Weites Land

Wer in einer leicht hügeligen Gegend wohnt, kennt das vielleicht: An den steileren Hängen sind Terassen in den Boden eingebracht, höchstens 10, 15 Meter breit, die sich um die Erhebung ziehen. In der Regel sind diese Terassen heute Wiesen, und schon etwas aberodiert. Sie sind meist Reste einer enormen Boomphase des hohen Mittelalters. Das 13. Jahrhundert war bei allen militärischen Konflikten im deutschen Reich wirtschaftlich und geistig eine Epoche der Beschleunigung, wie es sie in Mitteleuropa bis dahin nie gegeben hatte und auch bis zum 19. Jahrhundert nicht mehr geben würde. Population, Handel, Landwirtschaft, Technik, Kunst und Wissen expandierten in einem bis dahin ungekannten Ausmass. Die Folge waren Eingriffe in die Natur - und besonders in den für Ackerbau tauglichen Boden - die die Vegetation und die Landschaft bis heute mehr bestimmen als alles, was bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts geschah.

Ursachen dafür gab es viele; ein funktionierendes Fiskalsystem, die Entstehung einer Beamtenschaft zur Verwaltung, Handelsrouten, Technologietransfer, eine Lingua Franca, ein sehr günstiges Klima und medizinische Fortschritte. Die jungen Städte wuchsen rapide, die Verdopplung der Einwohnerzahl in 50 Jahren war normal. Aber auch die Dörfer drangen in die letzten echten Urwälder Europas vor und zerstörten sie. Geblieben sind nur noch die sumpfigen Flussauen, aber auch dort, entlang der Reiserouten, setzten sich die Menschen fest.



Die Geschichte ging aus vielen Gründen nicht gut aus, denn zu Beginn des 14. Jahrhunderts begann die sogenannte kleine Eiszeit, und schon vor der Pest kam es zu Hungersnot und Seuchen. Ein Beispiel etwa ist der "St. Petri Schnee", eine Getreidevergiftung, oder die Lepra, die mit dem Orienthandel nach Europa kam. Der enorme Bevölkerungsrückgang ist umstritten, aber in der Folge war wieder genug Fläche für den Ackerbau da, dass die Terassenäcker aufgegeben werden konnten. Eine andere Folge sieht man, wenn man in Mitteldeutschland Waldkarten studiert. Viele - heute dichte Wälder - haben Namen mit "roda" am Ende - dabei steht Roda eigentlich für einen Ort. Meistens handelt es sich um Wüstungen des 14. Jahrhunderts, Zeugen einer fehlgeschlagenen Kolonialisierung.

Insofern muss man konstatieren, dass die Aufgabe von Siedlungen in Zeiten sinkender Population eine ganz normale Sache ist. Man sollte auch einsehen, dass Deutschland eines der dichtbevölkertsten Länder der Erde ist; ein wenig mehr Raum für die Natur wird dem Land kaum schaden. Historisch betrachtet ist der aktuelle Zustand mit 80 Millionen Menschen ohnehin ein Ausnahmezustand; ginge es mit den Geburten- und Sterberaten der Zeit um 1910 weiter, hätte man in Deutschland absolut nichts zu lachen. Und der leichte Rückgang durch Pille, die zurückgedrängte Kirche und ungebundenes Sexualleben ist eine weitaus bessere Sache als, sagen wir mal, Pest und Hungersnot.

In etwa 50 Jahren wird sich das alles wieder eingependelt haben. Die Vorstellung, dass ein Land gross ist, wenn es viele Einwohner hat, ist lächerlich; entscheidend ist immer noch die Lebensqualität und die Freiheit, die nicht durch Karnickelprämien für die Vermehrung christlicher Extremisten und die Bestrafung der Aufgeklärten beschädigt werden sollte. Wichtiger statt dem Geburtengeflenne wäre eine Debatte darüber, wie viele Menschen dieses Land überhaupt braucht, und ob wir mit 60 Millionen nicht weitaus besser fahren - und mit uns auch die Umwelt.

Natürlich geht sowas immer auf Kosten des ländlichen Lebensraumes. Aber auch da sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Das Leben in den Dörfern war früher kein Vergnügen, die Lebensläufe der Mägde, Knechte und Häusler stehen - jenseits von Blut-und-Boden-Blabla - an Entmenschlichung in nichts den Arbeitern im Manchesterkapitalismus nach. Reich wurden die Dörfer erst durch das Bevölkerungsachstum und den Baulandverkauf sowie die EU-Subventionen. Mit dem neuen Spritzenhaus, den drei Bolzplätzen und der schönen Umgehungsstrasse lässt sich natürlich gut jammern, über die verlorene Dorfgemeinschaft, die von aussen nicht ganz ohne Grund protototalitär wirkt. Den Niedergang von Gasthaus, Edeka-Kramer und Tankstelle und Hofgeschäft haben sich die Dörfler selbst zuzuschreiben. Wer partout die Eier um 2 Cent billiger bei Norma kaufen will, darf sich nicht wundern, wenn das Lebensumfeld vor die Hunde geht.

Never mind the Käffer - spätere Archäologen wollen auch nochmal intakte Befunde sichern, aus dem 21. Jahrhundert. Man kann Flächen durchaus still legen, der Fläche ist es egal. Wer unbedingt einen Teil der Dörfer und die Landwirtschaft halten will, muss die Leute überzeugen, dass sie regional einkaufen. Bocksbeutel statt Holzfusselbrühe aus Kalifornien, Fleisch aus dem Umland, besser mal einen Feldsalat als im Winter quietschrote Tomaten, Boskopp statt supergrünsupersaftiggenetischen Glanzapfel, Roggen statt Donut, Möbel, deren Holzfasern nicht aus Kanada kommen.

