: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 18. April 2015

Nichts ist umsonst im Leben.

Scheitern gehört ja irgendwie dazu, und die Fehleinschätzung auch. Es hat mal jemand, wie ich damals fand, durchaus couragiert über die Rollenbilder eines grossen Bekleidungsgeschäfts geschrieben. Daraus - und aus dem Erfolg - hätte man lernen können, dass sich die Beschäftigung mit Problemen lohnt. Offensichtlich hat sie aber nur gelernt, dass öffentlich anpöbeln Aufmerksamkeit erzeugt und das mit anderen auf den ersten Blick leichten Opfern immer weiter gemacht. Und je mehr schiefer sie sich eingezogen hat, desto lauter und schräger wurde es. Jetzt schreibt sie selbst, dass es für "Feministinnen" schwierig sei, eine Arbeit zu finden und ich frage mich eh, was jemand mit ihrer angeblichen Qualifikation bei einem Schnellkaffeeimbiss hinter der Theke verloren hatte: Ich kenne auch andere mit so einem Titel, die während ihrer Dissertation genug mit richtigen Aufträgen zu tun hatten, und dabei gut verdienten.

Und inzwischen mault sie die damala angegrunzte Bekleidungskette auch wieder an, wenn sie mit ihren Einkäufen dort nicht zufrieden ist. Irgendjemand muss das Zeug halt kaufen, und die Kette gewinnt am Ende wohl sehr oft. Allein schon wegen der Preise.

Das ist wohl auch so eine Erziehungsfrage: Bei uns gab es das nicht, allein schon, weil wir nur in einem Laden einkauften, der der Nachbarin gehörte und mit deren Mutter man in der schlechten Zeit auch schon gehandelt hatte. Etwas anderes als Markenkleidung - so hiess das damals - gab es nicht. Wenn ich kam, wurde das vorher über die niedrige Hecke besprochen, und dann kümmerte sich die Chefin persönlich. Ich bekam, was ich wollte und die Bezahlung geschah direkt. Man kannte sich halt, man haute sich nicht über das Ohr und jeder hatte, soweit man das damals sah, sein Auskommen. Das war auch noch vor dem Zusammenbruch des Ostblocks, und die Schneidereien waren bei Markenkleidung noch nicht in Billiglohnländern. Die Auswahl war nicht so gross, trotzdem ist keiner gestorben, und niemand fühlte sich deshalb hässlich.

Heute ist das auch für mich recht schwierig geworden. Wir hatten vor Ort ein früher bekanntes Modeunternehmen, das vor sechs Jahren pleite ging - damals habe ich noch gekauft, was zu bekommen war, und dank der sich wenig ändernden Männermode bin ich gut damit durchgekommen. Ich habe eine Hemdenschneiderei in Mantua und einen Schuster in Verona, und inzwischen kenne ich auch wieder Firmen, die nur hierzulande produzieren. Kleiner Nachteil: Alle, wirklich alle kommen aus dem Bereich der Tracht. Nicht Trachtenmode, sondern wirklich Tracht. Also robuste Sachen, aus schweren Stoffen mit massiver Verarbeitung. Wenn die schreiben: Hirschhornknöpfe - dann sind die Knöpfe aus den Hörnern der Hirsche aus der Region. Fertig. Wenn die schreiben: Schurwolle - dann ist die von hier. Vorne ist der Laden und dahinter ist die Näherei. Die Sache ich halt nur: Die passen sich nicht den Kundenwünschen an. Die machen das, was sie schon immer machen, man kann es nehmen, man kann es sich anpassen lassen, man kann die Farben in gewissen Grenzen bestimmen, aber am Ende ist es immer noch das, was sie seit jeher machen.



Passt dann auch wirklich perfekt. Aber es ist Tracht.

In meiner ganz wilden Zeit habe ich einmal einen Bolero von Gaultier nicht gekauft. Der war selbst mir viel zu wild bestickt, und dass der Hintern darunter rausschaut, war ein Zeichen, das zu senden im Parkcafe für heterosexuelle Männer vielleicht nicht immer ganz verwechslungsfrei war. Jetzt bin ich ein viertel Jahrhundert älter und sage mir, dass es halt etwas anderes ist, schon recht knackig ausschaut und trainiert genug für so etwas bin ich ja auch bald wieder. Es ist von hier und das ist eben der Preis, den man für Ideale zahlt. Andere Firmen anpöbeln bringt wenig, wenn fast alle anderen genau das wollen, was Primark und Co. liefern.

Und nach ein paar Tagen fühlt sich so etwas auch gar nicht mehr so fremd an.

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