: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 10. Mai 2015

Anders. Aber anders.

Anfang der 90er Jahre entstand in München das Hans-Sachs-Strassenfest der schwulen Szene. Naturgemäss kenne ich es erst seit dem Ende jenes Jahrzehnts intensiv, als ich dann selbst in München die Jungs von Radio Uferlos kennenlernte. Nach Ansicht meiner Freunde aus der Szene hatte es viel von seinem Charme verloren, wobei nicht jede Veränderung schlecht war: Ziel war das Werben um sexuelle Freiheit, und da ist ein Graubereich zwischen Emanzipation und Missbrauch, speziell, sobald es um Minderjährige geht. Ich tue mir mit den aktuellen Regelungen gleichzeitig leicht und schwer - ich würde nicht wollen, dass ein Kind in der Pubertät schon seuelle Beziehungen mit erheblich Älteren pflegt - selbst wenn ich weiss, dass wir eine küstlich verlängerte Kindheit haben, die es so nur heute und nur im Westen gibt.

Pädophile argumentieren oftmals ähnlich und ich denke, die geistige Offenheit und Toleranz, die in der schwulen Szene, sofern man von "der" Szene sprechen kann, herrscht, zieht sie an. Daher traten Aktivisten auch auf diesem Fest auf. Es ist elend schwer, hier über den passenden Ort eine Entscheidung zu treffen, aber meine Sicht der Dinge ist, dass man sich mit ihrem Standpunkt auseinander setzen sollte - ich lese ja auch das Parteiprogramm der CSU im Original, den Twitteraccount einer Spongebobunterhosenverkäuferin aus Berlin und Indymedia. Es bringt wenig, solche Interessensgruppen zu ignorieren, man muss zumindest mal schauen, warum sie was fordern. Wenn solche Leute ein Anliegen haben, mag es auch moralich falsch sein - so sollte man doch darüber reden können, um zu verstehen, was sie wollen. Den früher verbotenen Schwulen ging es ja auch so.

Aber sie sollen das nicht auf diesem Fest machen, meinte die Gründerin des Frauenzentrums KOFRA Anita Heiliger, und trat dagegen Mitte der 90er Jahre in Aktion. KOFRA stammt noch aus den Achziger Jahren und damit der Latzhosenepoche; radikal, autonom und so erfolgreich, dass ich es seit jeher nur als winzigen Laden im Klenzeviertel mit wirren Texten an der Tür kenne, die ich gleichwohl lese. Sexuelle Gewalt ist ein grosses Thema bei KOFRA, und Sex mit Minderjährigen oder Prostitution lehnen sie radikal ab. In der schwulen Szene wiederum sind da die Übergänge zwischen Darkroom und zugesteckten Scheinen fliessend. Und an dem Punkt scheiden sich die Geister so, dass die Feindschaft recht offensichtlich wird: "Pädokriminelle", dieses Wort verwendet Heiliger. Und das wiederum apelliert an schwule Urängste, zum Pädophilen abgestempelt zu werden. Als ob es nicht genug andere Probleme von der AIDS-Hilfe bis zu Alterswohngemeinschaften gibt - nein, KOFRA meint beim Thema Schwulenbewegung auf Töne setzen zu müssen, die auch von der CSU kommen.

Gleichzeitig ist KOFRA recht lang in München vor Ort und hat durchaus Einfluss auf das, was in München als Frauenpolitik gilt: Unterstützung von Alice Schwarzer bei ihren sexfeindlichen Kampagnen zum Beispiel. Auch da wird so eine Art Querfront mit reaktionären Kreisen und Latzhosenpolitikerinnen aus dem Sozialbereich geübt. Es ist nicht leicht, zwischen den Standpunkten von Heiliger und KOFRA zu differenzieren, aber in der schwulen Szene und bei, sagen wir mal, gehobeneren und weniger autonom agierenden Lesben wird Heiliger nicht sehr geschätzt. Einfach, weil die das Bild ihrer Szene prägt und mit Hilfe des Sozialreferats auch nach vorne stellen kann.

