Mittwoch, 1. März 2006
Real Life 22.02.06 - Kö
Sie ist auch ohne die hohen, mittelbraunen Schuhe ein paar Zentimeter grösser als du. Alles an ihr ist lang, gerade, geradezu beängstigend dünn. Selbst der kurze, üppige Pelzmantel kann nicht verhüllen, dass sie vermutlich nur Sonnenblumenkerne und Salatblätter isst, ohne Essig, Öl und Salz. Noch nicht magersüchtig, vielleicht, aber knapp davor. Und immer noch genug Kraft im Körper, um die Schuhe auf dem Marmor knallen zu lassen. Einen Moment kommt dir die böse Assoziation von den SS-Wärterinnen in B-Movies, dann klappert sie um eine Ecke des messinggoldglänzenden Einkaufspalastes, in eine Richtung, wo auf dem Samt der Schaufenster viel zu dicke Goldarmreifen protzige Steine umklammert halten, kalt und gierig, und darum buhlen, am faltigen Handgelenk einer Düsseldorfer Metzgersgattin oder dem sehnenverknoteten Arm einer ansonsten gut erhaltenen, scheckheftgepflegten, immer noch vorzeigbaren Endvierzigerin vom Reichtum des Mannes zu künden, der den viel zu hohen Preis für diese Geschmacklosigkeit zu zahlen bereit ist.
Während die Schritte in den Gängen verhallen, überkommt dich der Wunsch, bei all denen anzurufen, die sich für zu klein und zu dick halten und ihnen zu sagen, dass es genau so richtig ist, dass diese Hungerkünstlerinnen in der Horizontalen die Pest und in der Vertikalen unzufriedene, im Kern lustfeindliche Spassbremsen sind, dass Essen gut ist und Ausgezehr schon immer was für die Dummen war. Aber während du an dem Schaufenster der Confisserie einen Gedanken daran verschwendest, wie es wohl wäre, wenn du der Elitesse eine geschmacklos grosse Tüte von der zartbraunen Verführung mitbringen würdest, erscheint schon die nächste Harpye, die schon seit Monaten keinen Seefahrer mehr abbekommen hat. Im perfekten Landhausstil, mit hellbraunem Mantel und aufrecht wie eine Standarte in einem Riefenstahl-Film rauscht sie an dir vorbei, den Geruch eines säuerlich-kühlen Parfums hinterlassend.
In München in der Theatinerstrasse gibt es ähnliche Erscheinungen zwischen Theresa und den fünf Höfen, aber nicht so gross, so extrem dünn, so knallig, ein wenig menschlicher vielleicht, weil etwas breiter und fülliger als der heroin chick erlaubt. Das liegt in den Genen, aber auch in der Art; auch wenn sie alle der gleichen Klasse angehören, die gleichen marktradikalen Idiotien äussern, die sie nicht verstehen, und mit allem zufrieden sind, solange nur ihre 10% 90% von Allem besitzen, und sie die Einkäufe in solchen Goldbunkern machen können, während draussen der Mann wartet. Es ist überall das gleiche, kennst du eine Passage, kennst du alle, du hast zu viel Zeit deines Daseins an solchen Orten verbracht, und so gehst du den gleichen Weg, den auch schon die Standarte langmarschiert ist, links, zwo drei vier fünf, und bist in Gedanken ganz beim warmen Fleisch einer Frau, die ganz anders ist und nach Wärme duftet.

Draussen, vor der Passage steht ein Rolls Royce Cabrio von der Baureihe, wie ihn auch der Bauunternehmer eine Querstrasse weiter in der Provinz hat, neben seiner Ferrarisammlung. Der Mann am Steuer macht keinerlei Anstalten, aufzustehen und der Standarte den Wagen zu öffnen; statt dessen reisst sie selbst die Tür auf und lässt sich, ungelenk wie viele dieser dürren Menschen sind, auf den Sitz fallen. Er redet, aber nicht mit ihr, sondern in sein Handy, auch noch später, als du schon ein paar Häuser weiter bist und er immer noch dort steht, ein dummer schwarzer Rolls mit einem Handynierer am Steuer und einer klapperdürren, hellbraunen Standartenfrau neben sich, die vielleicht gar nicht begreift, dass Geld nicht zwingend Manieren ersetzt, als sich nichts verändert und die Zeit festgefroren auf dem Asphalt hinter der Kö ist, greifst du zur Kamera und drückst ab.
Du musst lächeln, und bist in diesem Moment sehr verliebt.
Während die Schritte in den Gängen verhallen, überkommt dich der Wunsch, bei all denen anzurufen, die sich für zu klein und zu dick halten und ihnen zu sagen, dass es genau so richtig ist, dass diese Hungerkünstlerinnen in der Horizontalen die Pest und in der Vertikalen unzufriedene, im Kern lustfeindliche Spassbremsen sind, dass Essen gut ist und Ausgezehr schon immer was für die Dummen war. Aber während du an dem Schaufenster der Confisserie einen Gedanken daran verschwendest, wie es wohl wäre, wenn du der Elitesse eine geschmacklos grosse Tüte von der zartbraunen Verführung mitbringen würdest, erscheint schon die nächste Harpye, die schon seit Monaten keinen Seefahrer mehr abbekommen hat. Im perfekten Landhausstil, mit hellbraunem Mantel und aufrecht wie eine Standarte in einem Riefenstahl-Film rauscht sie an dir vorbei, den Geruch eines säuerlich-kühlen Parfums hinterlassend.
In München in der Theatinerstrasse gibt es ähnliche Erscheinungen zwischen Theresa und den fünf Höfen, aber nicht so gross, so extrem dünn, so knallig, ein wenig menschlicher vielleicht, weil etwas breiter und fülliger als der heroin chick erlaubt. Das liegt in den Genen, aber auch in der Art; auch wenn sie alle der gleichen Klasse angehören, die gleichen marktradikalen Idiotien äussern, die sie nicht verstehen, und mit allem zufrieden sind, solange nur ihre 10% 90% von Allem besitzen, und sie die Einkäufe in solchen Goldbunkern machen können, während draussen der Mann wartet. Es ist überall das gleiche, kennst du eine Passage, kennst du alle, du hast zu viel Zeit deines Daseins an solchen Orten verbracht, und so gehst du den gleichen Weg, den auch schon die Standarte langmarschiert ist, links, zwo drei vier fünf, und bist in Gedanken ganz beim warmen Fleisch einer Frau, die ganz anders ist und nach Wärme duftet.

Draussen, vor der Passage steht ein Rolls Royce Cabrio von der Baureihe, wie ihn auch der Bauunternehmer eine Querstrasse weiter in der Provinz hat, neben seiner Ferrarisammlung. Der Mann am Steuer macht keinerlei Anstalten, aufzustehen und der Standarte den Wagen zu öffnen; statt dessen reisst sie selbst die Tür auf und lässt sich, ungelenk wie viele dieser dürren Menschen sind, auf den Sitz fallen. Er redet, aber nicht mit ihr, sondern in sein Handy, auch noch später, als du schon ein paar Häuser weiter bist und er immer noch dort steht, ein dummer schwarzer Rolls mit einem Handynierer am Steuer und einer klapperdürren, hellbraunen Standartenfrau neben sich, die vielleicht gar nicht begreift, dass Geld nicht zwingend Manieren ersetzt, als sich nichts verändert und die Zeit festgefroren auf dem Asphalt hinter der Kö ist, greifst du zur Kamera und drückst ab.
Du musst lächeln, und bist in diesem Moment sehr verliebt.
donalphons, 12:41h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 15. Februar 2006
Real Life 14.02.06 - Be my Vampyrelentine
Ich habe übrigens, sagt Iris und spielt mit der abartig grossen Pralinenschachtel herum, die du beim ältesten Pralinenhersteller der Stadt gekauft hast, gerade die P. gesehen. Mit ihrer Mama.
Da fällt dir erst mal nichts mehr ein. Die P. heisst eigentlich A., und es ist mindestens zehn Jahre her, dass sie jemand in deiner Gegenwart als P. bezeichnet hat. P. ist ein Schimpfwort aus einer längst in den Aktendeckeln einer arroganten Bildungs- und Qualveranstaltung versunkenen Zeit. Die A. hast du auf dem Weg zum Cafe auch gesehen und kurz gegrüsst. Es ist nicht fair, sie heute noch als P. zu bezeichnen. Sie hat sich ziemlich gewandelt, seit damals.
Weisst du, lächelst du Iris an, es ist so... ich war damals 19 und hatte gerade das Abitur gemacht. Und den Führerschein, und ich war aus den USA zurück. Weil ich ja keinen Wehrdienst machen musste - untauglich - bin ich mit V. und vielen anderen in diesem Sommer nach Malcesine gefahren, mit meinem Bus und 6 Brettern oben drauf und dem Rennrad hinten drin - was halt Untaugliche im Sommer so machen.
A. war auch dabei. Mit ihren Freund. Im gleichen Hotel wie wir. Und wenn A. dann so auf den Steinen am Strand sass, in einem rosafarbenen Badeanzug, dann hatte sie so etwas von der Eleganz einer sich aalenden Robbe. So ziemlich jeder hat in diesem Sommer begriffen, dass A. keine P. war, sondern eine ziemlich attraktive Frau. Manchmal sieht man das jahrelang nicht, man ist blind, und dann, entsteigt sie den Fluten, nass und die Lippen leicht geöffnet, dr Badeanzug klebt an der Haut, und ZACK, alle wissen und verstehen. So war A. Nicht so derb wie die A. K., sondern so, wie solche Töchter besserer Häuser eben manchmal sind. Und alle Freunde, die damals dabei waren, begriffen, dass ihr Freund den besseren Riecher gehabt hat, als unsereins.
Mein bester Freund und ich hatten das Zimmer nach vorne raus, A. und ihr Freund waren eines dahinter. Und wie in Italien üblich, waren die Wände sehr dünn. Die ersten vier Tage lagen wir ganz still im Bett, schlaflos, ohne Freundin, und lauschten an der Wand. Es kam nichts. Kein Laut, kein Ton. Wir sind dann jeden Morgen um 7 Uhr raus in den Vento, total übermüdet vom nächtlichen Warten auf die Geräusche, die doch nie kamen.
Am fünften Tag, am Nachmittag, als wir endlich mal, vom Lauschen und Surfen erschöpft, ausschlafen konnten, hörten wir dann doch was. Erst Geschrei, dann ein Weinen. Es war nicht A., denn A. kam in unser Zimmer gerauscht, knallte sich in den 50er-jahre-Sessel, und klärte uns auf, dass sie Schluss gemacht hat, ihr Ex jetzt - unüberhörbar - drüben heult, und sie jetzt Hunger hat, und nach Verona will.
Und so sassen wir dann in meinem Bus, A. neben mir und V. hinten, und fuhren durch die warme, würzig duftende Luft die Gardesana Occidentale runter, vorbei an Palmen, Bergen und am silbrig glänzenden Wasser, bis sich das Tal weitet und der Lago eine seichte Wanne wird. A. summte vor sich hin, und klärte uns ab und zu über das miserable Wesen ihres Ex auf. Wir hörten zu und dachten uns, dass es sicher nicht übel ist, diese energische, vor Verachtung und Wut, von dem erlösenden Knall heiss glühende Frau im Bett zu haben, aber die Vorstellung, später ebenso Gesprächsthema zu sein, hielt die Stimmung den Rest des Tages in einer höchst eigenartigen Schwebe.
So war das damals, mit A. Eine P. ist sie nicht.
Ohhh, sagt Iris ironisch, pardon, ich wusste ja nicht, was da war. Lang vorbei, sagst du, und ignorierst den Stich, den du erhalten hast, diese eine Wunde, von der niemand etwas wissen kann.

