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Montag, 17. August 2015
Mein Mercedes ist kleiner als die S-Klasse der Flüchtlinge
Ich wollte diese Geschichte nicht erzählen.
Eigentlich hätte sie der Abschluss einer der Folgen meiner Serie „Fluchtlinien“ sein können, in der noch ein paar Teile kommen werden. Eigentlich ist sie lustig, zumindest habe ich sie so empfunden, selbst wenn sie den dort anwesenden Helfern unendlich peinlich war, und man mir wohl am liebsten die Kamera entrissen hätte. Die Helfer - und ich werde Ihnen ganz sicher nicht verraten, wo sie sind, ausser „irgendwo in Bayern“ - haben einen schweren und entbehrungsreichen Beruf freiwillig und ohne Bezahlung übernommen, und sind davon abhängig, dass die Bevölkerung sie weiterhin unterstützt und ihre Motive mit Spenden für die Flüchtlinge honoriert. Diese Helfer, die Woche um Woche die unangenehmen Jobs machen, die ganz anders leben könnten, aber aus Überzeugung oder aus dem Gefühl, dass man das jetzt zusammen bewältigen muss, anpacken und das in Bayern nach meiner Beobachtung bewundernswert routiniert machen – das sind die eigentlichen Helden dieser Geschichten. Nicht die Plärrer in Berlin, weil mal ein Amt nicht schnell genug ist, und die Antifa zusammen mit ihren Freunden in den Medien einen billigen Sieg in der berlinöffentlichen Meiung einfahren kann. Meine Helden sind die freiwilligen Feuerwehren, die nach einem Tag in der Hitze mit der Wurstsemmel vor der gerade schliessenden Metzgerei sitzen und ihren Urlaub drangeben. Leute, die mich gern erwürgt hätten, als ich die Kamera hob und die S-Klasse photographierte.
Bei der ganzen Debatte ist es meines Erachtens wichtig, den Blick von den ganz krassen Ausrutschern zu lösen, und darüber zu reden, was das Thema Migration und Flucht wirklich langfristig bedeutet. Links wie Rechts streitet man sich gerade gern über Smartphones der Flüchtlinge – als ob die paar lumpigen Euro angesichts der Integrationskosten, Leistungen und Anforderungen irgendwie ins Gewicht fallen würden. Die immensen Überstunden und Rückstände, die jetzt in den Ämtern entstehen, die Sprachkurse, die dauerhafte Unterbringung - das wird teuer. Nicht die paar Handies und die Telefongebühren nach Ghana oder Nigeria. Das wäre die eigentliche Debatte, aber man hängt sich an den Petitessen auf. Ein Telefon sieht jeder. Die Kostenstelle im Rathaus sieht niemand. Meine Geschichte, die ich nicht erzählen wollte, macht natürlich genau diesen Fehler und richtet den Blick auf ein einziges Detail.
Erzählen möchte ich sie aber trotzdem. Weil Witzfiguren vom Schlage Sascha „Sobooks“ Lobo, die ich persönlich für unverantwortlich halte, in Gossenpostillen nun mit der Forderung vorstellig werden, wir müssten angesichts des Rassismus – besonders in den sozialen Medien – nun etwas tun. Wer will das? Die Frage ist berechtigt, der nächste Aufruf zum Aktivismus kam von einem Herrn Georg Diez aus der gleichen Kloake, der seine Bekanntheit dem Umstand verdankt, dass er andere mal eben in die Nähe des Rechtsextremismus rückt. Solchen Leuten sollte man nicht folgen. Wen sollen wir uns denn als Vorbild nehmen? Die Antifa, die in Berlin Jagd auf Leute macht, die ihr Grundrecht auf Demonstration in Anspruch nehmen? Die Aktivisten, die zugunsten der Flüchtlinge in der Gerhart-Hauptmann-Schule einen Brandanschlag auf die U-Bahn unternahmen, damit die zwangsweise wartenden Leute mal Zeit haben, sich über das Schicksal der Flüchtlinge Gedanken zu machen? Die Aktivisten, zum Boykott eines Discothekenbetreibers aufrufen, der nach einer ganzen Serie von Konflikten bis zu einer versuchten Doppelvergewaltigung durch einen Flüchtling die Notbremse in seinem Lokal zieht? Oder einfach nur wie die Journalistenaktivisten für den Applaus der Filterblase rumpöbeln im Internet, damit dort die Schweigespirale im eigenen Umfeld läuft? Aktivist werden ist leicht, das kann jeder Depp und falls nur genügend mitmachen und mitzündeln und nicht mehr genau hinschauen, bekommt man exakt die Zustände, die man hierzulande eigentlich mit einem „Nie wieder“ verhindern wollte. Die Aktiven der Feuerwehr haben meinen Respekt. Die Aktivisten....
