Man gewöhnt sich irgendwann daran

Vielleicht sollte ich vorausschicken, dass man auch in anderen Bereichen reichlich exponiert ist, wenn man eine grosse Klappe hat, und nicht die Klugheit, sich mit bigotten Figuren abzufinden. Es gab eine Zeit, da habe ich gleichzeitig an einem delikaten Vorfall bei der Zwangsarbeiterentschädigung in Österreich gearbeitet, als die Blauschwarzen eine der ihren bei einer alternativlosen Opferanwältin installierten, und zu den Umständen eines Kinderurlaubs in Israel und dessen Finanzierung. Nicht alle Ösis können was für ihre Politikmafia, und viele, die an die jüdische Gemeinschaft glauben, tun das aus guten Gründen, aber irgendwie schwappt es dann Figuren hoch, die eine Schande für die theoretischen Ziele ihrer Institutionen sind. Und in solchen Fällen bekommt man es mit der Empörung jener zu tun, die sich moralisch im Recht empfinden.

Ich bin seit dreieinhalb Jahren Profiblogger, was nicht ohne Witz ist, weil ich sage, dass Profibloggen kein Geschäftsmodell ist. Dass es doch funktioniert, und das mit einem wirklich abseitigen Thema, hat mit Glück, Berechnung, Nachdenken und dem Arbeitgeber zu tun, der mich einfach hat machen lassen, und dem ich seitdem die unbedingte Treue halte, auch wenn es immer wieder andere Angebote aus dem nichtjournalistischen Bereich gibt. Gleichzeitig versuche ich so wenig wie möglich, die Karte dieser Zeitung zu spielen: ich habe noch nicht mal mehr einen Journalistenausweis, ich kaufe mir alle Bücher selbst, und als ich letzte Woche die Reiseabrechnung machte und fundamental unter den erwarteten Kosten blieb, fragte mich die Sekretärin, ob ich in einer Ruine übernachtet hätte. Meine Antwort auf die Privilegien des Journalismus ist sie abzulehnen, selbst wenn ich weiss, dass es in besonderen Situationen wie dem Erdbeben in Italien nicht klug ist. Das ist nicht zwingend moralisch, ich tausche das Risiko gegen eine gewisse persönliche Freiheit ein. Oft ist es ja so, dass einen Veranstalter mehr oder weniger sanft in Bahnen zwingen wollen, oder die Privilegien den Menschen verändern: Das möchte ich eher nicht. Weil ich das Gefühl brauche, jederzeit wieder raus zu können, ohne dass mir etwas fehlen würde. Und ich möchte da auch nicht als grossmütig gelten: Ich mache das, weil ich es mir leisten kann und auch leisten könnte, selbst wenn nicht ab und zu PR-Agenturen, Konkurrenz und Verlage anklopfen würden.

Sie tun das in dem Glauben, der Erfolg wäre reduplizierbar. Wenn das mit der FAZ geht, müsste es doch auch mit allem anderen gehen. Die Erfahrung der deutschen Social Media Berater zeigt leider, dass dem überhaupt nicht so ist; es gibt durchaus passable Blogger, die total versagen, wenn sie dauerhaft verifizierbare Leistung bei der Kundenbindung bringen sollen. Meine Begabung ist eine reine Inselbegabung, ich könnte zu gewissen Themenkomplexen sicher viel beitragen, aber die wenigsten Themen würden sich zur Verwertung eignen. Ich habe einiges an Erfahrung im Umgang mit Autokonzernen: Die sind zwar immer bereit, breit zu sponsorn, aber im Kernbereich ihrer Produkte setzen sie auf extrem fokussierte Markenbotschaften. Vorstandsinterviews und Autopräsis sind nicht gerade blogtauglich.

Ich bleibe bei etwas, das ich kann, das funktioniert und läuft. Ich würde es so erklären, dass ich in meiner momentanen Tätigkeit Bestände sichere und vielleicht ein wenig zur Auffächerung des Angebots beitrage, mit einem Ansatz, der zum Produkt generell passt und nicht so leicht zu kopieren ist. Weshalb es auch weitergeht mit den Stützen der Gesellschaft, auch wenn ich hin und wieder Ansgst habe, zu langweilen oder im eigenen Saft zu schmoren.

