: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 8. Oktober 2004

Fritzen bei Fischer

Ich bin ein Fragment der New Economy. Ich habe sie in ihrer Blütezeit erlebt und genossen Das war die Zeit, als man gaz offen kommunizierte, dass auf den besseren Events das Catering pro Person 100 Euro kostete. Und es war eine Zeit, in der es täglich einen dieser Events gab.

Ich bin ja der Meinung, dass der Downturn nicht so schlimm geworden wäre, wenn die Qualität des Buffets erhalten geblieben wäre. Das ist wie mit den belagerten Soldaten in der Burg, die Lebensmitteln mit Katapulten herausschiessen. Wer was zum Essen anbietet, kann eigentlich gar nicht pleite sein, und auch kein gewissenloser Leuteschinder. So hätte man das machen sollen, aber auf mich hört ja keiner.

Heute dann beim Fischer Verlag, romantisch gelegen gegenüber der Eisenbahnlinie. Chaos am Einlass. Hinter uns wird ein 7er-Pack Österreicher abgefangen, wir hingegen kommen nach etwas Hin und Her rein. Drinnen gibt es kaum Stühle, aber dafür massig Stehpublikum, meistens mittelalt bis ganz alt. Sexy Jungautoren muss man sich wie meine Begleiterin selbst mitbringen. Vorbei an den hier angeschwemmten Belanglosigkeiten des Messe, hin zum Buffet oder was man dafür hält.



Warm ist nur das Chili, diese neudeutsche Variante des Eintopfs mit viel Gewürzen, das die Verwendung von, vorsichtig gesagt, weniger hochwertigem Fleisch erlaubt. Es riecht nicht wirklich gut, aber trotzdem schaufelt es das Volk aus dünnsten Plastiktellern mit Plastiklöffeln in sich hinein, wie auf einer Teenieparty nach drei Uhr Morgen. Besonders scharf dürfte es nicht sein, denn niemand kippt gleichzeitig Unmengen von Rotwein, Weisswein und Mineralwasser in sich hinein. Rotwein, Weisswein und Mineralwasser sind die Getränke des Abends: Kein Saft, kein Sekt, kein Cocktail, auch keine Sonderwünsche wie Tee, obwohl ein grosser Teil des Publikums unten im Hof und dadurch draussen an der unfrischen Luft Frankfurts ist.

Nach gut zwei Stunden sind die Platten mit den Häppchen lehrgeräumt. Dass es so lange gedauert hat, ist sicher auch der nicht überrragenden Qualität geschuldet: Die Blättertteigtschen bröseln, die Hähnchenstreifen sind paniert, die Fleischbällchen gemahnen Jungautoren an die Zeiten, als "Essen gehen" noch den Boulettengrill aufsuchen bedeutete. Für Vegetarier bleiben nur kleine Käsepasteten, die zwar einzeln ganz ok sind, zu zwanzigst im Magen sich aber auch nicht die reinen Freude entwickelnd. Es klebt innen, es kratzt am Gaumen, hin und wieder richt man den Gestank aus der grossen Chilikanonen. Und so klammert sich das Volk am Weinglas fest, ist froh, überhaupt reingekommen zu sein, und jammert über die Krise, während der letzte Hühnerstreifen hinter grellrot geschminkten Lippen verschwindet. Angemessener Einsatz von Kosmetika im Buchgeschäft ist auch so ein Thema, bei dem die noch viel lernen müssen.



Wäre die New Economy mitsamt Buffets im Jahe 2001 den plötzlichen Kindstot gestorben, wäre das Siechtum weitergegangen, mit allen Auswirkungen auf die kulinarische Qualität, dann wären wir Ende 2004 auf dem Niveau angekommen, auf dem Fischer gestern war.

Trotzdem, sagte meine Begleiterin, letztes Jahr sei es mit Reispampe noch schlimmer gewesen. Die hat dann auch länger gehalten. Notstandsverwaltung. Sex, Glamour, Grandezza, der grosse Auftritt - das sind so die Dinge, die man dann auch vergeblich sucht. Sie klatschen eine junge Frau aufs Cover, und drinnen erzählen alte Knacker was über ihre Jugend. Sie verschicken Einladungen auf schwerem Papier, und nachher hat man einen schweren Magen. So kommen die nie aus der Krise.

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Dienstag, 5. Oktober 2004

Munich Area Fuck up

Aus der aktuellen Unternehmensbeschreibung einer Firma mit einigem Venture Capital:

wirfindenkrisegeil.tv betreibt ein konsequentes Kostenmanagement. Dafür nutzt der Sender auch durch die Veränderung des Medienmarktes entstandene strukturelle Überkapazitäten. So hat wirfindenkrisegeil.tv besonders niedrige Produktionskosten, ohne dass das Programm sich in seinen qualitativen Standards von diesen Wettbewerbern unterscheidet.

