Selber zahlen

Ich habe erziehungsbedingt ein Problem, mich einladen zu lassen. Das hat ursächlich sehr viel mit der in Bayern praktizierten Gastfreundlichkeit zu tun. Zum anderen auch dem Drang meiner Umgebung, niemandem etwas schuldig sein zu wollen, und Frauen zahlen ohnehin nicht. Das sind so die Regeln, die man nie hinterfragt, es ist einfach so, egal was sonst so von Sitten, Emanzipation oder was auch immer gefordert wird.

Bis Mitte der 90er Jahre war es nicht mehr als ein Spleen, eine Marotte, manche werden auch sagen, eine schlechte Angewohnheit, die abzulegen auch nach einigen Ausnahmen mir nicht gelungen ist. Zum Glück. Dass diese Haltung eine gute Sache ist, begriff ich dann mit dem Eintritt in die Berater- und Journalistenszene. Denn mit Essenseinladungen aus Branchen wie PR und Werbung fängt gewöhnlich etwas an, was nicht im moralischen Bankrott enden muss, aber durchaus in diese Richtung gehen kann. Natürlich habe ich eine Weile den Sport Buffetplündern betrieben auf Events und bei Firmen, mit denen ich nichts zu tun hatte und nie darüber schrieb. Ausser ab und zu über das Buffet, wenn es schlecht war, natürlich. Aber Massenabspeisen sind immer noch was anderes als die Geschäftstermine im Lokal.

Ich musste die Erfahrung machen, dass es bei PRlern sehr oft den Moment gibt, wo man sich dafür schämen würde, etwas angenommen zu haben. Momente, da käme einem die Galle hoch an ein Essen, das man bekommen hat, weil der andere letztlich irgendwas will, Monate oder Jahre später. Selber zahlen ist so eine Art Schussfeld freiräumen. Wenn man selber gezahlt hat, erspart man sich und dem anderen den Disclaimer, wenn man dann auf der anderen Seite steht. Und ich schwöre, wenn man es sich leisten kann, dann kommt der Zeitpunkt immer und jedes Mal.

Heute ist es so weit, dass ich auch die Events so weit wie möglich meide. Und dort nichts mehr anfasse, sondern lieber daheim esse. Zur nächste Woche stattfindenden langen Nacht der Medien wollte mich jemand mitschleifen, eine Vorstellung, bei der mir schlecht wird. Es gab zwei Poduimsdiskussionen, wo ich noch mein Honorar abholen und die Fahrtkosten abrechnen müsste. Die Rechnungen liegen seit Monaten rum. Aber irgendwie ist es mir lieber, diese Leute, die sich im Anschluss als nicht gerade, sagen wir mal, koscher herausgestellt haben, verjuxen das Geld irgendwo beim Essen mit Ihren PR-Nutten und Strichern, als dass ich mich dazu herablasse, bei denen um Begleichung von irgendwas nachzufragen. Ich packe das nicht, selbst wenn sie dann das Budget haben, bei der nächsten Runde ein bsonders mieses Dreckschwein der Szene, in der ich mich bewege, einzuladen.

Wenn ich dann von Leuten wie dem E. oder dem W. (Disclaimer: Damit meine ich definitiv nicht Beteiligte jüngerer Ereignisse) höre, was sie so trocken für Auftritte verlangen und gleichzeitig weiss, was letztlich die Street Prices sind, die sie aushandeln, dann bin ich froh um meine Erziehung und die Haltung zum selber zahlen. Selbst, wenn ich dann mal wieder tomatenrot auf einem Cafehausstuhl herumrutsche und mir einen Notizzettel im Kopf schreibe, der zahlenden Frau demnächst den Gegenwert meines Tees mal vier in Pralinen zu schicken.

Montag, 16. Oktober 2006, 01:58, von donalphons | |comment

 
Das mit dem Essen gilt nicht nur für PR-, Werbe- und Medienbranchen, sondern für alle. Eine Essenseinladung ohne Hintergedanken gibt es in der Businesswelt nicht. Oder, wie ein englischer Freund von mir immer zu sagen pflegte: "There is no such thing as a free lunch."