Den Aktivisten will ich diese Geschichte erzählen. Die Geschichte beginnt in einer nordbayerischen Aufnahmeeinrichtung, wo neue Flüchtlinge ankommen, und man sie auf neue Lager verteilt. Einige junge Männer kommen bei diesem Transfer in ein neues Heim abhanden. Eine gewisse Anzahl junger Männer sollte beim Landratsamt erscheinen und dann weiter zur Unterkunft transportiert werden, aber etliche kommen nicht an. Sie werden bei der Reise nicht überwacht, sie lassen sich einen Tag Zeit, und das hat die Folge, dass niemand im Ankunftslager weiss, wo sie bleiben und wann sie kommen. Aber die Presse - also ich – kommt und ist da. Schaut sich um, erkundigt sich über Belegungspläne, Erweiterungsfragen, Zeiträume, was man halt so macht. Es ist heiß, es ist mitten im Ort und laut, gegenüber der Strasse stehen Bäume, und da kann man sich gut unterhalten. Da stehen wir. Und dann kommt eine weisse S-Klasse. Ein Taxi. Eine grosse, weisse S-Klasse, und zwei Schwarze steigen aus. Die Ankommenden sind jung, kräftig, haben eine schöne Fahrt hinter sich – es ist wirklich eine reizvolle Landschaft - räumen ihre Taschen aus dem Kofferraum und sind dann endlich da. Unter Hinterlassung der Szenerie, dass Flüchtlinge mit der S-Klasse beim Lager vorfahren.
Aktivisten erzählen einem immer, dass Flüchtlinge so viel Leid, Krieg und Folter erlebt haben, dass sie traumatisiert und oft gar nicht schuld sind, wenn etwas Erklärungsbedürftiges vorfällt. Wir sollten doch erst mal unsere Privilegien checken, denn und bei uns sind sie von der fremden, also unserer, übersexualisierten und konsumorientierten Kultur überfordert. Keinesfalls verdienen sie in Berlin mit Drogen blendend an Touristen, keinesfalls sind sie homophob und paternalistisch und frauenfeindlich, und vermutlich wollen all die Jungs, die die Dating-Apps hier überschwemmen, auch nur Deutsch lernen, um dann Marx im Original zu lesen. Is klar. Das kann man eine Weile so behaupten, und jeden einzelnen Einzelfall irgendwie erklären. Hier in der S-Klasse wäre es: Krasse Überforderung mit dem deutschen Bahnsystem und eine fehlende Willkommenskultur, die die Flüchtlinge nicht angemessen begleitet. Auf der anderen Seite sagen dann xenophobe Aktivisten, dass wir unsere Aufstockerrentner zum Rad verdonnern und die Wirtschaftsflüchtlige mit der S-Klasse fahren.
Und ich würde beiden Gruppen raten, sich ein Buch zu kaufen: Nkem Nwankwo. Mein Mercedes ist grösser als Deiner. Manche in Europa halten das für eine Satire, was Nwankwo und jeder Entwicklungshelfer, der es gelesen hat, dementieren würde: Es ist eine zwar bittere, aber zutreffende Beschreibung der von Korruption und Bereicherung geprägten politischen Systeme Afrikas, und genauso lustig wie Evelyn Waughs Roman “Schwarzes Unheil”. Nwankwo beschreibt den Wahlkampf innerhalb einer Einheitspartei, und wie wichtig der Mercedes dabei ist. In Afrika können es sich nur die Reichsten der Reichsten leisten, sich mit so einem Mercedes chauffieren zu lassen. So eine saubere, funkelnde, nagelneue, weisse S-Klasse mit einem weissen Fahrer, das ist der Traum schlechthin, zusammen mit einer glatten, asphaltierten Strasse, und wären die Flüchtlinge in Afrika geblieben, wären sie nie soweit gekommen, das einmal zu erleben. Hier bei uns drückt man ihnen Geld in die Hand, lässt sie frei entscheiden, weil das hier ein freies Land ist, und dann steht auf der Strasse so eine S-Klasse, und sie müssen nur winken und einsteigen. Ihr Mercedes ist dann deutlich grösser als der, den ich gerade fahre. Und dass sie ihn anstelle der günstigen Bahn nehmen, liegt nicht an ihren traumatischen Erfahrungen oder an ihrem Kampf gegen heimische Despotien. Sondern nur am Mercedes.
