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Donnerstag, 22. Juli 2004

Zu viel Licht

Es gibt Bars, die ein bestimmtes Ambiente haben, das einen bestimmten Typ Frau anzieht. Es gibt dafür auch einen gewissen Typ Mann, den halb kreativen, halb wirtschaftlich orientierten Mittdreissiger auf beruflicher Reise.



Zwischen beiden Gruppen liegt dann meistens eine Distamz von 5 Metern, die nicht überwunden wird. Die Frauen saugen nur durch einen Strohhalm, denn mit 2 wäre es unverältnismässig, und für offensichtliches Besaufen sind sie zu sportlich. Die Männer wollen mit 500 Euro-Scheinen bezahlen und kramen dann verärgert doch noch irgendwo einen 50er aus einer Tasche der verbeulten Jacke heraus. Beim Zahlen klackt der Chronograph auf die Holztheke und durchbricht das Gefiepe der Lounge Music.

Ohne dass sie sich ansehen, fange sie dann später zeitgleich an, nochmal die Karte zu studieren. Er, weil er noch was zum festhalten braucht, sie, weil ihnen die Themen ausgegangen sind. Das sind die Momente, die nach der Überbrückung dieser 5 Meter verlangen, aber dazu ist es zu hell in dieser Sorte Lokal, man wäre wie auf dem Präsentierteller, also bestellen sie nochmal was, oder auch nicht, und gehen. Aber immerhin war es ein Lokal, wo man eben hingeht, mit der bekannten und ihrer künstlichen Einzellocke oder auf Geschäftsreise, und dessen Namen man am nächsten Tag in die Gespräche einfliessen lassen kann.

Zumal, die weissen Lederhocker, die wären auch was, wenn sie sich mal neu einrichten.

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Dienstag, 20. Juli 2004

Tafel im Nichts

Die Ankündigung, das Bild auf der Tafel, der Text - das alles wäre sehr viel überzeugender, wenn es nicht schon etwas lang auf der öden Fläche nahe der Volksbühne in Berlin a.d. Spree stehen würde.



Auf der Tafel steht konkret was von 2004. Das Unkraut ist inzwischen hüfthoch; es gedeiht prächtig in den Trümmern, die hier seit 1945 liegen. Übr den Zaun haben Anwohner ihren Müll gekippt; Plastikflaschen, Computerschrott, abgenutztes Samtmobiliar.

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Sonntag, 18. Juli 2004

Ugly in Pink

Ich bringe ihr das Luxusobjekt vorbei, und sie kommt noch mit runter. In diesem Moment fährt ein Auto aus einem Parkplatz. Sie sagt, ich soll schnell parken, dann können wir doch schnell was essen gehen. Es wäre sehr unhöflich, Nein zu sagen, also stelle ich den Wagen ab und gehe mit ihr durch das Gärtnerplatzviertel.

Sie sagt, es hat sich sehr verändert, seit sie hier 1990 eingezogen ist. In jedem zweiten Haus wäre eine Boatzn gewesen, eine dieser kleinen, schmalen Kneipen mit den üblichen Sozialfällen an der Theke und einem wenig erbaulich riechenden Besitzer, der entweder Schorsch oder Franzl heisst. In der Fraunhoferstrasse haben die nach Hundebraten riechenden chinesischen Takeaways, die mediterranen Feinkötzler und ein paar immer leere Griechen die Oberhand gewonnen.

An der Ecke zur Klenzestrasse haben sie aber auch schon wieder verloren: Hier hat, nachdem der Grieche vor ein paar Jahren aufgab, das Parkcafe sein wechselndes Unglück mit einem neuen Restaurant versucht. 2002, nachdem die New Economy in Scherben lag, stellte das Munich Network seinen Event "Venture City" für die breite Masse ein, verliess die alte Location, den Schlachthof, und versuchte hier was kleines, feines zu machen. Die Fenster wurden zugehängt, an die Tür kam ein Schild: "Geschlossene Gesellschaft!". Angesichts der miserablen Stimmung bei dieser Niedergangserscheinung hätte man auch "Erschossene Gesellschaft" schreiben können.

