Vor die Wand knallen. Mit Vollgas.

Vor fast 80 Tagen hat die Wirtschaftsredaktion der FAZ versucht, ein in seiner Art ungewöhnliches Blog zu starten:

FAZIT.

Mit 11 Autoren, allesamt aus der Redaktion, die einen guten Ruf hat. Mit Übernahmen aus dem gedruckten Teil, mit Zugang zu Kongressen und Persönlichkeiten und jede Menge Serien über Wissenschaftler und Theorien zur Wirtschaft. Und einer enormen Flut an Beiträgen. Und einer massiven, für deutsche Medien einzigartigen Kampagne auf der Hauptseite, mit der es tatsächlich gelang, sich eine Weile an die Spitze zu setzen. Facebook, Twitter, Google Plus. Sowas hat sonst niemand in Deutschland. Das ist eine wirklich grosse Sache.

Ich denke, jeder weiss, jeder, der es lesen möchte, hat auch erfahren, dass es FAZIT gibt. Es ist schwer vorstellbar, dass es eine auf dem Papier bessere Basis für ein Wirtschaftsblog geben könnte, sieht man einmal von FT Alphaville ab. FAZIT hat also alle Voraussetzungen, um wirklich gross zu werden.

Ich habe damals vorhergesagt, dass sie damit scheitern werden

Nun, da sie nicht mehr die Unterstütung der Hauptseite haben, rausche ich gemeinhin bei Zahlen zwischen 1000 und 2500 PIs an ihnen vorbei - wobei man wissen muss, dass bei FAZ.net die jüngeren Blogs wie FAZIT immer ein paar hundert PIs weniger brauchen, um auf einen Platz wie die alten Blogs zu kommen. Kurz: Furios begonnen, irgendwo zwischendrin gelandet, vor dem Tanzblog (verdientermassen, trotz allem) aber hinter vielen anderen. Es ist einfach nicht gelungen, intern oder extern (wie der inzwischen zum Focus gewechselte Netzökonom) eine Stammleserschaft aufzubauen.

Und da kann man durchaus fragen, warum das so ist. Ich mein, ich bin ja nur ein Plauderer, der keine Ahnung von gar nichts hat. Das sind dagegen Cracks mit vielen Möglichkeiten. Ich schreibe immer das gleiche Zeug über langweilige Menschen. Die haben das Thema schlechthin, in Zeiten wie diesen.

Wieso?

Ich glauibe, der Fail von FAZIT ist einfach ein Beispiel dafür, dass Menschen nicht nur informiert, sondern auch nett behandelt werden möchten, und das auch, wenn es um so trockene Themen wie Wirtschaft geht. Es gibt jede Menge Finanz- und Wirtschaftsblogs und ein Überangebot an Informationen, FAZIT hat keine Marktlücke, und hier gewinnt der, der entweder der Schnellste, der Beste oder der Netteste ist. Die Schnellsten sind sicher FTAlphaville, die Besten in Deutschland im Sinne von Blogspass sind Herdentrieb, Kantoos und Wiesaussieht, und die Nettesten sind alle, im Vergleich zu FAZIT, wo sich ein Autor gerade unter einem reichlich fundierten Beitrag als Gegenrede zu FAZIT derartig als Menschenfreund und Internetkenner präsentiert hat:

Wobei die vermeintliche Anonymität lächerlich ist, wenn man sich in seinen Beiträgen auch an Wirtschaftsjournalisten wendet, die wissen, wie man recherchiert. Es wäre für uns bei der F.A.Z. simpel, die Klarnamen von „kantoos“ und „hkaspar“ zu veröffentlichen. (Wir wissen z.B., wo sich „kantoos“ gerade aufhält.) Wir tun das nicht, weil wir deren Wunsch nach Anonymität respektieren.

Das ist - mit Verlaub - nicht weise. So etwas schreibt man nicht, am besten denkt man es erst gar nicht. Da ist so viel Arroganz drin, dass keinerlei Sympathie für dieses Projet zu erwarten ist. Outer sind Schweine, sagten wir bei Dotcomtod, man akzeptiert im Internet entweder Pseudonyme oder hält sich davon fern. Aber so etwas geht gar nicht. Natürlich macht es keinen Spass, wenn im Netz andere andere Meinungen haben und sie auch begründen, aber darauf kann man in einer bis zu diesem Moment sehr zivilisierten Debatte noch anders als mit einer derartigen Wissensvorführung reagieren:

