: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 22. Juni 2004

Real Life 21.6.04 - Ecke Veteranenstrasse

Man hat ihr gesagt, dass sie vorne aussteigen soll. Egal, sie muss sowieso vorne raus, weil dort die Wohnung ist. Trotzdem, keinesfalls hinten. Hinten hat sich die Drogenszene breit gemacht. Sie fand das alles etwas irritierend, denn daheim ist es alles ganz anders. Dort ist es egal, wann und wo man aus der U-Bahn aussteigt.

Inzwischen ist sie wieder zu Hause, und hier ist es auch kein Problem der U-Bahn mehr. Denn im Sommer haben diese Locations keine Bedeutung. Die Szene treibt hinaus auf die Strassen, weg von den Sicheheitsbeamten der verkehrdsbetriebe mit ihren schwarzen Hunden, hinauf an die Ecken, am besten an Häuser, die enteignet, geraubt, zerstört und aufgegeben wurden. Da gibt es keine Geschäftsinhaber, die die Polizei rufen. Im Verkehr, in den beweglichen Menschenmengen fallen sie und ihre Geschäftspartner nicht auf. Sie warten auf das Nichts bis zum letzten Kick oder den nächsten Kunden, und es ist irgendwie tragisch, aber das erste, was mir auffällt, ist die manchmal immer noch sorgsam aplizierte Schminke, und wie wenig sie gegen die eingefallenen Wangen und Augen hilft, zumal, wenn sie blond sind und ohnehin schon dünne Haut haben.

Das hier ist nur ambulant, vorrübergehend, zeit- und wetterbedingt. Der erste Regen wird sie wieder hinnunterspülen in den warmen Bauch der Erde und der ratternden Eisenzüge, wo es süsslich nach Erbrochenem und Pisse riecht.

Aber noch ist Sommer in der Stadt.

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Montag, 21. Juni 2004

Der Claim entscheidet

Irgendwann, vor gut 4 Jahren, entschied ein alter Münchner Grosskonzern, dass er jetzt auch einen einzigen Claim für alle seine Aktivitäten bräuchte. Es gab einen Pitch, zu dem Kraut und Rüben, grosse Agenthurenhäuser und kleine, aufdringliche Ratten eingeladen wurden. Es gab viele Vorschläge, Worte wie entrepreneurially, successfull, und leadership flimmerten zwischen Beamer umd teuren, hässlichen Vorhängen herum.

Letztlich verzichtete der Konzern dann bald wieder auf den Siegesentwurf, der dann auch auf Bitten der Corporate Communication von vielen Medien aus alten Online-Berichten getilgt wurde - zu peinlich war es den alten grauen Herren, sich mit diesem flippgen new-eco-english zitieren zu lassen.

Es geht also auch ohne, noch dazu englischen Claim - aber zumindest die Linke dieses Landes stolpert dieser Erkenntnis bis heute hinterher.



Ohne dabei zu bedenken, dass ein guter Claim nicht nur die Forderung, sondern auch ein potenzielles Ergebnis beinhalten sollte. Auf eine Firma wie Daimler-Chrysler würde dieser Reclaim-Claim heissen: Liefert uns das Metall! Und wenn sie die Strasse haben, was machen Sie damit? Seifenkistenrennen?

Aber wenigstens klingt damit der übliche, von Jahr zu Jahr kleiner werdende Ritualaufmarsch nach einer hippen Veranstaltung mit viel Energy und einem ordentlichen Kick off, der durch den dynamischen Claim gebrandet wird. Hier geht es um Action, um Leadership, um die Willingness2Success, hey, wir ziehen das GANZ GROSS AUF und niemand wird merken, dass es im Kern nur noch Brauchtumspflege ist, die sich eigentlich längst um Zuschüsse für Trachtenvereine bemühen könnte.

Und vielleicht auch um eine ordentliche Agentur, die den Claim in seiner Message broaded, damit die Zielgruppe schon mal eine Vision und eine Mission hat.

