: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 28. Juni 2015

Sie mag Dispolimitkratzer und hasst mich

Ausdauernd. Weil es dazu gehört.

Natürlich weiss ich nicht, wer sie ist, und aufgefallen ist sie mir, weil ich dachte, ich würde sie von früher kennen. Tue ich aber nicht. Macht nichts, das Fräulein ist nicht unangenehm und - man merkt es an der Ausdrucksweise - sicher auch eine gut erzogene Bürgerstochter. Dass man aus Landshut einen gewissen Hass auf die CSU mitbringt und sich an die SPD wendet, ist normal. Dass man, in München angekommen, die Privilegien geniesst, die so eine rote Stadt für SPD-Mitglieder und andere Progressive mit sich bringt, auch. Ich würde keine Ehrenkarten für die Filmfestspiele nehmen, aber wenn andere das tun - warum nicht? Privilegien sind ja nicht zwingend schlecht.



Ich kann verstehen, dass sie meiner Heimat ablehnend gegenüber steht - würde ich draussen im Industriegebiet sitzen, ginge es mir genauso. Ich finde es auch gut, wenn hier bei uns Progressive genug Geld verdienen, um viel reisen zu können. Das ist halt sehr Bayerisch im Moment: Dass ein jeder, der etwas kann, sein Auskommen hat, und die meisten sind damit zufrieden. Ich bin mir sicher, dass sie im persönlichen Umgang nett ist. so wie viele aus dem Bereich von WasmitmedienundPolitik, die man bei der IKG treffen konnte, und die einen natürlich nie auf Twitter ausgerichtet hätten. Bei der IKG war ich ja auch kein Rassist, sondern preisgekrönter Journalist.

Aber das hier ist nicht das Kulturzentrum. Das hier ist Internet und in gewissen Kreisen gehört es einfach zu guten Ton, mich abzulehnen. Und das macht man, indem man andere ablehnende Leute retweetet, wenn sie was sagen, das man auch so sieht. Das geht bei Twitter ganz gut, da drückt man auf einen Knopf und fertig. Oder man regt sich über Ronja von Rönne auf, weil die auch privilegiert ist. Und aus Grassau kommt, dem Landshut des Chiemgaus.



Diese junge Frau steht da unter einem enormen Druck. In München ist Feminismus immer noch vor allem KOFRA, und das ist für junge Frauen eher unsexy. Ihre direkte ideologische Peergroup gibt es angesichts des guten Lebens in München allenfalls in dem, was vom ASTA noch übrig ist, und lebt und twittert und hungert in Berlin. Sie selbst ist in München und es geht ihr prima, aber da hat sie kaum ansprechpartner für ihre Einstellung. Und mit der tut man sich da auch beim Wettbewerb um Freunde schwer - München ist halt eher heterosexuell. Denen in Berlin wird nichts geschenkt, die in Kiel kriegt die Diss nicht fertig, die in Regensburg hat Depressionen. Meine Hasserin dagegen hat einen Beruf, gutes Einkommen, viele Optionen und ist rein äusserlich durchaus an München angepasst.

Ich weiss aus Erfahrung, wie hart es für andere sein kann, in Kreisen mitzuspielen, die man nicht kennt. Man muss ihnen Brücken bauen, höllish aufpassen und selbst dann wird es immer noch oft genug heikel. Akkulturation ist enorm schwierig, wenn eine Klasse in ihren Strukturen beharrt. Aber wie es erst sein muss, wenn es da eine Radikalisierung gibt? Da sitzt also ein Mädchen aus Niederbayern in München, grenzt sich die ganze Zeit ab, will bloss nicht als Schickimicki gelten - und wird bei Leuten vorstellig, bei denen der Bonze generell südlich des Mains lebt, überhaupt Karrierewünsche hat und nicht ab dem 2. des Monats am Rand des Dispos herumkrebst. Sie will auf gar keinen Fall Teil eines gewissen Münchner Lebens sein, das sie aber - und bitte, ich war in Berlin und kenne die Akteure teilweise persönlich - aus Berliner Sicht idealtypisch ist.



Wie nimmt man an einer Revolte teil, die sich gegen etwas wendet, das man selbst ist? Indem man Feindbilder auf ganz bestimmte Eigenschaften reduziert und anonsten nicht daraufhinweist, dass die Unterschiede minimal sind. Wären wir beide noch in München, wir würden uns sicher über den Weg laufen, und ihre Einstellung würde sie zwingen, den Teil zu sehen, den ich dort dargestellt habe. Ich habe das zum Glück hinter mir gelassen, und lebe lieber als weisser - höhö, muss man sich mal vorstellen, die arischen Enkel der SS nennen mich weiss - alter Heteromann denn in Kreisen, die Respekt für ihren Aktivismus fordern. Von sowas habe ich mich damals immer fern gehalten, man sollte sich nicht instrumentalisieren lassen, aber andere sehen das anders.

Sie steigt da ein, sie macht da mit, sie klickt auf Sternchen und schaut auf die schönste Grossstadt des Landes und denkt sich, der und ihren arroganten Bewohnern hat sie es jetzt gegeben. Sie ist keine von denen da draussen. Berge sind auch doof, Tollwood ist doof, CSU ist doof, Heimat ist doof, Sigmar Gabriel ist doof, alles ist doof.



In Berlin, wo jede jeden kennt und hasst, nimmt man die Bestätigung gelassen entgegen. Das muss so sein, Berlin hat Recht und die Untertanen der Linken tun, was man erwartet. Da sitzt sie also in der schönen, reichen Stadt, ist relativ jung und hat so viele Möglichkeiten und hasst sich, die Stadt, ihre Rolle darin und irgendwie alles tagein tagaus. Ich habe das Pech, der Kondensationspunkt ihres Ärgers zu sein, maximale Empörung bei maximaler, wenngleich minimaler Bestätigung durch die Filterbubble.

Es macht mir nichts aus. Ich lese das und lächle mitleidig. Was für eine Verschwendung. So viele Privilegien. So unfassbar wenig Nutzen. Um am Ende in Berlin als komische Schickitante dazustehen, die ihre Privilegien nicht checkt und so niederbayerisch-spiessig ist, eine freundliche Bedienung zu verlangen. Es gibt im Feminismus keine Kronzeugenregelung. Nur einen sehr grausamen Wettbewerb der Empörung, und einen eher ungnädigen Umgang mit denen, die sich bei den Dispolimitkratzern als Allys bewerben.

Seit einem viertel Jahr schaue ich mir das an und kann nicht aufhören, mich zu wundern.

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