Die zweite Stufe

Meinen Aufenthalt im Würzburger Schlossgarten habe ich abrupt beendet. Ich war zwar ohnehin durch und durchgefroren, aber als die Nachricht kam, dass im Haus zwei Leitungen gefroren sind, rannte ich zum Auto und fuhr heim. Mit Tempo 200.



Geplatzte Leitungen sind schon in modernen Häusern unschön, aber ich wohne in einem Baudenkmal, wo schon eine übergelaufene Waschmaschine Folgekosten von 10.000 Euro haben kann. Die Reparatur einer verzogenen Tür aus der Zeit um 1720 würde mehr kosten, als eine neue Tür mit Rahmen und Einbau. Und weil das Haus in manchen Bereichen - wie etwa meine Wohnung - immer noch manche Drähte aus der Zeit besitzt, in der Elektrifizierung der avantgardistischste Schnickschnack war... 200 ist nicht langsam, man sollte sich konzentrieren, aber es geht einem viel durch den Kopf. Ich hatte das alles schon mal, ich muss das nicht nochmal erleben.



Normalerweise führen solche Vorgänge, selbst, wenn sie der Nachlässigkeit der Mieter und nicht der Qualität des Hauses geschuldet sind, im Familienrat zur Diskussion, ob es nicht doch besser wäre, den Stadtpalast mit seinen 50 plus x Räumen und Hinterhaus und Holzlegen und Waschhaus zu verkaufen. Nachdem man mit solchen Objekten Steuern sparen kann, wäre es absolut kein Problem, einen Käufer zu finden, und unter normalen Bedingungen ist das klassische Argument: Wir verkaufen es, und wir haben ausgesorgt. Gerade meine Frau Mama, die ein gespaltenes Verhältnis zum Haus hat, versteht sich darin fast so gut, wie ich in der Empörung, für so etwas banales wie Geld 160 Jahre Familientradition zu verkaufen. Geld hat jeder Depp, aber wer hat schon einen Stammsitz? Als diesmal jedoch die Gefahr gebannt war, dachte niemand daran, sich der Sorgen mit einem Verkauf zu entledigen. Vielmehr sprachen wir über ein anderes Haus.



Ein Haus, das die Tochter von Bekannten bewohnt. Ein kleines Haus, das meine Eltern kauften, um dem Wohnfluch im Stadtpalast zu entgehen, den alle Generationen davor klaglos hingenommen hatten, und den ich so schätzte, dass ich mit fünf zarten Jahren plärrte und schrie, als ich aus dem Geburtshaus - und hoffentlich dereinst auch meinem Sterbehaus - ausziehen musste. Die erste Immobilie in einer Vorstadt reichte bald nicht mehr, und so bauten sie ein anderes, und vermieteten das kleine Haus. Dessen Mieter nun würden es gerne kaufen, das Geld wäre da, der Preis hätte sich in den letzten 35 Jahren auch angenehm vervierfacht. Es wäre weniger Arbeit für mich, und genug, um -



um was? Dann hat man Geld. Genau zu dem Zeitpunkt, da die grosse Bankenkrise in ihre zweite Stufe tritt. Bisher hatten wir, um eine Flugzeuganalogie zu bemühen, das Versagen der Triebwerke und das Platzen der Brennkammern. Was jetzt kommt, ist der Einschlag der glühenden Trümmer in die Tanks. Das Problem ist nicht mehr Subprime oder Autokredite oder amerikanische Studenten, sondern Bereiche, die lange Zeit als gesund galten. Ich sage hier schon länger, dass Gewerbeimmobilien das neue Subprime sind. Wenn die Banken bisher Risikopositionen abgeschrieben haben und den Rest für gesund erklärten, stehen sie jetzt vor neuen Herausforderungen. Bei einer Rezession von drei, vier Jahren sind die allgemeinen Bewertungen einfach nicht mehr zu halten. Bei 2% Wirtschaftsschrumpfung und Deflation vieler Assets muss man über alle, wirklich alle Bereiche weiter abschreiben, abschreiben, abschreiben. Nicht so viel, wie im Bereich Derivate, aber beim niedrigen Eigenkapital vieler Banken reichen schon 2, 3% über die gesamten Assets, um die Dinger explodieren zu lassen. Natürlich kann die Politik Geld nachpumpen. Aber kein Mensch käme auf die Idee, in den explodierenden Tank eines Flugzeugs Kerosin zu pumpen in der Hoffnung, dass es das Feuer rausdrückt und sogar die Triebwerke wieder anspringen. Und für meine kleine Welt würde die Zufuhr von Kerosin durch einen Hausverkauf nur bedeuten, dass ich es so schnell wie möglich wieder los werden müsste.

Es gibt zu viele Banken, als dass man sie retten könnte. Es gibt zu viele Schulden, als dass man sie bezahlen könnte. Es gibt zu viele künstliche Werte, aber nur das, was stofflich auf der Welt vorhanden ist. Es ist ein Missverhältnis, das zuungunsten der künstlichen Werte ausgehen wird und muss. Ich bin sehr froh, dass der deutsche Finanzminister Steinbrück heisst, der bislang einen bemerkenswert guten Job gemacht hat. Trotzdem ist es nicht die Zeit, in der man auf Kerosinkanistern sitzen möchte. Brandschutzräume, das sind die besten Asset unserer Tage.