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Business Model Handtasche

Da steht ein Name an der Tür. Inhaberin. Der Name ist mir bekannt, von früher. Glaube ich. Einmal nachgoogeln. Tatsächlich, eine Gründerin aus der damaligen Hochzeit. Als es keine Limits gab. Ihr Laden war einer von denen, die "brick and mortar" für tot hielten - nur wussten es diese Saurier noch nicht.



Es gibt hier in Berlin gerade einen Boom an deratigen Handtaschenläden. Vermutlich ist das der Standard-Vorschlag des Arbeitsamts für eine Geschäftsidee, wenn es um die Wiedereingliederung von Marketing und Business Development der New Economy Era in das sogenannte "Berufsleben" geht.

Öffnungszeiten: 12 bis 18 Uhr. Um vier Uhr, Proseccozeit, war der Laden geschlossen.

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Sonntag, 20. Juni 2004

Das Grauen, das aus den Referrern kam

Wenn man solche Fragen an Google richten muss, sollte man das mit der Ich-AG bleibenlassen, auch wenn man bei Google die Antwort findet.

Auch nicht schlecht: WAs soll ich studieren. Kleiner Tip: Keinesfalls Diplomjournalistik.

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Abgehende Journalisten

kann man betrachten, wenn es um Blogs und die "Untersuchung" des Software-Herstellers Perseus Development Corp. geht. Die hat sich über das Blogverhalten eher negativ geäussert - zu viele Kids, zu viele stillgelegte Seiten, zu wenig Inhalt, und so weiter. Alles natürlich Dinge, die den professionellen Journalisten runtergehen wie Öl. Letztes Beispiel dafür ist Telepolis von Heise.de, genauer, von einem gewissen Thomas Pany.

Statt selbst mal nachzuzählen, was es zum Beispiel in Deutschland gibt, beruft er sich also auf das Report-Dingens einer Firma, die eigentlich in einem ganz anderen Bereich zu Hause ist: Der eCRM-Software, auch bekannt unter automatischer, netzbasierter Kundenpflege und -betreuung. Das alleine sollte schon stutzig machen - eCRM versucht im Kern, die Kritik etwa an Produkten, für die Blogs bekannt sind, schon frühzeitig zu erkennen und zu besänftigen. Ein Schelm vielleicht, der da Böses denkt? Kann es sein, dass Perseus diese Ergebnisse selbst gut brauchen kann? Sollte man soclhe Ergebnisse dann nicht vielleicht mal kritisch durchleuchten, als angeblich unabhängiger Journalist?

Aber so weit kam der Autor Thomas Pany offensichtlich nicht. Er hat, da bin ich mir ziemlich sicher, die Studie nie gelesen. Sonst hätte sich nämlich nicht dieser Fehler in seinem Text ereignet, der eigentlich nur durch Abschreiben einer älteren Heise-Meldung erklärbar ist, die dabei auch schon neben den Fakten der Studie lag: "Der Software-Hersteller Perseus Development Corp. hat die Zahl der Weblogs in den USA auf 4,12 Millionen geschätzt."

Das ist falsch. Perseus hat etwas anderes gesagt: Auf acht von ihnen untersuchten Webloghostern schätzen sie die Zahl der Blogs auf 4,12 Millionen. Es ist also weder die Gesamtzahl noch auf Amerika begrenzt - Blogger.com und Lifejournal haben ja auch eine Menge User ausserhalb der USA.

Ich würde Herrn Pany dringend raten, erst mal das Recherchieren zu lernen, bevor er das nächste Mal einen Artikel über die Problematik des Bloggens verfasst. Sonst könnte man schnell behaupten, dass er auch nir einer von den Zeilenkrepierer ist, der sich seine Studien zurechterfindet. Und wenn man eine Studie schon zitiert, sollte man sie zumindest gelesen haben. Grundkurs Publizistik, Herr Pany.

von hier.

