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Sonntag, 10. Mai 2015
Anders. Aber anders.
Anfang der 90er Jahre entstand in München das Hans-Sachs-Strassenfest der schwulen Szene. Naturgemäss kenne ich es erst seit dem Ende jenes Jahrzehnts intensiv, als ich dann selbst in München die Jungs von Radio Uferlos kennenlernte. Nach Ansicht meiner Freunde aus der Szene hatte es viel von seinem Charme verloren, wobei nicht jede Veränderung schlecht war: Ziel war das Werben um sexuelle Freiheit, und da ist ein Graubereich zwischen Emanzipation und Missbrauch, speziell, sobald es um Minderjährige geht. Ich tue mir mit den aktuellen Regelungen gleichzeitig leicht und schwer - ich würde nicht wollen, dass ein Kind in der Pubertät schon seuelle Beziehungen mit erheblich Älteren pflegt - selbst wenn ich weiss, dass wir eine küstlich verlängerte Kindheit haben, die es so nur heute und nur im Westen gibt.
Pädophile argumentieren oftmals ähnlich und ich denke, die geistige Offenheit und Toleranz, die in der schwulen Szene, sofern man von "der" Szene sprechen kann, herrscht, zieht sie an. Daher traten Aktivisten auch auf diesem Fest auf. Es ist elend schwer, hier über den passenden Ort eine Entscheidung zu treffen, aber meine Sicht der Dinge ist, dass man sich mit ihrem Standpunkt auseinander setzen sollte - ich lese ja auch das Parteiprogramm der CSU im Original, den Twitteraccount einer Spongebobunterhosenverkäuferin aus Berlin und Indymedia. Es bringt wenig, solche Interessensgruppen zu ignorieren, man muss zumindest mal schauen, warum sie was fordern. Wenn solche Leute ein Anliegen haben, mag es auch moralich falsch sein - so sollte man doch darüber reden können, um zu verstehen, was sie wollen. Den früher verbotenen Schwulen ging es ja auch so.
Aber sie sollen das nicht auf diesem Fest machen, meinte die Gründerin des Frauenzentrums KOFRA Anita Heiliger, und trat dagegen Mitte der 90er Jahre in Aktion. KOFRA stammt noch aus den Achziger Jahren und damit der Latzhosenepoche; radikal, autonom und so erfolgreich, dass ich es seit jeher nur als winzigen Laden im Klenzeviertel mit wirren Texten an der Tür kenne, die ich gleichwohl lese. Sexuelle Gewalt ist ein grosses Thema bei KOFRA, und Sex mit Minderjährigen oder Prostitution lehnen sie radikal ab. In der schwulen Szene wiederum sind da die Übergänge zwischen Darkroom und zugesteckten Scheinen fliessend. Und an dem Punkt scheiden sich die Geister so, dass die Feindschaft recht offensichtlich wird: "Pädokriminelle", dieses Wort verwendet Heiliger. Und das wiederum apelliert an schwule Urängste, zum Pädophilen abgestempelt zu werden. Als ob es nicht genug andere Probleme von der AIDS-Hilfe bis zu Alterswohngemeinschaften gibt - nein, KOFRA meint beim Thema Schwulenbewegung auf Töne setzen zu müssen, die auch von der CSU kommen.
Gleichzeitig ist KOFRA recht lang in München vor Ort und hat durchaus Einfluss auf das, was in München als Frauenpolitik gilt: Unterstützung von Alice Schwarzer bei ihren sexfeindlichen Kampagnen zum Beispiel. Auch da wird so eine Art Querfront mit reaktionären Kreisen und Latzhosenpolitikerinnen aus dem Sozialbereich geübt. Es ist nicht leicht, zwischen den Standpunkten von Heiliger und KOFRA zu differenzieren, aber in der schwulen Szene und bei, sagen wir mal, gehobeneren und weniger autonom agierenden Lesben wird Heiliger nicht sehr geschätzt. Einfach, weil die das Bild ihrer Szene prägt und mit Hilfe des Sozialreferats auch nach vorne stellen kann.
Die schwule Szene ist übrigens schon vor dem Aussterben und der moralischen Bankrotterklärung der natürlichen Feinde etwa im kirchlichen Missbrauchsskandal in sich selbst zerkracht, aber sie ist vielschichtig, und man kann sich dort aus dem Weg gehen und anderweitig Spass haben. Eine grösere lesbische Szene gibt es in München nicht - manches läuft bei den Schwulen "so mit", wie früher im Morizz und immer noch bei der Rosa Liste, aber nach meiner Meinung hängt denen ansonsten FOFRA wie ein Klotz am Bein. "Ich bin schwul und da müssen wir was tun", sagen die Männer, "Ich habe eine Partnerin", sagen die Frauen in meinem Bekanntenkreis und das war es dann schon wieder. Lesbentum hat autonom politisch zu sein und wenn es das nicht ist, kann man sich ja anschauen, wie KOFRA gegen Rosa Liste und Hans-Sachs-Strassenfest agitierte.
