: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 29. April 2015

Motown

Es gibt inzwischen doch recht weite Regionen in Deutschland, in denen es den Leuten gut geht. Die Ursachen wie die Schieflage im Euroraum sind hässlich, aber am Punkt, dass es hierzulande prima läuft, kommt kaum jemand vorbei. So prima, dass auch der Megaskandal einer in die NSA-Spionage verwickelten Regierung irgendwie kein grosses Thema ist. Aber vielleicht kommt das ja doch noch.

Auf der anderen Seite gibt es Regionen, die noch hinterher hinken und nicht gerade die besten aller Möglichkeiten bieten. Städtische Räume im Norden haben eine relativ hohe Arbeitslosigkeit und ein erhebliches Armutsrisiko. Das ist nicht zwingend ein Teufelskreislauf, und wenn ich sehe, dass Münchner Methoden beim Vermieten nach Berlin kommen, wird sicher vieles andere auch noch kommen. Man macht so etwas nicht, wenn es nicht die Aussicht auf bessere Zeiten gäbe. Vieles hat eben seine zwei Seiten, und es profitieren die Miesen mit den Guten.

Es gibt ganze soziale Teilbereiche, die ebenfalls Ausnahmen sind. Prekäres Wasmitmedienleben etwa ist immer noch prekär, Kunst ist prekär, Schauspielerei ist prekär, Ichtuwasichwill ist prekär. Noch erheblich prekärer als das Dasein der schlecht, aber immerhin verlässlich Verdienenden, dafür aber irgendwie cool und rebellisch. Und solche Leute schreiben dann grosse Berichte darüber, wie Apple und Google die Autoindustrie vom Platz fegen wird. Leute, die ihr Fahrrad nicht reparieren können, reden über technische Visionen.

Neben einem gerüttelt Mass an Ahnungslosigkeit über Innovation, Produktion und Effektivität der Autobranche schwingt da meines Erachtens auch immer etwas die Hoffnung mit, die beiden Technikkonzerne könnten die zufriedenen und stabil lebenden Autoindustriearbeiter auch auf ihr mickriges Niveau herunterwirtschaften. Ich kann das irgendwie verstehen, denn die Vision, Maschinenbau zu studieren und dann was mit Stahl zu machen, war auch für mich entsetzlich. Das wollten bei uns alle und deshalb hatten wir sieben voll besetzte Leistungskurse Mathe und einen für Deutsch und Geschichte. Und selbst aus diesen Leistungskursen gingen dann viele zu den Autos. Es war und ist einfach der beste Kompromiss für ein gutes Leben in dieser Region. Man muss das nicht mögen.

Aber es sollte einem den Blick nicht auf die Realität verstellen. Ich muss da immer an den M. denken, dem es weiss Gott nicht in die Wiege gelegt war, dass er später erst eine Firma im Umweltbereich und dann, aus einer Tüftlerlösung heraus, noch eine für Spezialpumpen entwickelt. Den M. verstand man wirklich nur, wenn man von dort kam, und jedes Jahr wäre er in der Schule fast gescheitert, eben weil er nichts sprachbegabt war. Aber er hat sich eben reingehängt und durchgebissen, obwohl daheim alle meinten, es wäre nicht nötig, Landwirtschaft zu studieren. Verweichlichte Hipster können sich die Energie nicht vorstellen, mit der solche Leute manchmal tüfteln, rackern und kämpfen müssen, bis sie dann ihre Ziele erreichen: Aber dem M. gönne ich es und er hat meine Hochachtung. guter Mann, gute Firmen, gute Arbeitsverträge. Das ist eine ganz andere Welt, aber die muss genau so sein, um zu funktionieren. Das Geschlampere, das sich Apple bei Zulieferern leistet, wäre im Pumpenbereich undenkbar, denn daran hängen im Einsatz Leben.

Es ist also durchaus nachvollziehbar, wenn die Berliner Parasiten des Fortschritts auf Klapprechnern aus Sklavenproduktion Wünsche formulieren, dass die Technikmafia, die sie in ihre Lobbyinstitute einlädt, doch bitte die anderen vom Platz fegen möchte. Das passt bestens zu ihren Nehmerqualitäten und der Hoffnung auf ein BGE mit hoher Steuerlast und Umverteilung. Nur kommt das hier bei uns halt sehr schlecht an, gerade bei jenen, die selbst dann in die Firma gezwungen wurden, wenn die Eltern ihnen ein Auto hätten hinstellen können: Ich war da ja oft frin. Ich weiss, wie die arbeiten. Ich kenne den Zusammenhalt und die Bereitschaft, gemeinschaftlich etwas voran zu bringen. Da muss man keinem mit Kapitalismuskritik oder Umbau der Gesellschaft kommen. Die haben sich bei uns hochgearbeitet und wollen nicht wie Opel oder ein Berliner Dönerfresser enden.

Deshalb kann ich mit guten Gewissen schreiben, dass ich nicht glaube, Apple oder Google könnten je erfolgreiche Autobauer werden. Ein paar Interna hebe ich mir auf, aber so viel sei gesagt: Man weiss genau, was die amerikaner können, und was nicht, und dass man keine Angst vor denen haben muss.

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