Mantua

Ich mag eigentlich das Gewohnte. Ich kaufe gern Colnagos, wenn ich sie günstig finde, weil ich weiss, dass sie gut passen. Ich mag silberne Gruppen, die sich schön polieren lassen, und wenn ich dann unterwegs bin, macht es mir nichts aus, immer die gleichen Strecken zu fahren - ich entdecke jedes Mal etwas Neues, denn für Wunder und Überraschungen ist überall genug Platz.



Ich war letztes Jahr allerdings kaum in Mantua. Nur eine Woche, um genau zu sein. so kurz war ich dort seit 2007 nicht mehr und einiges kam da zusammen: Einerseits ein milder Winter, der die Pollensaison auf ein halbes Jehr verteilte und mich nicht nach Italien zwang. Es gab daheim auch viel zu tun. Ich war dort zur Mille Miglia und wollte ein paar Wochen später wieder kommen, aber dann starb Frank Schirrmacher, und es begann eine lange Zeit des Abwartens. einen Tag, auf der Rückreise von der L eroica war ich dort, und was ich sah, war nicht wirklich schön: Mantua hat wirklich schwer gelitten. Im reichen München tanzen die Kinder im Brunnen und dort unten würden sie gern weg.



Zu Beginn der Krise sagte ich, dass sie sich doch umschauen sollten - sie lebten an einem der schönsten Orte der Welt, und so viel war möglich. Kann es wirklich schlimm in einem Ort sein, der gleich drei Geschäfte für feine Schreibwaren hat? Letzten Herbst war nur noch einer davon übrig. Es gibt einen phantastischen Caccioricotta bei Zapperoni - aber Zapperoni gibt es nach fünf Jahrzehnten nicht mehr. Das alles weiss ich, als ich in den absurd teuren Wagen steige, in dem ich mich angesichts der Krise deplatziert fühle, und hinunter fahre. Es wurde auch manches besser, Gianni und Nina, das weiss ich, haben es vom Corte inzwischen zum Agrotourismo gebracht, und Francesca geht es nach der Arbeitslosigkeit prima. Bei Amazon. In Deutschland. Sie ist jung und flexibel und kommt damit klar. Aber brutal ist es für jene, die noch während der Krise Wohnungen auf Kredit gekauft haben: Die kommen da nicht mehr raus. Und Mantua ist aufgrund der Entwicklung momentan eher eine schrumpfende Stadt.



Campagnolo hat seine Produktion übrigens nach Rumänien verlagert. Lauter solche Geschichten weiss und höre ich. Ich kaufe italienische Rennräder, solange sie es noch gibt - was nachkommt, hat einen italienischen Namen auf fernöstlichem Carbon und Alu vom Balkan oder Malaysia oder China - Weltmarkt halt. Die hiesigen Marken gingen pleite und wurden verkauft und kommen als Namen zurück aus Fernost. Nur ich hätte das aus Gründen des ausgleichs gern wirklich aus Italien. Denn das, was sie erleben, haben sie nicht verdient.

Und all das werde ich jetzt wohl zu sehen bekommen. Das wird nicht einfach.

Donnerstag, 14. Mai 2015, 00:28, von donalphons | |comment

 
Wegen solcher Texte und der Gedanken, die dahinter stehen, lese ich Ihr Blog gerne.

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Katzen, Tröten, Fahrräder. Wer's mag.

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Wird langsam Zeit für ein Meierwatchblog.

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TANSTAAFL Don. Marken gehen pleite
und Firmen wandern ab, weil Verbraucher ihre Präferenzen an der Kasse ausdrücken. Als in Deutschland in den achtzigern die Tante Emma Lebensmittelläden schlossen, machte man die "Entdeckung", dass auch Angehörige des finanziell bessergestellten Bürgertums kein Problem darin sahen, bei ALDI einzukaufen. Exakt Ihre Schicht, verehrter Don, und das wird in Italien ähnlich (gewesen) sein.

Gruss,
Thorsten Haupts

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Dass man nur die Vorkommnisse in der Zeit wahrnimmt, die man bewusst erlebt (hat), zeigt sich hier erneut: Die Tante-Emma-Läden verschwanden bereits in den sechziger Jahren; zeitgleich mit den Kinos, deren Räume dann von den aufkommenden Supermärkten gerne benutzt wurden. Das ging dann in den siebzigern weiter, und in den achtzigern war's beendet.

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@kdm: Da ist was dran, aber ich ich weiß dennoch von dem einen oder anderen früheren Kino, das schon längst Supermarkt war, als ich anfing, mit dem Kinderfahrrad den heimatlichen Stadtteil zu erkunden. Irgendwie war die frühere Nutzungsart bei der älteren Generation noch sehr präsent, und da ich ich mit solchen lokalen Erzählungen weit mehr anfangen konnte als beispielsweise mit Onkel K.'s Erlebnissen im Russlandfeldzug, trage ich vielleicht doch ein paar Erinnerungen an Orte und Dinge mit mir, die ich selber gar nicht mehr aktiv erlebt habe.

