Verlaufendes Kerzenwachs
Wenn es regnet, soll man die Tonne rausstellen – das habe ich vorletzte Woche gemacht, als eine ganze und recht üppige Gemäldesammlung im Auktionshaus meines Vertrauens war. Normalerweise ist Diskretion üblich, aber einige Zettel auf der Rückseite haben verraten, woher die guten Stücke stammen: aus München, genauer, aus dem schönen Grünwald. Ein halbes Dutzend Krumen konnte ich als Ärmster der Armen auch auflesen, weil dort so viel geboten war, dass die Reichen irgendwann müde würden. Dabei war auch dieses Stilleben aus der Zeit um 1900.

Das ist jetzt keine grosse Kunst, sondern etwas, das man sich gut in die Küche hängen kann. Den Besitzern war es aber sicher nicht egal, denn um 1980 herum wurde es noch einmal restauriert und mit einem neuen Rahmen versehen – vermutlich, weil man noch wusste, was es zu Zeiten der Wittelsbacher gekostet hat. Ausserdem waren das andere Zeiten, Gemälde waren ein Must have in den besseren Kreisen, und die Preise für Signiertes waren entsprechend hoch. Das ist lange vorbei, aber ich war gerade in der Bibliotheca Ambosiana und habe – endlich! - den Früchtekorb von Caravaggio gesehen. Das steigert natürlich die Besitzlaune, und so habe ich auch drei Stilleben erworben. Eines aus dem 18. Jahrhundert, eines aus dem 19. und eben das hier. Gewissermassen auf Vorrat, weil man so etwas immer mal brauchen kann.

Finde ich. Aber wer immer es nach der Restaurierung bekam, meinte es anders mit dem Bild. Es muss hochkant auf dem Boden gestanden haben, mit Kerzen darüber, denn es ist voller horizontal verlaufener Wachsspuren. Kein Problem, man bekommt das wieder weg, und es gibt Schlimmeres – aber der fehlende Respekt, der darin zum Ausdruck kommt, ist schon etwas unerquicklich. Natürlich erlebt man das immer wieder, viele Grünwalder Wohnkomplexe stehen heute dort, wo früher Villen in grossen Gärten waren. Aber wenn man schon eine Kerze anzündet, könnte man wenigstens das Bild darunter wegstellen.

Mit dem Leben gibt man auch die Verfügungsgewalt über das Eigentum an, und am Umstand, dass Gemälde, Möbel und Porzellan verkauft wurde, aber kein Silber, kann man auch eine gewisse “Bloss weg mit dem alten Plunder zu Bestpreisen“-Haltung erkennen. Es sind für Leute wie mich goldene Zeiten, man könnte auch das Bad für geringe Kosten barock vollpflastern. Aber auf der anderen Seite schwindet die gesellschaftliche Struktur, aus der heraus ein bestimmtes Niveau möglich war. Ohne Rücksicht, ohne Bedauern, und natürlich auch ohne das Bestreben. Teil einer gewissen Haltung zu sein, die Geschichte annimmt, statt sie zu entsorgen, nachdem Wachs darüber gelaufen ist.

Das ist jetzt keine grosse Kunst, sondern etwas, das man sich gut in die Küche hängen kann. Den Besitzern war es aber sicher nicht egal, denn um 1980 herum wurde es noch einmal restauriert und mit einem neuen Rahmen versehen – vermutlich, weil man noch wusste, was es zu Zeiten der Wittelsbacher gekostet hat. Ausserdem waren das andere Zeiten, Gemälde waren ein Must have in den besseren Kreisen, und die Preise für Signiertes waren entsprechend hoch. Das ist lange vorbei, aber ich war gerade in der Bibliotheca Ambosiana und habe – endlich! - den Früchtekorb von Caravaggio gesehen. Das steigert natürlich die Besitzlaune, und so habe ich auch drei Stilleben erworben. Eines aus dem 18. Jahrhundert, eines aus dem 19. und eben das hier. Gewissermassen auf Vorrat, weil man so etwas immer mal brauchen kann.

