Lastesel

Vor ein paar Wochen bin ich gefragt worden, ob ich ein paar Räder im Sommer verleihen kann. Nachdem es sich um Rennräder handelt: Kann ich. Problemlos. Für eine Reise. Auch das geht, wenn man kein Gepäck mitnehmen muss. Oder eine Randonneuse aus der frühen Nachkriegszeit nimmt. Mit denen geht so etwas, wenn man mit Selbstmörderumwerfern umgehen kann. Es muss auch Gepäck mit, wurde mir gesagt, und seitdem habe ich überlegt, wie ich das Fiasko abwenden kann. Ich mein, sogar ich komme bei aller Übung mit alten Kisten ins Schleudern, wenn ich beladene Räder mit Griff an die Kurbel schalte. Bringe ich jemanden vielleicht mit dem Leihrad um?

Zum Glück bin ich Kunde bei der Caritas-Werkstatt, und dort stehen manchmal Räder, die andere Leute wegwerfen. Und als ich das hier zum ersten Mal sah, bin ich achtlos daran vorbei gelaufen, so grässlich verbastelt war es.



Als es auf den Markt kam, hatte ich meine Heimatstadt gerade verlassen, und konnte mir die Nase nicht mehr am Schaufenster des Radgeschäfts plattdrücken, das Koga Miyata Räder führte. Das hier war das Spitzenmodell der Reiseräder, RandonneurExtra, ein Rad für Weltumrundungen und Sahara, Tropen und Himalaya. Nicht leicht, aber sehr robust, aus den damals besten Materialien und 3.799 DM teuer. Und weil ih damals selten daheim war, und daheim dann auch etwas anderes zu tun hatte, sah ich es nicht. obwohl es laut Aufkleber genau aus dem Laden kommt. Wer damals so viel Geld ausgab, war schon etwas älter und ist jetzt so alt, dass der früher verbaute Rentnerlenker auch nicht mehr hilft. Der kauft jetzt ein Pedelec und gibt das alte, rentnerverbastelte Rad ab,.



Es ist natürlich nicht ganz gerecht, dass so ein Rad dann nicht, wie man as vielleicht erwarten würde, von finanziell Schlechtergestellten auf dem Weg zum Bahnhof weiter ramponiert wird, sondern ausgerechnet von mir zu neuem Glanz gebracht wird. Das ist klar eine ungerechte Laune des Schicksals, das ansonsten alles Hohe stürzen sehen will. Aber: Ich verleihe es ja, denn das wird der Packesel. Ausserdem gibt es genug schlechte Räder, die man anderweitig besser zu Schanden fahren kann. Ich schätze es wenigstens. Ich investiere einige Stunden Arbeit, damit wieder alles schön und gut wird. Ich baue vier Kilo Schmodder weg und 70 Gramm leichtes Lenkerband hin, wo früher Gummiwürste waren. Ich finde sogar in meinen Kisten Lenker und Vorbau, die laut Katalog an dieses Rad gehören. Ich habe kein allzu schlechtes Gewissen dabei. Es läuft wieder. Es wurde vor einem Schicksal gerettet, das vermutlich schlimmer gewesen wäre,



Es sieht schneller aus, als es ist. Ich habe Räder, die wiegen nur halb so viel. Für enge Serpentinen bei hoher Geschwindigkeit ist es nicht gemacht. Es ist kein Renpferd, sondern ein Packesel, wenn vier Frauen voranflitzen und man ihre 40 Kilo Gepäck nachliefert. Plus Zelt, Campingkocher und Schlafsäcke.

Ich bin insgesamt dreimal mit nur langsam steigendem Interesse daran vorbei gelaufen und habe danach noch einen halben Tag überlegt, ob ich es nehmen soll. So doof bin ich. Aber jetzt ist alles gut.