Auch manche Städte werden schrumpfen, aber die maroden Blockviertel der 7oer Jahre müssen in Ost und West ohnehin irgendwann weg. Auch da bitte keine falschen Sentimentalitäten - im urbanen Raum gibt es keine Garantie auf Wachstum. Wanderbewegungen sind auch nicht wirklich neu. Wie schon im vierzehnten Jahrhundert sind es viele Faktoren, die die Veränderung hervorbringen. Aber wir haben heute wenigstens die Möglichkeit, die Faktoren beeinflussen zu können. Es werden weniger Menschen hier leben, das ist klar. Aber niemand stirbt gleich aus, wenn es weniger Menschen gibt.

Donnerstag, 16. März 2006, 15:49, von donalphons | |comment

 
Man lese mal Pest, Geißler, Judenmorde. Das Spätmittelalter als Krisenzeit von Frantisek Graus.

@Dorfgemeinschaft: Ich erinnere mich da an die Erzählungen meiner Mutter; da gab es einen Bauern, der einmal im Monat seine Tochter mit der Peitsche ums Haus hetzte, und einen anderen, der glaubte, seine Frau betrüge ihn, und sie in den Wald führte, damit sie sich ihren Baum aussuchen solle. Nur mühsam war er vom Hängen abzubringen. Das ganze Dorf bekam diese Sachen mit, niemand griff ein. Nur diesen komischen Russen mit den gestreiften Anzügen steckte man ab und an eine Stulle zu, sollte sich dabei aber nicht erwischen lassen. Immerhin, wenn es jemand tat, drückten die meisten Dörfler schon ein Auge zu. Mein Großvater hingegen hatte weniger Glück. Er gab sich mit Juden ab, dafür saß er 2 Jahre, und meine Oma starb vor Kummer an Magenkrebs.

So idyllisch wars auf dem Land, kaum länger als 60 Jahre her.

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Die Angst vor schrumpfender Bevölkerung geht einher mit der herrschenden Wachstumsideologie, die andauernd propagiert wird. Um Wachstum zu erreichen, muss die Bevölkerung zumindest konstant bleiben, vorausgesetzt es ist eine Produktivitätssteigerung da. Und das alles nur, weil wir zu großen Teilen auf Kredit leben, zumindest von Staatsseite, da ist es kein Wunder, wenn die Verantwortlichen Angst haben, dass die Zinsen vielleicht nicht mehr erwirtschaftet werden. Käme man von dieser Ideologie runter, könnte man Bevölkerungsschwankungen als das sehen was sie sind: natürliche Zyklen.

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Quietschrote Tomaten? Jetzt? Wo? Ich seh immer nur halbgrüne. Boskopp ist sehr schön für den Kuchen, aber zum pur essen gibt es genügend andere einheimische Sorten.

Mal im Ernst, verlassene Siedlungen gibt es vielerorts. Da gab es einige Dörfer im deutsch-tschechischen Grenzgebiet, oder sudetendeutsche Dörfer, die nach dem Krieg verlassen oder geräumt wurden und dann verfielen. Neuere Fälle, außer Zwangsräumungen wegen Braunkohle oder innerdeutscher Grenze, sind mir nicht bekannt. Mir fällt nur ein Beispiel aus dem tschechischen Isergebirge ein: Fast verlassenes Dorf, früher mit Glashütte, besteht jetzt fast ausschließlich aus Gaststätten, Pensionen, Ferienheimen und Häusern, so wie es in Tschechien häufiger ist, dass das Haus der Großeltern auf dem Land als Ferienhaus behalten wird. Genau das wird auch in einigen deutschen Regionen passieren, ein fast totes Dorf, das im Sommer/Winter nur für kurze Zeit auflebt. Für die Archäologen bleibt nichts, weil, solange ein Ort bewohnt ist, alles was kaputt ist abgerissen und beräumt wird. Übrig bleiben nur Grundmauern.

Beinahe alle Städte schrumpfen bereits (oder verschleiern das durch Eingemeindungen). Einzig Dörfer und Kleinstädte im Speckgürtel wachsen durch die Eigenheimsiedlungen. Einen Plan gibt es bislang nur im Osten für die Plattenbaugebiete (oder?), überall sonst wird abgerissen was gerade fällig ist. Ein Einwohnerverlust von 50% in weniger als 20 Jahren ist aber noch nicht das Todesurteil für eine Stadt, wenn sie das Zentrum für die umliegenden Orte ist.

Die Plattenbauviertel (und ihre Vorläufer) werden im Osten innerhalb der nächsten 20-30 Jahre nicht verschwinden. In Dresden sowieso nicht.

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Historisch mag das richtig sein. Und aus der Sicht eines kinderlosen Stadtbewohners fallen solche Überlegungen leicht.

Wer wie ich mit Familie auf dem Land wohnt und noch dazu in einer Region, die in dem SPON-Artikel schon mal als "Wessigiorno" bezeichnet wird, der wird das anders sehen, gerade weil diese Entwicklungen in den nächsten 10-20 Jahren stattfinden und nicht erst in 50 und mehr Jahren, wenn nach mir sowieso keiner mehr fragt.