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Samstag, 19. Juni 2004

Die Wahrheit

Der Park gehört allen. Den russischen Pennern, die ein Dutzend leere Bierflaschen im Kreis um sich herum aufstellen, dem Dealer an der Telefonzelle, der Patchwork-Familie mit Sonnenzelt und Digicam, die Bratwixe von Meika grillt, dem wackligen Psycho auf der Bank, der alle anstarrtt, sonstigen typischen Berlinern - und mir.

Die soziale Revolution wird kommen, grölt ein an die Mauer geklatschter Lenin. Wahrheit an die Wand, steht drunter. Die Wahrheit ist: Die soziale Revolution wird nie kommen, dafür ist die asoziale Revolte längst im Gang. Nicht mehr ein Staat für alle, sondern ein schmutziger, zugesprayter Park für den Plebs bis zu denen, die aus der Mittelschicht in die Niederungen der Cappuccino-Jobber gestürzt sind, Spiessergärten für die Spiesser und Vorstädte für die Reichen. Jedem das, wo er sich wohlfühlt. Wo ich hinschaue, Penner oder Fondverwalter: Glückliche Gesichter. Ich bin ein Wanderer zwischen diesen Welten; ich habe bei der Fahrt den Beschluss gefasst, mal wieder einen Empfang zu schwänzen, statt dessen zu knipsen und bin hier gut angezogen unter Hyänen. *

Ich photographiere den Tümpel, das Cafe und Schmierereien in der Dämmerung, und verlasse den Park. Kurz vor der Strasse sitzt immer noch der Psycho auf der Bank. Als ich vorbeigehe, steht er auf und kommt mir nach. Er ist nur ein paar Schritte hinter mir, und lallt undeutlich mit Berliner Akzent: He Du, wat machste mit der Kamera Bilder von mir oder wat det jeht nich gib mir det Ding...

Ich drehe mich um. Ich bin jetzt seit beinahe 2 Wochen wieder in diesem Slum. Ich habe Gewissensbisse bei jeder Bewerbung, die ich ablehne, ich habe so viel Dreck gesehen, soviel Müll und Kaputtheit zwischen den runtergekommenen Strassenzügen und den 13. Stockwerken der Ministerialbürokratie, ich habe einen Moloch gesehen, wo Opfer sein nur bedeutet, dass der eigene Betrug nicht funktioniert hat, ich bin angelogen, angeschleimt und angedisst worden, und ich habe die Schnauze voll von einem System, wo jeder meint, er braucht bloss kommen und nehmen, und schon bricht für ihn das Goldene Zeitalter an. Mein ganzer Hass auf 68er Eiterbeulen im Judentumanmassungsrausch, Mittepinscher, Linkesockenlöcher, Neoliberalfaschos, Kotzbrocken in den Einfahrten und in Anzügen, Hundescheisse auf dem Gehweg und in Hirnen, ich habe es so satt, das alles liegt in meinem Blick.

Ich sage nichts. Es ist vielleicht nur eine Folge des Systems, in dem wir leben, es ist eine logische Konsequenz, dann soll es eben so sein. Ich schaue ihm nur in seine mickigen, wasserblauen Augen, und er begreift, dass ich einen halben Kopf grösser und 10 Jahre jünger bin und meinen gut geschnittenen Anzug ausfülle. Wir stehen uns gegenüber. Er müsste nur seine Hand ausstrecken...

Er dreht sich weg, grummelt etwas und geht zurück auf seine Parkbank.

Zumindest dieser Park gehört uns allen. Das ist die Wahrheit, die auch der letzte Psycho begreifen muss.

