: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 24. Juni 2013

Nicht füttern

So richtig lieb gewonnen habe ich München noch immer nicht, das Geldige und die generelle Maklernatur der Stadt, die auch scheinbar coole Leute dazu bringt, immer nur dem Geld nachzulaufen, macht es nicht ganz einfach. Du magst mich, gerne, was zahlst Du dafür, ist ein wenig das Motto dieser Stadt, die in jeder Hinsicht teurer als die Urlaubsregion ist, in der ich lebe.

Nichts, wäre die richtige Antwort, das ist nämlich eine Sache von Geben und Nehmen und am Ende kommt für beide Beteiligten mehr dabei heraus. Es kann nicht sein, dass der eine immer nur schiebt und der andere glaubt, das sei Naturgesetz und so werde das schon und wenn es nicht so ist, wird eben so lange geblökt, bis es so wird. So ging das früher nicht, und so geht das auch heute nicht.



Wobei das mit dem Blöken ja noch so halbwegs ignoriert werden kann: Ein - wenn ich das aus seiner Timeline so ableiten darf - arbeits- und ideenloser Möchtegernjournalist stalkt mich jetzt seit ein paar Wochen bei Twitter, und man merkt sehr deutlich, dass er gern eine Stelle hätte, um sich der Welt so toll zu präsentieren, wie er zu sein glaubt. Da findet das Blöken dann ein Ziel; normalerweise aber bleibt es irgendwo im Netz hängen, oder wird einem über Dritte zugetragen.

Ja.

Journalismus ist im Moment kein Spass, und es gibt auch gute Leute, die sich vergeblich abrackern. Aber die rackern sich eben ab und sitzen nicht nur rum und maulen, weil nicht mehr Aufträge reinkommen. Was im Übrigen tatsächlich damit zu tun haben kann, dass die Leistung nicht besonders war. Oder einfach blind darauf losgeschrieben wurde, ohne sich mit den Anforderungen auseinander zu setzen.



Mir verleidet das zunehmend die Lust an der Suche nach Möglichkeiten, etwas zu verändern. Eigentlich denke ich mir - und das bin ich nicht allein, es gibt ja auch noch andere, die Türen öffnen - dass so ein Angebot dann der Moment ist, in dem dann alles gegeben wird, um zu zeigen, was möglich ist. Zumal solche Seiteneinstiege nicht jeden Tag kommen. Und auch nicht Zehntausende von offenen Redakteuren bei den Medien arbeiten, die unbedingt Leute haben möchten, sondern nur ein paar, die eher kritisch angeschaut werden, wenn so ein Proband erst mal keinerlei Kompetenz vorweisen kann.

Die Realität sieht aber so aus, dass man Leute mehr oder weniger zum Fressnapf schleift, und dann jede Menge Zeit damit zubringt, hinter und vor ihnen aufzuräumen. Da herrscht eine "Die wollen mich da kann ich ja tun was ich will"-Mentalität, und die packe ich nicht. Schon gar nicht, wenn das Vergeigen solcher Möglichkeiten mich Kraft, Nerven und Arbeit kostet. Schliesslich kann ich - wie jeder andere - das nur machen, weil es ein Vertrauen gibt, dass es gut wird. Diese Haltung fällt dann voll auf jene zurück, die glauben, sie täten etwas Gutes.



Kurz, da werden Belastungen aufgetürm, die eine einseitige Liebe vielleicht vertragen könnte, aber nicht eine normale Bitte, sich doch mal über ein Thema Gedanken zu machen. Hätte ich nicht schon mit irren Professoren zu tun gehabt, die ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass 25000 Zeichen akaedmischer Dreckwerfereien gegen Konkurrenten nicht radikal gekürzt, sondern auf zwei Teile verteilt abgedruckt werden sollten, würde ich das vielleicht dem modernen Studium zuschreiben, und der unverbindlichen Art, wie dort Praktika abgeleistet werden. Nicht nur der Wille fehlt, es fehlt auch die Neigung, dem Leser einen Dienst zu tun. Mich macht es fassungslos, wie Leute auch noch nach dem 10. nicht laufenden Beitrag nicht kapieren, dass sie etwas ändern müssen. Bei störrischen Redaktionseseln kann man sich sagen: OK, die sind so, die wissen nicht, wie das im Netz läuft. Die können es nicht und irgendwan n wird man sie halt rauskanten.