Das fatale ist für mich nicht die demographische Entwicklung und Überalterung, die so manche deutsche Stadt auch treffen wird, sondern das abrupte Ende der Entwicklung im ländlichen Raum. Die beiden SPON-Berichte zeigen dies - wenn auch überzeichnet - auf. Für DSL 2000 langt es oft noch, aber die neuen schnellen Breitbandnetze und UMTS werden hier wohl nie kommen. Landstrassen sind schon heute eher Flickenteppiche, Benzinpreise und Strafsteuern für Autos sorgen dafür, dass die Landstrassen auch nicht gebraucht werden. Hingegen wird der ÖPNV in den Städten grosszügig subventioniert. Auflagen wie Umweltschutz, Klimaschutz, Sicherheit, usw sorgen dafür, dass private und öffentliche Investitionen genauso teuer sind, wie in Ballunsräumen. Energie auch. Das billige Wohnen und Bauen auf dem Land ist schon eine Weile Vergangenheit.

Das sorgt dafür, dass es diese Entwicklung dramatisch verlaufen kann, schneller, als es die Prognosen heute wahrhaben wollen. Für mich ist es traurig zu wissen, dass alles, was ich hier aufbaue und pflanze keine Zukunft hat, weil meine Kinder und villeicht auch ich schon in 20 Jahren hier nicht mehr leben wollen.

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In der niedersächsischen Provinz wird, wenn auf einer Straße eine Ölspur oder Überflutung ist, ein Schild "Achtung, Ölspur!" oder "Achtung, Fahrbahn überschwemmt!" an den Straßenrand gestellt, das bleibt dann 6 Wochen stehen. Sonst passiert nichts.

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Bald wird auch kein Schild mehr hingestellt.

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nicht, solange ein fahrzeughalter einen ersatzanspruch gegen die gemeinde hat, wenn das fahrzeug durch schlechten strassenzustand beschädigt wurde, und keine warnung, z.b durch entsprechende beschilderung erfolgte.

oder anders. es ist kein geld für die straßen da, also werden sie nicht instandgehalten. für annsprüche aus schadensersatz von fahrzeughaltern ist erst recht kein geld da, also nichts wie schilder aufgestellt.

da die feuerwehr bei uns (schreistaat faxen) ihre einsätze abrechnen kann und genügend kameraden auch tagsüber bereit sind, ohne dass da lohnzahlungen zu ersetzen wären, ist man da dankbar über jede ölspur. die werden dann in einer weise beseitigt, dass der personaleinsatz geradezu staunenswert ist.

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na ja, das leben auf dem land ist eben nicht so, wie sich das die in grossen städten lebende stammwähler der grünen vorstellen. das sind doch die, die glänzende augenkriegen, wenn vom land die rede ist. nur ist es dort ganz anders. schliesslich ist das nicht erst seit heute, dass landwirtschaftliche produktion auf grossen flächen mit wenig leuten passiert. entsprechend wurden die dörfer entweder zu schlafstätten für diejenigen städter, die sich das leisten konnten, die bauern über den erwerb von baugrundstücken reich zu machen, oder sie wurden zu wochenendsiedlungen von städtern, die sich leisten konnten, sich den traum vom wochenendhaus oder -hof auf dem land zu erfüllen.

ernsthaft scheint das problem auf dem land schon das zu sein, dass sich viele bislang noch landbewohner das in zukunft einfach nicht mehr leisten können.

knackpunkt ist die infrastuktur: medizinische versorgung mit allgemeinarzt und facharzt, schulen und weiterführende schulen, post und telekommunikation, einkaufsmöglichkeiten. am wichtigsten ist der nahverkehr. öffentlicher ist so gut wie nicht, nachdem erst die bahnen und dann die busse eingestellt werden. wer auf dem land zu alt ist, auto fahren zu können, oder aber zu arm, muss in die stadt ziehen.

so lassen sich die leistungen nach sgb zwo als das eigentliche verstädterungsprogramm ansehen. hier sehe ich das eigentliche problem, wenn die nach sgb zwo bearmten bürger sich in städten und dort in ghettos sammeln. che würde sagen, vielleicht kommt von da auch die lösung. obwohl ich das so nicht glaube.

ich denke eher, wir gehen spannenden zeiten entgegen. denn ähnliches gilt auch für die vielen kleinen städte neufünflands. wenn dort von maroder bausubstanz die rede ist, sind damit nicht die plattenbauten gemeint, die noch immer die diskussion beherrschen, sondern die verfallende bausubstanz der innenstädte. die stadtkerne, die bis jetzt nicht saniert sind, wird in zukunft keiner mehr sanieren, so meine prognose.

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Eigentlich wollte ich das gestern schon zum anderen "Geburtenrate"-Text schreiben; hier passt das aber besser.

Natürlich sind diese Entwicklungen nicht das Ende der Welt. Trotzdem mal ein paar Zahlen und unsortierte Gedanken.

Die vorpommersche Stadt, in der ich aufgewachsen bin, hat seit 1989 so ca. ein Viertel an Bevölkerung eingebüßt. Am Anfang des 19. 20. Jhd. leistete sich diese Stadt noch ein eigenes Theater; jetzt kann es nur noch im Verbund mit anderen Städten bespielt werden. Gerade kleinere Städte haben ganz häufig ähnliche Probleme: sinkende Einwohnerzahl, damit werden bestimmte kulturelle Dinge schwerer finanzier- und durchsetzbar, das Fehlen dieser Dinge macht die Stadt für eine bestimmte Klientel noch weniger attraktiv usw. Das ist fast wie eine abwärtslaufende Spirale.