Nicht allen gefällt das. Es gab einiges an Jubel, als ich vor anderthalb Jahfren dran war, mein Blog zu schliessen, und eigentlich immer wütende Angriffe, wenn andere Blogs eingestellt wurden. Nicht immer direkt, nicht immer sofort, aber die externen Ex-Blogger haben sich teilweise jahrelang an mir abgearbeitet. Und ich frage mich schon, warum sie diese Energie früher nicht in ihre eigenen Projekte gesteckt habem. Als die Stützen begannen, habe ich so lange Kommentare beantwortet, bis ich mit der rechten Hand nicht mehr tippen konnte. Ich hatte elende Fehlschläge ausgerechnet mit Lieblingsthemen, und ich musste völlig neu lernen, wie man Veranstaltungen blogt. Klar ist es eine schöne Vorstellung, dass das Internet jeden Platz hat, aber es ist eine echte Kunst, ein Thema auf drei Beiträge zu verteilen und auszuleuchten, und auch ich beherrsche die nicht immer. Etwas, das man in einem Beitrag sagen kann, auf zwei Beiträge aufzublasen, rächt sich immer. Weniger wegen der Zeilenschinderei, sondern weil die Leser nicht dumm sind. Die Möglichkeiten des Mediums sind zugleich sein Fluch, und man muss lernen, damit umzugehen. Und wenn etwas nicht läuft, muss man es eben ändern und besser werden. Statt dessen haben andere sich branchenweit nicht wirklich ein Bein ausgerissen, sind mitgeschwommen, haben sich nach unten orientiert und wurden erst laut, wenn es nicht weiter ging. Dann auch immer wieder mal gern in meine Richtung, Seemann, Seeliger, Jakubetz.... Gerade zur Zeit muss sich der Niggemeier durch meine Kommentare gewühlt haben.Ich finde sowas nicht scary, sondern nur bescheuert.

Die Stützen wird es nicht ewig geben. Ich hatte Phasen, in denen es nicht leicht war, und irgendwann sind Themen auch auserzählt. Aber wenn es so weit ist, möchte ich etwas geschaffen haben, und es soll nicht in der immer gleichen Agonie enden, sondern in einer Stretta. Und es sollte den Geist weitergeben. Ich schreibe seit 2000 sowas wie ein Blog, zuerst über MP3, dann Dotcomtod und seit 2003 auch hier, und seit 2008 bei der FAZ. Ich bin ziemlich alt geworden über all diese Erlebnisse, wie andere auch, und ich habe eine gewisse Sehsucht nach anderen, die es besser, klüger und bissiger als die alten Säcke machen. Ich habe mir wenigstens ein Thema gesucht, mit dem man in Würde älter werden kann, aber der Miesepeter Niggemeier, der sein Leben und sein komplett freudloses Blog mit dem Anpissen von Leuten zubringt, deren Job er nicht machen muss, die Vermarktungströte Sascha Lobo, die irgendwann mehr durch ihren Bauch als durch die schlecht geschnittenen Anzüge auffällt, die müssen weg aus der ersten Reihe, wie ich auch, denn unser Weg ist keiner, den man gehen sollte - nur sollte die Zukunft etwas anderes als Cashys Drecksloch oder die von Merceds geschmierten Autovolldeppen sein, die Rivva spammen.

Solange - und solange die FAZ möchte - geht es weiter. Es kommen ein paar vermutlich etwas holprige Tage, das Schmähen meiner Person als Übrigbleibender gehört dazu wie das Steinewerfen auf den Teufel bei Mekka, und irgendwann wird jemand kommen, der Anstand, Biss und Witz hat und mir zeigen wird, was wirklich geht.



Ich glaube, dass man mit einem Sex- und Scheidungsblog die Luft zum Brennen bringen kann, ich glaube an eine deutsche Antwort auf Politico, und ein Societyblog so nett wie Salpetersäure. Niemand (ausser Fefe, Modeste und Kid37 vielleicht) ist unersetzlich, da Neue muss kommen und das Alte hinwegfegen.

Dass es so ist, weiss eigentlich jeder in der Branche und ihren Umwälzungen. In der Medienkrise sind wir alle Einsparpotenziale. Wir überleben nur, wenn wir Zukunftspotenziale sind. Wir sollten bloggen, als seien alle Teufel der Hölle hinter uns her, denn genau das ist es, was droht. Und diese Höllenjagd ist selbst verursacht, wenn wir die schmalen Chancen, die es im Onlinejournalismus gibt, nicht mit aller Kraft nutzen. Es sind nicht die Verlage, die Blogs einstellen, es ist die Krise, deren Teil und Verursacher wir selbst sind, die uns aus den Ritzen der Verlagshäuser pustet. Es kann eigentlich nicht sein, dass man dauernd den Medien den Tod vorhersagt und dann, wenn man an den Fleischtöpfen ist, erst mal ne ruhige Kugel schiebt. Es ist bigottes Mimimi, Entlassungsrunden bei Medien fröhlich als Beleg der Internetthesen zu nehmen, und sich dann aufzuführen, wenn ein Blog aus den gleichen Kostenzwängen geschlossen wird. Wir haben an diesem Sturm mitgebraut, wir sind Teil des Untergangs, des Untergangs der anderen und des eigenen, und kein Shitstorm und kein Fingerzeigen wird daran etwas ändern. Und dass man mit ein wenig blöd twittern und bloggen auf Piratenticket an ein Mandat kommt, ist auch nicht mehr sonderlich wahrscheinlich. Insofern: Macht was Ihr wollt in Euren eigenen Blogs. Aber gebt Euch selbst jeden Tag einen dicken Tritt, wenn jemand dafür bezahlen soll. Eine Profiblog ist kein Ponader-BGE und kein Firmen-Flattr, es ist harte Arbeit.