So ist Afrika. Ich glaube, es ist eine unfassbar grosse Versuchung, aus Eritrea oder Somalia zu kommen und dann die Möglichkeit zu haben, das zu tun. Keiner in ihrer Familie wird das je getan haben, und hier bekommen sie das Geld und können es sich leisten. Einfach so. Zumindest dieses eine Mal. So wie manche sich hier bei uns einen Rolls Royce für die Hochzeit mieten oder Urlaub in einem Hotel machen, das echte Kronleuchter statt ihrer heimischen Ikealampen hat. So, wie man sich hier eben auch manchmal etwas leistet, das vielleicht nicht klug, aber nachvollziehbar ist. Muss es eine handgenähte Hirschlederhose für 2000 Euro sein, braucht man versilberte Felgen, muss eine Aktivisten den neuesten, teuren Rechner einer Firma haben, die Menschen wie den letzten Dreck behandelt?
Sehen Sie, ich bin kein Aktivist. Ich schaue mir etwas an, denke manchmal sogar darüber nach und schreibe es auf. Deshalb komme ich nicht in Gefahr, aus ein paar über die Stränge schlagenden Kerlen aus Afrika, die höchstens in der Schulerzeitung kritisch geschrieben haben können, die immer gleichen Behauptungen von unfassbar schlimmen Bedingungen vorbringen zu müssen, die sie traumatiert etwas weniger Kluges machen lassen. Ich muss nichts rechtfertigen. Ich muss niemanden überhöhen oder sein Leid, so vorhanden, aufbauschen, und dann riskieren, dass der Verfolgte zuerst einmal den Wunsch hat, dass sein Mercedes grösser als meiner ist – und ich irgendwann nicht meht formschön erklären kann, warum das SEK kommt, um wie in Suhl Leute davon abzuhalten, jemanden wegen eines Korans zu lynchen. Und wie der letzte Depp dastehe, und mir keiner mehr glaubt und mich jeder auslacht. Hallo sog. "Kollegen" von Zeit und Süddeutscher Zeitung, Euch meine ich: BWAHAHAHAHA. Gestern wart ihr noch Charlie und heute versteht ihr Lynhmobs. Aber das heisst eben auch, dass ich mit meiner nichtaktivistischen Haltung so etwas menschlich nachvollziehbar einordnen kann.
Die grosse, weisse S-Klasse ist noch lang nicht ausreichend, um ernsthaft “Ausländer raus” zu rufen – die Flüchtlinge bekommen ein Taschengeld, und beim Taxler im Mercedes ist es mir lieber als beim nächsten Schlepperverbrecher, der organisierte Massenmorde wissentlich in Kauf nimmt, oder beim Junkfoodproduzenten. Es ist ein Mercedes und kein japanisches Auto und es ist doch schön, wenn auch in Somalia die deutsche Arbeit geschätzt wird. Die grosse, weisse S-Klasse ist auch noch lang nicht ausreichend, um ernsthaft “Refugee welcome” zu rufen – weil sie den ganzen Aktivisten klar macht, dass die sozialen Zielsetzungen der Migranten keinesfalls den Idealen der Weltrevolution und der gerechten Verteilung aller Güter entsprechen müssen. Ich fahre ja auch einen Mercedes und lache, wenn es in Berlin Hipster auf Schrotträdern zusammenduscht. Ideologie füllt, egal ob rechts oder links, keinen Tank. Wenn ich Vollgas gebe, säuft mein Mercedes über 20 Liter auf hundert Kilometer. Das zahlt kein Marx und keine Le Pen.