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Ich muss zugeben, dass ich auch schon außerhalb der Businesswelt solche Hintergedanken hatte.

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Auslöser des Beitrags ist ein Essen, das privat war und dessen business driven Charakter der Gegenseite mir erst in den letzten Tagen klar wurde. Damals habe ich gezahlt, aus privaten Gründen, die sich jetzt aber als doch recht sinnvoll erweisen.

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noch schlimmer find ich
die PRostituierten, die die Preise kaputt machen, indem sie für'n Appel+Ei oder soga umsons antreten

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Wie wahr,
auf diese Art hat sich schon manch einer eine Leiche in den Keller geholt. Die dann bei passender Gelegenheit präsentiert wurde. Habe mich mit einer ähnlichen Haltung bis heute tunlichst aus so einem Schlamassel raushalten können.

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Hätten Sie mal das Geld genommen!
Dann könnten Sie sich sowas zulegen!

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Was ich nicht mag ist, wenn man Leistungen erhält und dann sich über ausbleibende Rechnungen freut und die Zeit bis zur Verjährung durchrechnet.

Wenn ich jemanden beauftrage, sorge ich auch dafür, dass er sein Geld bekommt und erinnere ihn wenn es sein muss daran. Klingt altbacken, aber hilft sehr für erfolgreiche Kontakte.

Und das beste: Man ist niemanden etwas schuldig.

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freiheit kostet. war schon immer so :)

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Gute Erfahrung ...
... dachte ich so spontan und schön, dass du über sowas nachdenkst ... :-)

Dann weißt du auch, warum die Frauen halt immer mehr dazu übergehen sich lieber nicht mehr "bezahlen" zu lassen und so entsprechenden Forderungen in der Zukunft einfach, sagen wir mal, neutraler gegenüberstehen zu stehen ...

Wobei ich tatsächlich zu der alten Sorte gehöre, dass möchte ich dann doch anmerken. Ich lasse mich gerne einladen - es macht mir einfach Freude manche Leute abzuzocken und dann die dummen Gesichter zu sehen, wenn ich nicht das zurücklöhne, was sie sich erwartet haben :) ;) ...

Somit bin ich auch nicht käuflich, oder ? Meine Moral ist wohl nur eine andere *grinsgrins*

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Im Privaten ist das was anderes. Das Bezahlen ist nur ein Teilaspekt. Man hält der Frau die Tür auf, man hilft ihr in den Mantel und sollte ihr eigentlich den Stuhl schieben. Letzteres ist so gut wie ausgestorben, selbst bei den jungen Frauen, mit denen ich das als Kind noch gelernt habe, da ändert sich also einiges. Aber es dauert noch, bis sich das alles einschleift. Bei mir wird das nichts mehr, ich komme aus einer anderen Zeit und wohl auch Schicht.

Ach so, und Zahlen und dann ab auf die Matte ist ohnehin nichts, was in meinem Umfeld irgendwie akzeptiert wird. Auch nicht von mir selbst. Letztlich bedeutet es einfach nichts, es ist lediglich eine Geste, die mit "Geld" an sich nichts zu tun hat, mehr nicht.

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Die Haltung...
verstehe ich, teile ich - trotzdem regt sich bei mir immer ein Widerspruch. Man bleibt in der Arena - kämpft mit vorgegebenen Waffen, nur eben auf der anderen Seite. Raustreten, drüberstehen müsste dann erlauben auch mal was anzunehmen. Ich schaffe das auch nicht - Trotztheorie.

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Kerner würde sagen, dass man die Tonne rausstellen sollte, solange es regnet. Also nehmen, was man kriegen kann. Nunja. Ich kann das nicht.

Ich interessier mich auch weniger für zufällig erhaltenes Regenwasser, und umso mehr für gezielt ausgewählte, gut verdauliche Obst- und Getreidesäfte in verschiedenen Gärungsstufen.

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Die Tonne rausstellen...
meine ich nicht. Dieser parasitäre Regung ist meistens langweilig - das Kalkül der Gegenseite auch zu durchsichtig. Mich ärgert nur diese Frontlinie wo es nur hüben und drüben gibt.
Man kann die Säfte auch destillieren.

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