Die schwule Szene ist übrigens schon vor dem Aussterben und der moralischen Bankrotterklärung der natürlichen Feinde etwa im kirchlichen Missbrauchsskandal in sich selbst zerkracht, aber sie ist vielschichtig, und man kann sich dort aus dem Weg gehen und anderweitig Spass haben. Eine grösere lesbische Szene gibt es in München nicht - manches läuft bei den Schwulen "so mit", wie früher im Morizz und immer noch bei der Rosa Liste, aber nach meiner Meinung hängt denen ansonsten FOFRA wie ein Klotz am Bein. "Ich bin schwul und da müssen wir was tun", sagen die Männer, "Ich habe eine Partnerin", sagen die Frauen in meinem Bekanntenkreis und das war es dann schon wieder. Lesbentum hat autonom politisch zu sein und wenn es das nicht ist, kann man sich ja anschauen, wie KOFRA gegen Rosa Liste und Hans-Sachs-Strassenfest agitierte.

Wir sehen etwas Ähnlichen natürlich auch gerade beim Netzfeminismus, aber ich will das nur als Hintergrund erwähnt haben, weil Hadmut Danisch bei seinem Besuch bei der grünen Bundestagsfraktion den Eindruck erweckt, die Grünen könnten über ihr Speichellecken bei den krassen Rändern der Bewegung neue Kräfte bei "den Schwulen" einfangen. Der Kern der schwulen Bewegung hat die Schnauze voll von all den Randgruppen, die mal ein Transparent hochgehalten haben und nun denken, ALLE Schwulen müssten sich nun für ihre Forderungen bis zur letzten Patrone einsetzen - auch wenn diese Ränder seit Jahren der Szene vorwerfen, sie seit fett und träge und nur noch an Party interessiert, was ich wiederum als Bayer nach den Jahren mit Uhl und Gauweiler verstehen kann: Nichts hassen die Rechten mehr als glückliche, zufrieden Schwule, die gut integriert und sympathisch sind. Und nicht a soichane Zwiedawuazn und Bissguakn wie das, was die Grünen da einladen.

Denn Genderstudies sind eine relativ neue Wissenschaftsvortäuschung aus der Soziologie, und treffen bei der schwulen Szene auf ein längst gefestigtes Weltbild. Da wehrt man sich mit Händen und Füssen gegen die Vorstellung eines Gender Mainstreamings, das nicht die Toleranz für andere Einstellungen fördert, sondern versucht, Normen abzuschaffen und andere zu zwingen, ihre Ansichten über andere aufzugeben. Wie etwa Lederschwule über Theaterschwule. Da gibt es längst so eine Art schwulen Burgfrieden in unserer Gesellschaft, und von da aus könnte man auch weiter machen - statt dessen kündigen der radikal-lesbische Flügel diesen Frieden auf, und will die Gesellschaft auf ihre Linie bringen. Nach meinem Gefühl wird das noch nicht mal bei den Grünen was. Und ganz sicher nichts bei den Schwulen, die dank Heiliger, Schwarzer und anderen wissen, auf wessen Seite sie da in einen Kampf ziehen sollen, den sie früher vielleicht auch mal probiert haben, bevor sie dann den richtigen Weg über Verständnis und Kompromisse fanden.

Ich privat empfinde die friedliche Emanzipation der Schwulen von der strafrechtlich unterdrückten Minderheit zum selbstbewussten Teil dieser Gesellschaft als eine grössere Geschichte als die Wiedervereinigung. Die Jungs haben das durchgezogen, und sind nicht wie die autonomen Lesben in ihren Büros verschimmelt. Das ist keine berufsbeleidigte Szene, die nach Arbeitsplätzen in der Benachteiligungsopferindustrie sucht. Da mache ich mir wirklich keine Sorgen.

Die Querfront, die da entsteht, kommt eher im Kampf gegen Sex, Porno und Lebensfreude zusammen.