Wir sehen etwas Ähnlichen natürlich auch gerade beim Netzfeminismus, aber ich will das nur als Hintergrund erwähnt haben, weil Hadmut Danisch bei seinem Besuch bei der grünen Bundestagsfraktion den Eindruck erweckt, die Grünen könnten über ihr Speichellecken bei den krassen Rändern der Bewegung neue Kräfte bei "den Schwulen" einfangen. Der Kern der schwulen Bewegung hat die Schnauze voll von all den Randgruppen, die mal ein Transparent hochgehalten haben und nun denken, ALLE Schwulen müssten sich nun für ihre Forderungen bis zur letzten Patrone einsetzen - auch wenn diese Ränder seit Jahren der Szene vorwerfen, sie seit fett und träge und nur noch an Party interessiert, was ich wiederum als Bayer nach den Jahren mit Uhl und Gauweiler verstehen kann: Nichts hassen die Rechten mehr als glückliche, zufrieden Schwule, die gut integriert und sympathisch sind. Und nicht a soichane Zwiedawuazn und Bissguakn wie das, was die Grünen da einladen.
Denn Genderstudies sind eine relativ neue Wissenschaftsvortäuschung aus der Soziologie, und treffen bei der schwulen Szene auf ein längst gefestigtes Weltbild. Da wehrt man sich mit Händen und Füssen gegen die Vorstellung eines Gender Mainstreamings, das nicht die Toleranz für andere Einstellungen fördert, sondern versucht, Normen abzuschaffen und andere zu zwingen, ihre Ansichten über andere aufzugeben. Wie etwa Lederschwule über Theaterschwule. Da gibt es längst so eine Art schwulen Burgfrieden in unserer Gesellschaft, und von da aus könnte man auch weiter machen - statt dessen kündigen der radikal-lesbische Flügel diesen Frieden auf, und will die Gesellschaft auf ihre Linie bringen. Nach meinem Gefühl wird das noch nicht mal bei den Grünen was. Und ganz sicher nichts bei den Schwulen, die dank Heiliger, Schwarzer und anderen wissen, auf wessen Seite sie da in einen Kampf ziehen sollen, den sie früher vielleicht auch mal probiert haben, bevor sie dann den richtigen Weg über Verständnis und Kompromisse fanden.
Ich privat empfinde die friedliche Emanzipation der Schwulen von der strafrechtlich unterdrückten Minderheit zum selbstbewussten Teil dieser Gesellschaft als eine grössere Geschichte als die Wiedervereinigung. Die Jungs haben das durchgezogen, und sind nicht wie die autonomen Lesben in ihren Büros verschimmelt. Das ist keine berufsbeleidigte Szene, die nach Arbeitsplätzen in der Benachteiligungsopferindustrie sucht. Da mache ich mir wirklich keine Sorgen.
Die Querfront, die da entsteht, kommt eher im Kampf gegen Sex, Porno und Lebensfreude zusammen.
Pädophile argumentieren oftmals ähnlich und ich denke, die geistige Offenheit und Toleranz, die in der schwulen Szene, sofern man von "der" Szene sprechen kann, herrscht, zieht sie an. Daher traten Aktivisten auch auf diesem Fest auf. Es ist elend schwer, hier über den passenden Ort eine Entscheidung zu treffen, aber meine Sicht der Dinge ist, dass man sich mit ihrem Standpunkt auseinander setzen sollte - ich lese ja auch das Parteiprogramm der CSU im Original, den Twitteraccount einer Spongebobunterhosenverkäuferin aus Berlin und Indymedia. Es bringt wenig, solche Interessensgruppen zu ignorieren, man muss zumindest mal schauen, warum sie was fordern. Wenn solche Leute ein Anliegen haben, mag es auch moralich falsch sein - so sollte man doch darüber reden können, um zu verstehen, was sie wollen. Den früher verbotenen Schwulen ging es ja auch so.
Aber sie sollen das nicht auf diesem Fest machen, meinte die Gründerin des Frauenzentrums KOFRA Anita Heiliger, und trat dagegen Mitte der 90er Jahre in Aktion. KOFRA stammt noch aus den Achziger Jahren und damit der Latzhosenepoche; radikal, autonom und so erfolgreich, dass ich es seit jeher nur als winzigen Laden im Klenzeviertel mit wirren Texten an der Tür kenne, die ich gleichwohl lese. Sexuelle Gewalt ist ein grosses Thema bei KOFRA, und Sex mit Minderjährigen oder Prostitution lehnen sie radikal ab. In der schwulen Szene wiederum sind da die Übergänge zwischen Darkroom und zugesteckten Scheinen fliessend. Und an dem Punkt scheiden sich die Geister so, dass die Feindschaft recht offensichtlich wird: "Pädokriminelle", dieses Wort verwendet Heiliger. Und das wiederum apelliert an schwule Urängste, zum Pädophilen abgestempelt zu werden. Als ob es nicht genug andere Probleme von der AIDS-Hilfe bis zu Alterswohngemeinschaften gibt - nein, KOFRA meint beim Thema Schwulenbewegung auf Töne setzen zu müssen, die auch von der CSU kommen.