Aber bei Leuten, die auf allen Kanälen senden, erwarte ich mir eigentlich ein klein wenig mehr. Und sei es nur die Frage, ob man vielleicht Bilder hätte, weil sie selbst gerade das Material nicht machen können, weil und überhaupt und Kamera kaputt - ich höre mir gern Ausreden an, aber wenn ich richtig merke, dass da nur die Auffassung herrscht, wie man mit möglichst wenig Arbeit an das Geld kommt, fange ich mir an, die gleiche Frage zu stellen.



Ich zahle nämlich de facto drauf. Für das Pflegen von Faulheit, Desinteresse, einer Anspruchshaltung, die ich mir nicht erlauben würde, und das Vergeigen von Möglichkeiten. Und wenn ich dann von so einer Trulla, die hier lebt und das ganze Dasein von irgendwelchen Institutionen gefördert wurde, lesen muss, dass man sie mit so einer Haltung und trotz der Kontakte zur CSU nirgendwo haben will, und sie daas voll gemein findet weil sie ja auch mal eine LV-Tasche will: Dann ist mein Mitgefühl nicht vorhanden.

Denn wenn sowas als Freie keine Chance hat, wird sie diese Haltung auch nicht als Redakteurin haben, weil sie nie so weit kommt. Und das ist super. Denn von der Sorte gibt es immer zu viele. Sie sterben nicht aus, allenfalls zusammen mit dem Journalismus. Mir ist es egal: Ich habe im Gegensatz zu ihnen Alternativen.

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Sonntag, 23. Juni 2013

Transalpin

Lange Jahre ist es so gewesen, dass sich der neu entstehende Wohlstand Italiens negativ auf die Preise für Antiquitäten in Deutschland ausgewirkt hat, wenn man kaufen wollte: Einerseits war da einfach viel Schwarzgeld, das eine neue Heimat suchte und nördlich der Alpen gefunden hat, und dann war da die Einwicklung einer vermögenden Mittelschicht in einem Land, die dergleichen jenseits der norditalienischen Städte kaum kannte. Die Italiener als Hausbesitzer gibt es in der heutigen Form noch gar nicht so arg lang, da haben Generationen dafür geschuftet, um aus erbärmlichsten Miet-, Pacht- und Ausbeutungszyklen zu entkommen. Mit den Häusern jedoch kam ein gewisser Wohlstand und die Neigung, sich die Geschichte schön zu erfinden. Einerseits entstand so südlich von Verona die grösste Stilmöbelregion der Welt, andererseits wurde Echtes gekauft. wo es viel gab und die Preise niedrig waren. Italiener mögen beispielsweise historistische Möbel, denn das steht für heldenhaftes Risorgimento. und nicht wie bei uns für peinlichen Wilhelminismus.







Nun durchläuft Italien gerade immer noch eine fundamentale Krise bei den Banken, den Staatsfinanzen, in der Politik und der Gesellschaft; das Konsumklima ist abartig schlecht, und es ist wenig überraschend, dass so viele Firmen gerade ausstellen. Deutschland bekommt dadurch Arbeitssuchende an der Spitze und Zuwächse bei der Prostitution und Schwarzarbeit, weil die Südländer mehr und mehr zu einem zweiten Balkan verkommen. Das ist auch kein Gesundungsprozess, der da läuft; die alten Fehler der Kleptokratie werden nahtlos fortgesetzt, es wird nur nicht mehr so laut darüber berichtet, weil bei uns Wahl ist und man davor nicht schon wieder mit jenen Wochenendrettungen aufwarten möchte, die gerade jetzt schlecht ankämen, da man alte Undenkbarkeiten für neue Banksterbetrügereien formschön angepasst hat. Den Menschen hilft das natürlich gar nicht.







Und nein, so leicht mit dem Arbeiten gehen ist es da nicht - noch nicht mal schwarzarbeiten, auch dafür bräuchte man Aufträge und Abnehmer, und es gibt auch dort jede Menge Komkurrenz. Putzen in Deutschland ist unter diesen Rahmenbedingungen des Schreckens für Akademikerinnen oft attraktiver, als ein Anfangsgehalt südlich der Alpen. In dieser sich auflösenden Sozialstruktur gibt es natürlich auch keine Basis für die Erfindung einer Vergangenheit mehr, und auch keinen Platz: Italien rückt zusammen. Und was nicht mehr passt, wird eben zu Geld gemacht. Die Folge ist: Der Warenstrom nach Süden versiegt. Und meine Händler fangen an, gebrauchte Räder nach Deutschland zu verschicken, weil dort die Preise sehr viel besser sind.







