist eine geschmacklose Welt für sich, darauf möchte ich mich erst gar nicht beziehen. Aber wenn ich mir nur mal all das Genöle diverser Blogger anschaue, von des Schwenzels Blogfamilie bis Lanu, wenn ich hier mal wieder ein Bild von mir und der Barchetta bringe, und dazu noch das Hintenrumgetratsche nehme, das man mit diesem nun wirklich kleinen Ausderreihederversagertanzen durch einfachsten Mittel auf sich ziehen kann, dann sehe ich auch sowas wie einen - für mich irrelevanten - Druck, sich einem gewissen Mainstream der zur Schau getragenen Nichtshabrigkeit anzuschliessen. In diesem pseudoalternativen Umfeld gedeihen dann die diversen Internetschnorrer, die "anders" tun und sich trotzdem für einen mp3-Player jedem Kunden an den Hals werfen, die den Bütteln der chinesischen Mörder in den Arsch kriechen und generell zu haben sind, während sie andere, die nicht käuflich sind, blöd anmachen. Jeder von denen meint das recht zu haben, den eigenen Mainstream zu definieren und den anderen auszuschliessen, der sich nicht anpasst. Schlimmer als Neureiche sind nur Arme, die auf teufel komm raus neureich werden wollen und solange alle anpissen, die schon etwas länger etwas weiter sind.

Ich halte es für legitim, eine, verwenden wir das Wort ruhig, Rolex zu kaufen, die von Künstlern hergestellt wird, und ich halte nichts davon, chinesischen Plastikdreck am Handgelenk zu haben - das ist in meinen Augen sowas wie der billige Atomstrom des kleinen Mannes. Ich habe von meinem Onkel eine Rolex geerbt, die ihm 40 Jahre gedient hat, und die mir vermutlich ebenso langoder länger dienen wird. Und natürlich setze ich mich damit ab. Das liegt in der Natur der Sache. Ich finde, man kann auch mal darüber reden. Luxus mag mitunter amoralisch sein, aber die Gleichung teuer=verkommen=angeberisch ist mir zu simpel, zumindest solange Leute bergweise Klamotten bei Tacko kaufen und es geil finden, dass der Döner in Berlin 1,50 kostet. Und bevor ich ein verkommener Gewinnspielheuchler wie der Nerdcorebetreiber werde, bin ich lieber mit mittelgrosser Geste und auf eigene Kosten anders. Ich finde Armut extrem ungut, es ist und wird noch viel mehr eine Geissel dieser Gesellschaft, und denke, dass sich da was ändern muss. Das geht aber neben der Umverteilung nur mit Alternativen zur Armut, mit Chancen und Zielen, die man vermitteln muss.

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Dass es bezüglich der Präsentation
von Luxus sehr unterscheidlich gelagerte Schmerzgrenzen gibt, ist sicher richtig. Und speziell im Umfeld gewisser Berliner Bloggerfamilien ist man da auch nicht so völlig frei von Sünde, dass man problemlos den ersten Stein Richtung Stadtpalast oder Gebrauchtcabrio werfen könnte. Aber das nur am Rande.

Ich wollte auch meinen Einwand auch nicht so verstanden wissen, dass ich Dein Anliegen hier mit dem Ding von Poschardt und Konsorten gleichsetzen wollte. Dass die ihrer erhofften Anzeigenklientel nach dem Mund reden müssen und gar nicht anders können, liegt ja auf der Hand. Dort war die Message ja eher: Schämet Euch nicht, den übrigen Verkehrsteilnehmern mit Euren geleasten Stretch-Humvees die Sicht zu nehmen, da gings nicht um Schönheit und Nachhaltigkeit, sondern um eine billige Ranschleimerei an die Protzokratie. Das ist es, was mir an dem Editorial vom Poschi das Weihnachtsgebäck des Vorjahres wieder hochholte.

Aber auf den Zusammenhang von Billigkaufe und unwürdigen Produktionsbedingungen von Massenramsch kann man gar nicht oft genug hinweisen. Und konkret vorgelebte Beispiele dafür, wie es auch anders geht, sind immer willkommen.

