: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 16. März 2025

Verlaufendes Kerzenwachs

Wenn es regnet, soll man die Tonne rausstellen – das habe ich vorletzte Woche gemacht, als eine ganze und recht üppige Gemäldesammlung im Auktionshaus meines Vertrauens war. Normalerweise ist Diskretion üblich, aber einige Zettel auf der Rückseite haben verraten, woher die guten Stücke stammen: aus München, genauer, aus dem schönen Grünwald. Ein halbes Dutzend Krumen konnte ich als Ärmster der Armen auch auflesen, weil dort so viel geboten war, dass die Reichen irgendwann müde würden. Dabei war auch dieses Stilleben aus der Zeit um 1900.



Das ist jetzt keine grosse Kunst, sondern etwas, das man sich gut in die Küche hängen kann. Den Besitzern war es aber sicher nicht egal, denn um 1980 herum wurde es noch einmal restauriert und mit einem neuen Rahmen versehen – vermutlich, weil man noch wusste, was es zu Zeiten der Wittelsbacher gekostet hat. Ausserdem waren das andere Zeiten, Gemälde waren ein Must have in den besseren Kreisen, und die Preise für Signiertes waren entsprechend hoch. Das ist lange vorbei, aber ich war gerade in der Bibliotheca Ambosiana und habe – endlich! - den Früchtekorb von Caravaggio gesehen. Das steigert natürlich die Besitzlaune, und so habe ich auch drei Stilleben erworben. Eines aus dem 18. Jahrhundert, eines aus dem 19. und eben das hier. Gewissermassen auf Vorrat, weil man so etwas immer mal brauchen kann.



Finde ich. Aber wer immer es nach der Restaurierung bekam, meinte es anders mit dem Bild. Es muss hochkant auf dem Boden gestanden haben, mit Kerzen darüber, denn es ist voller horizontal verlaufener Wachsspuren. Kein Problem, man bekommt das wieder weg, und es gibt Schlimmeres – aber der fehlende Respekt, der darin zum Ausdruck kommt, ist schon etwas unerquicklich. Natürlich erlebt man das immer wieder, viele Grünwalder Wohnkomplexe stehen heute dort, wo früher Villen in grossen Gärten waren. Aber wenn man schon eine Kerze anzündet, könnte man wenigstens das Bild darunter wegstellen.



Mit dem Leben gibt man auch die Verfügungsgewalt über das Eigentum an, und am Umstand, dass Gemälde, Möbel und Porzellan verkauft wurde, aber kein Silber, kann man auch eine gewisse “Bloss weg mit dem alten Plunder zu Bestpreisen“-Haltung erkennen. Es sind für Leute wie mich goldene Zeiten, man könnte auch das Bad für geringe Kosten barock vollpflastern. Aber auf der anderen Seite schwindet die gesellschaftliche Struktur, aus der heraus ein bestimmtes Niveau möglich war. Ohne Rücksicht, ohne Bedauern, und natürlich auch ohne das Bestreben. Teil einer gewissen Haltung zu sein, die Geschichte annimmt, statt sie zu entsorgen, nachdem Wachs darüber gelaufen ist.

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