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Samstag, 9. Mai 2015

Mehr Prunk

Man muss sich doch heute nur mal die wenig auf ihre äussere Erscheinung achtenden Leute anschauen, die angeblich Kultur machen: Dann versteht man sofort, warum dieses Gschleaf aus dem akademischen Betrieb halt genau so bei niedrigen Kosten vor sich hin lebt, wie es eben in Berlin geht, bis sie die Gentrifizierung nach Leipzig und dann weiter nach Zwickau vertreiben wird. Ich finde die Verdrängung speziell der "kreativen" Kaste super, denn wenn die erst mal als abschreckendes Beispiel durch die Medien gehen, wenn ihre Arroganz sie in den Staub gezogen hat - dann malen ihre Nachfolger uns mal wieder das an die Decke, was zu unserer Verherrlichung und nicht zu ihrer kleingeistigen Olchokratie passt. Gut für uns und, wie man in Lucca sieht, gut für die Vorübergehenden.

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Samstag, 2. Mai 2015

Wollen Sie wirklich?

Das ist die Frage, die das Navigationsgerät stellt, als wir im Land der L Eroica angekommen sind:



Davon werden wir aber noch genug sehen, und so entscheiden wir uns, doch lieber noch einmal Siena anzuschauen, denn Siena kann man nicht oft genug gesehen haben. Siena ist traumhaft. Siena ist unglaublich, Man kann stundenlang nur die Säulen des Doms anschauen, ohne auch nur eine Sekunde gelangweilt zu sein.









Und dann ist ja noch hinter dem Dom das Baptisterium und unterhalb des Baptisteriums dieses ganz spezielle Geschäft, das ich immer aufsuche, um Krawatten zu kaufen. Normalerweise mache ich das während der Mille Miglia, und am Ersten Mai sollte es ja zu haben - aber da unten brennt noch Licht.



Und da gehen Menschen ein und aus. Und Mille Miglia, das kennt man ja, ist stressig und laut und voll und eigentlich hat man auch gar nicht die Zeit, sich in Ruhe zu überlegen, was man braucht. Ich neige dort, weil ich dort meistens Brauntöne trage, farbige Krawatten zu kaufen, weil es halt in diesem Moment passt. Und dann stehe ich beim Konzertverein vor dem Kleiderschrank un wundere mich, warum da nur knallbunte italienische Sommerkrawatten sind. Aber jetzt setzt gerade noch der Frühlingsregen ein, kalt und grau, und diesmal nehme ich das Richtige für seriöse Anlässe, Opern und Vorstellungsgespräche - weil, man kann ja nie wissen, was noch alles kommen wird.





Und so wurde es dann doch ein netter, wenngleich auch von vielen Autobahnkilometern geprägter Tag. Schon komisch, wie weit man fährt, um dann sehr viel kürzer zu radeln, könnte man denken, aber in Wirklichkeit denkt man nur an das, was da am sonntag kommen wird. Und ob das Wetter hält. Weil, der Regen in der Toskana kann wirklich hässlich sein.

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Donnerstag, 30. April 2015

Abend nach dem Tag.

Ich weiss noch, wie ich nach der letzten grossen Alpenrunde auf dem Bauch eingeschlafen bin, die Banane in der Hand und mit dem brennenden Licht über mir. Das war in Kaltern, das war genauso lang und genauso hoch wie as, was jetzt kommt. Der kleine Unterschied zum Kommenden ist nur: Das war Asphalt und kein loser Schotter. Und da, wo ich hinfahre, gibt es mehrere Anstiege wie zum Penegal. Was ich vorher esse, denke ich mir, ist dann nachher nicht in meiner Hand, wenn ich einschlafe.



Ich würde nicht so weit gehen und sagen, das Altern schlimm oder schlecht ist: Es gehört dazu. Es ist brutal, wenn man sich mit gewissen Folgen nicht abfinden kann, und wirklich unschön, wenn man nicht Willens ist, das Nötige zu tun, selbst wenn man könnte.Wir leben nun mal in einer Welt, in der Männern ein Mass an Körperanforderungen vorgelegt wird, das zu erreichen nicht ganz einfach ist, zusammen mit den Anforderung der Arbeit. Da mache ich nicht mit, aber auf der anderen Seite sehe ich auch, dass schon etwas Bewegung wichtig ist. Ich war in der letzten Zeit zu oft zu Besuch in Kliniken. Und da ist so eine Strecke unter diesen Bedingungen schon eine angenehmere Art Richterstuhl, vor den man zu treten hat.