Dann redet ihr über etwas anderes, und später geht ihr die Strasse mit den teuren Geschäften hinunter. In den Schaufenstern gibt es Sonderangebote für die, die ihren Frauen noch eine geschmacklose Freude machen wollen, Strassschmuck in einer kleinen Samtdose, auf der ein grauenvoller französischer Name des Geschäfts prangt, obwohl die Besitzerin der Ladens so dieser Welt verhaftet ist, dass man sie schon fast als "urig" bezeichnen könnte. Was für eine absurde Welt, diese kleine Stadt mit ihren nie endenden Geschichten, nicht auszuhalten, aber manche, die nie gelernt haben zu fliegen, sind und bleiben auf immer hier, vergessen alle Möglichkeiten, die es früher gab; ihre Grandezza, ihre Kraft, ihren Hass, und all das Grosse, das Schreckliche und das Böse schläft irgendwo verborgen und träumt sich zurück in die Zeit, als das Aussaugen des Anderen, das Wegwerfen der ausgeliebten Hüllen noch ein Dasein vorzeichnete, das nie kommen sollte.
Da fällt dir erst mal nichts mehr ein. Die P. heisst eigentlich A., und es ist mindestens zehn Jahre her, dass sie jemand in deiner Gegenwart als P. bezeichnet hat. P. ist ein Schimpfwort aus einer längst in den Aktendeckeln einer arroganten Bildungs- und Qualveranstaltung versunkenen Zeit. Die A. hast du auf dem Weg zum Cafe auch gesehen und kurz gegrüsst. Es ist nicht fair, sie heute noch als P. zu bezeichnen. Sie hat sich ziemlich gewandelt, seit damals.
Weisst du, lächelst du Iris an, es ist so... ich war damals 19 und hatte gerade das Abitur gemacht. Und den Führerschein, und ich war aus den USA zurück. Weil ich ja keinen Wehrdienst machen musste - untauglich - bin ich mit V. und vielen anderen in diesem Sommer nach Malcesine gefahren, mit meinem Bus und 6 Brettern oben drauf und dem Rennrad hinten drin - was halt Untaugliche im Sommer so machen.
A. war auch dabei. Mit ihren Freund. Im gleichen Hotel wie wir. Und wenn A. dann so auf den Steinen am Strand sass, in einem rosafarbenen Badeanzug, dann hatte sie so etwas von der Eleganz einer sich aalenden Robbe. So ziemlich jeder hat in diesem Sommer begriffen, dass A. keine P. war, sondern eine ziemlich attraktive Frau. Manchmal sieht man das jahrelang nicht, man ist blind, und dann, entsteigt sie den Fluten, nass und die Lippen leicht geöffnet, dr Badeanzug klebt an der Haut, und ZACK, alle wissen und verstehen. So war A. Nicht so derb wie die A. K., sondern so, wie solche Töchter besserer Häuser eben manchmal sind. Und alle Freunde, die damals dabei waren, begriffen, dass ihr Freund den besseren Riecher gehabt hat, als unsereins.
Mein bester Freund und ich hatten das Zimmer nach vorne raus, A. und ihr Freund waren eines dahinter. Und wie in Italien üblich, waren die Wände sehr dünn. Die ersten vier Tage lagen wir ganz still im Bett, schlaflos, ohne Freundin, und lauschten an der Wand. Es kam nichts. Kein Laut, kein Ton. Wir sind dann jeden Morgen um 7 Uhr raus in den Vento, total übermüdet vom nächtlichen Warten auf die Geräusche, die doch nie kamen.
Am fünften Tag, am Nachmittag, als wir endlich mal, vom Lauschen und Surfen erschöpft, ausschlafen konnten, hörten wir dann doch was. Erst Geschrei, dann ein Weinen. Es war nicht A., denn A. kam in unser Zimmer gerauscht, knallte sich in den 50er-jahre-Sessel, und klärte uns auf, dass sie Schluss gemacht hat, ihr Ex jetzt - unüberhörbar - drüben heult, und sie jetzt Hunger hat, und nach Verona will.
Und so sassen wir dann in meinem Bus, A. neben mir und V. hinten, und fuhren durch die warme, würzig duftende Luft die Gardesana Occidentale runter, vorbei an Palmen, Bergen und am silbrig glänzenden Wasser, bis sich das Tal weitet und der Lago eine seichte Wanne wird. A. summte vor sich hin, und klärte uns ab und zu über das miserable Wesen ihres Ex auf. Wir hörten zu und dachten uns, dass es sicher nicht übel ist, diese energische, vor Verachtung und Wut, von dem erlösenden Knall heiss glühende Frau im Bett zu haben, aber die Vorstellung, später ebenso Gesprächsthema zu sein, hielt die Stimmung den Rest des Tages in einer höchst eigenartigen Schwebe.
So war das damals, mit A. Eine P. ist sie nicht.
Ohhh, sagt Iris ironisch, pardon, ich wusste ja nicht, was da war. Lang vorbei, sagst du, und ignorierst den Stich, den du erhalten hast, diese eine Wunde, von der niemand etwas wissen kann.

Dann redet ihr über etwas anderes, und später geht ihr die Strasse mit den teuren Geschäften hinunter. In den Schaufenstern gibt es Sonderangebote für die, die ihren Frauen noch eine geschmacklose Freude machen wollen, Strassschmuck in einer kleinen Samtdose, auf der ein grauenvoller französischer Name des Geschäfts prangt, obwohl die Besitzerin der Ladens so dieser Welt verhaftet ist, dass man sie schon fast als "urig" bezeichnen könnte. Was für eine absurde Welt, diese kleine Stadt mit ihren nie endenden Geschichten, nicht auszuhalten, aber manche, die nie gelernt haben zu fliegen, sind und bleiben auf immer hier, vergessen alle Möglichkeiten, die es früher gab; ihre Grandezza, ihre Kraft, ihren Hass, und all das Grosse, das Schreckliche und das Böse schläft irgendwo verborgen und träumt sich zurück in die Zeit, als das Aussaugen des Anderen, das Wegwerfen der ausgeliebten Hüllen noch ein Dasein vorzeichnete, das nie kommen sollte.
donalphons, 12:29h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Samstag, 11. Februar 2006
Real Life 07.02.06 - Eine Viertel Million.
250.000. Das war früher eine halbe Million Mark. Und was bekommt man dafür? 95 nackte Quadratmeter ohne Balkon. Noch nicht mal ordentlich restauriert. Ohne alles, keine Möbel, keine Küche. Und dann noch dieser Irrsinn hier. Ich fasse es nicht, ich fasse es einfach nicht. 1.500 Euro für eine Lampe.
Du lässt Iris weiter vor sich hin ärgern, denn in solchen Situationen kannst du nur das Falsche sagen. Dabei hatte alles so gut angefangen. Vor einem Monat beschloss ihr Clan, es sei jetzt wieder an der Zeit, dass Iris eine eigene Bleibe bekommt. Nach dem zermürbenden Scheidungskrieg waren 170.000 von der alten Wohnung eingegangen, und Papa legte generös nochmal 80.000 drauf. Doch die allgemeine Teuerung in der Boomtown hat aber die Preise explodieren lassen, und wer ein Haus in der Bestlage hat, verkauft nicht. Die Zeiten, wo Leute wie Iris Eltern den Stammsitz in der Stadt für den Verkehrswert verkauften und dachten, sie hätten damit die Stadt ausgenommen wie eine Weihnachtsgans, sind lange vorbei. Es gibt ein paar Wohnungen zu kaufen. Aber die kosten. Nicht zu knapp.
Und dann ist da noch die Sache mit der Einrichtung. Vorhanden ist erst mal nichts. Die kluge Frau sorgt vor und kauft jetzt schon mal ein paar Leuchter. Dachte sich Iris, und deshalb stapfst du mit ihr durch das bitterkalte, verschneite Schwabing, hinauf Richtung Hohenzollernstrasse. Hier gibt es ein gutes Dutzend Antiquitätenläden der mittleren Kategorie, was das halt so in München bedeutet: Preise, die auch verwöhnte Kundschaft schlucken lassen.

Da sind zum Beispiel die Vertreter englischer Waren. Der erste, gleich ums Eck, hat eine Art Zauberhöhle, von deren Decken die funkelnden Glaszapfen in dichtem Schauer verharren. Mit dem Inhalt könnte man ein mittleres Schloss ausstatten - wenn man ein mittleres Schloss zu Geld machen würde. Selbst die kleinste Stehlampe von dem Typus, die in Berlin 40 Euro kostete und jetzt deine Küche erhellt, kostet hier das 20-fache. Ohne das Tischchen, auf der sie steht. Das kostet nochmal, egal, es gibt ja noch weitere Läden. Weniger exklusiv eingerichtet, aber hey, das sieht man den Dingen nachher nicht an. Das heisst, wenn man das Preisschild dran lässt, dann schon - und auch die weniger hübschen Läden sehen keinen Grund, die Lüster billiger abzugeben.
So steht ihr vor dem Schaufenster, und Iris ärgert sich. Gegenüber bei der Basis Buchhandlung wühlen dick angezogene Studenten in Buchkisten und ahnen nichts vom Elend derer, die sie als Klassenfeinde wahrnehmen. Luxusproblem würden sie das vielleicht nennen. Eine Existenzfrage ist es in einer Kleinstadt, die den gesellschaftlichen Erfolg mitunter in 1,5 Meter hohen Porzellan-Tigern aus Nymphenburg, postiert neben der Glastür zur Halle zum Ausdruck bringt. Roaaarrr. Da muss man mindestens einen Kronleuchter auf dem Klo entgegensetzen, sonst wird es eng mit der Reputation. Aber das ist schwierig bei diesen Preisen.
20.000, mehr kann ich für die Einrichtung nicht ausgeben, sagt Iris. Bei den Preisen bekomme ich dafür nur die Lampen, und die Küche. Ich werde vom Boden essen müssen. Oder bei Ikea einkaufen.
Lass uns nach Berlin fahren, schlägst du vor. Eine Woche, und dann haben wir alles, die Miris, die Haidars, die Fares, der Mettré, die können dir helfen. Für einen Bruchteil dessen, was es hier kostet. Ausserdem, so einer wie da rechts ist noch in der Garage, und den Korbleuchter, den hast du auch, da lässt sich schon was machen für den Anfang. Leihweise. Im Laufe der Zeit kommen schon die Gelegenheiten, die Trouvaillen. Zum Beispiel den da links hinten, den hast du praktisch genau so beim letzten Mal in Berlin gesehen. Für 160 Euro.
Und?
Nichts und. Ich habe keinen Platz dafür. Ich habe ihn natürlich nicht genommen.
Man bräuchte, sagt Iris und zieht dich weiter in Richtung Café Alt-Schwabing, irgendso einen Ort im Internet, wo das alles drinsteht, wo die guten Sachen sind. Wo man hinschreiben kann, ich brauche 5 Kronleuchter, die und die Grösse, 3 Kommoden, 2 Schränke, eine Sitzgarnitur im englischen Stil, ein paar Barocksessel, zwei Kisten Rosenthal, einen Coffre a Courrier, sowas. Und irgendwelche Leute schauen dann, ob sie sowas finden, ob sie Orte kennen, wo es sowas gibt.
Das gibt es schon.
Ach?
Ja, www.sothebys.com.
So ein Coffre a Courrier, allerdings als Stillmöbel, steht und Berlin in der Flughafenstrasse, fällt dir ein. Du sagts es auch, um den Groll, den Iris hegt wie deine Liebste ihren verfetteten Köter, zu besänftigen. Und auch auf die anderen Sachen wüsstest du Antworten. Du siehst so viel auf deinen Streifzügen, du kannst aber kaum mehr was brauchen, weil du schon mehr Teekannen als Teesorten hast und die Hälfte des Berliner Hausstandes immer noch unausgepackt im Keller steht. Vielleicht solltest du mal drüber schreiben, wo es was gibt, und vielleicht gibt es auch noch andere, die etwas wissen und ihre Funde präsentieren wollen, die die richtigen Läden kennen und die guten Gelegenheiten, wo man zusammenraffen kann, was man so braucht, wenn es zwar schnell gehen muss mit der Beschaffung, aber das Leben in Ikea keine Option ist.

