Sein Wille

Die Gindelalm sieht man schon von der Autobahn aus; das charakteristische Plateau ist nicht zu verkennen. Und man geht da nicht einfach so hoch: Es sind gut 600 Meter von Hausham zur Spitze. Kommt man von Gmund, kann man davor auf der Neureuth rasten, bevor man die nächsten hundert Meter angeht. Von Hausham aus ist der Anstieg finster, und das folgende Panorama, frei vom Bergwald, wirklich beeindruckend. Nach Süden erhebt sich die Alpenkette vom Wilden Kaiser bis zum Karwendel, nach Norden, ganz klein und unbedeutend, ein grauer, smogvernebelter Strich in der Landschaft, die Stadt, aus der der Selbstmörder hierher kam: München.



Es ist seltsam. Wenn ich da oben bin, fällt alle Last von mir ab. Man sieht doch, wie klein und unbedeutend das da unten alles ist, und man sieht auch so viel was das Leben ausmachen kann. Gerade jetzt im rapide einsetzenden Bergsommer. Es ist alles so unwichtig, neben dem Leben. Das Verbissene, das Hektische, das Abscheuliche, das Menschen ausmachen kann: Hier kann man bei einem Glas Milch und Torte darüber lachen. Die Brunzkacheln, die einen aus der Arbeit verdrängen wollen, das Gschleaf, das sie dafür anheuern: Jenseits des Horizonts. Der Wald tritt zurück, die Seele geht auf: Fast immer gibt es einen anderen Weg. Und wer sich hier hochkämpft, kommt immerhin noch so weit. Da unten sind so viele die das nie mehr erleben werden. Wer hier ist, der hat alle Möglichkeiten, zu sein.

Aber er kam hoch und hat sich hier umgebracht.

Ich begreife nicht was für ein starker Wille im Menschen sein muss, wenn er hier so etwas tut, wo doch alles das Leben verspricht und das Schlimme vergessen lässt. Es ist fraglos ein feiner Ort, schöner als ein Krankenhaus oder was auch immer, einer der schönsten Plätze im Mangfallgebirge, aber auch das hat ihn nicht abgehalten. Den einen trifft hier die Grösse des Daseins wie ein Schlag, er bleibt stehen und sieht die Welt mit anderen Augen, und der andere geht und überlässt seine Hülle der Bergrettung, die nichts mehr retten kann.

Ich habe diese Tage so einiges erlebt, das mich erstaunt hat, und mehr, als andere un oft ich selbst vielleicht in einem Jahr, und ich bin wirklich nicht leicht zu erstaunen. Aber nur das hier hat mich berührt.

Wie kann man nur. An diesem Ort.

Samstag, 18. April 2015, 01:56, von donalphons | |comment

 
Ich verstehe das schon. Gerade an einem schönen Ort.
Noch einmal die Last hinter sich lassen, das Schöne sehen, entspannt und glücklich sein, daß man nie wieder hinab muß ins Dunkel, in die Qual.
Wie kann man nur. Wenn, dann nur an einem Ort wie diesem.

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Das sehe ich genauso. Wer das wirklich durchzieht, hat die Lust am Leben insgesamt soweit verloren, dass auch die atemberaubende Aussicht nicht mehr weiterhilft.

Ganz persönlicher Zusatz: Allemal besser, als an Schläuchen angeschlossen oder sabbernd im Rollstuhl gefüttert zu sterben.

Gruss,
Thorsten Haupts

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Nun, immerhin mussten nicht 159 andere nichtmehrmitleben.

Seit ich neulich mal erläutert bekam, wie oft eine aus dem Lot geratene Hirnchemie Ursache von auch schwersten Depressionen ist, die aber in vielen Fällen mit den heute zur Verfügung stehenden Arzneien gut behandelbar sind, gleichwohl aber ein großer Teil der Erkrankungen unerkannt bleibt, sehe ich solche Geschichten auch anders.

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Major Crampas wählte den Schönheitspunkt: Ganz unten, an der Küste.

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Major Crampas starb in Swinoujsie
Eine westdeutsche Nachfahrin der Effi Briest (Fr.v.P.) erregt hier Aufsehen. Darf man heutzutage eine Frau zum Duell fordern?

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g36?

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Suizidgedanken können die schönste Sonne verdunkeln und machen, dass Bäume und Himmel ihre Farbe verlieren. Wenn Ihnen der Anblick dieser Landschaft gut tut, dann freut mich das.

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