Angst, Unsicherheit, Beklemmung, das alles gehört dazu zum Tag vor der Abreise, denn man weiss es vorher nie und will nicht zu viel sagen, wenn es nachher scheitert. Ich kann einschätzen, was mich da in der Toskana erwartet, und ich weiss, dass es unter guten Bedingungen reichen kann. Schlechte Bedingungen, das wäre eine gänzlich andere Sache. aber so weit denke ich noch nicht. Sorgen macht man sich ohnehin zu viele und jammern kann man danach immer noch. Und gut begründet.



Die Lunge pfeift wegen der Pollen und das Rad läuft, die Reifen sind dick, und der Körper sollte keinesfalls dicker sein. So ist das alles zwischendrin, nichts ist perfekt, aber es geht so halbwegs und wenn sich alle viel Mühe geben, kann es gelingen. Strahlende Helden sehen anders aus, aber die sterben eh früh und meinen Wettlauf zum Tod stelle ich mir sehr gemachlich vor, gerade so, dass er sich vielleicht andere vor mir holt. Auf keine Torte, auf keinen Sonnenuntergang verzichten, und nie zu viele Ritzel vorne und immer genug Zähne hinten. so kommt man jeden Berg hoch und auch jenen anderen Nichtheldenhügel, den man das Leben nennt.



Wohl, so ganz wohl ist mir nicht. Das Gefühl im Magen war schon mal besser und dass es weh tun wird, ist vorher schon klar. Aber es wird Italien sein, und das ist. für sich genommen, ja auch schön.

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Mittwoch, 29. April 2015

Motown

Es gibt inzwischen doch recht weite Regionen in Deutschland, in denen es den Leuten gut geht. Die Ursachen wie die Schieflage im Euroraum sind hässlich, aber am Punkt, dass es hierzulande prima läuft, kommt kaum jemand vorbei. So prima, dass auch der Megaskandal einer in die NSA-Spionage verwickelten Regierung irgendwie kein grosses Thema ist. Aber vielleicht kommt das ja doch noch.

Auf der anderen Seite gibt es Regionen, die noch hinterher hinken und nicht gerade die besten aller Möglichkeiten bieten. Städtische Räume im Norden haben eine relativ hohe Arbeitslosigkeit und ein erhebliches Armutsrisiko. Das ist nicht zwingend ein Teufelskreislauf, und wenn ich sehe, dass Münchner Methoden beim Vermieten nach Berlin kommen, wird sicher vieles andere auch noch kommen. Man macht so etwas nicht, wenn es nicht die Aussicht auf bessere Zeiten gäbe. Vieles hat eben seine zwei Seiten, und es profitieren die Miesen mit den Guten.

Es gibt ganze soziale Teilbereiche, die ebenfalls Ausnahmen sind. Prekäres Wasmitmedienleben etwa ist immer noch prekär, Kunst ist prekär, Schauspielerei ist prekär, Ichtuwasichwill ist prekär. Noch erheblich prekärer als das Dasein der schlecht, aber immerhin verlässlich Verdienenden, dafür aber irgendwie cool und rebellisch. Und solche Leute schreiben dann grosse Berichte darüber, wie Apple und Google die Autoindustrie vom Platz fegen wird. Leute, die ihr Fahrrad nicht reparieren können, reden über technische Visionen.

Neben einem gerüttelt Mass an Ahnungslosigkeit über Innovation, Produktion und Effektivität der Autobranche schwingt da meines Erachtens auch immer etwas die Hoffnung mit, die beiden Technikkonzerne könnten die zufriedenen und stabil lebenden Autoindustriearbeiter auch auf ihr mickriges Niveau herunterwirtschaften. Ich kann das irgendwie verstehen, denn die Vision, Maschinenbau zu studieren und dann was mit Stahl zu machen, war auch für mich entsetzlich. Das wollten bei uns alle und deshalb hatten wir sieben voll besetzte Leistungskurse Mathe und einen für Deutsch und Geschichte. Und selbst aus diesen Leistungskursen gingen dann viele zu den Autos. Es war und ist einfach der beste Kompromiss für ein gutes Leben in dieser Region. Man muss das nicht mögen.