Finde ich. Aber wer immer es nach der Restaurierung bekam, meinte es anders mit dem Bild. Es muss hochkant auf dem Boden gestanden haben, mit Kerzen darüber, denn es ist voller horizontal verlaufener Wachsspuren. Kein Problem, man bekommt das wieder weg, und es gibt Schlimmeres – aber der fehlende Respekt, der darin zum Ausdruck kommt, ist schon etwas unerquicklich. Natürlich erlebt man das immer wieder, viele Grünwalder Wohnkomplexe stehen heute dort, wo früher Villen in grossen Gärten waren. Aber wenn man schon eine Kerze anzündet, könnte man wenigstens das Bild darunter wegstellen.

Mit dem Leben gibt man auch die Verfügungsgewalt über das Eigentum an, und am Umstand, dass Gemälde, Möbel und Porzellan verkauft wurde, aber kein Silber, kann man auch eine gewisse “Bloss weg mit dem alten Plunder zu Bestpreisen“-Haltung erkennen. Es sind für Leute wie mich goldene Zeiten, man könnte auch das Bad für geringe Kosten barock vollpflastern. Aber auf der anderen Seite schwindet die gesellschaftliche Struktur, aus der heraus ein bestimmtes Niveau möglich war. Ohne Rücksicht, ohne Bedauern, und natürlich auch ohne das Bestreben. Teil einer gewissen Haltung zu sein, die Geschichte annimmt, statt sie zu entsorgen, nachdem Wachs darüber gelaufen ist.
donalphons, 11:00h
Sonntag, 16. März 2025, 11:00, von donalphons |
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frauke amgelin,
Sonntag, 16. März 2025, 12:49
Vorstellbar: Da wird nach Eintritt eines Erbfalls eine alte Villenhaushaltsvilla aufgegeben. Man macht Inventur - auch auf dem Dachboden. Dort gibt es jedoch seit der Errichtung des Uraltgebäudes keinerlei moderne Infrastruktur, also kein elektrisches Licht. Es stehen dort einige Ölfarbenbesudelteleinwände herum, Taschenleuchte zur Inspektion hat man gerade nicht greifbar, aber in einem Speisesalonvorratsfach: Kerzen! & so nimmt das Schicksal seinen Lauf & das Wachs halt ebenfalls...
Vorstellbar: Da wird nach Eintritt eines Erbfalls eine alte Villenhaushaltsvilla aufgegeben. Man macht Inventur - auch auf dem Dachboden. Dort gibt es jedoch seit der Errichtung des Uraltgebäudes keinerlei moderne Infrastruktur, also kein elektrisches Licht. Es stehen dort einige Ölfarbenbesudelteleinwände herum, Taschenleuchte zur Inspektion hat man gerade nicht greifbar, aber in einem Speisesalonvorratsfach: Kerzen! & so nimmt das Schicksal seinen Lauf & das Wachs halt ebenfalls...
rebellmarkt.blogger.de/stories/2898981/#2898986
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stuck-und-dielen,
Sonntag, 16. März 2025, 13:56
Ein Mobiltelefon hat heute wirklich jeder und damit auch eine Taschenlampe. Ob nun ein Apfelteilchen aus der teuren Abteilung für 2000+ oder irgendein Billigteil für unter 100. Taschenlampe haben die alle.
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frauke amgelin,
Sonntag, 16. März 2025, 15:24
Nö zu 'hat heute wirklich jeder': Ich nicht, weder Festnetz noch Plauderknochen noch Wischbrettchen haben mich jemals belasten/belästigen dürfen. Ich bin ohne die übelste aller Erfindungen gemütlich durch mittlerweile knapp achtzig Jahre geglitten & ich kenne etliche, die das ebenso geschafft haben & nicht im Traum beabsichtigen, sich jetzt diesem verfluchten Terrorinstrument zu unterwerfen. Obendrein: 'denn um 1980 herum' hat sich danach wohl kaum noch jemand ums Bild gekümmert, die Kohlenwasserstoffspuren können also schon ziemlich alt sein. Glühlampenfernsprecher gab's damals noch lange nicht, denn es ging prima ohne. Zur Erinnerung: Lediglich Sklaven & Dien(stleist)er müssen jederzeit erreichbar sein.