Inzwischen wurde es nochmal umgebaut und trägt jetzt einen Namen, der verpflichtet: Noodles. Das Noodles war Ende der famosen 80er ein Kellerrestaurant in der Maximilianstrasse, das outfitmässig ziemlich auf Mafia machte. Herr Praschl wird sich wohl noch an die Werbung erinnern, auf der ein ranker Jüngling einer drallen Blondine eine Nudel von den T*tten grapschte. Ins Noodles konnte man gehen, wenn man es auf Wolfratshausener höhere Töchter abgesehen hatte, oder auf die Tempo- und Wiener-Redakteure, die manchmal genug Geld hatten, um sich auf dem Weg ins Schumann´s noch eine solide Grundlage in den Bauch zu schaufeln.

Jetzt also ein neues Noodles. Postmodern/Poststrukturalistisch weit, hell und bei Tag beige.



Abends schalten sie die Lichter ein. Die haben sie sich bei eo von Interlübke abgeschaut. eo ist noch nicht mal New Economy, eo ist schlimmer: eo ist pre-IPO-fullservice-Webagentur, es ist Pit Kabel, es ist Argonauten, vielleicht auch Pixelpark. Das waren die Leute, die langsam überblendenden Lichter total frisch fanden. Wenn sie grade nichts zu tun hatten, spielten sie an der Fernbedienung rum und suchten cooles Blau. Es hatte was von Flash-Animationen in Möbelform.

Mein eigener Flash lässt gleich wieder nach, nachdem ich mich an dieses Retro-Ambiete der neuesten Unzeit gewöhnt habe. Die Musik ist ziemlich chillig, in etwa wie das Zeug, das 99 in den Warteräumen vor den CEO-Büros gespielt wurde, wo man als Berater gewohnheitsmässig mit einem Stundensatz von 400 Euro warten durfte, bis der Typ dahinter genug Arbeitsüberlastung simuliert hatte. Kost ja nur VC.

Auf jedem Tisch steht eine tropische Obszönität von Blume, die Stühle sind unbequem, und die Nudeln das einzige, was hier an Italien erinnert. Was nicht lang dauert, denn die Portionen sind eher klein. Noodles eben. Keine Pasta, wie damals noch im Keller an der Maxstrasse. Da gab es sogar dunkles Holz und weissrotkarrierte Tischdecken.

Rotweiss ist das einzige, was es hier nicht gibt. Es bleibt nicht Pink. Rot, Grün, Blau, Gelb, alles durcheinander und in verschiedenen Mustern. Fast sowas wie Glotze. Wenn einem nichts mehr einfällt, was man dem Gegenüber sagen soll, kann man über das Licht reden. Chillig, nicht?

Wir sitzen in diesem monströsem Alptraum der dekadenten Endphase der New Economy, ich muss um den Parmesan bitten, und während ich darauf warte und die paar Kräuterbrösel am Tellerrand affig finde, überlege ich, ob man das hier nicht unter Denkmalschutz stellen solllte und jeden, der nochmal was von Förderung der Neuen Medien erzählt, oder IPO, oder auch nur von Marktpositionierung, hier eine Woche einsperren sollte. Für Noodles al Zahnfleisch.

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Montag, 12. Juli 2004

Hat eigentlich irgendwer

die Love Parade vermisst?

gestern, 11 Uhr, Mitte. Ein Trümmergrundstück nahe der ehemaligen Mauer. Menschen drängen sich Richtung Wiese, auf der Suche nach Schnäppchen, Ablenkung, irgendwas, was man so auf den Trödelmärkten der Stadt findet. Es sind wor allem junge Menschen.

An einer Stelle knickt die Marktgasse ab; dahinter ist ein freies Areal mit einer niedrigen Hütte. Auf den Liegestühlen sind drei Raver, dazu bummert es laut. Das Ganze ist so eine Art ambulante Disco, schnell in die Brache geklatscht, vielleicht nur für diesen Sommer. Raver Area, so wie es früher war, gang ganz früher zu Beginn der 90er, als mal eben eine Fabrikhalle leergeräumt wurde, oder jemand anrief und sagte, auf einer Wiese irgendwo bei Pfaffenhofen ist was los. Ausser den drei Chillern ist das Gelände am mauerpark tot, leer, ausgestorben. Eigentlich sollte hier ein Love Week Special laufen. Eigentlich sollte hier Party sein, im hohen Gras sollte jemand auf Ex poppen, irgendswas.

Es ist nichts. Ausser drei Typen im Liegestuhl.

Es nennt sich Schönwetter. Am Nachmittag kommt der erste Regen.