*DCT-Leser verstehen diese Anspielung

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Freitag, 18. Juni 2004

schön blöd

jetzt mal so ein mittiger text in kleinschreibung weil man das wieder so macht wie damals in den bescheuerten raf-pamphleten und rezensenten mögen das weil es dann kunst ist. obwohl es sind zu wenig punkte drin das solltet ihr euch vielleicht noch reindenken. danke.

also es gibt diesen laden. da werden möbel verkauft wie in den seventies, so flache sessel und betten und alles irgendwie in weiss und pastell und braun. das ist recht hip und so weil die siebziger sind stylish wieder echt frisch hier in berlin. nicht bei allen aber bei mareike und ariane die sogar so eine tasche auf ihrem buchcover hat und mareike jedenfalls will jetzt auch so einen sessel in diesem geschäft wo schön auf dem schaufenster steht.



aber mareike sagt dass es ziemlich uncool ist von dem label wo sie gejobt hat dass immer noch kein geld und kein vertrag da ist und deshalb geht das jetzt noch nicht. sie drückt sich aber jeden abend wenn sie auf dem weg zur party vorbeikommt die nase am schaufenster platt.

und am tag sitzt dann eine verkäuferin drin und sieht keinen kunden und kann sich ärgern, weil ja eigentlich alles hier auf die ganz jungen gutverdiener eingestellt ist die wo mit dem style der seventies. die kennen auch den style vom wort schön weil sie die sporties hören und zweiraumwohnung und winson und bei sowas und solchen möbeln nicht das kotzen kriegen wie das noch die tun, die in den achtzigern die tempo gelesen haben und das jetzt noch immer voll scheisse finden dieses hippiezeug das sie zum letzten mal vor diesem laden bei der beat ag in der wohnung von ihrem frauenverstehenden musiklehrer gesehen haben wo sie nur hin sind um margot zu imponieren.

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Real Life 18.6.04 - Untergrund der nächsten Gener

nein, sagen wir mal lieber, Kohorte.

Ich weiss nicht, ob sie eine PRaline ist, und woher sie meine Nummer bekam. Wahrscheinlich hat sie noch nicht mal auf unsere Website geschaut, sonst hätte sie begriffen, dass mein Medium herzlich wenig mit dem zu tun hat, was man als ihren "kulturellen Horizont" bezeichnen könnte. Seit zwei Monaten erhalte ich Einladungen zu irgendwelchen schrägen Kulturparties, die sie selbst von wem anderes bekommt, und die sie mir dann forwarded. Es ist ziemlich schwer, Journalisten auf solche Krümelevents spät Nachts zu locken, wo es nichts zu Essen gibt und das Bier was kostet. Vielleicht wird sie weiterhin eingeladen, kriegt Bücher umsonst, oder kann angeben, wenn sie einen Typen anschleppt, auf dessen Visitenkarte eine New Yorker, eine Berliner und eine Münchner Adresse stehen. Echte PR ist sie eher nicht.

Es war ein echter Dreckstag in Berlin a. d. Spree. Zwei Termine geplatzt, umsonst gewartet, ein paar Regenschauer und dann auch noch die Dummheit, ans Handy zu gehen. Ob ich heute Abend nicht doch kommen will, ganz toller Event, gerade ich als halber US-Citizen würde es grossartig finden, New Yorker Underground.

Ich dachte mir, das mit meinem Status als banaler Angestellter einer amerikanischen Stiftung erkläre ich ihr lieber dort, mit allem Drum und Dran, damit sie klar sieht - und sagte zu. Ich hätte das Handy besser an die Wand pfeffern sollen.

Ein paar Meter neben einem früheren Schickilokal in der Gipsstrasse war ein Laden ausgeräumt. Jemand hatte sich nicht viel Mühe gegeben, das Ganze authentisch wirken zu lassen: Farbphotos von Sprayern mit Klebestreifen an die Wand gepappt, grellgelbe Halogenstrahler frisch aus dem Baumarkt, und dazu überall die typische Sprayerschrift, quasi die gotische Fraktur unausgelasteter Spiesserzahnarztkinder.



Die waren zur Hälfte drinnen und draussen und ziemlich dürr, von den beiden fetten, kurzhaarigen Kajaltöpfen abgesehen, die zu solchen undergroundigen Events gehören wie der tschechische Gartenzwerg in den Vorgarten des Kleinbürgers. Draussen lehnten sie an ein paar Mittelklassewägen, natürlich vor allem an einem schwarzen, 5-türigen Golf, das Becks in der Hand und ziemlich LAUT, ohne dass es nötig gewesen wäre in diesem verschlafenen Wohnviertel.