Und als sich Iris über die Kuchentheke beugt und die Schwarzwälder Kirsch begutachtet, hat dich die Überlegung zu einem Blog über Flohmärkte, Günstiges bei Ebay und Sperrmüllraubzüge so im Griff, dass du dieses eine Mal wirklich nur zufällig und geistig völlig abwesend in eine Richtung starrst, in die zu blicken ausgesprochen unschicklich ist.
Du lässt Iris weiter vor sich hin ärgern, denn in solchen Situationen kannst du nur das Falsche sagen. Dabei hatte alles so gut angefangen. Vor einem Monat beschloss ihr Clan, es sei jetzt wieder an der Zeit, dass Iris eine eigene Bleibe bekommt. Nach dem zermürbenden Scheidungskrieg waren 170.000 von der alten Wohnung eingegangen, und Papa legte generös nochmal 80.000 drauf. Doch die allgemeine Teuerung in der Boomtown hat aber die Preise explodieren lassen, und wer ein Haus in der Bestlage hat, verkauft nicht. Die Zeiten, wo Leute wie Iris Eltern den Stammsitz in der Stadt für den Verkehrswert verkauften und dachten, sie hätten damit die Stadt ausgenommen wie eine Weihnachtsgans, sind lange vorbei. Es gibt ein paar Wohnungen zu kaufen. Aber die kosten. Nicht zu knapp.
Und dann ist da noch die Sache mit der Einrichtung. Vorhanden ist erst mal nichts. Die kluge Frau sorgt vor und kauft jetzt schon mal ein paar Leuchter. Dachte sich Iris, und deshalb stapfst du mit ihr durch das bitterkalte, verschneite Schwabing, hinauf Richtung Hohenzollernstrasse. Hier gibt es ein gutes Dutzend Antiquitätenläden der mittleren Kategorie, was das halt so in München bedeutet: Preise, die auch verwöhnte Kundschaft schlucken lassen.

Da sind zum Beispiel die Vertreter englischer Waren. Der erste, gleich ums Eck, hat eine Art Zauberhöhle, von deren Decken die funkelnden Glaszapfen in dichtem Schauer verharren. Mit dem Inhalt könnte man ein mittleres Schloss ausstatten - wenn man ein mittleres Schloss zu Geld machen würde. Selbst die kleinste Stehlampe von dem Typus, die in Berlin 40 Euro kostete und jetzt deine Küche erhellt, kostet hier das 20-fache. Ohne das Tischchen, auf der sie steht. Das kostet nochmal, egal, es gibt ja noch weitere Läden. Weniger exklusiv eingerichtet, aber hey, das sieht man den Dingen nachher nicht an. Das heisst, wenn man das Preisschild dran lässt, dann schon - und auch die weniger hübschen Läden sehen keinen Grund, die Lüster billiger abzugeben.
So steht ihr vor dem Schaufenster, und Iris ärgert sich. Gegenüber bei der Basis Buchhandlung wühlen dick angezogene Studenten in Buchkisten und ahnen nichts vom Elend derer, die sie als Klassenfeinde wahrnehmen. Luxusproblem würden sie das vielleicht nennen. Eine Existenzfrage ist es in einer Kleinstadt, die den gesellschaftlichen Erfolg mitunter in 1,5 Meter hohen Porzellan-Tigern aus Nymphenburg, postiert neben der Glastür zur Halle zum Ausdruck bringt. Roaaarrr. Da muss man mindestens einen Kronleuchter auf dem Klo entgegensetzen, sonst wird es eng mit der Reputation. Aber das ist schwierig bei diesen Preisen.
20.000, mehr kann ich für die Einrichtung nicht ausgeben, sagt Iris. Bei den Preisen bekomme ich dafür nur die Lampen, und die Küche. Ich werde vom Boden essen müssen. Oder bei Ikea einkaufen.
Lass uns nach Berlin fahren, schlägst du vor. Eine Woche, und dann haben wir alles, die Miris, die Haidars, die Fares, der Mettré, die können dir helfen. Für einen Bruchteil dessen, was es hier kostet. Ausserdem, so einer wie da rechts ist noch in der Garage, und den Korbleuchter, den hast du auch, da lässt sich schon was machen für den Anfang. Leihweise. Im Laufe der Zeit kommen schon die Gelegenheiten, die Trouvaillen. Zum Beispiel den da links hinten, den hast du praktisch genau so beim letzten Mal in Berlin gesehen. Für 160 Euro.
Und?
Nichts und. Ich habe keinen Platz dafür. Ich habe ihn natürlich nicht genommen.
Man bräuchte, sagt Iris und zieht dich weiter in Richtung Café Alt-Schwabing, irgendso einen Ort im Internet, wo das alles drinsteht, wo die guten Sachen sind. Wo man hinschreiben kann, ich brauche 5 Kronleuchter, die und die Grösse, 3 Kommoden, 2 Schränke, eine Sitzgarnitur im englischen Stil, ein paar Barocksessel, zwei Kisten Rosenthal, einen Coffre a Courrier, sowas. Und irgendwelche Leute schauen dann, ob sie sowas finden, ob sie Orte kennen, wo es sowas gibt.
Das gibt es schon.
Ach?
Ja, www.sothebys.com.
So ein Coffre a Courrier, allerdings als Stillmöbel, steht und Berlin in der Flughafenstrasse, fällt dir ein. Du sagts es auch, um den Groll, den Iris hegt wie deine Liebste ihren verfetteten Köter, zu besänftigen. Und auch auf die anderen Sachen wüsstest du Antworten. Du siehst so viel auf deinen Streifzügen, du kannst aber kaum mehr was brauchen, weil du schon mehr Teekannen als Teesorten hast und die Hälfte des Berliner Hausstandes immer noch unausgepackt im Keller steht. Vielleicht solltest du mal drüber schreiben, wo es was gibt, und vielleicht gibt es auch noch andere, die etwas wissen und ihre Funde präsentieren wollen, die die richtigen Läden kennen und die guten Gelegenheiten, wo man zusammenraffen kann, was man so braucht, wenn es zwar schnell gehen muss mit der Beschaffung, aber das Leben in Ikea keine Option ist.

Und als sich Iris über die Kuchentheke beugt und die Schwarzwälder Kirsch begutachtet, hat dich die Überlegung zu einem Blog über Flohmärkte, Günstiges bei Ebay und Sperrmüllraubzüge so im Griff, dass du dieses eine Mal wirklich nur zufällig und geistig völlig abwesend in eine Richtung starrst, in die zu blicken ausgesprochen unschicklich ist.
donalphons, 22:56h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 15. Januar 2006
Real Life 15.01.06 - Sieben um Eins
Es muss an den Jahresgratifikationen liegen, die 05 wieder reichlicher geflossen sind. Parkplätze in der Nähe sind jedenfalls nicht mehr zu bekommen. Das Pacha hat sich radikal verkleinert, an das Kosmetikstartup gegenüber - Vitago, für die, die ein Leben vor Web2.0 hatten - erinnert nichts mehr, die Agentur die Strasse runter, wo einst 40 Leute auf 140 Quadratmetern arbeiteten, hat längst wieder einer Kunsthandlung Platz gemacht. Aber unverändert mit fast schon schützenswertem Prunk der späten 90er steht das Lenbach, das Sieben, oder, um den Anglizismus zu verwenden, das Seven Sins immer noch, unverändert, und hinter den beschlagenen, graugrünen Fensterscheiben biegen sich Shilouetten wie in einer Flashwerbung von 2001.