Oder, ein anderes Beispiel: Dresden. Dresden steht ja als Stadt eigentlich nicht schlecht da - die Lebensqualität gilt als gut; die Bevölkerungsentwicklung ist positiv.
Dresden hat heute etwa 125.000 Einwohner weniger als in den 30er Jahren; bezogen auf den damaligen Stand sind das etwa 20%.

Ich glaube, wenn eine bstimmte kritische Masse unterschritten wird, wird aus einer netten Provinzstadt ein Kaff und aus einer Großstadt eine "Ex-Großstadt" (sprich: Ambitionen, aber nicht die Möglichkeiten). Und das ist nun eher eine qualitative denn eine nur quantitative Entwicklung.

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Der zu erwartende Bevölkerungsrückgang ist ja nun beileibe kein rein deutsches Phänomen. Man blicke ins katholische (!) Südeuropa und staune: noch weniger Kinder als hierzulande! Die europäische Entvölkerung ist längst Faktum, mit regional unterschiedlichen Geschwindigkeiten, aber die Zeiten sind tatsächlich vorbei, in denen man wie in bester sozialistischer Tonnenideologie mit großer Einwohnerzahl "jemand" war. Vorbei aber auch die Zeit europäischer Hegemonie, uns ergeht es längst wie weiland den Griechen: Die bekamen auch regelmäßig Besuch von den imperialen Römern, die mal nachsehen wollten, woher ihre Kultur kam und die die vielen Städtchen mit ihren Tempelchen ungemein putzig fanden.

Und die Chinesen und Inder wird nicht einmal das interessieren.

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Es geht auch anders, ....
denn in dem französischen Dorf, in dem wir leben gibt es noch etwa 300 andere Einwohner. Trotzdem hat es einen Kindergarten und eine Primarschule. Für die weiterführenden Schulen gibt es Schulbusse. Der ÖPNV ist nicht existent, weil es vollkommen unpraktisch wäre mit dem Bus zu fahren (die Höfe liegen zu weit auseinander). Vom Château aus ist kein anderes Haus zu sehen, ohne Auto geht es nicht. ABER: die kleinen Städtchen in der Umgebung, etwa jeweils 10 bis 15 km weg sin haben Infrastruktur (mehrere Ärzte und Apotheken, Jagdgeschäfte - das braucht man hier) und gute Einkaufsmöglichkeiten. Wenn wir ins Theater oder in die Oper wollen, fahren wir halt eine Stunde in die Grosstadt und übernachten dort. Um in den Volleyballclub zu gehen, muss ich etwa auch eine Stunde fahren. Wenn wir bei Freunden zum Diner eingeladen sind, ist unter einer dreiviertel Stunde Weg das kaum zu machen. Dafür besucht man sich im Winter sehr häufig und gibt Gesellschaften in den Manoires, Châteaux oder auf den Höfen: Man isst, trinkt Wein, erzählt Unsinn und lebt wie Gott in Frankreich.
Ähnlich wird wahrscheinlich auch mal Deutschland sein - ausser dass dort das Bürgertum, die alten Bauerngeschlechter fehlen, zu denen ich auch uns «von und zu» zähle, die noch Träger des kultivierten Lebens sind. Diese Gegend hier hatte im ausgehenden 19. Jahrhundert etwa dreimal so viele Einwohner. Der Unterschied zu Deutschland ist allerdings der, dass hier der Staat sehr stark in Infrastruktur (Strassen) investiert und man sich mit der Situation seit langem abgefunden hat, einfach am Ende der Welt zu leben.

Jetzt muss ich los. Die Köchin hat gekocht, die Kinder sind zurück und warten aufs Abendessen und jetzt muss ich einen der Hunde suchen, der abgebüchst ist und laut im Wald ein Reh jagt.

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Da ist was dran, ohne die Geschichte zu bewerten: Die Franzosen sind stolz auf ihre "campagne". Dagegen wird in Deutschland der ländliche Raum nur als unterentwickelt wahrgenommen und am Liebsten ganz ignoriert.

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Normalerweise kann ich mit den "Raubritters" nix anfangen aber wo er Recht hat er Recht. Die Gegend die wir regelmäßig in Frankreich aufsuchen, den Angaben zur Bevölkerungsentwicklung nach könnte es sogar in der Nähe sein, war noch vor 30 Jahren, als ich sie das erste Mal aufsuchte mehr oder weniger am aussterben. Nicht umsonst wollte die französische Armee in der Nähe den Truppenübungsplatz vervielfachen. Die heimischen Nutztierrassen standen auf der Abschussliste und die Dörfer starben. Heute sieht die Sache völlig anders aus. Die Alten kehren zurück, aufgegebene Höfe erwachen zu neuem Leben und was die Infrastruktur betrifft: Das 8000 Seelen Städtchen in der Nachbarschaft hat einfach alles was man braucht – bis hin zur Tierklinik für meine Töle. Das städtische Zentrum (50000 Einwohner) meiner ex Zwangs-Wahl-Heimat kann da nicht mithalten. Gut, Frankreich hat den Vorteil, dass es sich keine 16 Provinzkönigreiche leistet und dadurch eine gezielte Förderung besser zu realisieren ist aber auch hier sollte es zumindest in Ansätzen machbar sein. Wäre ich 20 oder nur 10 Jahre jünger ich würde sofort gehen.
und zu strappato
das ist einer der Unterschiede unsere Ländler würden sich wohl kaum einem Käse für 20€ das Kilo kaufen um ihn dann mit Kartoffeln zu vermengen. Die Genossenschaft die diesen Käse produziert (10 Mio. kg Milch) verkauft 75% der Produktion innerhalb der Region - gott sei dank bleibt aber ein kleines Stück für Berlin übrig. Bin des Öfteren beim Aldi in besagtem Städtchen vorbeigefahren – war immer ziemlich wenig los.