Eigentlich hätte sie der Abschluss einer der Folgen meiner Serie „Fluchtlinien“ sein können, in der noch ein paar Teile kommen werden. Eigentlich ist sie lustig, zumindest habe ich sie so empfunden, selbst wenn sie den dort anwesenden Helfern unendlich peinlich war, und man mir wohl am liebsten die Kamera entrissen hätte. Die Helfer - und ich werde Ihnen ganz sicher nicht verraten, wo sie sind, ausser „irgendwo in Bayern“ - haben einen schweren und entbehrungsreichen Beruf freiwillig und ohne Bezahlung übernommen, und sind davon abhängig, dass die Bevölkerung sie weiterhin unterstützt und ihre Motive mit Spenden für die Flüchtlinge honoriert. Diese Helfer, die Woche um Woche die unangenehmen Jobs machen, die ganz anders leben könnten, aber aus Überzeugung oder aus dem Gefühl, dass man das jetzt zusammen bewältigen muss, anpacken und das in Bayern nach meiner Beobachtung bewundernswert routiniert machen – das sind die eigentlichen Helden dieser Geschichten. Nicht die Plärrer in Berlin, weil mal ein Amt nicht schnell genug ist, und die Antifa zusammen mit ihren Freunden in den Medien einen billigen Sieg in der berlinöffentlichen Meiung einfahren kann. Meine Helden sind die freiwilligen Feuerwehren, die nach einem Tag in der Hitze mit der Wurstsemmel vor der gerade schliessenden Metzgerei sitzen und ihren Urlaub drangeben. Leute, die mich gern erwürgt hätten, als ich die Kamera hob und die S-Klasse photographierte.
Bei der ganzen Debatte ist es meines Erachtens wichtig, den Blick von den ganz krassen Ausrutschern zu lösen, und darüber zu reden, was das Thema Migration und Flucht wirklich langfristig bedeutet. Links wie Rechts streitet man sich gerade gern über Smartphones der Flüchtlinge – als ob die paar lumpigen Euro angesichts der Integrationskosten, Leistungen und Anforderungen irgendwie ins Gewicht fallen würden. Die immensen Überstunden und Rückstände, die jetzt in den Ämtern entstehen, die Sprachkurse, die dauerhafte Unterbringung - das wird teuer. Nicht die paar Handies und die Telefongebühren nach Ghana oder Nigeria. Das wäre die eigentliche Debatte, aber man hängt sich an den Petitessen auf. Ein Telefon sieht jeder. Die Kostenstelle im Rathaus sieht niemand. Meine Geschichte, die ich nicht erzählen wollte, macht natürlich genau diesen Fehler und richtet den Blick auf ein einziges Detail.
Erzählen möchte ich sie aber trotzdem. Weil Witzfiguren vom Schlage Sascha „Sobooks“ Lobo, die ich persönlich für unverantwortlich halte, in Gossenpostillen nun mit der Forderung vorstellig werden, wir müssten angesichts des Rassismus – besonders in den sozialen Medien – nun etwas tun. Wer will das? Die Frage ist berechtigt, der nächste Aufruf zum Aktivismus kam von einem Herrn Georg Diez aus der gleichen Kloake, der seine Bekanntheit dem Umstand verdankt, dass er andere mal eben in die Nähe des Rechtsextremismus rückt. Solchen Leuten sollte man nicht folgen. Wen sollen wir uns denn als Vorbild nehmen? Die Antifa, die in Berlin Jagd auf Leute macht, die ihr Grundrecht auf Demonstration in Anspruch nehmen? Die Aktivisten, die zugunsten der Flüchtlinge in der Gerhart-Hauptmann-Schule einen Brandanschlag auf die U-Bahn unternahmen, damit die zwangsweise wartenden Leute mal Zeit haben, sich über das Schicksal der Flüchtlinge Gedanken zu machen? Die Aktivisten, zum Boykott eines Discothekenbetreibers aufrufen, der nach einer ganzen Serie von Konflikten bis zu einer versuchten Doppelvergewaltigung durch einen Flüchtling die Notbremse in seinem Lokal zieht? Oder einfach nur wie die Journalistenaktivisten für den Applaus der Filterblase rumpöbeln im Internet, damit dort die Schweigespirale im eigenen Umfeld läuft? Aktivist werden ist leicht, das kann jeder Depp und falls nur genügend mitmachen und mitzündeln und nicht mehr genau hinschauen, bekommt man exakt die Zustände, die man hierzulande eigentlich mit einem „Nie wieder“ verhindern wollte. Die Aktiven der Feuerwehr haben meinen Respekt. Die Aktivisten....