Und man sieht auch in Pfaffenhofen plötzlich wieder Händler aus Italien. Es ist nicht gerade die erste Qualität, die sie mitbringen, vieles ist nicht restauriert, es ist verstaubt und beschädigt, wie es nun einmal so ist, im Niedergang. Die grossen Familien müssen noch nichts anderes als manche zu auffällige Yacht verkaufen, aber weiter unten löst man, soweit möglich, den Besitz auf, und weil der Markt im Süden fehlt, kommt das jetzt zu uns: Venezianische Spiegel, Kupfergeschirr, bröckelnde Statuen. Über Ebay, teilweise mit noch sehr optimistischen Preisen, über einreisende Händler oder über deren Partner, die dann aus Italien ein paar Waschkörbe Zeug mitbringen. Alles folgt nur noch dem Geld, nichts erfüllt mehr seinen ursprünglichen Zweck. Man kann gut kaufen. Aber der Preis, den wir in Europa zahlen, ist hoch.

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Samstag, 22. Juni 2013

Patina

In der Küche hängt immer noch die Papiertüte der Buchhandlung Poetzelberger aus Meran.

Die Tüte hat länger überlebt als die Buchhandlung selbst, die von Ignoranten geschlossen und durch eine Benettonfiliale - im ersten Haus am Kirchplatz - ersetzt wurde. Früher konnte man hier einen Führer kaufen, um Meran zu erkunden, heute billiges Zeug aus Skalvenfabriken in Bangladesh. Verschwunden ist diese Geschichte, wie mein Hotel Imperial, wo heute niemand mehr zum Frühstück Nusstorte bekommt. 5 Jahre ist das her, nicht viel Zeit eigentlich, aber meine eigene Lebensgeschichte hat den fatalen Hang, sich aufzulösen in Sentimentalitäten und das Gefühl, dass mir der Boden unter den Füssen wegbricht.





Manchmal ist die Geschichte aber auch überaus freundlich zu mir und taucht mit Wohltaten auf, wie eine Fregatte vor der Insel eines einsamen Schiffbrüchigen, und ist ausgesprochen wohlwollend. Ein Ausgleich, vielleicht. Aber es ändert nichts daran, dass diese Wohnung inzwischen mit mir alt geworden ist, egal wie gut ich sie behandelt habe. Überall Patina. Schäden. Dellen. Reste von Orgien und Entsagung, und ich hoffe stets, dass ich das alles gut beseitige, bevor Besuch kommt. Ikeawohnungen sind Spiegel des Kapitalismus, meine Wohnung ist, je schlechter ich sie aufräume, ein Spiegel meiner Persönlichkeit, und kein Prism-Programm könnte das erfassen. Besucher schon. Also räume ich auf, lasse aber die Tüte hängen.





Weil dieses Jahr kein echtes Frühjahr kam, konnte ich mich mit dem Frühjahrsputz herausreden. Ausserdem war ich viel unterwegs, und wenn ich hier war, war viel anderes zu tun. So fällt es mir gar nicht auf, wie die Wohnung altert, und erst der Besucher mag die Spuren neben all den neuen Gemälden entdecken. Das Alter ist nicht abwischbar, das macht seinen Reiz für manche aus, für andere ist es eine Zumutung. Die klassische Partnerschaftsvorstellung - Frau zieht ein und schafft sich ihren Bereich - zum Beispiel gonge nur, würde ich neue Räume dazu nehmen. Die Wohnung ist so egoman wie ich. Aber ich denke, das war die letzten 170 Jahre immer so, man schmilzt in die Oberfläche des Hauses ein, hinterlässt seine Zeichen und Schrunden und das ist dann am Ende das,. was man als Tradition bezeichnet, wenn noch jemand da sein sollte, den die Geschichten interessieren - woran ich aber nicht glaube. Unsere Gewgenwart ist ein Triebwerk mit Nachbrenner, in dem die Geschichte zu Plasma verheizt wird. Die einen wissen nicht, dass es anders geht und die anderen lügen sich reaktionäre Fassaden zurecht.