Sonntag, 18. Januar 2009, 00:25, von donalphons | |comment

 
Steinbrück macht einen guten Job?
Aus meiner Sicht hat er sich doch von Ackermann & Co. bezirzen lassen. Ob alles so laufen musste, wie es gelaufen ist?
IKB & HRE & Co - ob da jede Rettung gut war?

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Es gibt für so ein Szenario keine Gebrauchsanweisung. Nicht mal die Banken haben sowas. Wenn jemand die Einflüsterungen vernommen hat, dann Merkel. Rückblickend gibt es immer was, was man hätte besser machen können, und ein Desiderat ist das weitere Fehlen von Kontolleinrichtungen - aber das wäre eher die Sache von Glos, der eine extrem schwache Leistung bietet.

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Notverkäufe werden in diesem Jahr das Geschehen am Transaktionsmarkt bestimmen. Diese Schlussfolgerung zieht die Beratungsgesellschaft Ernst & Young Real Estate nach einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter Immobilieninvestoren zu deren Erwartungshaltung für den deutschen Investmentmarkt 2009.FAZ

Das halte ich immer noch für geschönt.

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Notverkäufe sind weniger das Problem, als Notkäufer zu finden. "Hey, isch ab da nen Büroturm in FFM, kost 1 Million Unterhalt im Jahr, jo, aber Mieter ab isch nischt, ne, und statt der geblande 20 Euro kieschewa nur 7, wenn ma a halbes Jahr mietfrei..."

Lass mal eine Handelskette a la Circuit City pleite gehen, und versuch dann mal, die freien Flächen loszuwerden.

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Daher "geschönt". Frankfurt ist ein besonderes Problem, da die Banken sicher einiges an Flächen frei machen werden (bsp. Fusion Commerz/Dresdner). An Gewerbeflächen hängt ja viel dran, von den Investmentfonds, über Büro-/Gewerbe-Dienstleister bis zur Gewerbesteuer der Kommunen.

Bei Wohnimmobilien hat sich das "schockgefroren" schon länger angedeutet. Wurde nur durch die Lage in den Boomregionen wie München ein wenig vernebelt.

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Deshalb sollte man ja auch nicht in Halle kaufen, selbst wenn es dort billig ist. Zu allen Zeiten gab es Orte, wo man Krisen wie die Pest besser überleben konnte - Gmund übrigens war in der Pest so ein verschonter Ort. München hat relativ gute Chancen, ohne grössere Beulen durchzukommen. Dort muss man hin.

Der Rest - brutal gesagt, man kann nicht alle retten. Ich habe frühzeitig gewarnt. Mir kann man es nicht in die Schuhe schieben.

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Die Beschwichtigung ist ja immer wieder: Alles wird gut. Spätestens in 5 Jahren wird beim nächsten Boom der Wohn-/Gewerberaum wieder gebraucht. Ich denke, nach der "Krise" sieht die Welt anders aus. Technisch, organistorisch, demographisch, finanziell, machtzentrisch. Da wird einiges als Ruinen der Moderne enden.

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Angesichts der Finanzierungstücken und der Kosten beim Leerstand sind in 5 Jahren die üblichen Investoren pleite, mit etwas pech sogar mit ihrem Privatvermögen. Mag sein, dass es in fünf Jahren noch das Gebäude gibt. Aber ob das dann den richtigen Ort und die richtige Einrichtung hat, ist eine andere Frage. Man kann zum Beispiel aus einem Lebensmittelmarkt keinen Baumarkt machen.

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einer meiner onkel war förster, schon in pension, aber er führte noch für eine gute bekannte eines früheren arbeitgebers die forstwirtschaft.

seine frau chef sagte ihm einmal, sie kenne da einen netten holzhändler, ob man dem nicht gutes holz verkaufen könne. ja schon, war die antwort, warum, brauchen sie das geld? nein, eigentlich nicht (die frau chef war nicht nur vermögend sondern lebte auch anspruchslos) war die antwort, aber er kommt nächstens, führen sie ihn dann in meinem wald herum.

der holzhändler kam, erklärte, er wolle nur a-holz, das sei augenblicklich selten und entspechend teuer, das wolle er jetzt sehen. mein onkel führte ihn herum, zeigte ihm diesen und jenen schlag, nur das gesuchte a-holz fand der holzhändler nicht. er erklärte dann der frau chef, er habe viel gesehen, aber leider nicht das holz gefunden, das er suchte, und zog ab.

später soll dann die frau chef gefragt haben, ja ist denn unser wald so schlecht, dass wir kein a-holz mehr haben? dort, wohin ich den holzhändler geführt habe, schon. das andere hat er nicht gesehen.

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Das ist
eine sehr schöne Geschichte.

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Ohne Not sollte man jetzt nur für ein klar umrissenes Investment in Cash wechseln. Derzeit gibt es weder eine good bank noch eine sichere Währung.