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danke für die info, durchlaucht.

so stelle ich mir elitenförderung vor. schade, dass ich nicht dazu gehöre.


danke für die info, lafargue.

interessanter einwand.

bislang dachte ich immer, der glanz von paris sei mit dem elend der provinz erkauft. war immer mein wesentlicher einwand gegen zentralisierung, reichshauptstadt und dergl.

also geht der glanz der landeshauptstädte (z.b. dresden!) klar auf kosten der etwas peripherer liegenden landesteile. wenn ich es mir genau überlege, gehört das eigentlich zu den grundlegenden überzeugungen der peripherie.

wobei das elend ist, dass der finanzausgleich mitsamt dem bundesrat diesen übelstand auch noch zementiert. wäre das saarland schuldenfrei, hätte rheinland-pfalz die drei landkreise längst vereinnahmt.

so ähnlich auch sachsen-anhalt. die von herrn ministerpräsidentenkandidaten bullerjahn angesprochene vereinigung von (in alphabetischer reihenfolge) freistaat sachsen, freistaat thüringen und sachsen-anhalt zu einem bundesland, projektname grosssachsen wäre schon längst erfolgt, wenn da nicht auch noch lasten zu schultern wären.

der eigentliche übeltäter sind unsere parteien, die auf die in sechzehn landtagen, landesministerien und und und generierten posten scharf sind, weil deren verteilung ihre machtposition darstellt.

bleibt also nur die hoffnung, dass sich die verhältnisse so zuspitzen, dass irgendwann einmal die frage gestellt wird, ob sch die bürger ihre landesfürsten mitsamt ihrem ganzen geschwerl leisten wollen. herr bullerjahn hat diese frage zumindest erkannt.

insofern ist die debatte von wegen, was lesen sie noch dum mherum, zeugen sie gefälligst kinder! nichts als ablenkung vom eigentlichen problem: dass wir uns die gewachsene, ach was gewucherte regierungs- und verwaltugsstruktur nicht mehr leisten können.

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Elitenförderung
Was die Elitenförderung betrifft: Ich bin Elite - aber gefördert von mir selber. Das Schloss haben wir uns erarbeitet - erschrieben als Journalisten und Werber. Gekauft und renoviert. Ererbt haben wir nichts, ausser eeinem unerschütterlichen Optimismus - dafür geben wir jedes Jahr ein Vermögen aus, um den Kasten mit Empiremöbel vollzustopfen und Ölgemälde an die Wände zu hängen.

Was hier - und im Rest Frankreichs - Château heisst, hat meist die besten Tage hinter sich - meist sind es grosse Häuser, etwa 10 bis 20 Zimmer, die zu Beginn des 18. oder kurz nach der Jahrhundertwende zum 17. Jahhundert gebaut wurden. Der Erhaltungszustand ist meist erbärmlich - Hornbach-Deutsche würden hier nie einziehen und das Landleben gefällt denen höchstens aus dem Gunter Lambert-Katalog für die Sommerfrische im wiessen Kleid.
Beispiel? Unsere Einfahrt, knapp 100 Meter lang, versinkt im Frühjahr und Herbst im Matsch. Die Quelle im Garten tritt ab Dezember über die Ufer und überflutet den Weg. Mit normalen Schuhen kann man nicht raus und wenn man in den Park will, braucht man Gummistiefel.

Finanziert ist Paris tatsächlich vom Landadel - der Sonnenkönig war da sehr geschickt. Ich sollte später mal von dem Kloster in der Nähe schreiben, das nach der Revolution von einem Kaufmann gekauft wurde. Die Nachfahren seiner drei Kinder leben heute noch darin. Jede Familie in einem Flügel. Was man am besten damit machen sollte? Mit einem Panzer durchfahren, so kaputt ist das. Der Kreuzgang wurde 1920 komplett (!!!) nach New York verkauft, ein Schloss gegenüber ebenfalls komplett demontiert und steht jetzt auf Long Island. Die wirtschaftliche Basis zur Erhaltung dieser - und anderer - Häuser fehlt einfach. Aber das ist ein anderes Thema. Und das hat wiederum stark mit dem deutschen Osten zu tun.

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Ches praktische Ratschläge zur Verwaltungsreform
@auch-einer: scharf erkannt. Das wäre doch mal ein Schritt in die richtige Richtung: Politiker, die sagen, wir alle müssen den Gürtel enger schnallen, wir müssen Bürokratie abbauen, ich gehe mit gutem Beispiel voran und löse meine Landesregierung zugunsten verbleibender Bezirkskörperschaften auf. Man vergleiche einmal die Kosten eines Ministerpräsidenten mit allem, was da dran hängt (Landesministerien etc.) mit denen eines französischen Präfekten!

Man könnte den Föderalismus natürlich auch noch auf eine spaßige Weise reformieren: Den Polen ein paar Wiesen zwischen Swinoujze und Szechin abkaufen, mit Vorpommern vereinigen und daraus ein Bundesland Pommern machen, genauso Görlitz/Zgorzelec als Bundesland Schlesien umfirmieren und die entsprechenden Landsmannschaften mit der Begründung dichtmachen, dass sie ihre Existenzberechtigung verloren haben. Man spart dadurch nicht nur Geld, sondern kann einem gewissen reaktionären Pack sagen, ok, da habt ihr euer Land, macht was draus, Ärmel hochkrempeln!