Wir hätten, sagt sie und fummelt am Verschluss ihrer Handtasche herum, oberhalb der Stelle, wo D und G baumeln wie abgeschnittene Gringohoden am Bastrock des Amazonasbewohners, doch ein Taxi nehmen sollen. Ausserdem schneit es. Tatsächlich wirbeln winzige Flocken wie überdimensionierter Puderzucker durch das Licht der Scheinwerfer, und auf dem Trottoir klammert sich ein dürres Ding rutschend an ihrem Begleiter fest, dessen unvorteilhafter, längsovaler Gesichtsschnitt durch aufrecht stehende Blondstoppel auf dem Schädel stark betont wird.
Wir hätten, erwiderst du, im Puck bleiben sollen. Die schlechten Erinnerungen sind überall die gleichen, aber es macht einen grossen Unterschied, ob einem die schwarzen Gedanken bei einer guten Tasse Tee hochkommen, oder im Stau vor einem Laden, dessen kaltschnäutzige Ausstrahlung so gar nicht zu den drin angeblich abgefeierten sieben heissen Todsünden passen will. Bei der Gelegenheit fällt dir auch gleich noch die Invention der hiesigen Cuisine ein, drei Gänge zusammengepfercht in der Bentobox am Stehtisch, kalorien- und geschmacksbefreit für die dynamische Magenverstimmung von heute, eine Esshölle, ohne dafür Sünden genossen zu haben, und du beginnst zu ahnen, dass da drin etwas überlebt hat, was du vielleicht kennst aus alten Tagen, irgendjemand, dem du erklären musst, was du heute tust und der nicht begreift, wieso du eigentlich nicht mehr dabei bist, und warum du auch gar nicht da drin sein willst.
Der Taxistau löst sich auf, du zockelst los und drehst die nächste Runde um den Block, aber es ist sinnlos um diese Zeit, nur am Landgericht wären sicher noch Plätze frei, aber das ist ihr defnitiv zu weit, mit diesen Schuhen auf diesem Strassenbelag. Du bietest ihr nochmal an, sie vor der Tür im Strom der Taxis abzusetzen, und diesmal willigt sie ein, alles ist besser, als sich weiter im Auto zu langweilen. Mit erstaunlicher Eleganz entwindet sie sich des Sitzes, gleitet hinaus in die kalte Luft und tänzelt, so schnell es der enge Mantel erlaubt, zum fackelgesäumten Eingang, ohne sich umzusehen. Du hast noch nicht überlegt, wie es wohl wäre, wenn du jetzt einfach heimfahren, sie hinter dir lassen würdest, ohne Begründung und Entschuldigung, um am nächsten Tag am Telefon ihren Hass spüren, verbittert und glühend, wie du ihr zuhören würdest, wenn sie dich anschreit und du weisst, dass etwas vorbei ist, ohne dass es je geschehen wäre, alle eigentlich unwichtigen und verzichtbaren Optionen und Möglichkeiten, dass es die letzten Worte sind, bevor sich die durch eine Laune des gelangweilten Schicksals überschneidenden Lebenslinien auf immer voneinander entfernen, das alles ahnst du mehr, denn dass du es planst, aber der Wunsch wühlt schon in den tieferen Eingeweiden, da fährt ein Porschloch weg, und automatisch stellst du den Wagen ab und folgst dem kalten Geruch halb erfrorener Businessfrauendarstellerinnen hinein in einen Laden, der so viele aufregende Sünden enthält wie die Beichte einer 98jährigen, die seit drei Jahren mit Gicht im Bett ihres katholischen Altersheimes vor sich hin fault.

Wir hätten, sagt sie und fummelt am Verschluss ihrer Handtasche herum, oberhalb der Stelle, wo D und G baumeln wie abgeschnittene Gringohoden am Bastrock des Amazonasbewohners, doch ein Taxi nehmen sollen. Ausserdem schneit es. Tatsächlich wirbeln winzige Flocken wie überdimensionierter Puderzucker durch das Licht der Scheinwerfer, und auf dem Trottoir klammert sich ein dürres Ding rutschend an ihrem Begleiter fest, dessen unvorteilhafter, längsovaler Gesichtsschnitt durch aufrecht stehende Blondstoppel auf dem Schädel stark betont wird.
Wir hätten, erwiderst du, im Puck bleiben sollen. Die schlechten Erinnerungen sind überall die gleichen, aber es macht einen grossen Unterschied, ob einem die schwarzen Gedanken bei einer guten Tasse Tee hochkommen, oder im Stau vor einem Laden, dessen kaltschnäutzige Ausstrahlung so gar nicht zu den drin angeblich abgefeierten sieben heissen Todsünden passen will. Bei der Gelegenheit fällt dir auch gleich noch die Invention der hiesigen Cuisine ein, drei Gänge zusammengepfercht in der Bentobox am Stehtisch, kalorien- und geschmacksbefreit für die dynamische Magenverstimmung von heute, eine Esshölle, ohne dafür Sünden genossen zu haben, und du beginnst zu ahnen, dass da drin etwas überlebt hat, was du vielleicht kennst aus alten Tagen, irgendjemand, dem du erklären musst, was du heute tust und der nicht begreift, wieso du eigentlich nicht mehr dabei bist, und warum du auch gar nicht da drin sein willst.
Der Taxistau löst sich auf, du zockelst los und drehst die nächste Runde um den Block, aber es ist sinnlos um diese Zeit, nur am Landgericht wären sicher noch Plätze frei, aber das ist ihr defnitiv zu weit, mit diesen Schuhen auf diesem Strassenbelag. Du bietest ihr nochmal an, sie vor der Tür im Strom der Taxis abzusetzen, und diesmal willigt sie ein, alles ist besser, als sich weiter im Auto zu langweilen. Mit erstaunlicher Eleganz entwindet sie sich des Sitzes, gleitet hinaus in die kalte Luft und tänzelt, so schnell es der enge Mantel erlaubt, zum fackelgesäumten Eingang, ohne sich umzusehen. Du hast noch nicht überlegt, wie es wohl wäre, wenn du jetzt einfach heimfahren, sie hinter dir lassen würdest, ohne Begründung und Entschuldigung, um am nächsten Tag am Telefon ihren Hass spüren, verbittert und glühend, wie du ihr zuhören würdest, wenn sie dich anschreit und du weisst, dass etwas vorbei ist, ohne dass es je geschehen wäre, alle eigentlich unwichtigen und verzichtbaren Optionen und Möglichkeiten, dass es die letzten Worte sind, bevor sich die durch eine Laune des gelangweilten Schicksals überschneidenden Lebenslinien auf immer voneinander entfernen, das alles ahnst du mehr, denn dass du es planst, aber der Wunsch wühlt schon in den tieferen Eingeweiden, da fährt ein Porschloch weg, und automatisch stellst du den Wagen ab und folgst dem kalten Geruch halb erfrorener Businessfrauendarstellerinnen hinein in einen Laden, der so viele aufregende Sünden enthält wie die Beichte einer 98jährigen, die seit drei Jahren mit Gicht im Bett ihres katholischen Altersheimes vor sich hin fault.
donalphons, 13:14h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 11. Januar 2006
Real Life 11.1.05 - 4 mm
In einem Buch hast du vor kurzem am Ende den Satz gelesen: "Life is o.k.." Ist es wohl auch, nachts um halb eins in Berlin Mitte. Du hat keine echten Sorgen und keine Bedürfnisse. Du bist kein allzu nutzloses, aber auch kein allzu funktionales Teil der Gesellschaft, und du kannst mit dir und der Welt zufrieden sein. Du fährst mit einem hübschen Wagen Richtung Alex, von Berlin durch das 4 Millimeter dicke Glas der Windschutzscheibe und das Blech der Karosserie getrennt, und im Radio läuft statt dem unerträglichen Kuttner auf Fritz eine alte Kasette mit einem Tape von Intosomething, und die warme Stimme von Michi Reinboth aus München begleitet dich durch die Nacht.

Daheim, in München, gibt es ab und zu diese rasend schönen, "asiatischen" Studentinnen aus der westlichen Oberpfalz. Durch eine Laune der Natur entwachsen dem Bogen des bayerischen Waldes Frauen, die wie perfekte Asiatinnen aussehen. Grosse Mandelaugen, eher klein, sehr dunkel, reine Haut, kleine Nasen, feine Gesichtszüge. Sie sind nicht häufig, aber zwischen Amberg und Regensburg werden sie in behüteten Elternhäusern gross und lächeln sich dann dezent durch Studium und Karriere. Man sagt, dass da vielleicht ein paar Hunnen oder Ungarn im frühen Mittelalter ihre Gene in den Bajuwaren hinterlassen haben, wer weiss. Jedenfalls sind sie umwerfend schön.
Sie sind schön, wenn sie die Nacht durchgemacht haben, und sie sind auch noch schön, wenn sie der Grund sind, wenn du schlaflos durch Berlin fährst. Da war dieser Laden in Friedrichshain, den du in guter Erinnerung hattest. Es waren ein paar Meter vom Parkplatz zu den Antiquitäten, über schmutzige Bürgersteige, vorbei an verfallenen Häusern, die auf die Sanierung warten. Noch gibt es hier Punks, die Reste der früheren Hausbesetzerszene. Vor einem der typischen Getränkemärkte, ein paar düstere Räume und zwei Stehtische im Vorraum, ist eine Gruppe von etwa 15 Gestalten und ein Rudel Hunde.
Ganz vorne, mit dem Rücken zu dir steht jemand an der Wand gelehnt, schmutziger Armeeparker, hinten runtergetretene Hose, ein Buschen schwarzer Haare auf dem Kopf. Als du sie fast erreicht hast, dreht sie sich zu dir um. Es sind diese grossen Mandelaugen, tiefgrün und in der Mitte winzig kleine Pupillen. Hi, sagt sie, entschuldige, hättest du etwas Kleingeld?
Es ist 2 Uhr Nachmittags, und sie ist definitiv nicht mehr von dieser Welt. Was immer da in ihrem Körper war, hatte ihr Bewusstsein weit wegkatapultiert, wo es nur noch durch einen grauen Schleier die umgebende Welt mitbekommt. Sie ist dünn, entsetzlich dünn, aber selbst das kann nicht verbergen, dass sie schön ist und sicher noch eine Weile schön sein wird, mit 18 oder 20 hält so ein Körper eine Menge aus, vielleicht auch eine Weile ein Leben, bei dem sie am frühen Nachmittag die Wand als Stütze braucht, um sich auf den Beinen zu halten. Das kann Wochen und Monate so weitergehen, wenn es beim Alkohol bleibt.
Momenterl, sagst du, und im Hintergrund starren die anderen her, reden nur noch fahrig über Sozialismus und die kommende Aktion. Ein gelber Hund trabt her und macht eine neugierige Runde um dich. Du legst ihr einen 20-Euroschein in die Hand. Sie hat weisse Finger, dünn, kurz, kindlich. Irgendwie hoffst du, dass sie sich davon etwas zum Essen kauft, du kämpfst den Wunsch nieder, es ihr zu sagen, sie an ihrem schmutzstarrenden Parka zu packen, sie anzuschreinen, verdammt, was soll diese Scheisse eigentlich, dieses Zudröhnen bis zur Revolution, die nie kommt, die ganzen Lügen in billigem Fusel und das verschwendete Leben im Dreck, wenn sie wenigstens irgendwas im Magen hätte, damit sie nicht irgendwann in der Nacht umkippt und auf diesen gottverdammten Drecksstrassen krepiert in den Müllhaufen, alles ist besser als das hier, es muss irgendwo ein Netz geben, aus früheren Tagen, das sie auffangen kann und nicht einfach das geschehen lässt, was unweigerlich kommen muss, diese verdammte, blöde Kuh mit diesen zugeschnurrten Pupillen und den helleren Strahlen im tiefen Grün, die dich die Nacht kosten werden, weil du damit noch immer nicht umgehen kannst, und weil sie sich an die anderen erinnert, von denen du nicht weisst, wie es ihnen seitdem ergangen ist, und das erste, was du tust, wenn du zurück in der Wärme bist, ist das Googeln nach ihren Namen.
Danké, sagt sie, die zusammengezogene Form des südlichen Danksché, und du weisst, wo sie herkommt. Du fühlst die Blicke der anderen, du hörst sie leise lachen, der Nachmittag ist gerettet, genug Stoff bis zum Abend, keine Notwendigkeit, die Strassenränder nach den letzten Pfandflaschen von Sylvester abzusuchen heute nachmittag. Bittsche, sagst du und kannst dir dann nicht ganz verkneifen zu sagen, dass sie sich bitte was zum essen kaufen soll, du fühlst dich dabei wie ausgespuckt und wie ein alter Sack, auf dem Weg Richtung Laden. Der Hund kommt nochmal hinter dir her, schaut hoch, lässt sich streicheln, bevor hinten jemand pfeift und ihn zurückholt.
Auf dem Rückweg ist sie nicht mehr da. Und deshalb sitzt du Nachts um halb eins in all deinem überflüssigen Luxus auf der funkelnden Strasse Richtung Alex, im Radio läuft Herbalizer, und ausserhalb der vier Millimeter dicken Scheiben sind, irgendwo vielleicht in einer unterkühlten Wohnung in Friedrichshain, die unschönen Antworten auf all die Fragen, die dich nicht schlafen lassen.