Aber es sollte einem den Blick nicht auf die Realität verstellen. Ich muss da immer an den M. denken, dem es weiss Gott nicht in die Wiege gelegt war, dass er später erst eine Firma im Umweltbereich und dann, aus einer Tüftlerlösung heraus, noch eine für Spezialpumpen entwickelt. Den M. verstand man wirklich nur, wenn man von dort kam, und jedes Jahr wäre er in der Schule fast gescheitert, eben weil er nichts sprachbegabt war. Aber er hat sich eben reingehängt und durchgebissen, obwohl daheim alle meinten, es wäre nicht nötig, Landwirtschaft zu studieren. Verweichlichte Hipster können sich die Energie nicht vorstellen, mit der solche Leute manchmal tüfteln, rackern und kämpfen müssen, bis sie dann ihre Ziele erreichen: Aber dem M. gönne ich es und er hat meine Hochachtung. guter Mann, gute Firmen, gute Arbeitsverträge. Das ist eine ganz andere Welt, aber die muss genau so sein, um zu funktionieren. Das Geschlampere, das sich Apple bei Zulieferern leistet, wäre im Pumpenbereich undenkbar, denn daran hängen im Einsatz Leben.

Es ist also durchaus nachvollziehbar, wenn die Berliner Parasiten des Fortschritts auf Klapprechnern aus Sklavenproduktion Wünsche formulieren, dass die Technikmafia, die sie in ihre Lobbyinstitute einlädt, doch bitte die anderen vom Platz fegen möchte. Das passt bestens zu ihren Nehmerqualitäten und der Hoffnung auf ein BGE mit hoher Steuerlast und Umverteilung. Nur kommt das hier bei uns halt sehr schlecht an, gerade bei jenen, die selbst dann in die Firma gezwungen wurden, wenn die Eltern ihnen ein Auto hätten hinstellen können: Ich war da ja oft frin. Ich weiss, wie die arbeiten. Ich kenne den Zusammenhalt und die Bereitschaft, gemeinschaftlich etwas voran zu bringen. Da muss man keinem mit Kapitalismuskritik oder Umbau der Gesellschaft kommen. Die haben sich bei uns hochgearbeitet und wollen nicht wie Opel oder ein Berliner Dönerfresser enden.

Deshalb kann ich mit guten Gewissen schreiben, dass ich nicht glaube, Apple oder Google könnten je erfolgreiche Autobauer werden. Ein paar Interna hebe ich mir auf, aber so viel sei gesagt: Man weiss genau, was die amerikaner können, und was nicht, und dass man keine Angst vor denen haben muss.

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Montag, 27. April 2015

Acht Millionen

Acht Millionen Menschen sind gar nicht so wenige. Aber die sind auch die obersten zehn Prozent des Landes, also recht viele Leute, bei Licht betrachtet. Ganz besonders viele davon leben angeblich prozentual bei mir um die Ecke. Ich sehe ihre Häuser und Autos, ich sehe ihre Folgen beim Konditor und an den hohen Hecken.

Dafür jedoch sehe ich bei schönstem Wetter bemerkenswert wenige davon am See. So,als faulten sie längst in ihren Villen vor dem noch laufenden TV-Gerät. Höchstens ein paar Promille dieser Reichen sind dann hier unten am See, wenn es schöner gar nicht mehr sein kann. Das ist wirklich der wahrscheinlich schönste Platz am ganzen See, an Frühlingstagen wie diesen:



Aber sehr viele sind da oben in den Flugzeugen auf dem Weg von A nach B, ärgern sich über zu wenig Platz und haben Stress. Obwohl sie hier unten eigentlich zufrieden sein könnten. Das ist das, was ich angesichts von Leuten wie Piech und Middelhoff überhaupt nicht verstehe. Und wenn ich etwas nicht verstehe, dann kann ich das auch in der FAZ ruhig einmal zugeben.