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Bei uns heisst der Merkur immer noch Merkur, obwohl er schon drei Namensänderungen hinter sich hat. Keiner weiss, wie der jetzt heisst. Merkur, sonst nichts.

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Schlimme Sache Merkur heute
Ich war in kingsman exmachina avenger und fury road und musste jedesmal die Werbung des bedauernswerten exTennis Haas sehen machen sie ihr Spiel Merkur in ihrer Nähe Tempi passati oder sic transit

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@kdm: bis Mitte der 80er hielt es mein Großonkel mit seinem Kolonialwarenhandel noch aus (ja, der hiess genau so, und Sarotti gabs dort auch). Bäcker von Beruf, hielt er sich mit Brot und Kuchen und Torten über Wasser, und es half, dass ihm das Haus gehörte, in dem er mit der ganzen Familie wohnte. Er hat dann zugemacht, als es im Zuge des Zechen- und Stahlwerksterbens im Ruhrgebiet nicht mehr kostendeckend ging. Wenn die Arbeitslosenrate im Ort mehr als 30% beträgt, geht da einfach nichts mehr.

(aber die sams- oder sonntäglichen Kaffee- und Kuchenausflüge waren großartig. Der kannte keine Rezepte, sondern machte alles nach Gefühl. Das Gefühl ließ es aber nicht zu, weniger als vier Kuchen zu backen. Stachelbeer-Baiser, Schwarzwälder Kirsch, Kirschkuchen, Erdbeerkuchen, Bienenstich, Butterkuchen, oh those halcyon days...)

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"Marken gehen pleite und Firmen wandern ab, weil Verbraucher ihre Präferenzen an der Kasse ausdrücken."

Vielleicht, aber nicht nur. Auch weil der Einzelhandel sich totmaladiert hat!

Ich bin Kreditkartenhasser und Bargeldfetischist und ich hab immer gerne lokal eingekauft.

Aber wenn ich zu oft "Hamma ned, griang ma aa ned rei" höre, dann bleibt halt nur das Internet.

Und bei manchen Sachen dann ja, auch Amazon.

Ich versuche schon, nicht nur eine Einkaufsquelle überzulassen, weil ich weiß was passieren wird, wenn dereinst mal 4/5 oder mehr der Waren über Amazon gehandelt werden. Im lokalen Buchhandel wird angeboten was im Regal steht und nicht mehr. Einen Kleinstadtladen hatte ich gefunden, dem konnte man die Liste mit ISBN-Nummern und Scheine dalassen und ein, zwei Wochen später kam ein Fax: Alles da bitte abholen. Aber den Laden gibt es nicht mehr (Ruhestand) und ich hab kein Thermopapier mehr. Ich hab meine Rechner auch immer gerne im Schillicon Valley hinterm Münchner Bahnhof gekauft, aber da hat seit 2006 (Einführung von RoHS) keiner mehr ein Lager. Man will was kaufen, es ist aber nicht da. Das trifft auch die großen der Branche, das große blaue C zum Beispiel. Ich laufe noch immer rein, schon aus Gewohnheit, aber wenn ich dann enttäuscht zu Hause bin, frag ich mich schon warum ich dem jetzt das Geld in den Rachen werfen soll.

Und wenn mir eine deutsche Firma für deutsche Preise in deutschem Geld made in China hinstellt - sorry, dort Einkaufen kann man heutzutage auch selber! Das Ding mit dem Zoll ist auch nur beim ersten Mal ein ungewohnter Aufwand.

Ich möchte es wirklich jedem mal empfehlen, das zu versuchen. Das unerwartetste, was mir dabei jemals passiert ist, war ein Kontaktversuch im Skype-Chat in bestem Englisch, ob ich der bin, der eine Bestellung bei FIRMA für PRODUKT laufen hat (Email und Skype-Adresse sind gleich), abends um 19:30, da ist es in Shanghai 01:30. PRODUKT hat Lieferzeit, kommt nicht absehbar rein, ob ich mit ALTERNATIVPRODUKT einverstanden sei, die Firmware würde frisch eingespielt werden. Das alles bei einem Display-Controller Einzelstück für ~ 55US$ netto.

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"Hamma ned, griang ma aa ned rei"

Die andere Variante: "Hamma ned, kann ich aber bestellen. Kommen sie in 4-8 Wochen wieder".
Ja Danke, kann ich selber. Und wenn im Tante-Emma-Laden die Frau (vom) Doktor bevorzugt bedient wird, man aber selber angeschnautzt wird daß das Rad da nicht stehen darf weil sonst der Suff der Frau (vom) Doktor zerkratzt werden könnte...

(... der Laden ist mittlerweile pleite)

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