Den Aktivisten will ich diese Geschichte erzählen. Die Geschichte beginnt in einer nordbayerischen Aufnahmeeinrichtung, wo neue Flüchtlinge ankommen, und man sie auf neue Lager verteilt. Einige junge Männer kommen bei diesem Transfer in ein neues Heim abhanden. Eine gewisse Anzahl junger Männer sollte beim Landratsamt erscheinen und dann weiter zur Unterkunft transportiert werden, aber etliche kommen nicht an. Sie werden bei der Reise nicht überwacht, sie lassen sich einen Tag Zeit, und das hat die Folge, dass niemand im Ankunftslager weiss, wo sie bleiben und wann sie kommen. Aber die Presse - also ich – kommt und ist da. Schaut sich um, erkundigt sich über Belegungspläne, Erweiterungsfragen, Zeiträume, was man halt so macht. Es ist heiß, es ist mitten im Ort und laut, gegenüber der Strasse stehen Bäume, und da kann man sich gut unterhalten. Da stehen wir. Und dann kommt eine weisse S-Klasse. Ein Taxi. Eine grosse, weisse S-Klasse, und zwei Schwarze steigen aus. Die Ankommenden sind jung, kräftig, haben eine schöne Fahrt hinter sich – es ist wirklich eine reizvolle Landschaft - räumen ihre Taschen aus dem Kofferraum und sind dann endlich da. Unter Hinterlassung der Szenerie, dass Flüchtlinge mit der S-Klasse beim Lager vorfahren.
Aktivisten erzählen einem immer, dass Flüchtlinge so viel Leid, Krieg und Folter erlebt haben, dass sie traumatisiert und oft gar nicht schuld sind, wenn etwas Erklärungsbedürftiges vorfällt. Wir sollten doch erst mal unsere Privilegien checken, denn und bei uns sind sie von der fremden, also unserer, übersexualisierten und konsumorientierten Kultur überfordert. Keinesfalls verdienen sie in Berlin mit Drogen blendend an Touristen, keinesfalls sind sie homophob und paternalistisch und frauenfeindlich, und vermutlich wollen all die Jungs, die die Dating-Apps hier überschwemmen, auch nur Deutsch lernen, um dann Marx im Original zu lesen. Is klar. Das kann man eine Weile so behaupten, und jeden einzelnen Einzelfall irgendwie erklären. Hier in der S-Klasse wäre es: Krasse Überforderung mit dem deutschen Bahnsystem und eine fehlende Willkommenskultur, die die Flüchtlinge nicht angemessen begleitet. Auf der anderen Seite sagen dann xenophobe Aktivisten, dass wir unsere Aufstockerrentner zum Rad verdonnern und die Wirtschaftsflüchtlige mit der S-Klasse fahren.
Und ich würde beiden Gruppen raten, sich ein Buch zu kaufen: Nkem Nwankwo. Mein Mercedes ist grösser als Deiner. Manche in Europa halten das für eine Satire, was Nwankwo und jeder Entwicklungshelfer, der es gelesen hat, dementieren würde: Es ist eine zwar bittere, aber zutreffende Beschreibung der von Korruption und Bereicherung geprägten politischen Systeme Afrikas, und genauso lustig wie Evelyn Waughs Roman “Schwarzes Unheil”. Nwankwo beschreibt den Wahlkampf innerhalb einer Einheitspartei, und wie wichtig der Mercedes dabei ist. In Afrika können es sich nur die Reichsten der Reichsten leisten, sich mit so einem Mercedes chauffieren zu lassen. So eine saubere, funkelnde, nagelneue, weisse S-Klasse mit einem weissen Fahrer, das ist der Traum schlechthin, zusammen mit einer glatten, asphaltierten Strasse, und wären die Flüchtlinge in Afrika geblieben, wären sie nie soweit gekommen, das einmal zu erleben. Hier bei uns drückt man ihnen Geld in die Hand, lässt sie frei entscheiden, weil das hier ein freies Land ist, und dann steht auf der Strasse so eine S-Klasse, und sie müssen nur winken und einsteigen. Ihr Mercedes ist dann deutlich grösser als der, den ich gerade fahre. Und dass sie ihn anstelle der günstigen Bahn nehmen, liegt nicht an ihren traumatischen Erfahrungen oder an ihrem Kampf gegen heimische Despotien. Sondern nur am Mercedes.