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Sonntag, 26. April 2015

Tu felix Austria

Man müsste eigentlich eine Serie darüber machen, wie Österreicher wertvolle Dinge verpacken. Jemand in München wünscht sich die Abholung von Laufrädern, die auch 200 Kilo Belastung aushalten, denn es könnte ihnen etwas passieren, und in Österreicht hat man ein Barockgemälde, zwei dünne Styroporplatten, eine Plastiktüte, Packpapier und Klebeband. Sonst nichts. Das Bild kommt in die Tüte, wird mit den Styroporplatten verklebt und dann mit dem Papier umwickelt. Fertig ist es für die weite Reise die Donau hinauf, über die Grenze, zwischen zwei Dienstleistern, bis zu mir,



Und die Platten - ich habe es ausprobiert - brechen leicht. Das ist nur bei Österreichern so, Italiener, Franzosen und Deutsche geben sich da wirklich Mühe, oder bringen es gleich vorbei. Alles schon erlebt, im Guten, weil derartige Händler Kunst wirklich achten, und im Schlechten, weil es Österreicher sind. Deshalb war ich auch öfters in Niederösterreich und Tirol zu Besuch.

Man kann das recht leicht erklären: Die Habsburgermonarchie war so eine Art Krake, die alle von ihr unterjochten Länder hemmungslos ausplünderte. Ich gucke oft nach Italien, aber die meisten italienischen Gemälde kommen tatsächlich aus Wien und wurden im vorletzten Jahrhundert eingeführt, als Oberitalien zu einer armen Provinz der Monarchie herabgesunken und der Willkür der Besatzer ausgeliefert war. Besonders schlimm muss es nach dem Versuch einer bürgerlichen Revolution gewesen sein - danach blieben den Abgesandten Wiens über zwanzig Jahre, sich schadlos zu halten an genau jener Kunst, die damals mit Historismus und Wiener Barock wieder in Mode kam. Besonders Venetien mit seinem alten Reichtum und verarmten Adel wartete nur darauf ,ein Opfer der Händler aus Wien zu werden.

Das hier ist nun ziemlich sicher italienisch:



Einfach, weil hinten auf dem Keilrahmen etwas auf Italienicch steht, in einer kursiven Schrift, die für das Rokoko typisch ist. Das Stück an sich ist zwar dekorativ, aber nichts Besonderes: Wahrsageszenen warn damals beliebt, und das hier ist wahrscheinlich auch nur nach einem Stich gemalt -eine übliche Methode einer Zeit, die bei weitem nicht so genialisch-kunstsinnig war, wie es heutige Maler und ähnliche Kreative für sich in Ansprucht nehmen.

Aber das ist kein Grund, es achtlos zwischen zwei Styroporplatten zu packen.Das können sich die Österreicher nur leisten, weil sie erst so viel geplündert haben und dann im Zweiten Weltkrieg vergleichsweise glimpflich davon kamen: Wenig Bomben,wenig Plünderungen - und obendrein, das ist in Österreich immer im Hintergrund, mit den Juden eine vertriebene und ermordete Gruppe in jenem Bereich der Vermögenden, die genau solche Gegenstände in den Wohnungen hatte.Indolent bin ich da nicht, aber generell ist es absurd zu glauben, dass irgendein Gegenstand, der älter als 200 Jahre ist, in seiner Geschichte nicht einmal unrechtmässig den Besitzer gewechselt hat.

Ich habe lange überlegt, was da zu tun ist und ich denke, man sollte sie nun auch italienisieren: Also so viel davon kaufen, dass sie nur noch wenig haben und es beim Verpacken mehr schätzen. Das ist ein langsamer und zäher Prozess, aber ich finde, andere Sammler sollten es später einmal besser haben und nicht zittern müssen, ob in den Paketen nicht die zerrissenen Trümmer ihrer Erwartungen sind.

Dafür stehe ich ein. Selbstlos, wie ich bin.

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Sonntag, 26. April 2015

Tätermentalität

Ich sitze zwar in einem hübschen Barockgebäude - aber ich sollte auf eine einsame Insel. meinte die genderpolitische Sprecherin der Grünen Jugend Berlin. Ohne Internetanschluss. Das wäre übrigens mit Büchern kein Problem.