@graf: Sehr interessanter Beitrag, danke. Zu ergänzen wäre noch, dass dies z.B. inSchottland und Irland noch viel schlimmer ist, wo Teile der gentry in völlig vergammelnden castles wie die Räuber hausen. Philip Boa hat so eine Begegnung mal in Lord Garbage verewigt.

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@auch-einer: So einfach ist das mit dem Dichtmachen der kleineren Bundesländer (Saarland, Bremen etc.) nicht. Die haben nämlich durchaus ein Wort mitzureden und bilden sich auf ihre "Selbständigkeit" etwas ein. Auch wenn diese aufgrund der Abhängigkeit vom Finanztropf des Bundes bzw. der anderen Länder eigentlich nicht vorhanden ist.

@che: Als seinerzeit im Saarland Herr L. an die Macht kam, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als das Kultusministerium in Kultur- und Bildungsministerium zu splitten, was aufgrund der zu verdoppelnden oberen (Knall-)Chargen etliche Hunderttausende im Jahr kostete. Besonders peinlich war, daß die neue Bildungsministerin nur durch überdurchschnittliche Inkompetenz auffiel...

Daß die Städte das Umland aussaugen ist heutzutage zumindes in der unmittelbaren Umgebung anders. Der Münchner OB Ude hat den schönen Ausdruck "Speckgürtel" geprägt: die Umlandgemeinden profitieren von der Infrastruktur der Stadt tragen aber wenig dazu bei. Aufgrund der Einkünfte aus Gewerbe- und Einkommensteuer gehts den Umlandgemeinden finanziell sehr gut, während München seit 8 Jahren oder so einen defizitären Haushalt hat (erstmals seit dem 2. Weltkrieg - von diesen Problemen träumen die OB's anderer Städte).

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Die Freuden das Landlebens. So sieht unser Garten aus:



Ein Albtraum für den Reihenhausbesitzer, der die Dramatik nicht per Maulwurf bekommt, sondern künstliche Bäche im Garten anlegen muss. Die Scheune müsste neu gedeckt werden, im Hof zur Remise steht das Wasser manchmal so hoch in den Kuhlen, dass Mütter Angst um ihre kleinen Kinder haben, und so manches mehr.

Der Bund schiebt es auf die Länder, die Länder auf die Kommunen und die Städte auf das Umland. Ich sehe die Schuld für das Multilemma auch in der immer wieder betonten "Gleichheit der Lebensverhältnisse". Dies hat erst zu dem System der Umlagen, Stützungen, Förderungen geführt. Eigenständiges Profil konnten so die Kommunen und Regionen nie entwickeln, da immer nur mit Argusaugen auf andere geschaut wurde. Ein wenig wie: Der Nachbar hat ein neues Auto, also brauche ich auch eins.

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Maulwürfe
Ganz besonders liebe ich Leute, die zu Hause über 100 Quadratmeter Garten verfügen und dann den Kopf schütteln, wenn die Wiese nicht gemäht ist, die Obstbüme nicht geschnitten sind und die Brennesseln hinter dem Schafstall wachsen. Die bekommen von mir sofort die Sense in die Hand gedrückt. Nach einer Stunde sind die dann wieder da und sinken in den Liegstuhl und kippen eine Flasche Chardonnay.
Elektrische Gartengeräte bekommen diese Sportsfreunde erst gar nicht in die Hand - die würden nur Flurschaden anrichten.

Dass mit der Eigenständigkeit der Regionen in Deutschland stimmt, wenn man sich die neuen Siedlungen anschaut. Man weiss nicht mehr: steht das in Sachsen oder Friesland?

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Elektrische Gartengeräte? Ich leihe mir zum Mähen 3x im Sommer den Traktor vom Nachbarn aus. Den braucht man auch, um das Laub der halben Dutzend Eichen hier auf dem Grundstück im Herbst zu entsorgen. Wo man übrigens wieder beim Thema Verordnungen ist: Es ist nicht erlaubt, das Eichenlaub in das eigene Waldstück zu verfrachten. Verbrennen darf man es sowieso nicht, also müsste man es gegen Bezahlung in der kreiseigenen Kompostfabrik abliefern.

Ach ja: Sich des Laubproblems mit der Kettensäge zu entledigen geht natürlich auch nicht: Da ist eine Baumschutzsatzung vor.

Die Friesengiebel-Häuser im Mittelgebirge. Nett anzusehen. Grund für den Friesengibel war früher die Deckung mit Reet oder Stroh. So konnte bei einem Brand, was ja nicht selten war, die Deckung links und rechts vom Eingang runterrutschen und hat nicht den Fluchtweg versperrt. Hilft leider heuzutage nicht mehr auf der Flucht vor dem Gerichtsvollzieher, wenn man sich mit Friesengiebel, Granitbäder und Gartenteich verkalkuliert hat.

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Verordnungen
den Mitarbeitern der Unteren Landschaftsbehörde sollte man schon morgens um halb fünf so kräftig in die Bioeier treten, dass die bei den Ohren wieder rauskommen. Da gibt es ja die Diskussion, dass man auf der Jagd den Aufbruch, also das Gedärm und die Innereien nicht mehr im Wald liegen lassen darf. Das sind Kopfgeburten irgendwelcher Salonnaturromantiker.

Das mit den Giebeln ist eine schöne Geschichte - die Brandgefahr erklärt ja auch die Truhen in denen das Hab und Gut verstaut wurde.