Drinnen waren neben den Bildern von wild vermummten N.Y.Kiddies mehr von den typischen Szeneleuten, mit den 70er Taschen und manchmal auch Lackmänteln. Es roch nach zu viel Parfum, fast wie auf einem Wohltätigkeitsbasar, aber nicht süsslich verwesend, sondern eher kalt und stechend. Süsslich roch nur der billige Sekt, den jemand verschüttet hatte und der jetzt den Boden verklebte.

Die Möchtegern-PR-Frau kam mit einer Bekannten auf mich zu, stellte uns vor, und begann zu reden. Es war zu laut, sie sprach mehr in Richtung ihrer Bekannten, die schon etwas zu alt für die kreischenden Kids neben uns war. Ich verstand die Hälfte und hätte einiges darum gegeben, wenn es nur ein Viertel gewesen wäre. Angeblich war das hier sehr wichtig, ein Spit-zen-Event, und ausserdem sind auch viele Jungstars der Szene da, Künstler, Schauspieler, Regisseure, Autoren.

Ein Typ, der mit seiner zerissenen Jeans einen kleinen Tribut 2 the topic machte, zog mit einer teuren Digicam herum und knallte mir den Blitz aus einem halben Meter Entfernung in die Augen, bevor er mir dann, zur Unschärfe inmitten eines schwarzleuchtgelben Flecks gewandelt, als irgendein Jungeventdurchzieher vorgestellt wurde. Sehr unangenehm, pleased to beat you. Gekreische von Rechts, ganz viel, da ging wohl wieder eine Flasche sekt auf, aber ich sah nichts.

Ich sprach dann noch mit einem frisch zurückgekehrten Austauschstudenten über die Probleme bei der Arbeitssuche in New York, mit einer fertigen Journalistin ohne Job über die Krise des Journalismus, und mit einem Kerl, der dachte, ich könnte ihm vielleicht helfen, sein Manuskript an einen Verlag zu bringen. Er war ziemlich frustriert, als ich ihm sagte, dss noch nicht mal ein gut laufendes Buch so viel Geld bringt, dass er sich den Traum vom neuen BMW X-5 leisten kann, geschwiege denn einer Wohnung in Mitte. Gegen ein Uhr drängte die nächste Gruppe in die Galerie, und ich ging, ohne meine einladende Bekannte noch mal zu sehen.

Auf dem Weg zum Auto hupte jemand hinter mir. Es war die Bekannte der PR-Frau. In einem leicht verbeulten Mazda MX-5 mit Koblenzer Kennzeichen. Shakira volle Kanne dröhnte durch das Verdeck.

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Donnerstag, 17. Juni 2004

Real Life 16/17.6.2004 - Scholz and Feinds

Ich erzählte ihr eine dieser miesen Geschichten aus der Munich Area, die keine New Economy sind und deshalb nicht bei Dotcomtod landen. Ganz klassisch: Unterschlagung, betrügerische Insovenz, ein Kickback-System, bei dem sich alle bereicherten, ausser den Investoren. Die ganz Miesen hatten ein Netz von 1-Personen-GmbHs um sich herum aufgebaut, die es zuerst erwischt hätte. Durch gezieltes "Risiko-Management", besser bekannt als Umdrehen eines Vertrauten, war das Netz am Ende sinnlos. Die ganz Miesen verlieren gerade ihr gesamtes Vermögen an Investoren, die ebenfalls nicht gerade zu den netten Menschen dieser Republik zählen. Alltag, früher auch mein Alltag in der wachstumsorientierten Munich Area. Die New Economy ist tot, aber die new Economy Deals laufen weiter.

