: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 3. Oktober 2016

Nationale Einheit, soziale Trennung

Ich glaube nicht sonderlich an Nationen. In meinen Augen sind sie vermutlich organisatorisch notwendung und demokratisch sinnvoll, denn eine denokratische globale Regierung - nun, man siejt ja, was schon in der EU daraus wurde. Privat halte ich Kleinstaaten in Bünden für eine ganz gute Idee; ab einer gewissen Grösse fangen bei Nationen die Nachteile an, die Vorteile zu überwiegen. Ich kenne übrigens auch Staatenlose: Manche wollen das so und können es sich in diesem Staat, dessen historisches Versagen sie verfolgt, leisten. Andere sind es zwangsweise, denen macht es wenig Freude, dass es so ist. So betrachtet ist es schon ganz sinnvoll, so einen Staat zu haben.

Ich glaube auch nicht, dass Verschiedenartigkeit ein grosses Problem sein muss, solange man sich auf ein paar Grundsätze einigen kann. Was ich aus all den letzten Jahren mitgenommen habe: Ich kann sehr gut mit Menschen aus meiner Region, unabhängig vom sozialen Status. Und mit Menschen aus meiner Schicht, unabhängig von der Region, aus der sie stammen. Ich kann sehr gut mit fabulierenden Flüchtlingen, weil ich auch ein Fabuierer bin. Ich kann aber überhaupt nicht mit den Guten aus anderen Schichten, die sich benachteiligt fühlen. Das geht recht konsequent schief und reisst da auf, wo man in meiner Schicht und meistens auch in meiner Region sagen würde: Das tut man nicht.

Eines dieser Grundprinzipien ist Diskretion.

Das heisst nicht, dass man über Bekannte nichts sagt -geratscht wird in Bayern immer, insofern denkt man hier automatisch mit und geht mit Informationen lieber sparsam um. Es gibt aber sehr wohl so etwas wie eine wohlmeinende Ratscherei, ein Empfehlungsratschen, ein Vermitteln und Nahebringen, das in eine gewisse Vertraulichkeit einbindet. Man lernt das zuhause, ich mache das vermutlich instinktiv - und es ist vielleicht weder gut noch richtog, aber kulturell halt irgendwie üblich. Ich denke darüber normalerweise nicht nach. Wäre man böse, könnte man darin so etwas wie eine Clanbildung erkennen. Clans sind heute, speziell in Schichten, die wenig Familienbindung haben, ja eher negativ aufgeladen. Je sozialstaatlicher, desto clanfeindlicher.



Ich bin da in den letzten vier Jahren zunehmend vorsichtig geworden. Dass mir manche den Job zerstören wollen - mei. Ich sehe es aber an meinem Posteingang und am Umstand, wie wenig ich mein Telefon nutze: Die Netzwelt, in der sich die Guten und Unprivilegierten bewegen, ist so gar nicht meins. Ich gehöre da nicht hin, und ihnen fehlt auch das Verständnis, warum ich bin, wie ich bin. Warum Dinge wie Diskretion und Zurückhaltung sehr wichtig sind, warum man gewisse Dinge besser nicht tut und anderes schweigend übergeht, selbst wenn man das eher nicht tun will. In Clans ist das wichtig. Gegenüber dem Staat oder Personen, von denen man etwas erwartet, ist das falsche Bescheidenheit. Und natürlich gibt es auch Clanstrukturen, die ganz anders funktionieren. Ein Fussballclub ist kein Konzertverein.

Ich denke, fürchte, dass das Menschen sehr viel mehr als Herkunft oder Lebensort prägt. Es gab während meiner Studienzeit ein paar sehr seltsame Erlebnisse: Etwa, dass Südtiroler hier viel besser reinkaman, als Ostdeutsche. Es gibt bei uns - und bitte, meine Heimat ist wirklich ein beliebtes Migrationsziel - immer wieder Erlebnisse, da weiss ich: Wenn diese Leute diese Art nicht schleunigst ablegen, wird es für sie sehr schwierig. Es wird ihnen niemand lange helfen, wenn sie sich nicht die Kulturtechniken abschauen. Integration setzt Verständigung voraus. Nur dann können Unterschiede nebeneinander und im Vertrauen existieren.

Und dann gint es halt so Fälle wie "die grosse, süsse Maus" Behrends oder Appelbaum, die mich immer weniger überraschen, weil ich inzwischen eigentlich nichts anderes mehr erwarte. Opportunismus, solange es passt, dann hintrücks nach Möglichkeit beschädigen, weil es legitim ist wenn jemand oben ist.

Das führt in meinem Fall zu der nicht ganz unironischen Situation, dass ich dieses Jahr an weit über 100 Tagen gute Gäste begrüssen durfte. Ich bin freudig ausgebucht. Auf der anderen Seite gab es harte Schnitte. In Berlin braut sich was zusammen. Ich gebe aus Prinzip keine Interviews, man sucht also, was man kriegen kann und würde das gern in ein schlüssiges, negatives Bild pressen. Auf der einen Seite bin ich frei und offen. Auf der anderen Seite rede ich über das Wetter.

Nein, ich habe nicht den Eindruck, dass man in diesem Staat gerade noch sagen kann, was man will, wenn man Interesse hat, dass es einem dauerhaft gut geht. Man sollte sich überlegen, wem man was sagt. Ich erlebe in meiner Himat eine Renaissance der kleinen, überschaubaren Strukturen, die genau das erlauben - frei von den Denkvorgaben, die aus einem Verteidiger der Freiheiten wie Prantl einen Gesetzesverschärfungsforderer bei läppschen Beleidigungsdelikten machen. Wenn wir über Hufeisentheorien reden, bittschön, da ist es. Gerade schön ist das alles nicht, denn natürlich habe ich es mir früher auch zu leicht gemacht im Glauben, man müsste die anderen nur ablehnen, dann sei man auf der richtigen Seite. Es gibt sie nicht, diese richtige Seite und den richtigen Umgang. So wenig, wie es auch einen richtigen Staat gibt, und eine richtige Einheit. Ich weiss wenigstens, wie wichtig der Clan in meinem Lebensumfeld ist. Und gegen die Banden hilft, die sich bilden, um mich platt zu machen.

(Wenn sie einem nichts Sexuelles anhängen können, hängen sie einem an, dass es nichts Sexuelles gibt. Was man halt so tut, wenn man zu wenig weiss, aber gern so tut, als wüsste man etwas.)

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