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Na was solls? Anfangs als ich über diesen Blog stolperte ging ich auch schnell weiter, ob des oberflächlich zur Schau gestellten dekadenten Habitus. Später kehrte ich wieder und las die zugehörigen Texte ein wenig eingehender. Ich denke doch hier geht es weniger um zur Schau gestellte Anlageobjekte, sondern mehr um den ideellen Wert, auch wenn teils der materielle Wert nicht zu leugnen ist. Darüber hinaus ist ein Laptop, eine Netzpräsenz, der zugehörige Computer etc. auch nicht unbedingt das was Otto-Normalbürger als Standard ansieht. Für viele Menschen stellt das auch noch ein Luxus dar, ebenso die damit totgeschlagene Zeit.

Das Kleider zwar Leute machen ist in der Gesellschaft wohl unbestritten, aber wenn man sich nur auf diese Fassade konzentriert hat man in meinen Augen schon verloren. Neid jedoch kann ich selbst auch bei der einen oder anderen hier gesehenen Sache nicht leugnen, wenn man die Dinge zu schätzen weiß ist dies wohl mehr als natürlich. Allerdings wüßte ich auch nicht warum ich ob dieses gelegentlichen Aufflammens eben dieses "Neids" den Autor dieses Auftritts verdammen sollte - das wäre wiederum widersinnig.

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Die Kunst und die Verpflichtuntg ist es mutmasslich, so zu sein, dass man sich von den Poschardts dieser Welt abgrenzen kann, ohne in einen billigen Populismus zu verfallen. Das ist mitunter schwierig, weil die Sachkultur sehr ähnlich ist - bei Voltaire standen schliesslich auch die gleichen Kommoden wie bei den Jesuiten. Und während intern jeder weiss, wer neureich ist und wer nicht, muss man das extern vermutlich weitaus besser erklären. Ich bin der Überzeugung, dass sowohl VF als auch Park Avenue so miserabel ankommen, weil sie sich auf die Zielgruppe der Neureichen und derer, die sich was leisten wollen, eingeschossen haben, und nun feststellen, dass ihr Themenmix dafür nicht reicht. Es gibt zwar Untersuchungen über "Vermögende", aber wer solche Leute kennt, weiss, wie heterogen und zerklüftet diese Gruppe ist. Ich weiss auch nicht, ob es überhaupt möglich ist, in Deutschland so ein Magazin zu machen - aber was an der Kö geht, wird am Tegernsee nicht möglich sein. Nicht, weil das eine besser als das andere ist, sondern weil es einen extremen Abgrenzungswillen gibt -den man ruhig auch mal schärfer nach draussen formulieren könnte.

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13:49: einspruch, euer ehren!

luxus ist doch nicht immer gleich teuer. zum beispiel ist ein kammerkonzert in der pfingstkirche am petersburger platz in friedrichshain immer mittwochabends für keinen eintritt ungeheurer luxus, wenn man bedenkt, was beispielsweise ein ort in simbabwe oder südchina an wirtschaftlicher, kultureller und politischer entwicklung hinter sich lassen müsste, um seinen bürgern derartiges zur verfügung zu stellen. hingegen ist billig wie in "ich bin doch nicht blöd" sogar in wahrheit teuer, wenn man die produkte nach ihren eigentlichen kosten berechnet (einsatz an gütern, energie, arbeitzeit etc. nach gerechten preisen). ein gericht bei burger king für eine person ist im vergleich zu einem gesunden mahl für vier personen aus saisonalem gemüse und kartoffeln ungefähr doppelt so teuer (also eigentlich achtmal so teuer bei vier personen) - ist es deshalb im vergleich zum selbst gekochten essen "luxuriöser"? zeugt selber kochen, weil "billig", von kulturlosigkeit?

etwas anderes ist die emanzipierte dame auf dem motorrad. ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt etwas mit luxus zu tun hat.

und was ist an "zurückhaltung und demut" schlecht? sind arme immer demütig und zurückhaltend? oder sind arme bloß aus bosheit arm, obwohl sie längst reich sein könnten, wären sie nur weniger zurückhaltend? und betrifft das nur berliner blogger? und bin ich dann auch damit gemeint? dann wäre ich beleidigt.

das mit den uhren verstehe ich allerdings.

15:33: wieso sollte man einen abgrenzungswillen schärfer nach draußen formulieren, wenn man nicht doch der überzeugung ist, dass das eine besser als das andere ist?