Und aus meinen Erfahrungen mit Google und PR-Klitschen kann ich auch noch hinzufügen: Die haben mehr Geld. Aber auch nichts zu verschenken. Und es gibt immer einen, der es für weniger macht.

Mittwoch, 17. Oktober 2012, 01:32, von donalphons | |comment

 
"Weil ich es mir leisten kann." Etwas arrogant dahingeschmissen, aber so was wie der bestirnte Himmel dieses Gewerbes. Ich liebe diese Haltung. Jederzeit. Überall. Uns, den etablierteten (und dies allein, da wir es lange genug machen, irgendwie in unseren Nischen -in meinem Fall sogar in einer Null-Nische- überleben) Nutten des Internets, geht es manchmal um dieses beschissene Bisschen Anstand. Ein Trieb nun mal. "Weil ich es mir leisten kann", halt.
Ein wunderschöner Beitrag. Übrigens: der erste von Dir, den ich verschlungen habe (zu Deinem Zweitblog bei der Zeitung kann ich wenig sagen, weil es mich herzlich wenig interessiert)... Bedinnungslos geliebter Beitrag? Halt... nicht ganz, Fefe kenne ich nicht, Modeste ist ziemlich verdammt gut- aber auf Kid37, da stimmen wir überein: auf sein Blog sollte kein Internet dieser Welt verzichten.

... link  


... comment
 
Nur wenige können halt dauerhaft interessant und unterhaltsam schreiben. Das ist das ganze Geheimnis. Das war schon immer so, und deshalb wird es neben einigen erfolgreichen Kolumnisten immer viele geben, die scheitern. Das ist meines Erachtens auch nur dann schlimm, wenn letztere die Gründe dafür nicht in ihrem Unvermögen, sondern in der " bösen" Umwelt suchen.

... link  


... comment
 
Sie schreiben, wir lesen fleißig und danken Ihnen gelegentlich.

... link  


... comment
 
Sie geben sich die Mühe, machen sich die Arbeit. Und halten dadurch einen ganz bunten Haufen von Kommentatoren auf Trab. Das unterhält, liest sich gut und es gibt bei Ihnen Einblicke in Themen, die man nicht an jeder Ecke findet. Eigentlich ein ganz einfaches Rezept, welches, in abgewandelter Form, andere und auch die genannten Blogger beherzigen.

Das würde meiner Ansicht nach auch für kommerzielle Zwecke funktionieren. Aber es kostet halt Mühe und macht Arbeit. Was das über viele der Leute aussagt, die damit scheitern, mag jeder selbst entscheiden.

... link  

 
Innere geistige Unabhängigkeit ist etwas, was man nur sich selber, aber keinem anderen beibringen kann.
.
Anonsten fängt dieses ständige "harte Arbeit, harte Arbeit" langsam an, mich zu nerven.
Gönnen Sie sich doch mal lieber wieder ein dickes Stück Torte.

... link  

 
Er braucht halt seine Streicheleinheiten, sonst lässt er mit dem Schreiben nach.

Aber Tortenbilder, also da könnt schon ruhig wieder mal was kommen.

... link  


... comment
 
ein sex- und scheidungsblog würde in der tat wie leinöl im gewölle entzünden.

es müssten nicht immer einzelkämpfer sein. vorstellbar wäre ein chef/eine chefin, der/die die meiste arbeit hätte und das letzte wort behielte, und ein paar assoziierte, die einige arbeit abnehmen, die kommentare freischalten, andere löschen und die diskussion in bahnen halten, ähnlich, wie sie es nebenan bei der faz mit wein und musik halten, wobei man nicht vergessen sollte, dass der zulauf dann zumeist geringer ist als bei ihnen; das mag auch thematische gründe haben und dass sie - schleimfrei formuliert - sozusagen die coca-cola unter den brausen sind, lieber don.

... link  

 
Man sehe sich Special-Interest-Foren an - die funktionieren auch besser, wenn es regelmäßig guten Content gibt, der dann von den Forenmitgliedern diskutiert wird. Ein Blog mit vielen Kommentaren und Kommentatoren ist dann eigentlich nur eine contentlastige, vereinfachte form des Forums.

Foren - was das nicht etwas, was die Firmen vor einiger Zeit alle unbedingt haben wollten? Und die dann leer blieben, weil schlicht der Content fehlt, die Begeisterung, der Grund immer wiederzukommen?

... link  


... comment