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Ich überlege ja, ob ich mir nicht 500 Liter Benzin und einen Bentley...

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In den siebziger Jahren erschien Fred Hirschs "Die sozialen Grenzen des Wachstums" (deutsch 1980). Darin entwickelt er eine Theorie der positionellen Güter. Eine Führungsposition oder die Lage eines Weinguts sind allein schon deshalb rar, weil die entsprechende Stelle immer nur einmal besetzt werden kann. Von einer breiten Streuung positioneller Güter dürfte auch dann noch etwas übrig sein, wenn das nicht-positionelle Gut par excellence, Geld, komplett verschwinden sollte. Geld ist im Moment nur in Form real existierender Goldbarren (keine Zertifikate!) interessant. Goldbarren sind das Positionellste, was die Geldform bieten kann.

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Wir sind in einer Phase, in der man zum ersten Mal seit dem Ende des 2. Weltkriegs wieder anfängt, die Frage nicht mehr nach dem Konsum, sondern nach dem Zweck auszurichten. Es geht nicht mehr darum, wie billig etwas ist - heute ist schliesslich alles "sale" und "%" - sondern darum, was es dem Käufer wirklich bringt. Und diese Frage breitet sich langsam aus. Insofern sehe ich keine Konsumflaute, sondern eher ein Angebotsproblem an eben jenen Dingen, die man haben muss oder haben sollte. Und da schaut es dann für Massenproduktion gar nicht mehr so arg gut aus, wenn sie mit niedrigen Margen argumentiert.

Umgekehrt gehen gerade trotzdem die Nobelmarken über den Jordan. Weil die Käufer im schlimmsten Fall zwei, drei Jahre den Luxus nutzen, den sie im Jahr davor gekauft haben.

So verliert eigentlich jeder.

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Ich seh schon! Wir brauchen bald eine Land- ähh Immobilienreform. ... Neuverteilung der Positionsgüter der Land- ähh Immobilienbesitzern auf die Land- ähh Immobilienbesitzlosen. Nicaragua libre! Nicaragua Corazón!

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Ich finde ja, wir brauchen einfach wieder eine Leibeigenschaft. Das hat über 1000 Jahre hervorragend funktioniert, eine der stabilsten Wirtschaftsordnungen, die es je gab.

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Die Positionen Herr und Knecht werden nach dem Rawlsschen Losverfahren vergeben, dessen Resultat man gegen sich gelten lassen muß.

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Ist doch eigentlich klar was man mit dem Geld macht, den Stadtpalast mal wieder eine Komplettrenovierung verpassen. Die Handwerker würden sich freuen wenn die Rechnung mehr als pünktlich beglichen wird.

Oder man kauft sich Anteile an Schweizer Genossenschaftsbanken.

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Wir sind leider weitgehend durch, bis zum "mal wieder" wird es 10 Jahre dauern. Und für das Hinterhaus sind die Mittel schon da und gesichert.

ich habe ganz ehrlich gesagt keine besondere Lust auf Notzeiten und Notleben. Es mag dumm sein, aber in dem mir gegebenen Rahmen möchte ich auch in der Krise geniessen, vielleicht sogar etwas mehr als sonst.

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Was kosten eigentlich...
die Scherben der Luxus-Porzellan-Industrie? Es ist ja schön wenn man Porzellan im Schrank und auf dem Tisch stehen hat, aber wenn's das aus der eigenen Fabrik wäre...

Würd dich sowas reizen?

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Ich glaube: Nein.

Weil ich den "oh ist das aber teuer"-Blick kenne, sobals etwas gut ist. Ich glaube, ich bin ganz gut darin aufgehoben, den Leuten zu sagen, warum es doch nicht so teuer ist, wenn sie es 50 Jahre benutzen.

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50 jahre nutzungszeit bei porzellan ist eine gewagte aussage :)

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Mein Hutschenreuther ist 80 Jahre alt und komplett. Es hängt alles vom Personal vom Besitzer ab.

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Es geht tatsächlich um die Langfristigkeit der Dinge. Darum, dass eine Investition über Jahre trägt. In diesem Jahr habe ich mir den Ruck gegeben und profitierend von niedrigen Pfund Kurs einen Massanzug in der Savile Rowin London
machen lassen. Bis er fertig ist, dauert es acht Wochen und drei Anproben. Die £ 2.500 halte ich für gut investiert, denn er wird die nächsten zwanzig Jahre halten. Und in einer Rezession war es immer wichtig, einen guten Anzug und tadellose Schuhe zu haben. Vom Silber, das hierzulande von Menschen, die in Schaumstoffsofas leben, verschleudert wird ganz zu schweigen. Wir kommen wieder in die Situation in der sich die Spreu des Schnickschnacks vom Weizen des nachhaltigen trennt.

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Massschuhe sind eine gute Investition. Massanzüge nur, wenn man sich sicher ist, die Figur einige Jahre zu halten. Abergrundsätzlich ist der Pfundkurs ein echtes Geschenk des Himmels. Besser als ein billiger Dollar, der Gadgets und Hochzeitsreisen nach Las Vegas fürs digitale Prekariat erschwinglich macht.

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