Schon mal eine der zahlreichen Arbeiten Hyun Song Shins gelesen? Schon mal etwas vom „risk-taking-channel“ der Geldpolitik gehört? Sind Ihnen die Arbeiten Borios dazu bekannt? Kennen Sie Blinders Position, wonach man die Bedeutung von asset price bubbles danach beurteilen soll, ob sie mit Kreditexpansion dahergehen? Kennen Sie das Paper der EZB über die Bedeutung des Liquiditätsüberhangs früherer Jahre? Offenbar ist die zeitgenössische Diskussion dieser Probeme (was immer man von ihr halten mag) völlig an Ihnen vorbei gegangen. Ihre Argumentation wirkt angesichts moderner Forschungsergebnisse gerade vorsinftflutlich – aber das ist ja ein Kennzeichen der (scheinbar) „modernen“ Makroökonomik. Der Preis, den Sie dafür zahlen ist, was immer Sie in Blogs schreiben, in der Praxis völlige Irrelevanz. Praktisch arbeitende Ökonomen, und darauf hat ja aktuell Ken Rogoff hingewiesen, kümmern sich um diese Methusalem-Ökonomik keinen Deut.

So kann man eventuell mal einen Praktikanten runterputzen, wenn man wirklich schlecht drauf ist, aber das hier ist das Internet, ein freier Markt, und ob ein FAZ-Redakteur recht hat oder ein Anonymling, liegt völlig im Auge des Betrachters, und der dürfte mitunter abgestossen sein. Der Autor möchte darauf dann bei FAZIT antworten - da wird er jede Menge Spass haben, nehme ich an. Das hier sind die Kommentarzahlen von Anfang an:

5 - 64 - 22 - 27 - 16 - 12 - 87 - 29 - 11- 8 - 27 - 14 - 11 - 37 - 23 - 21 - 8 - 13 - 5 - 10 - 9 - 5- 17 - 9 - 5 - 13 - 4 - 9 - 9 - 8 - 5 - 1 - 1 - 8 - 9 - 0 - 1 - 2 - 3 - 4 - 4 - 0 - 0

Da sieht man eine klar abfallende Tendenz. Bei mir ist es so, dass im Normalzustand auf 40 bis 80 PIs ein Kommentar kommt, das ist bei der FAZ möglich, und auch andere Blogs erreichen gute Schnitte. 1500 PIs und ein, zwei Kommentare ist dagegen nicht wirklich Nutzerkommunikation. Da springt der Funke nicht über - vermutlich auch, weil FAZIT gerne Kommentare nicht freischaltet, die den Ansprüchen nicht genügen. Dann kommentiert halt auch mal keiner. Und wenn ich die Ausfälle lese, dann verstehe ich das auch: Zu Gesprächen muss man freundlich einladen, die Nutzer müssen sich willkommen fühlen, oder die Antwort erfolgt dann woanders. Man verliert den Diskurs als Teilnehmer und als Blogger an andere.

Blogger wissen das. Und deshalb bin ich auch weiterhin der Meinung, dass man Journalisten besser nicht ohne betreute Übung ein Blog in die Hand drücken sollte. So ein Blog kommt immer nur so gut an wie das Benehmen der Autoren, und dass andere vielleicht gar nicht so drauf sind, hilft nicht weiter, wenn es so wie oben aus dem Ruder läuft.

Sonntag, 29. Januar 2012, 14:16, von donalphons | |comment

 
Konstruktive Kritik?

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@hansmeier555:
Hihi, das war jetzt ein echter Insider.

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Wie gemein!

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Braunberger ist Wiederholungstäter
Ich erinnere mich an ein ähnlich hochnäsigen Kommentar irgendwo anders ... (IIRC bei weissgarnix)

Die Peinlichkeit mit der "Ich enttarn dich gleich, weil ich son toller recherchierender Journalist bin"-Drohung kam damals nicht, aber das ist so auch schon schlimm genug ...

Dabei ist das Keynes Buch von Braunberger gut, aber nun ja, wie der Don ja schon sagt: Bücher schreiben und ein Blog betreiben sind zwei paar Schuhe. Wenn man das eine kann, heisst das noch lange nicht, dass man das andere auch kann.

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Hank hat sowas in der Art mal bei Wiesaussieht gebracht, als man ihm lockeren Umgang mit Zitaten nachgesagt hat. Ich verstehe nicht, was man sich davon verspricht. Das führt zu nichts.

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Tja, das weiss ich auch nicht.

Ich habe mich immer schon gefragt, warum so viele Journalisten so wenig aus den Kommentaren ihrer Leser machen. OK; eine antwort darauf habe ich immer noch nicht. Aber jetzt weiss ich, dass das Schweigen oft besser ist ...