Nö zu 'hat heute wirklich jeder': Ich nicht, weder Festnetz noch Plauderknochen noch Wischbrettchen haben mich jemals belasten/belästigen dürfen. Ich bin ohne die übelste aller Erfindungen gemütlich durch mittlerweile knapp achtzig Jahre geglitten & ich kenne etliche, die das ebenso geschafft haben & nicht im Traum beabsichtigen, sich jetzt diesem verfluchten Terrorinstrument zu unterwerfen. Obendrein: 'denn um 1980 herum' hat sich danach wohl kaum noch jemand ums Bild gekümmert, die Kohlenwasserstoffspuren können also schon ziemlich alt sein. Glühlampenfernsprecher gab's damals noch lange nicht, denn es ging prima ohne.
Zur Erinnerung:
Lediglich Sklaven & Dien(stleist)er müssen jederzeit erreichbar sein.
rebellmarkt.blogger.de/stories/2898981/#2898997
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Lediglich Sklaven & Dien(stleist)er müssen jederzeit erreichbar sein.
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stuck-und-dielen,
Sonntag, 16. März 2025, 14:36
Gesellschaftliche Struktur:
Der Don braucht einen Erben und er muss ihn unbedingt bis ein paar Jahre nach der Pubertät erziehen! Kennt denn niemand eine Kulturwissenschaftlerin aus gutem Hause auf der Suche nach einer guten Partie?
Der Don braucht einen Erben und er muss ihn unbedingt bis ein paar Jahre nach der Pubertät erziehen! Kennt denn niemand eine Kulturwissenschaftlerin aus gutem Hause auf der Suche nach einer guten Partie?
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buerger,
Sonntag, 16. März 2025, 14:46
Ich finde ja, die Frau Schneider ist sehr sympathisch und passt von der Einstellung und vom Intellekt sehr gut zum Don. Keine Ahnung, ob der Schöpfer der Kunstfigur das auch sieht. Erben kann man aber auch als Neffe oder Nichte.
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gux,
Sonntag, 16. März 2025, 19:42
Im Bedarfsfall gibt es auch eine Institution, in der es ausreichenden Sachverstand gibt und die sich schon seit sehr langer Zeit mit solchen Dingen (Kunst & Erben) auskennt.
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frauke amgelin,
Sonntag, 16. März 2025, 15:46
Warum sollte sich unser lieber Kunstfigurenschöpfer sein überaus komfortables Lebensgefilde mit einer Potenziellengiftmischererbschleicherin kontaminieren? Nach Eintritt des Todes ist jedem Verstorbenen doch eh alles rpt. A_L_L_E_S Irdische schnurzpiepegal.
Warum sollte sich unser lieber Kunstfigurenschöpfer sein überaus komfortables Lebensgefilde mit einer Potenziellengiftmischererbschleicherin kontaminieren? Nach Eintritt des Todes ist jedem Verstorbenen doch eh alles rpt. A_L_L_E_S Irdische schnurzpiepegal.
rebellmarkt.blogger.de/stories/2898981/#2898998
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geschichtenundmeer,
Sonntag, 16. März 2025, 17:54
So schlecht ist es doch gar nicht, das Bild. (An die Niederländer im Prado kommt in puncto Stilleben sowieso niemand heran, aber die kann sich der Normalbürger ohnehin nicht leisten.)
Ob die Verkäufer wirklich nicht bedauern, dass sie die Bilder abgeben müssen? Die Wohnungen sind kleiner heutzutage. (Die Möbel und das Geschirr meiner Großtante, mein Erbteil, stehen auch noch im Keller meiner Mutter, weil sie in meine winzige Wohnung nicht hineinpassen.)
Ob die Verkäufer wirklich nicht bedauern, dass sie die Bilder abgeben müssen? Die Wohnungen sind kleiner heutzutage. (Die Möbel und das Geschirr meiner Großtante, mein Erbteil, stehen auch noch im Keller meiner Mutter, weil sie in meine winzige Wohnung nicht hineinpassen.)
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buerger,
Sonntag, 16. März 2025, 20:35
So ein Bild muss schon irgendwie stilistisch ins Haus passen. Die Rahmen, das Bild, die Möbel und überhaupt das Haus müssen eine Einheit bilden, am besten inkl. Bewohner. In 9 von 10 Häuser passen diese Bilder nicht mehr und bei Wohnungen dürfte die Quote noch geringer sein.
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