Aber. Mal abgesehen von meinem Eindruck, dass die Grünen sich mittelfristig entweder aufspalten oder ihre Linksbizarren an die Luft setzen müssen, wenn sie beim Wahlvolk überleben und nicht den Weg der Piraten gehen wollen, weil Extremgender von heute so attraktiv wie die Kinderschmuddelsexgeschichten von damals sind: Die gleiche Frau beklagte sich heute bei Twitter über einen Übergriff in der Berliner U-Bahn.

Ich glaube der sogar, denn die Berliner U-Bahn, die ein Freund als "Mutantenschaukel" bezeichnet, ist wirklich nicht der exklusive Treffpunkt der gebildeten Schichten. Ich habe die in meiner Berliner Zeit meist gemieden, weil ich sie als schmutzig, ramponiert und zu distanzlos empfand: Voll mit Menschen, die innerhalb von Sekunden meine schlechtesten, arrogantesten Seiten ansprachen und zu voller Blüte brachten. Ich glaube nicht alle Geschichten, die zum Alltagssexismus erzählt werden, aber so etwas wie das Erzählte würde mich jetzt in Berlin überhaupt nicht überraschen. Wo Grüne Jugend Deportationswünsche veröffentlicht, wundert mich gar nichts. Ich glaube gern, dass es da Lackl gibt, die auch mal Leute anquatschen, die

wie soll ich sagen

vielleicht liegt das auch einfach daran, dass das Auswahlverhalten in den Berliner Verkehrsbetrieben halt so ist, dass man da unterschiedlos alles als Ziel zu nehmen bereit ist, wenn man sich denn dort aufhält. Ich kann nicht in die Köpfe solcher Leute schauen, aber da geht es dann wohl wirklich nicht um eine etwaige Eroberung, sondern explizit um schlechtes Benehmen.

Nur: Es ist halt auch die passende Real-Life-Ergänzung zu dem, was sonst so aus dieser Ecke ins Netz dröhnt. Das gleiche Benehmen, der Versuch, anderen im Vorbeigehen zu schaden, Distanzlosigkeit, Bildung von Rudeln: Was sie beklagt, ist genau das, was man von ihresgleichen aus dem Netz genau so kennt. Da ist es dann halt nicht gegen Frauen gerichtet, sondern gegen alte, weisse Männer oder junge, weisse Frauen, die andere Meinungen haben. Was sie haben - eine Position bei der grünen Jugend, eine Kolumne bei der taz, einen Posten bei einer Stasilette, wird halt entsprechend eingesetzt. Es geht da wirklich nicht darum, politische Standpunkte dem Wahlvolk nahe zu bringen. Es ist das Verhalten von Hools aus der U-Bahn, ins Netz übertragen feat. Peniswitze, nur halt diesmal von der anderen Seite. Ich habe wirklich Probleme, asoziale Randgruppen aus taz und anderen bildungsfernen Schichten in ihrem Auftreten auseinander zu halten. Es ist der gleiche Ton, und es ist die gleiche Lust am Bruch der sozialen Regeln in einem Land, in dem an sich jeder sein Recht auf ungestörte Beförderung und Meinungen hat.

Und es ist Berlin, während Leute wie ich allenfalls ein kleines Haberfeldteiben unter Freunden nur sagen können:

Es is wias ist. Da kommen schon die Richtigen zusammen, in dera Boazn de wo de U-Bahn is. Mein Mitleid möchte ich mir für diejenigen aufheben, die wirklich unschuldig betroffen sind, ganz egal ob angepöbelte Frauen oder true fruits. Es gibt halt in Berlin eine entgrenzte Tätermentalität, angefangen von den Nazis aus Brandenburg über die Intensivtäter in Kreuzberg bis zu denen, die Brandsätze auf Autos werfen. Das ist das Klima, und da sind dann auch all diejenigen gut dabei, die einen Internetanschluss für Politik zu nutzen meinen. Hass auf Andersdenkende jeder Art, Grenzüberschreitungen, Enthemmung. Wenn sie dann mal im echten Leben Leute mit ihren eigenen Mitteln treffen, ist das kein Unfall, sondern die logische Konsequenz des Umfelds, aus dem sie stammen, und dem sie ihr Verhalten entlehnen.

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