Gleichzeitig ist KOFRA recht lang in München vor Ort und hat durchaus Einfluss auf das, was in München als Frauenpolitik gilt: Unterstützung von Alice Schwarzer bei ihren sexfeindlichen Kampagnen zum Beispiel. Auch da wird so eine Art Querfront mit reaktionären Kreisen und Latzhosenpolitikerinnen aus dem Sozialbereich geübt. Es ist nicht leicht, zwischen den Standpunkten von Heiliger und KOFRA zu differenzieren, aber in der schwulen Szene und bei, sagen wir mal, gehobeneren und weniger autonom agierenden Lesben wird Heiliger nicht sehr geschätzt. Einfach, weil die das Bild ihrer Szene prägt und mit Hilfe des Sozialreferats auch nach vorne stellen kann.
Die schwule Szene ist übrigens schon vor dem Aussterben und der moralischen Bankrotterklärung der natürlichen Feinde etwa im kirchlichen Missbrauchsskandal in sich selbst zerkracht, aber sie ist vielschichtig, und man kann sich dort aus dem Weg gehen und anderweitig Spass haben. Eine grösere lesbische Szene gibt es in München nicht - manches läuft bei den Schwulen "so mit", wie früher im Morizz und immer noch bei der Rosa Liste, aber nach meiner Meinung hängt denen ansonsten FOFRA wie ein Klotz am Bein. "Ich bin schwul und da müssen wir was tun", sagen die Männer, "Ich habe eine Partnerin", sagen die Frauen in meinem Bekanntenkreis und das war es dann schon wieder. Lesbentum hat autonom politisch zu sein und wenn es das nicht ist, kann man sich ja anschauen, wie KOFRA gegen Rosa Liste und Hans-Sachs-Strassenfest agitierte.
Wir sehen etwas Ähnlichen natürlich auch gerade beim Netzfeminismus, aber ich will das nur als Hintergrund erwähnt haben, weil Hadmut Danisch bei seinem Besuch bei der grünen Bundestagsfraktion den Eindruck erweckt, die Grünen könnten über ihr Speichellecken bei den krassen Rändern der Bewegung neue Kräfte bei "den Schwulen" einfangen. Der Kern der schwulen Bewegung hat die Schnauze voll von all den Randgruppen, die mal ein Transparent hochgehalten haben und nun denken, ALLE Schwulen müssten sich nun für ihre Forderungen bis zur letzten Patrone einsetzen - auch wenn diese Ränder seit Jahren der Szene vorwerfen, sie seit fett und träge und nur noch an Party interessiert, was ich wiederum als Bayer nach den Jahren mit Uhl und Gauweiler verstehen kann: Nichts hassen die Rechten mehr als glückliche, zufrieden Schwule, die gut integriert und sympathisch sind. Und nicht a soichane Zwiedawuazn und Bissguakn wie das, was die Grünen da einladen.
Denn Genderstudies sind eine relativ neue Wissenschaftsvortäuschung aus der Soziologie, und treffen bei der schwulen Szene auf ein längst gefestigtes Weltbild. Da wehrt man sich mit Händen und Füssen gegen die Vorstellung eines Gender Mainstreamings, das nicht die Toleranz für andere Einstellungen fördert, sondern versucht, Normen abzuschaffen und andere zu zwingen, ihre Ansichten über andere aufzugeben. Wie etwa Lederschwule über Theaterschwule. Da gibt es längst so eine Art schwulen Burgfrieden in unserer Gesellschaft, und von da aus könnte man auch weiter machen - statt dessen kündigen der radikal-lesbische Flügel diesen Frieden auf, und will die Gesellschaft auf ihre Linie bringen. Nach meinem Gefühl wird das noch nicht mal bei den Grünen was. Und ganz sicher nichts bei den Schwulen, die dank Heiliger, Schwarzer und anderen wissen, auf wessen Seite sie da in einen Kampf ziehen sollen, den sie früher vielleicht auch mal probiert haben, bevor sie dann den richtigen Weg über Verständnis und Kompromisse fanden.
Ich privat empfinde die friedliche Emanzipation der Schwulen von der strafrechtlich unterdrückten Minderheit zum selbstbewussten Teil dieser Gesellschaft als eine grössere Geschichte als die Wiedervereinigung. Die Jungs haben das durchgezogen, und sind nicht wie die autonomen Lesben in ihren Büros verschimmelt. Das ist keine berufsbeleidigte Szene, die nach Arbeitsplätzen in der Benachteiligungsopferindustrie sucht. Da mache ich mir wirklich keine Sorgen.
Die Querfront, die da entsteht, kommt eher im Kampf gegen Sex, Porno und Lebensfreude zusammen.
donalphons, 20:20h
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