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Oh ja, die Jäger und Bürokraten in den Städten. Hier in Niedersachsen wollte das Land den Jagdpächtern eine Pacht für die Fläche der Landes- und Bundestrassen abknöpfen, die in dem Pachtgebiet liegen. Begründung: Die von Autofahrern erlegte Strecke gehöre ja auch dazu.

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graf rappoldstein,

mit eliteförderung meinte ich das hier:

" in dem französischen Dorf, in dem wir leben gibt es noch etwa 300 andere Einwohner. Trotzdem hat es einen Kindergarten und eine Primarschule. Für die weiterführenden Schulen gibt es Schulbusse. "

also die zurverfügungstellung einer infrastruktur, die das leben auf dem lande (in der provinz, würde der franzose sagen) angenehm macht. dass das für die ländliche bevölkerung gedacht ist, ist mir schon klar. immerhin, die franzosen lassen sich die sicherung der konservativen wählerbasis - denn das dürfte doch ein grund für diese massnahmen sein - etwas kosten.

bei mir in der gegend gibt es wegen dreihundert hanseln keinen kindergarten, eine grundschule schon gar nicht. im schreistaat läuft es derzeit auf konzentration in schulischen bereich hinaus, wie es aussieht. in der stadt, zu der der ort, in dem ich lebe, eingemeindet ist, insgesamt so 5.500 einwohner, gibt es inzwischen eine private mittelschule (in sachsen gibt es keine hauptschule, es gibt da die mittelschule mit einer prüfung nach der klassenstufe neun - hauptschulabschluss - und einer prüfung nach der klassenstufe zehn - realschulabschluss), träger ist die evangelische kirchgemeinde, nachdem das land, bzw. der landkreis diese nicht mehr tragen wollte.

folgt eine persönliche erklärung: nein,
eine neiddebatte will ich nicht lostreten.

erstens glaube ich mich soweit zu kennen, dass mir gelber neid im sinne eines was ich nicht haben kann, soll auch keinem anderen zu eigen sein fremd ist.
zweitens bin ich mit bebauten grundstücken so weit vertraut, um zu wissen, dass schlösser, vor allem auf dem land, etwas für sehr vermögende liebhaber einer speziellen lebensweise sind, die ein denken jenseits von kurzfristigen kosten-nutzen-erwägungen voraussetzt. kommt gleich punkt drei:

wer es schafft, in frankreich bei den dortigen schlossherren gern gesehener gast zu sein, nun, mit geld allein ist das nicht zu kaufen. beziehungen oder verwandtschaft öffnen ein erstes mal die tür. ob man wieder eingeladen wird, ist eine frage der persönlichkeit und der wertschätzung, denke ich mal. respekt.

die feststellung, schön für den, der so etwas hat oder haben kann und der dabei noch "lebt wie Gott in Frankreich", ist mir doch sicher gestattet.

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che,

verwaltungsreform, aber wie?

eigentlich meine ich, dass keine gebietskörperschaft das machen soll, was die darunter genauso gut oder noch besse kann.

an sich halte ich das mit den bundesländern nicht für schlecht, denn eigentlich, wozu brauchen wir den bund? aussenpolitik - macht die eu. verteidigung - macht die nato und die evg. wirtschaftspolitik - machen die länder, wissenschaftspolitik auch. bleibt die gesetzgebung und eine moderation in richtung gemeinsame lebensverhältnisse. sowas wie wirtschaftspolitik und wissenschaftspolitik durch länderübergreifende körperschaften wäre auch noch denkbar. aber dafür ist kein gigantischer apparat wie derzeit in berlin zu besichtigen, notwendig. übrigens versuchte der finanzminister eichel (eigentlich war es ein arbeitspapier von frau hendricks) noch in richtung finanzverwaltung durch den bund tätig zu werden. ist dann eingeschlafen.

als regionale untergliederungen wären die bundesländer noch immer brauchbar, und, auch notwendig. eigentlich hätte ich mir von der zunehmenden rolle der eu eine stärkung der länder erwartet. nachteil: es sind zu viele. schön, wenn so länder wie das saarland oder bremen sich diesen luxus leiten wollen, dann aber durch eine sondersteuer finanziert.

regierungspräsidien sind neuierdings entbehrlich, dafür werden die landräte aufgewertet. das sind in zukunft diejenigen, die den prunk und protz der lndesverwaltungen in einer weise nachahmen, wie die deutschen bundesfürsten den sonnenkönig (der von württemberg konnte es besonders gut, fluch über dich, eugen!).

eigentlich ist nur zu begrüssen, dass das geld knapp wird, wenn es nur gelänge, die ausufernde verwaltung auf das notwendige mass zu stutzen.

da wird so lange keine hoffnung sein, wie die parteien ünber die vergabe von posten zu entscheiden haben. erster reformschritt: strenges mehrheitswahlrecht, reine persönlichkeitswahl, keine wahllisten von parteien o. ä.

die andere hoffnung, die ich noch habe, ist, dass die beiden volksparteien cdu und spd auseinanderbrechen. dann werden drei- und vierparteienkoalitionen die regel, was zu einer entmythologisierung der politik führen könnte.

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Danke...
@auch-einer. Die Ergänzung spricht für Ihre kultivierte Lebenshaltung, herzlichen Dank für die Blumen: Ja, es ist schön.

Das Ausräumen der ostdeutschen Inmfrastruktur, so wie Sie das beschreiben, war mir in diesem Ausmass nicht bekannt. Wenn das Schulangebot an der evangl. Kirche hängt während die selber auf dem abstrebenden Ast sitzt, ist das ein ordungspolitischer Irrsinn..