Daheim, in München, gibt es ab und zu diese rasend schönen, "asiatischen" Studentinnen aus der westlichen Oberpfalz. Durch eine Laune der Natur entwachsen dem Bogen des bayerischen Waldes Frauen, die wie perfekte Asiatinnen aussehen. Grosse Mandelaugen, eher klein, sehr dunkel, reine Haut, kleine Nasen, feine Gesichtszüge. Sie sind nicht häufig, aber zwischen Amberg und Regensburg werden sie in behüteten Elternhäusern gross und lächeln sich dann dezent durch Studium und Karriere. Man sagt, dass da vielleicht ein paar Hunnen oder Ungarn im frühen Mittelalter ihre Gene in den Bajuwaren hinterlassen haben, wer weiss. Jedenfalls sind sie umwerfend schön.
Sie sind schön, wenn sie die Nacht durchgemacht haben, und sie sind auch noch schön, wenn sie der Grund sind, wenn du schlaflos durch Berlin fährst. Da war dieser Laden in Friedrichshain, den du in guter Erinnerung hattest. Es waren ein paar Meter vom Parkplatz zu den Antiquitäten, über schmutzige Bürgersteige, vorbei an verfallenen Häusern, die auf die Sanierung warten. Noch gibt es hier Punks, die Reste der früheren Hausbesetzerszene. Vor einem der typischen Getränkemärkte, ein paar düstere Räume und zwei Stehtische im Vorraum, ist eine Gruppe von etwa 15 Gestalten und ein Rudel Hunde.
Ganz vorne, mit dem Rücken zu dir steht jemand an der Wand gelehnt, schmutziger Armeeparker, hinten runtergetretene Hose, ein Buschen schwarzer Haare auf dem Kopf. Als du sie fast erreicht hast, dreht sie sich zu dir um. Es sind diese grossen Mandelaugen, tiefgrün und in der Mitte winzig kleine Pupillen. Hi, sagt sie, entschuldige, hättest du etwas Kleingeld?
Es ist 2 Uhr Nachmittags, und sie ist definitiv nicht mehr von dieser Welt. Was immer da in ihrem Körper war, hatte ihr Bewusstsein weit wegkatapultiert, wo es nur noch durch einen grauen Schleier die umgebende Welt mitbekommt. Sie ist dünn, entsetzlich dünn, aber selbst das kann nicht verbergen, dass sie schön ist und sicher noch eine Weile schön sein wird, mit 18 oder 20 hält so ein Körper eine Menge aus, vielleicht auch eine Weile ein Leben, bei dem sie am frühen Nachmittag die Wand als Stütze braucht, um sich auf den Beinen zu halten. Das kann Wochen und Monate so weitergehen, wenn es beim Alkohol bleibt.
Momenterl, sagst du, und im Hintergrund starren die anderen her, reden nur noch fahrig über Sozialismus und die kommende Aktion. Ein gelber Hund trabt her und macht eine neugierige Runde um dich. Du legst ihr einen 20-Euroschein in die Hand. Sie hat weisse Finger, dünn, kurz, kindlich. Irgendwie hoffst du, dass sie sich davon etwas zum Essen kauft, du kämpfst den Wunsch nieder, es ihr zu sagen, sie an ihrem schmutzstarrenden Parka zu packen, sie anzuschreinen, verdammt, was soll diese Scheisse eigentlich, dieses Zudröhnen bis zur Revolution, die nie kommt, die ganzen Lügen in billigem Fusel und das verschwendete Leben im Dreck, wenn sie wenigstens irgendwas im Magen hätte, damit sie nicht irgendwann in der Nacht umkippt und auf diesen gottverdammten Drecksstrassen krepiert in den Müllhaufen, alles ist besser als das hier, es muss irgendwo ein Netz geben, aus früheren Tagen, das sie auffangen kann und nicht einfach das geschehen lässt, was unweigerlich kommen muss, diese verdammte, blöde Kuh mit diesen zugeschnurrten Pupillen und den helleren Strahlen im tiefen Grün, die dich die Nacht kosten werden, weil du damit noch immer nicht umgehen kannst, und weil sie sich an die anderen erinnert, von denen du nicht weisst, wie es ihnen seitdem ergangen ist, und das erste, was du tust, wenn du zurück in der Wärme bist, ist das Googeln nach ihren Namen.
Danké, sagt sie, die zusammengezogene Form des südlichen Danksché, und du weisst, wo sie herkommt. Du fühlst die Blicke der anderen, du hörst sie leise lachen, der Nachmittag ist gerettet, genug Stoff bis zum Abend, keine Notwendigkeit, die Strassenränder nach den letzten Pfandflaschen von Sylvester abzusuchen heute nachmittag. Bittsche, sagst du und kannst dir dann nicht ganz verkneifen zu sagen, dass sie sich bitte was zum essen kaufen soll, du fühlst dich dabei wie ausgespuckt und wie ein alter Sack, auf dem Weg Richtung Laden. Der Hund kommt nochmal hinter dir her, schaut hoch, lässt sich streicheln, bevor hinten jemand pfeift und ihn zurückholt.
Auf dem Rückweg ist sie nicht mehr da. Und deshalb sitzt du Nachts um halb eins in all deinem überflüssigen Luxus auf der funkelnden Strasse Richtung Alex, im Radio läuft Herbalizer, und ausserhalb der vier Millimeter dicken Scheiben sind, irgendwo vielleicht in einer unterkühlten Wohnung in Friedrichshain, die unschönen Antworten auf all die Fragen, die dich nicht schlafen lassen.
donalphons, 12:10h
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Mittwoch, 4. Januar 2006
Real Life 03.01.05 - Am Abgrund
Im hinteren Teil sitzen noch ein paar Angestellte, die das neue Jahr feiern, vorne bei der Tür ist es schon ziemlich leer und still. An den südlichen Rändern des Glockenbachviertels bricht das launige Partymünchen steil ab in die stille Spiesserstadt, mit ihren normalen Arbeitern, Verwaltungsmenschen und Beamten, die seit Jahren nach Mitternacht keinen Fuss mehr vor die Tü der monotonen, sechsstöckigen Bebauung gesetzt haben. Gleich um die Ecke ist das Arbeitsamt und das KVR, und dieser Wechsel macht dem schwulen Bartreiben ein paar hundert Meter weiter nördlich den Garaus. Hier, genau an der Bar, verläuft die Grenze zwischen den Welten, genauso hermetisch wie die hohe Backsteinmauer, die die Strasse runter die Welt der Toten von den Lebenden trennt.

Nebenan geben sich zwei hoch aufgeschossene, nicht mehr ganz junge Starnbergerinnen alle Mühe, wie Sex and the City zu klingen, mit mässigem Erfolg, schliesslich ist das aktuelle Modethema das Ende von Rosy Maendler, und die Schuhmode im Luitpoldblock will ihnen auch nicht so richtig gefallen, trotz der massiven Rabatte, mit denen die Händler die Gattinnen der krisengeschüttelteten Munich Area anlocken wollen. Die Stadt, die Menschen, die Häuser, alles liegt still in Agonie, als wäre die magische Formel verklungen, die Jahrzehnte den Aufschwung und alle damit verbundenen Herrlichkeiten gezaubert hat.
So bleiben nur die Trümmer der vergangenen Zeit, die noch bewirtschaftet werden, man verkleinert sich, geht zurück in die Stätten alten Ruhms, ins Parkcafe oder an den Odeonsplatz, und gibt die Peripherie auf. Zusammengesunken, desillusioniert reden sie von der neuen Elite, von der Konzentration auf die happy few und ihre Geldbeutel, die immer gleichen upper 10.000 mit reichen Eltern und Lebensüberdruss, die nicht wissen, was sie tun sollen, ausser zu spät in Bars herumhängen und sich Ausreden für das versaute Examen einfallen zu lassen. Immerhin ist die Sperrstunde gefallen, man kann sich jetzt unbegrenzt gegen die Sorgen und das Gefühl der Leere abfüllen.
Die Starnbergerinnen haben noch 40 Kilometer vor sich, Richtung Süden, und brechen hastig auf, um in ein anderes Leben zu fliehen, angesteuert im Geländewagen unter der Finsternis eines eiskalten, funkelnden Sternenhimmels über die ersten Endmoränen der Alpenkette, hinter der Italien beginnt. Du erzählst was vom Plan, dich Mitte März auf den Weg zu machen, und sie sagt, dass sie definitiv keine Zeit haben wird, ohne dass du sie gefragt hättest.