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@Luxus = teuer?
Ich hatte für das Trend-Bulletin eines nicht wirklich unbekannten Trendforschungsinstituts vor paar Jahren mal was zusammenfabuliert geschrieben über Luxusformen, die sich nicht direkt in monetären Gegenwert umrechnen lassen und künftig wichtiger werden. Ganz weit vorne sah ich damals den Luxus, selbstbestimmt über seine Zeit verfügen zu können (ok, nicht wirklich bahnbrechend neu, aber das war lange vor "Wir nennen es Arbeit) und: Anonymität (das exzessive Strippen mit persönlichen Daten im Web 2.0 war da auch noch nicht abzusehen). Das Luxusgut Anonymität würde ich gerade im Lichte der ganzen Privacy- und Datenschutz-Debatten rund um soziale Netzwerke noch wesentlich höher veranschlagen als damals.

Und Luxus mit Blick auf die Dame auf dem Motorrad würde ich auch so definieren, in einer Position zu sein, in der man auf gesellschaftliche Normen und Empfindlichkeiten auch mal pfeifen kann. Meine Oma wäre von der Verwandtschaft und der Dorfgemeinschaft in ihrem Bauernkaff wohl in die Geschlossene verbracht worden, wenn sie auch nur den Gedanken geäußert hätte, dass sie gern mal Motorrad fahren würde. Den materiellen Anschaffungswert von so nem Mopped hätte man sich zur Not ja noch aus den Rippen leiern können, ohne einen Acker verkaufen zu müssen. Aber das ist nicht der Punkt...

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auf gesellschaftliche normen pfeifen zu können, ist eine errungenschaft der "bohème" bzw. des politischen bürgertums, und mit der aneignung herkömmlich männlich besetzter handlungsweisen wie dem motorradfahren (oder auch etwa dem studieren vom medizin, jura oder naturwissenschaften) hat sie einzug in die gehobene mittelklasse gehalten. im kreis der sogenannten elite, also den erb-, nicht den neureichen, ist es sogar aktuell noch so, dass man sich an gesellschaftlichen empfindlichkeiten stört. dort darf man sich nach möglichkeit nicht einmal scheiden lassen, weil es missbilligung durch die peer group hervorruft. geschweige denn, etwas wirklich anderes als für diese schicht übliches zu arbeiten. ich kenne da ein paar leute, die mir richtiggehend leid tun - vor allem juristen und "adelige" (meistens sind sie beides).

mit der verfügbarkeit der eigenen zeit hast du vollkommen recht. was privacy angeht, wahrscheinlich auch - aber da verändert sich der autonomiebegriff derzeit womöglich von einer wahrung der privatsphäre zu einem eigenbestimmten lancieren "privater" informationen.

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Die "reine, anfällige Mechanik" ist oft so anfällig nicht.

Meine afrikanischen Freunde fahren alle uralte Jeeps, die von findigen Dorfmechanikern in Schuß gehalten werden können. Die modernen, elektroniküberfrachteten Nachfolgemodelle können da einpacken, bzw. die Mechaniker sich nur noch ratlos am Kopf kratzen.

Und meine alte Junghans hat mein Großvater (als es noch seine war) immer eigenhändig repariert. Irgendein Quarzdingsbumsteil muß im besten Fall "eingeschickt", im schlimmsten Fall weggeschmissen werden.

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Ich gehöre vermutlich zu den letzten Jahrgängen, die, bei durchschnittlichem Lebensverlauf, mit einem weitgehend elektronik-freien Auto aus den frühen 90ern das Fahren erlernen. Meine zwei Jahre jüngere Schwester fährt bereits mit ABS und Servolenkung.

Meine Uhr erbte ich von meinem Großvater. Meine einzige Armbanduhr und sie wird nur sonntags getragen.

Das Problem welches sich mir persönlich stellt, Qualität überhaupt vom Schund zu unterscheiden. Damit meine ich nicht offensichtlich Minderwertiges, sondern teure "Luxusgüter" die letztendlich gar nicht hochwertig sind. An wen wendet man sich, wenn weder Familie noch Lebenserfahrung einen leiten können.

"Schwenzels" setzen sich nicht durch, zumindest nicht hier in Ostfriesland und auch an der Lahn ist mir dieses Verhalten noch nicht untergekommen.

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