@strappato: Da sage noch jemand, dass die Bürokartie nicht kreativ wäre.

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Wenn wir ins Theater oder in die Oper wollen, fahren wir halt eine Stunde in die Großstadt und übernachten dort. Um in den Volleyballclub zu gehen, muss ich etwa auch eine Stunde fahren. Wenn wir bei Freunden zum Diner eingeladen sind, ist unter einer dreiviertel Stunde Weg das kaum zu machen.

Ich frage mich nur bloß, wie Sie das machen werden, wenn Sie erst einmal 79 Jahre alt sind und dann womöglich nicht mehr Auto fahren können. Und Ihre Freunde im ähnlichen Alter auch nicht.

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Was machen alle anderen im ländlichen Raum, wenn sie 79 Jahre alt sind und nicht mehr Auto fahren können, oder es sich angesichts der Schrumpfrenten nicht mehr leisten können? Immer noch hat sich die überwiegende Mehrheit auf dem Land dies nicht ausgesucht, sondern ist hier geboren und aufgewachsen. Ich bin hier hingezogen und habe auch kein Problem, irgendwann, wenn die Kinder gross sind, wieder mehr in die Stadt zu ziehen, aber wenn ich da an meine Nachbarn hier im Dorf denke, die wenn überhaupt nur wenige Kilometer weit mal umgezogen sind. Dann macht man sich doch Gedanken, wie das in 20 Jahren aussieht, falls die Entwicklung so weitergeht.

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Im Alter....
.... ist es auch in der Stadt nicht wirklich schön und ob ich mit 79 in die Oper gehe, weiss ich nicht - als Jäger habe ich dann eh einen Hörschaden und kam mir eher Pantominenbühnen anschauen. Aber es stimmt schon: es ist der Vorteil von uns Neu-Landbewohnern, dass wir zumindest theoretisch die Biege machen könnten. Meine Eltern wollten nach der Pensionierung eigentlich zurück nach Bayern. Jetzt sitzen sie weiterhin in Westfalen. Offen gestanden glaube ich nicht, dass man seinen Wohnsitz, wo man 20 Jahre gelebt hat, den Garten angelegt, Kinder hat aufwachsen sehen und ein paar Freunde hat, wieder verlässt.

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Das wage ich zu bezweifeln - schon im Grüngürtel um die Städte ändert sich das. Das Seeviertel, in dem meine Eltern wohnen, hat sich recht erfolgreich gegen Doppelhaushälften gewehrt. Dort stehen fast nur "Zweifamilienhäuser", die inzwischen von 2 Rentner bewohnt werden, in 1000 m² Grundstücken. Die Bäume wurden dort vor 30 Jahren angepflanzt. Jetzt sitzen die also mit ihren 15 Zimmern, 2 Küchen, Bädern, Balkonen Doppelgarage in einer landschaftlich reizvollen Pampa, und die Arbeit wächst den stolzen Architekten von 1977 über den Kopf. Zu gross, zu viel, dazu die Angst vor den Einbrechern. Als Zwischenlösung haben ein paar Polizisten den Dienst quittiert und machen jetzt alles vom Objektschutz über Renovierungen bishin zur Gartenarbeit.

Aber das ändert nichts daran, dass jede Besorgung mit einer Autofahrt oder 40 Minuten Fussmarsch verbunden ist. Irgendwann wird das nicht mehr gehen. Und dann setzt eben der Rückzug in die Altstadt ein. Der unser Stadthaus betreuende Architekt kauft gerade alte leerstehende Stadthäuser und Wohnflächen auf, baut sie zu seniorengerechten Town Houses um, vorzeigbar, nicht zu gross, mit einer Hilfe problemlos zu betreiben, und einer als "Gästewohnung" getarnten Einliegerwohnung "in the attic" für das Pflegepersonal.

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Sehr schön und vor allem sehr wahr!
Selbst in den letzten 5 Jahren konnte man bereits deutlich die Steigerung an Aufträgen zu gezieltem Rückbau (OHNE Neuplanung) von leerstehenden in Spe Ruinen beobachten.

Bei zahlreichen Bausünden Neubauten aus den 70ern kann man für eine rasche Rezession nur froh sein. Bestünde doch von Jahr zu Jahr allein durchs älter werden die Gefahr der Wandlung vom Schandfleck zum Denkmalschutz...

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verschiedene Quellen zum Thema
da scheint ja das Schrumpfen ein neues Modethema zu sein: In Halle/S. und Leipzig lief dazu vor kurzem die Ausstellung "Schrumpfende Städte". Folgende Zeilen stammen von dort:

lasst uns in ruhe
strengt euch nicht mehr an
spart euch das geld
+++
wir wollen nicht mehr
uns ist nicht zu helfen
seht das endlich ein
+++
es muss nichts geschehen
rechnet mit uns
wir melden

Das passt sehr gut zu: Uckermark - Zukunftsroman von Hans-Peter Gensichen. Dort beschreibt der Autor die Chancen der Schrumpfung am Beispiel eines kleinen scheinbar sterbenden Dorfes, in dem sich die Leute anfangen selber zu kümmern.

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Weiteres Material zum Thema:

In der von mir sehr geschätzten Zeitschrift brand eins ging es in Heft 5/2004 um das Thema Rückbau und dessen Chancen.

Erfreulicherweise gibt es das Heft (wie die anderen auch!!!) im Volltext online: http://www.brandeins.de/home/inhalte.asp?MenuID=130&MagID=49

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