Nebenan geben sich zwei hoch aufgeschossene, nicht mehr ganz junge Starnbergerinnen alle Mühe, wie Sex and the City zu klingen, mit mässigem Erfolg, schliesslich ist das aktuelle Modethema das Ende von Rosy Maendler, und die Schuhmode im Luitpoldblock will ihnen auch nicht so richtig gefallen, trotz der massiven Rabatte, mit denen die Händler die Gattinnen der krisengeschüttelteten Munich Area anlocken wollen. Die Stadt, die Menschen, die Häuser, alles liegt still in Agonie, als wäre die magische Formel verklungen, die Jahrzehnte den Aufschwung und alle damit verbundenen Herrlichkeiten gezaubert hat.
So bleiben nur die Trümmer der vergangenen Zeit, die noch bewirtschaftet werden, man verkleinert sich, geht zurück in die Stätten alten Ruhms, ins Parkcafe oder an den Odeonsplatz, und gibt die Peripherie auf. Zusammengesunken, desillusioniert reden sie von der neuen Elite, von der Konzentration auf die happy few und ihre Geldbeutel, die immer gleichen upper 10.000 mit reichen Eltern und Lebensüberdruss, die nicht wissen, was sie tun sollen, ausser zu spät in Bars herumhängen und sich Ausreden für das versaute Examen einfallen zu lassen. Immerhin ist die Sperrstunde gefallen, man kann sich jetzt unbegrenzt gegen die Sorgen und das Gefühl der Leere abfüllen.
Die Starnbergerinnen haben noch 40 Kilometer vor sich, Richtung Süden, und brechen hastig auf, um in ein anderes Leben zu fliehen, angesteuert im Geländewagen unter der Finsternis eines eiskalten, funkelnden Sternenhimmels über die ersten Endmoränen der Alpenkette, hinter der Italien beginnt. Du erzählst was vom Plan, dich Mitte März auf den Weg zu machen, und sie sagt, dass sie definitiv keine Zeit haben wird, ohne dass du sie gefragt hättest.
donalphons, 13:48h
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Sonntag, 1. Januar 2006
Real Life 01.01.06 - Nebenbei nachentvorsetzen
Ich hab alles da, Semmeln, Hörnchen,Tete de Moine, Scamorza, pikanten Gorgonzola, Butterkäse, drei Sorten Tee, Marmelade aus Südtirol, Butter, Baguette, auch einen Bademantel für dich, wir könnten also im Bett frühstücken, sagst du durchs Haustelefon nach unten und versuchst dabei zu klingen wie Charles Aznavour in seinen besten Tagen. Aber kein Kaffee, sagt die müde Stimme der Frau, die du gestern in ziemlich extatischen Verhältnissen bei einer männlichen Begleitung verlassen hast, um nicht das 5. Rad am Wagen zu werden. Kein Kaffee, gibst du zu. Dusch dich, komm runter und ins Cafe B., ich warte da auf dich, befiehlt Iris, und unter dem warmen Wasserstrahl verfluchst du deine Exzentrik, in diesem Kaffeesäuferland allein und einsam auf der englischen Familienmarotte Tee zu beharren, splendid Isolation könnte man es nennen und eine bodenlose Dummheit ist es. Andererseits, eine völlig übermüdete Frau ohne Kaffee mit viel Essen so schwer und müde zu machen, dass sie im Bett hängenbleibt wie der Säbelzahntiger in der Teergrube, ist auch nicht gerade ein ruhmreiches Verhalten. Wenn du mal ehrlich bist.
Im Cafe B. sind zu früher Stunde die letzten Reste der vergangenen Nacht angeschwemmt, die es bestenfalls zu einem Quickie im Auto oder auf dem Klo geschafft haben. Es ist lange her, dass du die besseren Kinder so erschöpft gesehen hast, viele sind da von früher, auch manches Gesicht, mit dem früher ein Schmerz verbunden war, so viele verpasste Gelegenheiten und Leichen im provinziellen Keller, grausam. Am Fenster sitzt Iris und klammert sich apathisch an einer Zigarette fest. Und im Aschenbecher sind bereits die Reste des guten Vorsatzes für 06.
Und? Was und, blafft sie zurück, nichts und, glaubst du, ich gehe einfach so mit jedem mit, nur weil Sylvester ist? Nun, gibst du zu bedenken, einerseits wäre es jetzt vielleicht in einem warmen Bett, irgendwo, es gäbe ja mehrere Angebote, doch schöner als hier, und eine gute Ausrede sei das Fest allemal, der Veuve, die Extase, ausserdem sind wir ja alle keine Teenager mehr, und auch sonst gibt es keinen Grund, 2006 als Null Sex auszusprechen.
Die Art, wie sie die halbe Zigarette in den Aschenbecher stopft, zeigt dir die Sinnlosgkeit des Bemühens, gegen die schlechte Laune, die Müdigkeit und die Erschöpfung anzureden. Mademoiselle hat nach dem kleinen Abbé gerufen, um beim Café ihr Leid zu klagen und nicht, um von Schokolade naschend das einzuleiten, für das die kleinen Abbés aus ihren Collegiatspalästen gewöhnlich verwendet werden.
Dergestalt missbraucht und selbst müde, denkst du zu viel über den Körper unter dem Kleid und zu wenig über ihre Probleme nach, gibst fahrige Antworten, und als ihr Leib von einen Hustenanfall erschüttert wird, wandern deine Gedanken zu einer der zentralen Fragen des Universums, nämlich, wie das eigentlich beim Oralsex ist, wenn da so ein Hustenanfall im besten, schlechtesten, tiefsten Moment kommt. Vermutlich nicht wirklich gut. So schlecht, wie wohl auch der Kerl gewesen sein muss, in dessen Armen du sie verlassen hast. Die Welt ist ungerecht, aber das ist nur gerecht.
Auch diesmal geht dann der Roadster problemlos auf, verdammtes Drecksding, er ist nur immer dann vereist, wenn du ohnehin nichts von deiner Begleiterin willst, und der sich immer bereitwillig derer öffnet, die du nicht heimbringen willst. Das Haus ihrer Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern liegt noch im tiefen Schlaf, als du durch den parkähnlichen Garten wieder in Richting Stadt fährst, und nur flüchtig, fast ohne jede Intensität hatten ihre Lippen zum Abschied die deinigen berührt. Willkommen in 06, kleiner Abbé priape.
Im Cafe B. sind zu früher Stunde die letzten Reste der vergangenen Nacht angeschwemmt, die es bestenfalls zu einem Quickie im Auto oder auf dem Klo geschafft haben. Es ist lange her, dass du die besseren Kinder so erschöpft gesehen hast, viele sind da von früher, auch manches Gesicht, mit dem früher ein Schmerz verbunden war, so viele verpasste Gelegenheiten und Leichen im provinziellen Keller, grausam. Am Fenster sitzt Iris und klammert sich apathisch an einer Zigarette fest. Und im Aschenbecher sind bereits die Reste des guten Vorsatzes für 06.

Und? Was und, blafft sie zurück, nichts und, glaubst du, ich gehe einfach so mit jedem mit, nur weil Sylvester ist? Nun, gibst du zu bedenken, einerseits wäre es jetzt vielleicht in einem warmen Bett, irgendwo, es gäbe ja mehrere Angebote, doch schöner als hier, und eine gute Ausrede sei das Fest allemal, der Veuve, die Extase, ausserdem sind wir ja alle keine Teenager mehr, und auch sonst gibt es keinen Grund, 2006 als Null Sex auszusprechen.
Die Art, wie sie die halbe Zigarette in den Aschenbecher stopft, zeigt dir die Sinnlosgkeit des Bemühens, gegen die schlechte Laune, die Müdigkeit und die Erschöpfung anzureden. Mademoiselle hat nach dem kleinen Abbé gerufen, um beim Café ihr Leid zu klagen und nicht, um von Schokolade naschend das einzuleiten, für das die kleinen Abbés aus ihren Collegiatspalästen gewöhnlich verwendet werden.
Dergestalt missbraucht und selbst müde, denkst du zu viel über den Körper unter dem Kleid und zu wenig über ihre Probleme nach, gibst fahrige Antworten, und als ihr Leib von einen Hustenanfall erschüttert wird, wandern deine Gedanken zu einer der zentralen Fragen des Universums, nämlich, wie das eigentlich beim Oralsex ist, wenn da so ein Hustenanfall im besten, schlechtesten, tiefsten Moment kommt. Vermutlich nicht wirklich gut. So schlecht, wie wohl auch der Kerl gewesen sein muss, in dessen Armen du sie verlassen hast. Die Welt ist ungerecht, aber das ist nur gerecht.
Auch diesmal geht dann der Roadster problemlos auf, verdammtes Drecksding, er ist nur immer dann vereist, wenn du ohnehin nichts von deiner Begleiterin willst, und der sich immer bereitwillig derer öffnet, die du nicht heimbringen willst. Das Haus ihrer Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern liegt noch im tiefen Schlaf, als du durch den parkähnlichen Garten wieder in Richting Stadt fährst, und nur flüchtig, fast ohne jede Intensität hatten ihre Lippen zum Abschied die deinigen berührt. Willkommen in 06, kleiner Abbé priape.
donalphons, 12:40h
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Samstag, 31. Dezember 2005
Real Life 29.12.05 - Hand in the Cookie Jar
Süsses zum Jahresabschluss um 2 Uhr.

Und ein weiterer angebrochener Vorsatz, es bleiben zu lassen. Auf der Kippe, so ab Mitternacht, und dann um 4 Uhr warst du am Wagen, und er ging auf. Ohne dich und sie aufzuhalten, ohne Problem. Das Problem kam erst, als du dann wieder allein warst, das Kissen prügelnd.

Und ein weiterer angebrochener Vorsatz, es bleiben zu lassen. Auf der Kippe, so ab Mitternacht, und dann um 4 Uhr warst du am Wagen, und er ging auf. Ohne dich und sie aufzuhalten, ohne Problem. Das Problem kam erst, als du dann wieder allein warst, das Kissen prügelnd.
donalphons, 01:38h
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Montag, 26. Dezember 2005
Real Life 24.12.05 - Blattgold
Wie findest du das, fragt sie, stellt sich ganz gerade hin und dreht sich dann einmal in das rechte, dann in das linke Profil, kneift den Hintern zusammen und stellt sich dann auf die nackten Zehenspitzen, um Pumps zu simulieren.
Darf ich ehrlich sein, fragst du, noch versonnen auf die kleinen, runden, sicher nicht unempfindlichen Zehen blickend, und sie blickt dich einen Moment getroffen und verletzt an, bevor sie dir ein garstiges Nein entgegenschleudert. Andererseits, es war ihre Idee, dich rauszuklingeln und zum Einkaufen mitzuschleifen, für den Empfang am Abend, zu dem du auch eingeladen bist und den du wegen anderer Verpflichtungen hast sausen lassen, schliesslich sind all die alten Freunde da und du hörst es natürlich gerne, wenn sie aus ihren Scheissehen erzählen. Einer von denen ist beim vorweihnachtlichen Herrenabend letzte Woche bis um 3 statt wie versprochen bis um 1 Uhr geblieben und dafür prompt vor die Tür gesetzt worden. Wohnt momentan bei seinen Eltern. Will vielleicht was mieten, wenn es so bleibt. Solche Geschichten halt. Ist immer sehr lustig am 24., wenn man von den eigenen amourösen Verwicklungen bedeutungsvoll lächelnd schweigen kann und den ein oder anderen im frühen Morgenlicht zur Ausüchterung im offenen Roadster nach Hause fährt. Da kann man schon mal so einen Empfang ausfallen lassen, bei dem man drei Stunden in einer Halle steht und seinen Lebenslauf frisiert. Selbst, wenn Iris an deiner Seite wäre und etwas anderes anhätte als dieses mittellange, hellblaue Pailettenkleid.
Der Ausschnitt ist spektakulär, beginnst du das Krisenmanagement, vorne wie hinten. Nur die Farbe, nimm´s mir nicht übel, die bringt deinen eher dunklen Typ nicht so richtig zur Geltung. Es ist eher was für fade Blondinen.
Idiot, sagt sie, dreht sich um, und bis sie den Kabinenvorhang zuzieht, kannst du nur Sekunden den Leberfleck unter dem linken Schulterblatt bewundern. Dann ist sie weg, und du bist wieder allein mit der Verkäuferin dieser Boutique in der besten Gasse der kleinen Stadt und zwei anderen Kundinnen, die dich nicht gerade freundlich anschauen. Sie sind fade Blondinen.
Nach einer Weile ist Iris wieder da, und in gleichen Moment wallt dann eine Pelznutte zur Tür herein. Die Pelznutten waren hier in der Provinz nie ganz augestorben, seit Jahren halten sich diverse Verbrecherläden, lange Zeit war es aber ein Zeichen für Zerfall und Alter. Inzwischen ist es wieder im Kommen. Diese Pelznutte nun trägt eine hellbeige Hose am etwas unförmigen Unterleib, und Gucci-Turnschuhe. Oben drüber trägt die Pelznutte die Fresse von Frau G., und nein, es ist kein Waldschrat, der Frau G. den Kopf abgerissen und die Kleiderschrank einer Pelznutte geplündert hat, es ist Frau G. persönlich, die schlimmste Tratschn des gesamten Ärzteviertels und blondentgrautes Altlobbyluder des örtlichen 18-Loch-Golfplatzes, 9 Löcher im Rasen und 3 Dreilochpelzhuren im Clubhaus, macht 18, stimmt. Wo die Frau G. ist, willst du nicht sein, und Iris auch nicht. Fluchtartig verlasst ihr den Laden.
Gehen wir doch, schlägst du vor, da rüber, auf die andere Strassenseite, da ist doch jetzt B., die einzige Designerin des Ortes, und die macht wirklich schöne Kleider. Die Gasse ist schmal und kurz, hier sind die besseren Geschäfte aufgereiht, es sind nur ein paar Meter zum Schaufenster, wo eine wohltuende Leere herrscht und keine Goldarmbänder mit fetten Strasselephanten, wie gegenüber bei J., als letzter Schrei offeriert werden.