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Sonntag, 11. Juli 2004

Der typische Berlin-Hasser-Eintrag

Da, wo ich herkomme, aus einer idyllischen, reichen Stadt in der Provinz, sind Blumen ein Anlass der Freude. Man kauft und schenkt sie, um das Leben, das dasein, die Liebe zu feiern.



Das hier sieht man, wenn man in den besseren, zentralen Teilen des Slums Berlin a.d. Spree, der grössten Ansammlung von zerfallenden Bauten und hoffnungslosen, artikulationsunfähigen Sozialfällen in der Bundesrepublik, eine Pflanze kaufen will. Selbst die Blumenhändler, sonst Anwälte des Lebens, geben sich leidlich Mühe, die Desaster Area lebensunfreundlich zu gestalten.

Die beste Gärtnerei in meiner Gegend befindet sich übrigens auf einem Trümmergrundstück, ein Ergebnis des letzten Krieges, der allenfalls Monate vorbei zu sein scheint. Wenn überhaupt.

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Samstag, 10. Juli 2004

Vorgaben

Alles läuft nach Plan. man hat keine Kosten und Mühen gespart, um das Ding nach Plan umzusetzen. man hat die örtlichen Politiker plattgemacht, damit keiner was dagegen hat. Und die Bizz-Schickeria stand bei der Planung des Highlight Munich Business Towers schon Schlange. Roland "Rollkommando" Berger kommt wirklich.



Andere gibt es schon nicht mehr. Überhaupt, Twin Towers sind, ganz unverschuldet, nicht eben mit dem besten Ruf gesegnet. Aber Rückbau wäre jetzt etwas verfrüht - also geht es weiter in die Höhe, die Gläser werden gerade eingesetzt.

Sie sind verspiegelt. Niemand untern wird erkennen, wie viele Büros leer stehen.

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Donnerstag, 8. Juli 2004

Flüchtig

Die FAZ will nichts dazu sagen, obwohl sie beste Kontakte zu Fischer hat. Die TAZ macht noch schnell Schleichwerbung für ihren Mitte-Autor Martin Schacht, der einen Flop hingelegt hat. Der Spiegel verzichtete darauf, es macht keinen Sinn mehr, Reinhard Mohrs Versuch einer Generation Z ist schon längst aus dem Rennen. Man muss schnell mitnehmen, was man kriegen kann, oder schweigen, weil man betroffen ist.

Argon war beliebt, weil sie immer offen waren für Autoren der üblichen Qualitätsmedien. Argon hatte eine klar definierte Zielgruppe, und mit den Rechten an Generation Golf auch ein nicht endend wollendes Geschäftsmodell. Egal, was sie brachten, es war immer irgendwie Generation.

Und Hype. Bestseller war ein Standardbegriff. Bestseller war alles, was die PR auf Lager hatte. Es genügte eine positive Besprechung von einem Zeitungskumpel der Autoren, dann schallte dieses Wort hektisch aus dem Telefon der Kulturredaktion; Argon machte schnelle Bücher, Massenartikel für die Einmalnutzung, immer trendy so wie im Januar 2000, als die Börsenkurse durch die Decke gingen und Illies der erträglichen Leichtsinnigkeit dieser seltsamen Jugend ohne Gott und Göttlichkeit ein kleines Denkmal aus Autointerieurplastik und Blattgold setzte.

Es hatte einmal geklappt. Warum sollte es nicht wieder klappen. Also her mit den jungen Leuten von RTLFAZSpiegelSternSZTAZ, am besten in Berlin wohnend und bitte nicht allzu anspruchsvoll, ok? Immer nett, immer wohlerzogen, nie extrem und gehässig. Immer lächeln. Kein - böses - Wort, bitte.



Dann letztes Jahr nochmal ein Buch in die Listen geprügelt. Und dieses Jahr der Nachfolger. Spitzentitel. 50.000 Startauflage. Inserate. Aber es zog nicht mehr. Offenbar hatte man zwar ein Jahr zuvor den neuen Star gekauft, aber nicht gemocht.

Oder vielleicht kein Geld mehr? Argon machte immer ein Programm, als wäre es Januar 2000. Als gäbe es noch all diese optimistischen leute, deren einzige Sorge der richtige Hemdkragen ist. Ende letzten Jahres kreuzte ein Agent bei mir auf, der mir tolle Sachen vomn Argon erzählte, da würde ich doch optimal reinpassen, und er kennt jemanden der ganz begeistert sei von mir.