Sie meinte, dass ihr das ziemlich fremd ist. Weiter unten in der Hierarchie bekommt man von diesen Geschichten nichts mit. Und überhaupt, es ist nicht alles so schlimm. Es gibt ja manche, die sich ganz locker gehalten haben. Eine Delle vielleicht, ein paar Jahre etwas Rückgang, aber sonst eigentlich alles ok. Eine Freundin von ihr arbeitet zum Beispiel gleich hier die Strasse runter bei Scholz & Friends. Natürlich sind das stressige Jobs, aber es läuft bei denen im Moment. Ohne solche riskanten Deals. Gute Aufträge.

Dann kamen die Enchilladas, und in der nächsten halben Stunde wurde das Wetter so schön, dass wir es doch ganz gut getroffen hatten, mit dem Platz draussen im Garten.

Heute regnete es wieder. Und sie sagte mir für heute Abend telefonisch ab. Wegen ihrer guten Freundin, die bei Scholz & Friends ist. Die braucht heute Abend jemand zum Quatschen. Es geht ihr nicht so besonders.

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Spearhead

Offenheit, Transparenz und grenzenloser Austausch zwischen innen und aussen war die architektonische Maxime, Glas und Stahlbetonrahmen ersetzten den Stein, denn "brick and mortar" waren verpönt, veraltet, überflüssig. Der neue Stil der späten 90er griff zurück auf die Neue Sachlichkeit. In den öffentlichen Raum bohrten sich die Kristallkanten mit schonungsloser Luminiszenz. Jeder sieht jeden. Container und Webcam waren nur mediale Folgen der schimmernden Avantgarde über den Städten.

Die grenzenlose Öffentlichkeit des Internets als architektonische Metapher. Mobilität, Flüchtigkeit und Flexibilität durch wenige, ausgesuchte Möbel. Auch hier der Glanz des Chroms und das grünliche Funkeln geschliffener Gläser. Powerbook-Area, 24/7.



Manche klammern sich an diese Räume fest. Bis heute. Denken nicht daran, sie aufzugeben. Auch wenn sie im Winter ringsum nur das ganze matschige Elend der Umgebung zeigen, und im Sommer die Klimaanlage die Hitze mühsam wegsurrt.

In diesem Glaskasten wird sich niemand ausziehen. Niemand wird auf dem Boden ficken, nach dem schnellen Aufriss unten im angesagten Viertel. Deshalb auch keine Freundin, falls es gut war. Die dann sagen könnte, dass sie doch lieber was mit Garten hätte. Und normalen Mauern. Und Vorhängen. Zum Beispiel in der westlichen Vorstadt.

Mit dem Volvo wären es auch nur 20 Minuten in die Stadt. Welcher Volvo? Na der, den er sich kaufen soll. Der alte SLK ist einfach hässlich, seitdem es den neuen gibt.

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Mittwoch, 16. Juni 2004

Vorbildlich

Irgendwann, mit dem Begriff der Gleitzeit, gingen die sogenannten geregelten Arbeitszeiten über Bord. Den Begriff kannte keiner mehr.



Bei der Gelegenheiten verschwand irgendwann auch die Stechuhr. Während jeder Bandarbeiter jede zusätzliche Viertel Stunde peinlich genau mit 25% Zuschlag und in der Spätschicht nochmal mit 25% Nachtzuschlag versah, war und das alles nicht so wichtig. Mal 10 Stunden, mal 6, manchmal auch 12, denn Projekte kennen keinen Feierabend, nur Deadlines und Echtzeit.

Stunde ist Stunde. Arbeit ist Arbeit. Dafür gab es Obst und Gummibärchen umsonst. Und es war schon somewhat geil, Nachts um eins noch aus dem Glasbeton-Büro auf die Stadt runterzuschauen. Den Puls zu fühlen, und das Brausen im beschleunigten Herz der Metropole, die sich im Digitalen über die Welt und darüber hinaus erstreckte. In NY war es immer erst 6 Stunden früher.

No rules. Scheiss auf die gewerkschaften. Die Welt gehört denen, die was leisten. Oder später denen, die leistungsfähiger waren, oder mit der HR gut konnten. Immerhin wurden dann die Büros schon gross und leer. Die Arbeit blieb bei weniger Leuten. Die fanden es cool, um 6 nach Hause zu kommen. 6 Uhr morgens natürlich.