Schön, sagst du andächtig vor dem knallengen, bodenlangen Gold und stellst dir vor, wie sie damit grazil in der Halle auf und ab gleitet, den Champagnerkelch in der Hand und all die Bösartigkeiten im Kopf, die nie publik werden, weil sie sich besser im Griff hat als du, wehalb sie auch besser angekommen ist in dieser Gesellschaft, bis sie sich selbst rauskatapultiert hat aus der Gemeinschaft der zu besseren Gattinnen gewordenene besseren Töchtern besserer Familien.
Das gefällt mir gar nicht, sagt sie, und du argumentierst dagegen, du erzählst vom Schimmern ihrer Haut, das ganz wunderbar zum Funkeln passen würde, von ihrer eleganten Figur, die darin perfekt zur Geltung kommen würde, dass alle anderen sicher nur unauffälligen Plunder haben würden und sie das Kleid auch zu Sylvester tragen könnte.
Hör auf, sagt sie, ich mag kein Gold mehr sehen. Hatte ich heute schon. Weil - und dann erzählt sie, dass der Ex gestern bei ihrer Mutter war, als er wusste, dass sie nicht da sein würde. Hat sich also eingeschleimt und sie vollgesülzt, dass er ihr immer noch vergeben würde, wenn sie es sich anders überlegen wollte. Und hat mit Geschenken geprotzt wie einer Vertriebler, der die Chefsekretärin ficken will - extra nach München gefahren, extra in diesen Laden am Viktualienmarkt gegangen, und dort dann Pralinen gekauft. Handgeferigte Schmetterlinge, mit Blattgold zum Schimmern gebracht. Und damit das auch jeder beim Draufbeissen weiss, war auch noch ein Zettel beigefügt mit dem Hinweis, dass das Verzehr von 24k-Blattgold keinesfalls unschädlich, sondern im Gegenteil in vielen Kulturen Ausdruck höchsten Luxus ist. Und deshalb mag sie heute kein Gold mehr sehen.
Schleimbatzen, fügst du hinzu, und sie berichtet von ihren Racheplänen. Denn natürlich muss sie gegenschenken, und in ihrem Auto ist schon der silberne Monster-Hirsch, und den lässt sie der Schwiegermutter jetzt doch zukommen. Gerecht, oder? Gerecht, aber kein Grund, dem Kleid gegenüber so ungerecht zu sein.
Also geht sie doch mal rein. Und probiert es. Nä, zu lang. Es ist aber auch nochmal in kürzer da, mit grösseren Ausschnitten. Schon besser. Passt auch genau zur Hautfarbe. Und zum Typ sowieso. Heuchelst du, immer in der Hoffnung, deine byzantnisch-dekandenten Träume irgendwann an ihr ausleben zu können. Sie nimmt es - und verabschiedet sich dann von dir, sie muss schnell heim, bis irgendwann, tschüss, und entwindet sich leichtfüssig deinen Armen, der du noch den warmen Geruch ihres Halses in der Nase hast.
Du gehst wieder nach Hause, vorbei am ersten Hotel der Stadt, und im Restaurant siehst du ihren Ex sitzen, in einem leicht angetrachtelten Anzug. Er sieht dich nicht, er ist leicht über den Tisch gebeugt und hat nur Augen für die ihm gegenüber sitzende blonde Frau. Auf dem Tisch, zwischen ihnen, steht ein Tütchen, in dem es gülden funkelt.
Ah ja.
Darf ich ehrlich sein, fragst du, noch versonnen auf die kleinen, runden, sicher nicht unempfindlichen Zehen blickend, und sie blickt dich einen Moment getroffen und verletzt an, bevor sie dir ein garstiges Nein entgegenschleudert. Andererseits, es war ihre Idee, dich rauszuklingeln und zum Einkaufen mitzuschleifen, für den Empfang am Abend, zu dem du auch eingeladen bist und den du wegen anderer Verpflichtungen hast sausen lassen, schliesslich sind all die alten Freunde da und du hörst es natürlich gerne, wenn sie aus ihren Scheissehen erzählen. Einer von denen ist beim vorweihnachtlichen Herrenabend letzte Woche bis um 3 statt wie versprochen bis um 1 Uhr geblieben und dafür prompt vor die Tür gesetzt worden. Wohnt momentan bei seinen Eltern. Will vielleicht was mieten, wenn es so bleibt. Solche Geschichten halt. Ist immer sehr lustig am 24., wenn man von den eigenen amourösen Verwicklungen bedeutungsvoll lächelnd schweigen kann und den ein oder anderen im frühen Morgenlicht zur Ausüchterung im offenen Roadster nach Hause fährt. Da kann man schon mal so einen Empfang ausfallen lassen, bei dem man drei Stunden in einer Halle steht und seinen Lebenslauf frisiert. Selbst, wenn Iris an deiner Seite wäre und etwas anderes anhätte als dieses mittellange, hellblaue Pailettenkleid.
Der Ausschnitt ist spektakulär, beginnst du das Krisenmanagement, vorne wie hinten. Nur die Farbe, nimm´s mir nicht übel, die bringt deinen eher dunklen Typ nicht so richtig zur Geltung. Es ist eher was für fade Blondinen.
Idiot, sagt sie, dreht sich um, und bis sie den Kabinenvorhang zuzieht, kannst du nur Sekunden den Leberfleck unter dem linken Schulterblatt bewundern. Dann ist sie weg, und du bist wieder allein mit der Verkäuferin dieser Boutique in der besten Gasse der kleinen Stadt und zwei anderen Kundinnen, die dich nicht gerade freundlich anschauen. Sie sind fade Blondinen.
Nach einer Weile ist Iris wieder da, und in gleichen Moment wallt dann eine Pelznutte zur Tür herein. Die Pelznutten waren hier in der Provinz nie ganz augestorben, seit Jahren halten sich diverse Verbrecherläden, lange Zeit war es aber ein Zeichen für Zerfall und Alter. Inzwischen ist es wieder im Kommen. Diese Pelznutte nun trägt eine hellbeige Hose am etwas unförmigen Unterleib, und Gucci-Turnschuhe. Oben drüber trägt die Pelznutte die Fresse von Frau G., und nein, es ist kein Waldschrat, der Frau G. den Kopf abgerissen und die Kleiderschrank einer Pelznutte geplündert hat, es ist Frau G. persönlich, die schlimmste Tratschn des gesamten Ärzteviertels und blondentgrautes Altlobbyluder des örtlichen 18-Loch-Golfplatzes, 9 Löcher im Rasen und 3 Dreilochpelzhuren im Clubhaus, macht 18, stimmt. Wo die Frau G. ist, willst du nicht sein, und Iris auch nicht. Fluchtartig verlasst ihr den Laden.
Gehen wir doch, schlägst du vor, da rüber, auf die andere Strassenseite, da ist doch jetzt B., die einzige Designerin des Ortes, und die macht wirklich schöne Kleider. Die Gasse ist schmal und kurz, hier sind die besseren Geschäfte aufgereiht, es sind nur ein paar Meter zum Schaufenster, wo eine wohltuende Leere herrscht und keine Goldarmbänder mit fetten Strasselephanten, wie gegenüber bei J., als letzter Schrei offeriert werden.

