: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 11. Dezember 2003

Lernfähig

Es ist ja nicht so, dass etwas unsexy wird, nur weil daran viele zugrunde gegangen sind. Heroin, Zigaretten, Alkohol, New Economy. All das hat seinen cool-morbiden Reiz.

Studenten machen Powerpoint-Präsis und sind beleidigt, wenn sich das Institut keinen Beamer leisten kann. Das Executive Summary findet seinen Weg auch in mündliche Antworten. Niemand fragt nach, wenn jemand Return on Investment fallen lässt. Sie demonstrieren nicht gegen Studiengebühren, sondern dagegen, etwas zahlen zu müssen und keinen adäquaten Kundennutzen zu erhalten. Die Cost of Ownership verschlechtert sich dadurch.

Nun kann man sagen, gut, privilegierte Perlenkettchenhalterungen und Laptoplegaztenika waren schon immer so. Die 68er sind längst vorbei, die letzten aufrechten Mohikaner hängen als Punks irgendwo auf dem Bahnhof rum und machen Leute an. Stimmt. In gewisser Weise. Oder auch nicht.

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Köpfe

http://www.koepfe.de war eine prächtige Idee. Gegründet von einem Menschen, von dem man nie wusste, ob er nur genial oder schon verrückt war. Einmal hatte er Erfolg, ein zweites Mal auch.

Dann kam Köpfe. Information entscheidet. Im Kampf um die besten Köpfe auf dem deutschen Markt. Wer sich selbst dort einstellte, war flexibel und leistungsbereit. Die Mitarbeiter gingen mit gutem Beispiel vorran, trugen sich ein und begannen bald zu hoffen, dass jemand auf sie stossen würde.

Denn der Mensch dahinter verlor die Kontrolle. Kaufte den Namen einer NE-Zeitung, heuerte Leute an, und plötzlich blieben Rechnungen offen. Ganz andere, grössere hatten sich in diesem Geschäft auch schon übernommen. Es war, als hätte er es auf die Katastrophe angelegt. Selbstmord eines Nimbus. In dieser Hinsicht noch einmal erfolgreich. Nur sahen damals alle schon weg.

Köpfe ist immer noch im Netz, aber der Gesellschafter ist ein anderer. Die Köpfe sind noch da. Viele waren einfach zu faul, ihre Profile zu löschen, und zu frustriert, um sie mit den Pleiten des Downturns upzudaten. Sie sind weiterhin in voller Pracht der späten New Economy zu bestaunen. Soon 40andsomethings mit allen inzwischen verlorenen Titeln, Nobelbrillen und einsetzenden Sorgenfalten, für deren Liftung heute das Geld fehlt. Fossilien des Wirtschaftsjuras, fein konserviert und präzise detailliert.

Die grauen Asseln des Old Economy Pleistozäns, die vorher schon da waren und immer da sein werden, krabbeln achtlos an den Grabplatten vorbei zu den Pornoseiten und Focus Online.

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Montag, 8. Dezember 2003

Krähenlogic

Die Verzweiflung ist mit Händen greifbar. Seit einem Jahr macht ihr Agent rum, verspricht viel und erreicht nichts. Dabei hat sie es fast in seinem Auftrag geschrieben, weil er damals dringend junge Autorinnen brauchte. Und Geschichten über unschlüssige Frauen, die sich beim Sex als besteig- aber unfickbar erweisen.

Sie hat alle Qualifikationen: Jung, schlank, talkshowkompatibel, und nennt ein paar weniger bekannte Pop/Jungliteraten ihr Umfeld, weil sie schon mal mit ihnen im Atomic Cafe war. Um der Krise gerecht zu werden, verzichtet sie auf Starallüren und setzt manchmal mit Haarklammern einen authentischen Aspekt in ihre Personality. Sie ist bei einer Mediensache, die sich selbst gern als Kult sieht.

Nach einem Jahr der Absagen könnte sie auch damit leben, dass es als Softcover kommt. Es muss auch nicht KiWi sein. Eichborn ja eh nicht. Bei BOD ist sie noch nicht angekommen. Das ist erst der Endpunkt der Katastrophe, wenn der Agent offiziell aufgibt.

In der Zwischenzeit macht sie weiter junge Kulturberichterstattung. Gerne Randthemen, schwierige Musik, Pop, der ausgrenzt. Oder Bücher ohne Handlung. Was diesen Herbst schwer ist, weil Bücher junger Autoren selten geworden sind. Die paar Glücksraben, die es geschafft haben, erleben zweigeteilte Interviews und Gespräche.

Gestänkere, solange es um das Buch geht, denn sie weiss, dass in jeder ihrer Kurzgeschichten mehr Gehalt ist. Geschleime beim Smalltalk danach. Sie hat ja auch eines geschrieben und braucht nur noch einen Verlag, natürlich ist es schwer, aber sie weiss: Sie wird es schaffen. Sie erwartet die Bitte, doch mal reinlesen zu dürfen.

Später schickt sie eine der Geschichten, aufgeschrieben 2001. Am Abend ruft sie an und will was hören. Erinnert an Autorinnen, deren Vornamen mit A beginnen. Sie überhört den Zynismus und freut sich, mit ihren Vorbildern in einen Topf geworfen zu werden.

Immerhin. Eine Kurzgeschichte hat sie schon veröffentlicht. Autorin - Journalistin steht auf ihrer Visitenkarte.

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Freitag, 5. Dezember 2003

Unsere RAF

Niemand bringt heute Rebellen um. Kein Einsatzkommando des Bundesgrenzschutzes jagt einen signalgrünen 911er-Porsche, aus dem junge Leute mit H&K-Maschinengewehren feuern. Es gibt keine Leichen, kein Blut und keine Märtyrer.

Die Helden der Wir müssen weiterleben. Sie begeben sich freiwillig in U-Haft. Die Beschlagnahmung ihres Vermögens schmerzt sie etwas, und ihre Anwälte unterstellen dem Staat nur Raubabsichten. Aber keine Isolationsfolter oder Nazi-Methoden, was die Sache sehr unsexy macht. Und so vergessen Wir das PopBizzIdol Alexander Falk, das genau 6 Monate nach dem Haftbefehl immer noch einsitzt.

Die Köpfe der Bande leben. Aber sie sind zu abgeklärt und zu wenig von ihrer Mission (Mischn) überzeugt, als dass sie mit einer Kugel einen Mythos schaffen. Sie haben keine Mission. Es wird kein Stammheim geben.

Das ist der Fehler, der das Scheitern total macht.

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Donnerstag, 4. Dezember 2003

Wir

Wir wären gerne anders gewesen. Echt.

Die Zeit war günstig. Als Wir an den Start gingen, sich ihren Anteil an dieser Gesellschaft zu nehmen, ging es nach oben. Zumindest für den Teil der Gesellschaft, aus dem Wir stammen. Wir hatten solide Eltern, die sie aufs Gymnasium schickten, mit 18 den Führerschein machen liessen und auch sonst darauf achteten, dass sie es gut hatten. Nicht nur gut, sondern besser. Wir waren diejenigen, von denen all die alten Säcke die Welt ja nur geborgt hatten.

Sagten sie immer. Na denn. Her damit.

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