Vielleicht sollte ich es ja wie alle anderen machen und austauschen, was sich nicht mehr entgültig reinigen lässt. Zumindest das Bad machen lassen, irgendwann... das ist ja kein Problem, rein von der Logistik her, ich habe oben ja noch eines. Meine Angst ist, dass das Bad dann wiederum seltsam neben all den alten, bewusst unveränderten Dinge wirkt, und das fängt schon bei der Badtür an, die hier seit dem Rokoko in Eisenbändern läuft und damals Zugang zu einer Schlafkammer war. Es gibt zum Verfall nur die Alternative des Ersatzes - und als Mensch würde ich mir das genau überlegen, denn das endet nicht bei der Badewanne, sondern geht weiter und weiter in die Verzweiflung, die manche zum Irrsinn der plastischen Chirurgie treibt, und andere zu nicht wirklich schönen Entscheidungen: Weg mit allem, das nicht mehr passt. Rente mit 75, wenn man sie denn erreicht, weil man mit 60 ausgestellt wird, und die Zeit dazwischen überleben sollte. Das ist die Zukunft, und ich lebe in der Vergangenheit.

Meistens dauert es zwei Tage, dann sind die Gäste hier auch eingeschmolzen. Offene Gasrohre mit Flecken sind erträglicher, wenn daneben ein Natura Morte seine Pracht unter dem Kronleuchter in der Küche auffunkeln lässt.

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Samstag, 22. Juni 2013

Abschied

Und wie es begonnen hat, so endet es auch. Wäre ich nicht längst rettungslos in diesen See verliebt, so wäre es um mich in den letzten Tagen geschehen gewesen, zumal die Welt da draussen ja nicht gerade ein angenehmen Umfeld ist; ich muss noch den Telefonanbieter wechseln, denn ich habe überhaupt keine Zweifel daran, dass die Telekom durch ihre US-Aktivitäten Teil der NSA-Überwachung ist. Bei M-net habe ich weniger Sorgen, und es wäre schön, wenn die bald kämen.







Aber sonst! Nur zufriedene Menschen, die Lokale sind voll, und auch, wenn ich weiss, wie schlimm es woanders ist: Ich mag das. Ich vergesse deshalb nicht, dass inzwischen Menschen aus Griechenland, Spanien und Italien den Osteuropäern in Deutschland bei Schwarzarbeit und Prostitution Konkurrenz machen, weil es daheim einfach nicht mehr auszuhalten ist, und ich finde es furchtbar, dass Europa an dieser Stelle so schief zusammenwächst. Trotzdem bin ich gern hier, und trotzdem vergesse ich gerne.







Ich möchte gern hier oben noch sitzen, wenn die USA längst das verdiente Schicksal jedes totalitären Überwachunsgstaates erlitten haben. Ich hätte gern das dicke, zufriedene und freundliche Europa mit viel Geschichte hinter und guten Aussichten vor sich, ein Europa, das kein grosses Gefängnis ist, sondern nur ein grosses Gefängnis für Bankster, Lobbyisten, gekaufte Politiker und Staatsterroristen hat. Es ist schön, hier zu sitzen und zu wissen, dass andere, wenn sie wollen, ganz anders leben dürfen, egal ob sie gleichgeschlechtlich in Berlin heiraten oder hier feiern, aber das kann man nicht gegen die anderen Verbrechen aufrechnen: Unfreiheit geht gar nicht.

Und wenn ich dann an die Leute denke, die die Piratenpartei ruiniert haben, Ponader, Schramm, Lauer, dann bin ich froh, dass die Dampfnudel schon sicher drin ist.

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Donnerstag, 20. Juni 2013

Worüber es nichts zu berichten gibt

Es gibt Dinge, die sind wunderbar.

Aber sie sind nicht verwertbar.

Zum Beispiel 40 Sekunden ohne Luft unter Wasser sein und dann wieder Luft holen können - das fühlt sich grandios an, kann aber nicht beziffert werden.

Freundschaft.

Das Gefühl, noch am Leben zu sein und etwas tun zu können. Selbstverständluchkeiten, die man erst vermisst, wenn sie nicht mehr selbstverständlich sind. Sich das bewusst zu machen, ist Lebemsstil (so zumindest meine Interpretation in der FAZ und im Kommentarblog).



