Die beste Anekdote über ihn ohne ihn.

Da war ich also auf diesem Erlanger Podium zum Journalismus, eingeladen als Rebell unter lauter Feuilletonsbetriebsleuten, unter anderem von öffentlichen Bedürfnisanstalten und auch Jens Jessen von der Zeit war da. Es hatte geregnet und ich bin durch das Unwetter mit gut 180 Sachen hochgefahren, war also in einer Bombenstimmung und als das verhärmte Klappergestell vom Faselfunk meinte, dass früher der Gardasee zwar das Höchste gewesen sei, aber heute Radfahren in der Heide respektiert und der Gardasee eher prollig sei, da habe ich einmal über das Heideschaf hinweggeschoren. Von Jessen wusste ich nur, dass er mal bei der FAZ war und nicht gerade in guter Stimmung seinen Abschied genommen hatte, als ich dann mal erzählte, was ich da alles so mache und ohne jede Rücksicht auf nicht existierende Linien tun kann und dass das - es war vor den Zeiten von Wolfgang Blau - im Gegensatz zu anderen gleichgeschalteten Kriecherblogs von Medien auch läuft.

Ja, giftete Jessen, ganz aus seiner nüchternen Rolle fallend, hasserfüllt dazwischen, einen wie Sie holt auch nur der Schirrmacher!

Läuft ja auch prima, tigerpanzerwalzte ich drüber weg und verstand den Einwurf erst Wochen später, als mir die ganze Geschichte von Jessen, und wie er ging, erzählt wurde.

Es ist wie nach dem Tod von Don Giovanni. Was bleibt, hat seinen Sinn und Zusammenhalt verloren, die einen gehen heim zu essen, die anderen ins Kloster oder zum keinesfalls Sex haben, und Leporello ahnt, dass er nie wieder so einen lustigen, aufregenden Herrn haben wird. Keine Ruh bei Tag und Nacht hatte man, und ich füchte, ganz viele werden sich jetzt zurücklehnen und nicht unglücklich sein, dass sie wieder über das Radfahren in der Heide schreiben können, und sich nicht mehr in Themen einarbeiten müssen, die ihnen von jenem Schreibtisch der Macht in Frankfurt aus diktiert wurden, von diesem netten Despoten, in dessen Gesicht und auf die Sohlen seiner oben breiten, aber unten fein genagelten, auf dem Despotenschreibtisch ruhenden Schuhe man schaute, so wie er oft in seinem Sessel lag, wenn er blendender Laune war - etwa, wenn man ihm vom Wutanfall von Jessen erzählte. Was für ein Mann. Brenn damit nieder, was da morsch ist, und wenn's dein eig'ner Bruder Schorsch ist.

54 Jahre. Das ist so bitter, aber wenn ich jetzt dieses aufgeblasene Interview bei diesem Gebüldetenfunk mit Jessen lese, dann denke ich mir: Aber was für 54 Jahre und Du ve

(Bitte, Herr Meyer, denken Sie doch an die Kollegen, das bringt mich in grösste Verlegenheit, das können Sie so nicht... können Sie es nicht feuilletonistischer sagen?)

Ach je.

Dienstag, 17. Juni 2014, 21:48, von donalphons | |comment

 
Ich glaube, so langsam verstehe ich Ihr weitermachen-oder-nicht-weitermachen-Problem... Das wird es natürlich nie wieder geben.

Allerdings haben Sie sich inzwischen ein eigenes standing erarbeitet und vermutlich eine etwas bessere Verhandlungsposition als ein Neuling. Angewiesen sind Sie auch nicht darauf. Da könnte man ja mal pokern.

Ich möchte es einmal so sagen, auch wenn es pietätlos klingen mag: Ich habe Ihre Texte in der FAZ letztlich gelesen, weil Schirrmacher da war und es Ihnen ermöglicht hat, dort so zu schreiben. Aber ich habe sie nicht wegen Schirrmacher gelesen, sondern weil sie mir gefallen haben. Die Frage ist eigentlich, wie wichtig Ihnen die SdG und DeM als Ihre Plattformen sind. Der FAZ schulden Sie nichts mehr, sich selbst vielleicht schon.

Die Sache sähe natürlich anders aus, wenn Sie sich unter der Ägide eines Nachfolgers verbiegen müssten. Das wäre wirklich ein Grund, den Bettel hinzuschmeissen.

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So war das nicht gemeint, es liegt auch nicht an der FAZ, es ist wirklich nur mein inneres Problem. und man kann zwar mich von der FAZ getrennt sehen, aber nicht Schirrmacher. Aber natürlich war es Schirrmacher, der diese starke Bindung verursacht hat, aus vielen Gründen, und nicht nur bei mir. Es sind dort wirklich tolle Leute, aber dieses Gefühl, dass jetzt das fehlt, was die Sache im Innersten zusammengehalten hat, haben wohl ziemlich viele. Ich habe durchaus den Wunsch, nach Überwinden meiner Schreibblockade weiter zu machen, und ich habe auch den Eindruck dass man versuchen wird, das System zu erhalten.

Aber Schirrmacher war ein begnadeter Menschensucher und Anbordhalter. Für so jemanden ist man eher bereit, durch die Hölle zu gehen, als für eine abstrakte Konstruktion "FAZ".

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@Don
als Leser der FAZ seit 1984 (Bund und TUM hatten die FAZ immer) möchte ich die abstrakte Konstruktion FAZ als besonders liberal loben. Wo in Deutschland darf ein Neskovic schreiben? Wo ein R.M.? Wo konnten Sie die Originaltexte der Reden eines Boris Jelzin und eines Woityla oder Ratzinger lesen? Überall sonst bekamen wir nur journalistisch-parteiisch gewählte Auszüge.
Die FAZ ist zur Zeit das einzige Blatt, das jeder Interessierte mit Genuß lesen kann. Das einzige Blatt, dessen Ultima Ratio eben Ratio heißt. Kohler, Nonnenmacher... haben da ebenfalls ihre Verdienste.

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Sehe das ähnlich wie melursus. Keine deutsche Zeitung hat eine grössere Bandbreite. Und so oft ich mich über die faz geärgert habe (in den späten achtzigern z.B. über die Kampagne "Ceterum censeo Geissler esse delendam"), es gibt keine wirklichen Alternativen. Die ach so liberale ZEIT ist viel enger, engstirniger und kleinkarierter.

Wenn Schirrmacher dazu einen wesentlichen Beitrag geliefert hat (ich stecke nicht in Medieninterna), dann verstehe ich die offensichtlich echte Trauer einiger seiner Nachrufe besser.

Gruss,
Thorsten Haupts

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gerade in printjournalistischen Endspiel-Zeiten werden da viele Ressortchefs auch nicht mutiger werden und sich entsprechend kleinlaute Bestätigungsmitarbeiter halten.
Die volumenmäßig bedeutendste Postille sind schließlich unsere ländlichen, vierfarbigen Anzeigenblätter.

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Jessen
... hat sich soeben bei 3sat Kulturzeit bis auf die Knochen blamiert. Was für ein gelacktes Ar

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