In vier Wochen erscheint das nächste Buch. Bei S&S. Wo sonst. Und bei Argon gehen die Lichter aus, und in einer Ecke kotzt sicher gerade der Agent, der jetzt auf einem Haufen unvermittelbarer Mitteautoren sitzt. Den alten Katalog werde ich mir behalten. Zur Mahnung.

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Mittwoch, 7. Juli 2004

Endzeit.

Sichere Jobs, sagten sie. Keine Frage, der Standort bleibt. Man steht zur Corporate Citizenship. Bis München doch noch etwas Förderung locker machte, gerade so viel, dass Berlin nicht mithalten kann. Da drüben werden ein paar Leute bald New Economy Feelings bekommen, Abteilung Endzeit. Über den Stadtring davor preschen schlecht gepflegte Wägen vorbei, wie verstaubte Kampfmaschinen auf einem Flugzeugträger. Die Luft ist schon wieder kalt.



So ist das nun mal in der Klassengesellschaft; in der Vorstadt gibt es auf der Terasse eine Heizung. Ich habe dort heute mit einem Mann gesprochen, der an einem Tag so viel verdient hat, wie ein Arbeiter da drüben in einem Jahr. Der meinte, dass man erhebliche menschliche Qualitäten mitbringen müsse, wenn man mit Schulden ein Vermögen erwirtschaften will. Was er übrigens seines Erachtens nicht hat.

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Montag, 5. Juli 2004

911 Targa

Die Zeiten, in denen hier noch Startups gegründet wurden, sind lang vorbei. Inzwischen haben sich hier Computerschrauber, Werkstätten, Casting-Agenturen und zwielichtige TV-Zulieferer breit gemacht. Beim grossen Verrecken in der Munich Area muss der tuxedoblaue 911 Targa hier irgendwie vergessen worden sein. Vielleicht wollte ein Jungmanager das Teil restaurieren, um dann später mal die Leopold runterzuheizen.

Vielleicht hatte er irgendwann keine Zeit mehr dafür, weil es in den Abgrund ging. Solche Typen schaffen dann locker 18 Stunden panische Unproduktivität am Tag, da sollte sich so ein AStA-Vorstand auf der schiefen Ebene" mal ein Beispiel dran nehmen. Der Targa blieb jedenfalls über ein Jahr liegen, angespachtelt, neu gerostet, aber ohne Scheinwerfer und Nummernschild.

Jetzt hat das Facility Management einen orangen Aufkleber drauf gemacht: Entweder das Ding kommt weg, oder in den Schrott. Der Besitzer wird es nicht mehr wahrnehmen.



Aber so ganz tot ist der Wunsch nach Aufmerksamkeit, der Traum vom ´75 Porsche Targa heading south through the alps down to Italia noch nicht. Das Ding ist ein Wrack, da stecken hunderte von Stunden Arbeit drin, aber jemand von den überlebenden Multimedia-Klitschen hat einen Zettel reingemacht, dass er ihn sofort nimmt, man soll ihn einfach anrufen.

Vielleicht hat er noch die nötige Zeit. Vielleicht will er einfach nur auf den zerschlissenen Ledersitzen Cola trinken und von der Zukunft träumen, und mit den Fingern über die Haifischkiemen an der B-Säule streicheln. Vielleicht ist es der Beginn einer wunderbaren Beziehung, der Motor wird wieder donnern, und die Zukunft ist unendlich gross, und all die toten Startups werden aus ihren Gräbern auferstehen. Denn ein Wunder ist diese Area, und wer sie nicht kennt, soll kommen und hier gründen, wo die Porsches zum Mitnehmen einfach so am Strassenrand stehen.

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Donnerstag, 24. Juni 2004

Munich Area Competence

Ich liebe Pressemitteilungen. Besonders, wenn sie von Medieneinrichtungen kommen, die mir von Medienkompetenz für junge Leute berichten. Verfasser sind in der Regel Leute, deren E-Mail-Programme von den Praktikanten bedient werden muss, weil der Chef nicht zu alt für Alfa, aber auch nicht mehr jung genug für nochmal was lernen ist.

Heute war so ein Prachtexemplar in der Mailbox, über 1000 Besucher einer Schnuppermesse, von denen, die sie ausbilden wollen. Kam per E-Mail. Als RTF-Attachment. Leider war der Text der Meldung 4 Zeilen zu lang für den Rahmen, so dass man das grosskotzige Staement des Veranstalters nicht lesen konnte. Und die angegebene Domain ist noch nicht fertig. Seit Wochen.

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