Und das Essen haben sie bei der Tanke gegenüber gekauft. Sie waren vorbildliche Arbeitnehmer der eigenen Sache.

Sie haben die Nacht zum zusätzlichen Arbeitstag gemacht. Und diese Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins und der sozialen Anforderung wird bleiben.

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Real Life 15.6.04 - Frau zu haben

Der Ukrainer, der Frauenhandel und die Prostitution organisierte, und als dessen Berliner Kunde ein gewisser Michel Friedmann bekannt wurde, muss für fast 5 Jahre in den Knast.



Ob es dann noch diese Galerie gleich neben der Volksbühne gibt, ist eine andere Frage. Kunst ist Luxus, den man sich leisten können muss, genauso wie schlechten Geschmack. Wenn beides zusammenkommt, gibt es keinen Rabatt, und deshalb auch nicht mehr Umsätze.

Keinen Rabatt auch gegenüber, hinter der Tür eines rot bemalten Erdgeschosses. Live Sex Erotic steht in den Fenstern, Frauenbeine zeigen eine Dynamik, die dem Bild in der Galerie gänzlich fremd ist. Zeigt der Hengst die kleinste Schwellung, geht die Stute gleich in Stellung, verkündet ein rotleuchtendes Laufband.

Gleich daneben ist Eggers und Landwehr, die Kneipe der Agenten, die Rechte an kaum volljährigen Mädchen verkaufen. Demnächst tingeltangelt hier Jana Hensel, noch so ein "junges Talent". Eine werbende Umschreibung, die sich der Ukrainer für die Wierderaufnahme seiner Geschäfte merken könnte.

Zwei seiner Landsleute kommen aus demn Cafe Burger, sturzbetrunken und stinkend. Sie torkeln Arm in Arm über die Strasse. Hinter ihnen hat ein Mädchen das Lokal verlassen, aber sie kommt nur ein paar Meter weit. Dann setzt sie sich auf den kaputten Berliner Asphalt, steckt die Beine aus und hält sich den Kopf. Sie hat zuviel. Zuviel Alkohol, schlechte Luft, zuviel Hoffnungen, dass es cool werden könnte und zuviel erlebt, als dass sie sich noch vormachen könnte, das hier wäre das tobende Leben.

Jemand sollte ihr ein Taxi beschaffen, damit sie sicher heim kommt. Ein Pulk grölender Fussballfans zieht achtlos an ihr vorrüber.

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Dienstag, 15. Juni 2004

Auftragsmordbeitrag

Nicht ganz abgekackte Börsenrandexistenzen von Amazon, Ebay, Yahoo und was sie an der Börse von Google unterscheiden wird - also alles. Ausserdem: Was mit Web.de und GMX wird, wenn Google mal anfängt. Beispiel hier. Wenn Google Hustet, kriegen die anderen Keuchhusten, Syphilis und plötzlichen Kindstot.

Ein Beitrag ganz nach meinem Geschmack, der mir da angetragen wurde. 12.000 Zeichen Napalm. Das ist kein Job. Das ist Passion.

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Das Elend der Medienkompetenz

Ich liebe es! Ich bin total hingerissen, wenn hochgejazzte Wunderbubis schon beim kleinsten Stück Internet auf die Fresse fallen! Das beste Stück hat bislang Scholz & Friends abgeliefert, als sie auf ihrer Website als Kontakt eine nicht funktionierende Email-Adresse angaben.



Doch Florian Barbourjacke Illies setzt noch was drauf, das zeigt, dass er Print ist und von diesem Internet da keine Ahnung hat.

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Bevor man die New Economy von der Leine

gelassen hat, hätte man vorher diesen Artikel hier lesen sollen. Die De Lorean Story. Purer New Economy Irrsinn im Geiste der 68er Rebellion. Immerhin kamen dabei ein paar Autos raus, und nicht nur ein Haufen nicht mehr verfügbares HTML oder Flash.

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