Schön, sagst du andächtig vor dem knallengen, bodenlangen Gold und stellst dir vor, wie sie damit grazil in der Halle auf und ab gleitet, den Champagnerkelch in der Hand und all die Bösartigkeiten im Kopf, die nie publik werden, weil sie sich besser im Griff hat als du, wehalb sie auch besser angekommen ist in dieser Gesellschaft, bis sie sich selbst rauskatapultiert hat aus der Gemeinschaft der zu besseren Gattinnen gewordenene besseren Töchtern besserer Familien.
Das gefällt mir gar nicht, sagt sie, und du argumentierst dagegen, du erzählst vom Schimmern ihrer Haut, das ganz wunderbar zum Funkeln passen würde, von ihrer eleganten Figur, die darin perfekt zur Geltung kommen würde, dass alle anderen sicher nur unauffälligen Plunder haben würden und sie das Kleid auch zu Sylvester tragen könnte.
Hör auf, sagt sie, ich mag kein Gold mehr sehen. Hatte ich heute schon. Weil - und dann erzählt sie, dass der Ex gestern bei ihrer Mutter war, als er wusste, dass sie nicht da sein würde. Hat sich also eingeschleimt und sie vollgesülzt, dass er ihr immer noch vergeben würde, wenn sie es sich anders überlegen wollte. Und hat mit Geschenken geprotzt wie einer Vertriebler, der die Chefsekretärin ficken will - extra nach München gefahren, extra in diesen Laden am Viktualienmarkt gegangen, und dort dann Pralinen gekauft. Handgeferigte Schmetterlinge, mit Blattgold zum Schimmern gebracht. Und damit das auch jeder beim Draufbeissen weiss, war auch noch ein Zettel beigefügt mit dem Hinweis, dass das Verzehr von 24k-Blattgold keinesfalls unschädlich, sondern im Gegenteil in vielen Kulturen Ausdruck höchsten Luxus ist. Und deshalb mag sie heute kein Gold mehr sehen.
Schleimbatzen, fügst du hinzu, und sie berichtet von ihren Racheplänen. Denn natürlich muss sie gegenschenken, und in ihrem Auto ist schon der silberne Monster-Hirsch, und den lässt sie der Schwiegermutter jetzt doch zukommen. Gerecht, oder? Gerecht, aber kein Grund, dem Kleid gegenüber so ungerecht zu sein.
Also geht sie doch mal rein. Und probiert es. Nä, zu lang. Es ist aber auch nochmal in kürzer da, mit grösseren Ausschnitten. Schon besser. Passt auch genau zur Hautfarbe. Und zum Typ sowieso. Heuchelst du, immer in der Hoffnung, deine byzantnisch-dekandenten Träume irgendwann an ihr ausleben zu können. Sie nimmt es - und verabschiedet sich dann von dir, sie muss schnell heim, bis irgendwann, tschüss, und entwindet sich leichtfüssig deinen Armen, der du noch den warmen Geruch ihres Halses in der Nase hast.
Du gehst wieder nach Hause, vorbei am ersten Hotel der Stadt, und im Restaurant siehst du ihren Ex sitzen, in einem leicht angetrachtelten Anzug. Er sieht dich nicht, er ist leicht über den Tisch gebeugt und hat nur Augen für die ihm gegenüber sitzende blonde Frau. Auf dem Tisch, zwischen ihnen, steht ein Tütchen, in dem es gülden funkelt.
Ah ja.
donalphons, 13:04h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 20. Dezember 2005
Real Life 20.12.05 - China Shopping
Die Bahn ist nicht dein Ding. Eigentlich bist du Anhänger des Individualverkehrs, sei es mit dem Rad oder zu Fuss oder. mit dem Auto, wenn es Strecke und Wetter erfordern. Es gab auch mal eine Bahnphase in deinem Leben. Ganz kurz sogar eine ÖPNV-Phase. Aber das ist lang her. Der schlechte Geruch aus der Heizung, das mitunter wenig gepflegte menschliche Umfeld, sein bedingt soziales Verhalten, all das hat dir den Schienenverkehr verleidet. Im Sommer bist du die 80 Kilometer von München heim in die Provinz oft mit dem Rennrad gefahren, selbst bei Gewitter war das angenehmer als die Züge durch die finstere bayrische Provinz.
Aber diesmal gibt es aus diversen Gründen keine Alternative. Es ist mal wieder was schief gelaufen, die Barchetta, die zum Transfer anstand, hatte keinen Saft mehr in der Batterie, nach drei Monaten Rumstehen am Strassenrand. Du weisst, was dich da drin im Zug erwartet, und deshalb nimmst du neben der blutrünstigen Lektüre des Mönchs von M. G. Lewis - sehr empfehlenswert übrigens, ein Abt in Spanien schändet Jungfrauen mit Teufelshilfe, aber einer, der sich Alphonso nennt, entreisst ihm seine Liebste und trägt zu seinem Untergang bei - auch noch etwas drogen Seelentranquilizer in Form der aktuellen World of Interiors mit, in der Hoffnung, über Stuck, Silber und Damast die Niederungen des Daseins zu überstehen.

Du nimmst Platz und achtest nicht auf das, was um dich herum geschieht. Es ist nicht viel los, in diesem Zug nach Norden. Es dauert, bis draussen die Masten und die flachen, hässlichen Industriebauten des Stadtrandes vorbeifliegen, aber dann nimmt das Unheil von hinten kommend seinen Lauf. Zuerst hörst du sie, dann riechst du sie, es ist diese Mischung aus Kälte, fettem, alten Fleisch, dem impertinenten Parfum der Frauen und Sauerkraut. Über dessen Qualität sie sich, nachdem sie gerade vom Essen kamen, lautstark unterhalten. Sie, das sind fünf unterschiedliche Stimmen, drei Männer und zwei Frauen. Du drehst dich um und siehst nur einen, der schon sitzt, der auch ein Penner sein könnte in seinen abgelatschten, billigen Schuhen mit Gummisohlen, den unter die Fesseln gerutschten Socken, der vergammelten Hose, über der ein Bauch quillt und ein topfförmiger Schädel ohne erkennbaren Halsanschluss sitzt, bekrönt von einer Baseballkappe. Aber hier ist tiefstes Bayern, das hier ist der Speckgürtelexpress, das alles muss noch gar nichts heissen.
Noch hast du dich nicht zur World of Interior zurückgedreht, da sagt er auch schon was von wegen, was für Essen es bei ihm im Ministerium so gäbe. In den nächsten Minuten wird dir aus 5 Meter Entfernung die Faktenlage zugebrüllt, so laut, dass du dich dem nicht verschliessen kannst; der Penner ist ein hohes Tier in einem Ministerium, Verwaltungsbeamter nicht weit unter einem Minister, und er redet, redet, redet, lacht über seine eigenen Witze. Die anderen sind seine Bekannten, und die waren heute einkaufen. Ohne ihn, was jetzt zur Folge hat, dass sie ihm die Beutestücke vorführen.
Wos isn des, tönt er von hinten. Dann liest er vor: Nasi Goreng. Haha, des kennt a glei Nazi Goreng hoassn. Allgemeine, ungetrübte Heiterkeit. Oda Nasen Spray, und erneut wiehert die Runde, quiekend eine Frau, schallend die Männer. Die Käuferin meint, das sie mitsamt dem anderen Asienzeug für Irmtraut, die sei jetzt doch so im Colonial Style eingerichtet, ned woa, und die wolle so Chinesnkrampf, und da sei die Packerlsuppn doch recht praktisch. Es folgt ein heiterer Austausch über den Mann der Irmtraut, der, so der wortführende Penner, Nichts habe, was bedeuten müsse, dass seine Frau was taugt. Erneute Heiterkeit.
Sie machen auch nicht mehr die alten rassistischen, misogynen Faschodrecksäcke as they used to, die hier sind Anfang 60 und auf ihre Art die schwarze Seite der68er, die sind damals geprägt worden und können heute noch über Zoten lachen, alles geht, alles zusammengemischt und es passt doch in die politische Landschaft des Freistaates. Die nächsten Kilomter klammerst du dich verzweifelt an die World und du hast Glück, schon bei der ersten Haltestelle, einem toskanahauspestverseuchten Ex-KZ-Ort, packen sie zusammen und verlassen den Zug, wo sie dann schon mal anfangen, das Weihnachtsfest vorzubereiten. Aber nicht, ohne am Fenster vorbeizulaufen und dir nochmal vorzuführen, warum du nicht ewig hier bleiben kannst, ohne vor die Hunde zu gehen. Dann fährt der Zug an, und du siehst ein letztes Mal in das leutseelig grinsende Gesicht des hohen Beamten.
Aber diesmal gibt es aus diversen Gründen keine Alternative. Es ist mal wieder was schief gelaufen, die Barchetta, die zum Transfer anstand, hatte keinen Saft mehr in der Batterie, nach drei Monaten Rumstehen am Strassenrand. Du weisst, was dich da drin im Zug erwartet, und deshalb nimmst du neben der blutrünstigen Lektüre des Mönchs von M. G. Lewis - sehr empfehlenswert übrigens, ein Abt in Spanien schändet Jungfrauen mit Teufelshilfe, aber einer, der sich Alphonso nennt, entreisst ihm seine Liebste und trägt zu seinem Untergang bei - auch noch etwas drogen Seelentranquilizer in Form der aktuellen World of Interiors mit, in der Hoffnung, über Stuck, Silber und Damast die Niederungen des Daseins zu überstehen.

Du nimmst Platz und achtest nicht auf das, was um dich herum geschieht. Es ist nicht viel los, in diesem Zug nach Norden. Es dauert, bis draussen die Masten und die flachen, hässlichen Industriebauten des Stadtrandes vorbeifliegen, aber dann nimmt das Unheil von hinten kommend seinen Lauf. Zuerst hörst du sie, dann riechst du sie, es ist diese Mischung aus Kälte, fettem, alten Fleisch, dem impertinenten Parfum der Frauen und Sauerkraut. Über dessen Qualität sie sich, nachdem sie gerade vom Essen kamen, lautstark unterhalten. Sie, das sind fünf unterschiedliche Stimmen, drei Männer und zwei Frauen. Du drehst dich um und siehst nur einen, der schon sitzt, der auch ein Penner sein könnte in seinen abgelatschten, billigen Schuhen mit Gummisohlen, den unter die Fesseln gerutschten Socken, der vergammelten Hose, über der ein Bauch quillt und ein topfförmiger Schädel ohne erkennbaren Halsanschluss sitzt, bekrönt von einer Baseballkappe. Aber hier ist tiefstes Bayern, das hier ist der Speckgürtelexpress, das alles muss noch gar nichts heissen.
Noch hast du dich nicht zur World of Interior zurückgedreht, da sagt er auch schon was von wegen, was für Essen es bei ihm im Ministerium so gäbe. In den nächsten Minuten wird dir aus 5 Meter Entfernung die Faktenlage zugebrüllt, so laut, dass du dich dem nicht verschliessen kannst; der Penner ist ein hohes Tier in einem Ministerium, Verwaltungsbeamter nicht weit unter einem Minister, und er redet, redet, redet, lacht über seine eigenen Witze. Die anderen sind seine Bekannten, und die waren heute einkaufen. Ohne ihn, was jetzt zur Folge hat, dass sie ihm die Beutestücke vorführen.
Wos isn des, tönt er von hinten. Dann liest er vor: Nasi Goreng. Haha, des kennt a glei Nazi Goreng hoassn. Allgemeine, ungetrübte Heiterkeit. Oda Nasen Spray, und erneut wiehert die Runde, quiekend eine Frau, schallend die Männer. Die Käuferin meint, das sie mitsamt dem anderen Asienzeug für Irmtraut, die sei jetzt doch so im Colonial Style eingerichtet, ned woa, und die wolle so Chinesnkrampf, und da sei die Packerlsuppn doch recht praktisch. Es folgt ein heiterer Austausch über den Mann der Irmtraut, der, so der wortführende Penner, Nichts habe, was bedeuten müsse, dass seine Frau was taugt. Erneute Heiterkeit.
Sie machen auch nicht mehr die alten rassistischen, misogynen Faschodrecksäcke as they used to, die hier sind Anfang 60 und auf ihre Art die schwarze Seite der68er, die sind damals geprägt worden und können heute noch über Zoten lachen, alles geht, alles zusammengemischt und es passt doch in die politische Landschaft des Freistaates. Die nächsten Kilomter klammerst du dich verzweifelt an die World und du hast Glück, schon bei der ersten Haltestelle, einem toskanahauspestverseuchten Ex-KZ-Ort, packen sie zusammen und verlassen den Zug, wo sie dann schon mal anfangen, das Weihnachtsfest vorzubereiten. Aber nicht, ohne am Fenster vorbeizulaufen und dir nochmal vorzuführen, warum du nicht ewig hier bleiben kannst, ohne vor die Hunde zu gehen. Dann fährt der Zug an, und du siehst ein letztes Mal in das leutseelig grinsende Gesicht des hohen Beamten.
donalphons, 23:16h
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