Mittwoch, 3. Februar 2016, 10:15, von donalphons | |comment

 
Schön, ein Koga. Sieht nach einem Direktimport aus den NL aus. Die Exportversionen hatten keine weiß angemalten Schutzbleche.
Nur werden Sie auf den Gaul kaum 40kg Gepäck draufbekommen. Das Trägerchen vorne dient zur Abstützung einer durchhängenden Lenkertasche. Der Träger hinten will nicht mehr als 20kg.
Sollten Sie doch mal Kampinggepäck transportieren wollen wäre ein sogenannter Lowriderträger sinnvoll. Der versaut auch nicht so das Lenkverhalten wie eine überbepackte Lenkertasche.
Nette Taschen macht Gilles Berthoud, sollte da noch Bedarf bestehen.
Schöne Fahrt mit dem Rad.

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Den vorderen habe ich hingebaut, weil der originale Lowrider für vorn fehlte. Er wird aber bei Gelegenheit ersetzt. Den hinteren haben wir mit einem 70-Kilo-Lehrling getestet, das war auch kein Problem. Berthodtaschen habe ich derer vier aber das Blau passt nicht wirklich gut.

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Haben Sie die Beleuchtung zwecks Gewichtsersparnis auch entfernt? Irgendwie hab ich die Koga-Panzer mit Komplettausrüstung in Erinnerung. Ein passender Lowrider wäre was von Blackburn, die Taiwankopien taugen vorne allesamt nichts. Tubus ist deutlich zu neu für das Rad.

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Die Originale waren von ESGE.

Das Licht wurde schon vom Vorbesitzer durch eine neue Halogenanlage mit Klemmdynamo ersetzt, mitsamt Kabelverlegung über Kabelbinder. Mein Sanyo-Rollendynaomo passte nicht. Dafür wäre auch ein Sockel am Sitzrohrund das wird schwierig, weil kabelbedienbare Dynamos selten sind. Dazu kommt noch, dass der originale Lowrider eine Spezialkonstruktion mit Scheinwerferhalter war. Das bleischwere Schloss war scheusslich, und unter dem Ständet ist das schützende Plastik gebrochen, also habe ich ihn demontiert. Jetzt ist es halt sehr "clean" und das, was man braucht, wenn man mit Rennrädern halbwegs mithalten will.

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Sehr schönes (und vor allem: praktisches) Rad! Allerdings könnte man die Ergonomie nach meinem Dafürhalten noch deutlich steigern mit einem Paar Schremshebel. Die RSX schalten 3x7 (isses doch, oder?) ziemlich idiotensicher.

Selbst ich, der ich bis 2010 ausschließlich mit Rahmenschalthebeln gefahren bin, würde bei einem vollbepackten Rad ungern am Unterrohr rumwürgen müssen beim Schalten.

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Man könnte auch achtfach und einfach einen anderen Zahnkranz nehmen. Aber ich wollte so nah wie möglich am Originalzustand bleiben, und komme gut mit den Unterrohrhebeln klar. Ich wurde damit halt gross und mag auch das weniger Schalten.

Ausserdem macht es mir Freude, wenn ich so etwas ohne einen Cent Zusatzkosten wieder hinbekomme. So hat es genau hundert Euro gekostet.

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Ach so, ich dachte, Du würdest es verleihen. Dass Du damit fahren und schalten kannst, davon gehe ich mal aus.

Ansonsten erfordert 8fach ja doch schon einen breiteren Freilauf, und eventuell muss man dann auch nachzentrieren, um die Kettenlinie zu halten. Ich habe hier hauptsächlich 7- oder 8fach im Einsatz und weiß, dass der Wechsel nicht ganz so einfach ist wie zwischen 6 und 7fach.

Aber 100 Euro ist natürlich unschlagbar günstig, so gesehen alles richtig gemacht. Für die RSX-STIs kann man schon 60-80 Euro hinblättern mittlerweile.

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Wenn Sie noch 10-fach Ergopower mit der Zehnfachrastscheibe links haben, die schalten die aktuell verbaute Shimano-Kombi besser wie die Rahmenhebel. Ich hab mir so ein MTB aus den späten 80-ern mit einem Rennbügel zum Allzweckrad umgebaut.
Achja, Esge hätt ich auch abmontiert. Schlimmes Zeug.