Ich finde das übrigens auch nur begrenzt mitteilenswert, aber ich schreibe so etwas gern, um nicht schreiben zu müssen, was ich von Leuten halte, die Stöckelschuhkurse und "Vollgas gebende" Schiffsfonds bewerben und behaupten, das hätte Stil oder etwas mit Reichtum zu tun. Es ist eine Art Absage, um keine Reintrete schreiben zu müssen.

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Mittwoch, 19. Juni 2013

Steigende Ansprüche

Eine Bekannte hat eine Mieterin für ein Haus ihrer Eltern, die einerseits meint, sie würde zu viel jeden Monat überweisen, und gleichzeitig aber findet, dass das Haus nicht ihren Ansprüchen genügt.

Das muss man erst mal auf sich wirken lassen. Und weil die Mieterin dann noch erzählte, wo sie dieses Jahr hinfliegen wird - noch weiter, noch länger, noch exklusiver - wurden die Verhandlungen für die Gartengestaltung nicht eben von gegenseitigem Verständnis geprägt.





Man sagt ja gerne, im Laufe des Lebens würden die Ansprüche steigen, aber manchmal habe ich den Eindruck, die Ansprüche sind völlig losgelöst von dem, was Menschen wirklich wollen und brauchen. Man kann nicht mehr als 2 Quadratmeter als Mensch besetzen oder beliegen, eine Terasse ist gross genug, wenn man nie mehr als 7 Leute gleichzeitig zu Besuch hat und die alle Platz haben. Es reicht. Und gleichzeitig reicht es vorne und hinten nicht, weil, kein Pool, kein Seeblick und weitere Gründe für das Mäkeln finden sich immer. Besonders von jenen, bei denen ich mich schon frage, ob sie mit dem körperlichen Verfall nicht ihre eigenen Probleme haben. Natürlich kann man das mit zunehmend teurerer Kleidung behängen. Aber die Frische der Jugend kommt deshalb auch nicht zurück. Dafür: Mehr Ansprüche. Vor allem an andere.





Weil damit inzwischen absehbar ist, dass mir die Ansprüche davonlaufen werden - oben in Tegernsee und drüben in Bad Wiessee werden Gated Communities geplat, muss man sich mal vorstellen, die einen Reichen sperren die anderen Reichen aus - und weil mein Eigen zwangsläufig zu einer Notbleibe am Rande der Berge mutieren wird, jetzt mal relativ zu den Ansprüchen betrachtet - werde ich vielleicht doch besser davon Abstand nehmen, mich daran zu orientieren. Ich glaube, die Ansprüche haben inzwischen Produktzyklen erreicht, die denen der sonstigen Konsumwelt ähneln: Jedes Jahr muss etwas Neues her, und dann macht man sich eben so lange narrisch, bis es kommt. Man konnte hier früher ohne Sterneköche gut essen und sollte der See jetzt einen verlieren, wird das sicher eine mittlere Katastrophe für alle, auch wenn das Zeug ungeniessbar ist, und die Inneneinrichtung so auch in Berlin stehen könnte. Früher war das alles sehr viel einfacher; man muss die gut-bürgerliche Küche nicht besser machen, als sie gewesen ist, aber es ging auch nicht arrogant und abgehoben zu. Gerade die Deutschen scheinen den Zwang zur Konformität des Alten inzwischen mit dem Zwang einer Konformität des Neuen - nun, erneuert zu haben. Früher unterwarf man sich dem Fett, heute dem Wissen um den angeblich richtigen Wein. Es wird unfassbar hochwertig gekauft, wenn es nicht gerade Essen für daheim ist, und unfassbar schnell entwertet und entsorgt und ersetzt. Aber auf dem See paddeln hier trotzdem Kinder auf einem 30 Jahre alten Surfbrett und kommen damit weiter als all jene, deren neue Segelboote an den Bojen hängen, weil sie keine Zeit haben. Man muss das Geld ja irgendwie verdienen, um die Ansprüche zu befriedigen.