So ist Afrika. Ich glaube, es ist eine unfassbar grosse Versuchung, aus Eritrea oder Somalia zu kommen und dann die Möglichkeit zu haben, das zu tun. Keiner in ihrer Familie wird das je getan haben, und hier bekommen sie das Geld und können es sich leisten. Einfach so. Zumindest dieses eine Mal. So wie manche sich hier bei uns einen Rolls Royce für die Hochzeit mieten oder Urlaub in einem Hotel machen, das echte Kronleuchter statt ihrer heimischen Ikealampen hat. So, wie man sich hier eben auch manchmal etwas leistet, das vielleicht nicht klug, aber nachvollziehbar ist. Muss es eine handgenähte Hirschlederhose für 2000 Euro sein, braucht man versilberte Felgen, muss eine Aktivisten den neuesten, teuren Rechner einer Firma haben, die Menschen wie den letzten Dreck behandelt?
Sehen Sie, ich bin kein Aktivist. Ich schaue mir etwas an, denke manchmal sogar darüber nach und schreibe es auf. Deshalb komme ich nicht in Gefahr, aus ein paar über die Stränge schlagenden Kerlen aus Afrika, die höchstens in der Schulerzeitung kritisch geschrieben haben können, die immer gleichen Behauptungen von unfassbar schlimmen Bedingungen vorbringen zu müssen, die sie traumatiert etwas weniger Kluges machen lassen. Ich muss nichts rechtfertigen. Ich muss niemanden überhöhen oder sein Leid, so vorhanden, aufbauschen, und dann riskieren, dass der Verfolgte zuerst einmal den Wunsch hat, dass sein Mercedes grösser als meiner ist – und ich irgendwann nicht meht formschön erklären kann, warum das SEK kommt, um wie in Suhl Leute davon abzuhalten, jemanden wegen eines Korans zu lynchen. Und wie der letzte Depp dastehe, und mir keiner mehr glaubt und mich jeder auslacht. Hallo sog. "Kollegen" von Zeit und Süddeutscher Zeitung, Euch meine ich: BWAHAHAHAHA. Gestern wart ihr noch Charlie und heute versteht ihr Lynhmobs. Aber das heisst eben auch, dass ich mit meiner nichtaktivistischen Haltung so etwas menschlich nachvollziehbar einordnen kann.
Die grosse, weisse S-Klasse ist noch lang nicht ausreichend, um ernsthaft “Ausländer raus” zu rufen – die Flüchtlinge bekommen ein Taschengeld, und beim Taxler im Mercedes ist es mir lieber als beim nächsten Schlepperverbrecher, der organisierte Massenmorde wissentlich in Kauf nimmt, oder beim Junkfoodproduzenten. Es ist ein Mercedes und kein japanisches Auto und es ist doch schön, wenn auch in Somalia die deutsche Arbeit geschätzt wird. Die grosse, weisse S-Klasse ist auch noch lang nicht ausreichend, um ernsthaft “Refugee welcome” zu rufen – weil sie den ganzen Aktivisten klar macht, dass die sozialen Zielsetzungen der Migranten keinesfalls den Idealen der Weltrevolution und der gerechten Verteilung aller Güter entsprechen müssen. Ich fahre ja auch einen Mercedes und lache, wenn es in Berlin Hipster auf Schrotträdern zusammenduscht. Ideologie füllt, egal ob rechts oder links, keinen Tank. Wenn ich Vollgas gebe, säuft mein Mercedes über 20 Liter auf hundert Kilometer. Das zahlt kein Marx und keine Le Pen.
donalphons, 13:22h
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