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"...auch nett behandelt werden möchten, ... gewinnt der, der entweder der Schnellste, der Beste oder der Netteste ist."
.
Amüsant wäre auch noch zu erwähnen. Und: kurzweilig, anregend, unterhaltend, auch mal ironisch oder frech ... Ja, und: ehrlich.

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Menschlich wäre auch ein passendes Wort.

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Yep!

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holofernes
ich versteh ja eigentlich nix von der fazit-materie, aber was ich da von gb in dem verlinkten blog lesen musste, ist tatsächlich unter aller... - sagen wir mal - .. kritik. im übrigen fand ich persönlich einige der fazits etwas einfältig in ihrer sicht auf die welt im allgemeinen, seitdem - und das war ziemlich bald - sehe ich garnicht mehr hin (und das hier rundet meinen zugegebenermaßen subjektiven eindruck quasi nur ab).
die wichtigen themen der zeit tauchen bei den stützen und ihren verwandten schon rechtzeitig auf, wenn nicht im artikel, dann in den kommentaren, und werden verlinkt. Und es ist meist lustiger zu lesen.

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"Ich mein, ich bin ja nur ein Plauderer, der keine Ahnung von gar nichts hat."

Sie fischen ja schon wieder! Ich finde diesen Satz sehr (be)merkenswert, zu gut, um ihn unkommentiert zu lassen.

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Ist aber so. Die meisten meiner Beiträge könnte man auch in drei Sätzen erzählen, und die wären so belanglos und dumm wie ein Jahresabo der Zeit.

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Nix gegen "Um die Ecke gedacht", das ist immer noch gut.

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Ach was, es geht noch schlimmer:
Mein Vater hat einen Facebook-Account und er schreibt da auch sehr viel was rein und er nimmt die Sache auch noch ganz ernst.

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Ach was, es geht noch schlimmer:
Mein Vater hat einen Facebook-Account und er schreibt da auch sehr viel was rein und er nimmt die Sache auch noch ganz ernst.

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"...allesamt aus der Redaktion, die einen guten Ruf hat."
Seit wann haben die denn einen guten Ruf??

Diese Veranstaltung dort war und ist schlicht unterirdisch. Oder außerirdisch, je nachdem.

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Das kann man bei der FAZ häufig beobachten, dass die Autoren äußerst kompetent sind, aber auch so hochnäsig oder über den Wolken schwebend, dass man sich wundert, wenn sie beim Betreten des Raumes nicht über die Türschwelle fallen. Und wie gesagt - manche versteht man einfach nicht. Wir haben in Deutschland noch viel zu viel Ehrfurcht vor leuten, die man nicht versteht!

Die Qualität eines Blogs zeigt sich neben der Kompetenz des Autors also daran, ob er schnell reagiert oder freundlich zu den Lesern ist, d.h. zum Mitmachen einlädt? Dann kann man ja eigentlich nicht viel falsch machen (außer das, was man schreibt, interessiert keinen)

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Ja, es war selbstentlarvend. Erst dieser Wille zum Forschsein und dann die kindischen Reaktionen.
Offenbar hat die Finanzkrise ihr Ego stark angekratzt und die Nerven liegen blank.

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Fazit scheint tatsächlich nicht gut zu laufen
Am Anfang waren auf der Übersichtsseite noch die Seitenaufrufe für jeden Beitrag einzusehen. Die werden jetzt versteckt.

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Nun, Patrick Bernau hat @Wirtschaftswurm auf Twitter geschrieben, dass er mit zur Zeit 3000 Seitenaufrufen pro Artikel zufrieden ist. Ohne die englischsprachigen Artikel wäre der Schnitt höher.

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Das hängt vin der Brechnungsgrundlage ab. Wenn ein Beitrag schon 2 Monate online steht, kommt natürlich immer noch was rein, aber realistischerweise sollte man die Zahlen nach maximal 72 Stunden nehmen. 3000 im laufenden Betrieb halte ich persönlich nicht für überrealistisch. (SdG macht ohne Hauptseite und ohne Clickbot zwischen 3-5000 PIs in den ersten 24 Stunden,bereinigter Schnitt 8-12000, oder auch mal meh, bis zu 40.000)

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Die Beiträge auf Englisch waren der vorläufige Tiefpunkt - und das nicht mal unbedingt aufgrund des Inhalts. Es ist dieser pseudoelitäre think globally-Duktus, der mir das Messer in der Tasche aufgehen lässt.

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Der aktuelle Target-Beitrag im Fazit, kommt der nicht ein bisschen spät. Das Thema war doch schon vor ca. einem Monat auf FT und hier auch.

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