Gestern kam ein Gesprächsbegehren von einer Firma, die auch das Neue schätzt, das geht mir halt noch im Kopf herum. Das sind die Bereiche, in denen man Neusprech machen sollte, so in etwa: Güter, die nicht mehr neu sind, sind keine Güter mehr, sondern Schlechter.Wahrscheinlich bekommen sie jedes Jahr einen neuen Rechner, alle zwei Jahre wird die Klimaanlage im Büro ausgetauscht, und es gibt keinen Kongress zum HR-Scoring, die von der Personalverwaltung nicht besucht und als Best Practice auf die Firma übertragen wird. Und am Ende funktioniert das alles technisch wie mein Blog bei der FAZ.

Es gab einmal eine Zeit, da sass man zusammen am See, manche hatten ein Brett und alle nur ein Fahrrad, und niemand hatte den Eindruck, so etwas würde fehlen. Dahin würde ich gern zurück.

Und das Schöne ist: Ich kann auch, ab nächster Woche.

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Dienstag, 18. Juni 2013

Menschen ändern sich

Der ansonsten sehr liebe und freundliche Hund der N. hatte etwas gegen Motorradfahrer. Weil, so vermuten wir, sein Erstbesitzer Motorrad fuhr und ihn enorm schlecht behandelte. Da ist dann etwas übergesprungen, und blieb als Macke zurück. Wir Menschen können zum Glück erkennen, dass es falsch ist, solche Schlussfolgerungen zu ziehen. Aus einer schlechten Erfahrung mit einer Protestantin nach dem Abitur wäre es völlig falsch, allen anderen Charakterzüge zuzuweisen, und nicht alle Katholiken sind schmutzige Hallodris, scheinheilig und verlogen.







Aber so etwas kommt dann manchmal trotzdem, durch die Hintertür, und wirkt sich dann zusammen mit den sonstigen Umständen seltsam aus. Da kommen Faktoren zusammen, und dann ändert sich eben das Leben. Der Übergang vom Surfen zum Radfahren war beispielsweise, könnte ich behaupten, auch durch einen Urlaub am Gardasee bedingt, bei dem der Wind drei Wochen lang kein einziges Mal zum Surfen reichte. Zum Glück hatte ich das Rennrad dabei, und weil sich dann noch einige Leute dazu gesellten, die sich dann als schwer erträglich erwiesen, radelte ich halt davon. Wenn ich nicht mit der L. nach Verona fuhr, um sie aus der Krisenregion ihres frischen Exfreundes zu bringen.

Das eigentliche Desaster der Urlaubs war es jedoch zu erleben, dass all das, was ich mir in diesen Jahren zu sein gewünscht hätte, auch nicht gut ist. Ich hätte gern besser lernen können, aber ich hatte keine Kraft, mich zu überwinden. Ich wäre gern sportlicher gewesen, ich wäre gern klüger gewesen und hätte besser tanzen wollen und obendrein wäre es mir sehr recht gewesen, ich wäre nicht der Fussabstreifer für die Dorfdeppen gewesen - bei anderen ging das ja auch. Und so ein anderer war auch mit dabei. Nur war in diesem Jahr alles anders, eine Beziehung hatte ihn, dem alles, wirklich alles immer gelungen ist, aus der Bahn geworfen. Früher war ich sein Sidekick. Diesmal war es mehr als Aufpasser, dass er nichts anstellt. Ein menschlicher Tranquilizer, der darauf achten muss, dass nicht wieder alles hochkocht, und in Italien alles ein wenig besser wird.







Am Ufer des Sees liegt dieses alte Klepper; am See werden sie einfach irgendwo verstaut, und wenn dann die Flut kommt, treiben sie ab und verteilen sich an den Buchten. Das Nachfolgemodell hatte ich auch, und am Gardasee rissen die Nähte auf, dann bekam ich das nächste Brett, und es war viel zu gross, aber das alles hat nichts daran geändert, dass es Spass machte. Es war immer mein Freund mit dabei. Und weil er mein Freund war, machte ich überhaupt erst den Führerschein, denn ihn hätten seine Eltern in dem Zustand nicht an den Gardasee fahren lassen.