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Die Radtour ist im nordischen Flachland fern der befahrenen Strassem. Da reicht auch ein Gang. Und ich wiederum schalte wirklich im Schlaf, auch ohne Rasterung.

Die hintere Achse hat schon die richtige Breite, das wäre kein Drams.

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Wie Du weißt, hat mich das nötige Feingefühl beim Schalten eines Dreifachanstriebs vom Unterrohr aus paarmal im Stich gelassen (auch bei dem grünen Krautscheid von Crispinus). Aber wenns eh so flach geht, dass das kleinste Blatt nicht dringend benötigt wird, ist das Rad gut so wie es ist.

Davon abgesehen bin ich von dem RSX-3x7-Kram wirklich recht angetan, auch wenn die Leute in den einschlägigen Foren gern die Nase drüber rümpfen. Die Ultegra 3x10 ist viel heikler, was die Einstellung angeht.

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harumpphh
Bitte ein ursprünglich für 2x6 gelötetetes Krautscheid aus Cloumbus SL nicht mit dem vorgestellten Rad verwechseln. Ein 3fach Umwerfer an leicht verzogenem Anlötsockel kann tatsächlich einmal versagen, diese Konstruktion ist einer Schellenfixierung (wie hier) völlig unterlegen.
Ich finde das Koga kaum zu verbessern. Koga nahm damals immer stärker den Tourenrad-Markt in Angriff: zu Recht und mit Erfolg.
Soviel Radlatein mußte jetzt sein.

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Haha,
ich spekulierte darauf, Dich aus der Reserve zu locken. ;-)

Der Koga-Tourer ist toll, keine Frage (zumal für den Preis), aber wenn ich dreifach wirklich schalten muss, tue ich das lieber auf die ergnonomischere Weise, ohne die Hand runter zu nehmen. Aber da hat ja jeder so seine Schrulle, mir zum Beispiel macht es nichts aus, auch außerhalb von Klassikerveranstaltungen Pedale mit Haken und Riemen zu fahren.

Ich habe in Bizyklistik ja nur das kleine Latinum und sehe auch nicht so recht, wo die fraglichen Rahmen für zwei- oder dreifach speziell gelötet wären. Ich dachte immer, die Innenlager-Welle macht den hauptsächlichen Unterschied.

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Rosenmontagsverblasener!
Entweder wird der Umwerfer als Anlöt oder als Schelle montiert. Bei der Schelle ist es etwas leichter, den diffizilen Winkel und die genaue Montage-Höhe für 3 Kettenblätter zu treffen. Vor allem, wenn der Anlotsockel von einem Kettenabgang nicht mehr ganz rechtwinklig steht . . .
soweit zu diesem Problem.

Außerdem sind Schalthebel schöner

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Schelle oder Anlötteil - mit meinen zwei linken Händen ist eins so fummelig einzustellen wie das andere. Wobei am Rad meiner Frau die Biopace-Kettenblätter ein Übriges taten, um die Sache zu verkomplizieren.

Ansonsten liegt Schönheit im Auge des Betrachters (ich finde z.B. polierte Hakenpedale schöner als die meisten gängigen Klickpedale). Die RSX-Brifter und die ersten 105er sind tatsächlich mehr praktisch als schön, aber die 600er (und die ersten Dura Ace-STIs) finde ich nach wie vor recht geil. Ich habe keine Nanosekunde lang bereut, dass ich Sir Walter und später dann Monsieur Mercier damit umgerüstet habe. Und dem Chesini werde ich sie auch spendieren.

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oh ein sehr schöner fund. kürzlich kaufte sowas jemand im bekanntenkreis für noch gute 800europäer direkt bei den niederländern. etwas neuer zwar, aber sowas ist ne recht werthaltige kiste.

werde mir jetzt wohl so ein neumodisches cross check zulegen (surly). nicht ganz so träge nicht ganz so taschentauglich, aber genau richtig für die lange schnelle tour mir titanbesteck und tarp ;)

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