In vielerlei Hinsicht hat dieser Urlaub dann alles, wirklich alles geändert. Es hat sich dann mit dem Surfen nicht mehr ergeben, und es war keine Zeit mehr da, zusammen an den See zu fahren. Seitdem habe ich die Neigung, all die Hochbegabten anhand der Vorfälle in diesen drei Wochen, davor und danach, zu beurteilen. Vielleicht ist es wirklich so, dass nur ganz selten alles perfekt zusammen kommt, und die, die so unermesslich reich von der Natur beschenkt scheinen, haben in sich auch den Grundfehler, der sie in den Abgrund treibt. Mein Leben bringt es mit sich, dass ich Menschen kenne, die wirklich klug sind. Manche hat es im Zivildienst derbröselt, andere beim Barras, bei anderen hat es 30, 40 Jahre gedauert, bis sich das Unbenennbare Bahn gebrochen hat. Oft mangelt des denen an sozialer Intelligenz, oft brechen sie an der dauernden Unperfektheit des Lebens. Wie auch immer, es hat sich dann einfach nicht mehr ergeben, in München konnte man kein Brett unterbringen und daheim war das Rad näher als das Warten auf Wind und so ist das gekommen. Klingt rational gut, aber darunter ist der Bruch, der mir eigentlich nicht geschadet hat.







Ich habe gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen, und nicht mehr zu versuchen, anderen nachzueifern. Es wäre vom Schicksal aber sehr freundlich gewesen, hätte ich diese Lektion angenehmer verabreicht bekommen, nicht so hart, wie es dann gekommen ist.

Das, was man als Jugend bezeichnet, dieses hemmungslose Leben ohne Sorgen des erwachenden Bewusstseins, dauert bei mir nur drei kurze Jahre, bis eben zu diesem Urlaub. Mit 16 lernte ich, mich zu wehren, mit 19 war ich froh, so zu sein, wie ich bin. Die Peiniger verschwanden in den Kasernen und auch, wenn es nicht gut gegangen ist, so setzte bei meinem Freund in diesen Tagen eine Entwicklung zum Besseren ein. Aber damals waren es drei Wochen ganz, ganz unten, und es hatte nichts mit der Leichtigkeit zu tun, mit der wir über das Wasser flogen. Die Bilder aus diesen Tagen lügen: Die Tage waren bunt. Aber gegen das Schicksal der Superklugen kommt man nicht an. Ich bin gern ein bisserl blöd.

Die Intelligenz reicht gerade aus, mir ein paar Gedanken zu machen nach dem Motto: Das ist jetzt 3 Jahrzehnte her. Zumindest könntest Du schauen, ob Du überhaupt noch auf so einem Brett stehen kannst.

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Dienstag, 18. Juni 2013

Kühl und feucht

Es ist der heisseste Tag des Jahres, in München sind es vielleicht 38 Grad, hier am See immer noch 32 - das hält man schon aus, nur ist der See leider immer noch belastet und schockierend kalt. Für die Berge ist es dennoch zu heiss, aber vielleicht ein Tal?







Hinter Bad Wiessee führt ein Forstweg das Söllbachtal entlang, das die Flanken von Hirschberg, Ross- und Buchstein tief eingeschnitten hat. Eine pittoreske Laubsägearbeit in der deformierten Südzone des Landes, mit vielen geologischen Exponaten, und schnell fliessendem, eiskalten Bergwasser im Schatten.







Die Steigung ist ganz leicht, man kommt zügig voran, und je tiefer man in den Bergwald eindríngt, desto weiter bleibt die Hitze zurück. Das hier ist eine Klimaanlage, man kann Stunden in die klare, kühle Luft eintauchen, und erst ganz hinten, wenn es schon an die 1000 Höhenmeter herangeht, die Luft dünner wird, und auch weniger heiss, kommt auch die Sonne über die Berge.







Man ist dennoch ziemlich allein hier hinten. Zumindest unter der Woche stört einen keiner beim Bestaunen der Naturkräfte, die hier walten, vom weggefressenen Berghang, der sich über den Bach wölbt, über die zerschnittenen Felsen, bis ganz hinten zu den Steinlawinen, die ganz langsam wieder von den Pflanzen erobert werden.







Und weil sich hier am Abend die heisse Luft nicht zwischen Abgasdecke und Beton staut, kann man noch vor dem Sonnenuntergang zurück fahren; es kühlt der Fahrtwind, und am See ist man bis Rottach im Schatten der Berge an denen die Luft ihre Stickigkeit verliert. Besser kann man so einen irrsinnig heissen Nachmittag in diesem Land kaum zubringen, ausser natürlich in einem klimatisierten Büro im Keller in Frankfurt - obwohl:







Hat schon was, selbst an unerträglich heissen Tagen wie heute. Man muss nur wissen, wohin, und das passende Rad haben.

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