Man spart sogar an den Kommata. Für einen ordentlichen Texter hat es wohl nicht gereicht. Schlecht in einer Branche, die auch mit Worten Zeug verkaufen will. Shifting Back2Overcapacity, soon, I guess.

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Der Wagen zum D&G-Täschchen

ist laut, fängt ab 130 an zu pfeifen wie ein notgeiler Dampfwalzenfahrer, passt wie eine Sardinenbüchse und hat das Blech derselben, und nach 100 Kilometern fühlt man sich wie der Tintenfisch, nachdem er hundert mal auf den Felsen geklatscht wurde.



Zu Risiken und Nebenwirkungen wie Bandscheibenvorfall, Gehörschaden und Muskelzerrungen fragen Sie nicht Don Alphonsos kleine Schwester, die wirdSie nur dreist anlügen, sondern ihren sonst glücklich Punto fahrenden älteren Bruder.

Als sie den Barchetta bekam, hätte sie auch ein Fiat Coupe haben können. Das war zu einer Zeit, als Barchettas offiziell in Deutschland noch gar nicht erhältlich waren, und der Importeur hatte von seiner Spritztour eben auch ein rotes Coupe mitgebracht. Alle sagten ihr, ein offener Fiat ist in Deutschland so sinnvoll wie ein Regenmantel aus Papier. In einer letzten verzweifelten Aktion rief mich mein Vater an, ob er das Coupe für mich nehmen sollte, in der Hoffnung, dass sie später vielleicht den geschlossenen Wagen nimmt. Der nächste Winter würde kommen...

Ich sagte dankend nein, und sie blieb beim Barchetta, obwohl das Ding nur seltsame Geräuche von sich gibt, keinen Platz für gar nichts hat und man den Schminkkofferraum nicht zuhauen darf, weil sonst das Blech Dellen bekommt. Sie fährt damit auch im Winter, wenn sie die Türgriffe jeden morgen mit einer Flasche voller heissem Wasser enteisen muss - anders kriegt man die versenkten Hebel nicht aus der Vertiefung. Zum Glück hat es heute nicht geregnet, sonst hätte ich auf einem nassen Schwamm noch München fahren müssen. Nur ein stehender Barchetta in der Morgensonne ist ein guter Barchetta.

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Dienstag, 5. Oktober 2004

Immer den Schlüssel aus dem Kofferraum raustun

wenn man den Kofferraum zu macht. Wenn man es nicht tut, versaut man sich das Essen mit einer schhönen Frau durch 7 (!) hysterisch-familiäre Anrufe, und muss mit dem Spider der kleinen Schwester nach hause fahren.

Life is Hell, wie Kai Pahl immer so schön sagt.

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Freitag, 1. Oktober 2004

Die Hölle, das sind die anderen

Die Tochter von gegenüber hat geheiratet. Einen Funktionsträger einer christlichen Organisation in Norddeutschland. Es muss wohl ziemlich gekracht haben, weil der Schwiegervater ordentlich Geld ausgeben wollte, Bio-Nutella und Fleisch von glücklichen Rindern, wie das hier nun mal so üblich ist, wo man mit dem 400 PS starken RS2 40 Kilometer weit fährt, um sich die Wurst beim richtigen Metzger zu kaufen.

Der Bräutigam empfand das als Verschwendung, und wollte lieber abgepacktes Zeug. Die Braut redet zwar auch gegen offensichtlichen Luxus, verzichtet bewusst auf glänzende Biedermeiermöbel, aber für einen ordentlichen, abgebeizten Bauernschrank konnte sie bislang auch Summen hinlegen, die ein afrikanisches Dorf auf drei Monate ernähren würden. Es ist gewissermassen Luxuslosigkeit für den Preis von Luxus, was man dort predigt. Nicht der Verzicht, den der nach-68-geprägte Bräutigam fordert.

Mal schaun, wie lang das hält. Früher nannte man das in unseren Kreise noch eine Mesalliance.

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Mittwoch, 29. September 2004

Früher war es im August.

Und in Köln. Und es war richtig voll und wichtig. Prominenz kam auch. Kein Wunder, dass Thomas Middelhoff den Umbau von Bertelsmann zum eKonzern auf der Popkomm verkündete. Papier, Siliconscheiben, Pappe, Videokasetten, das war alles nicht mehr wert, für einen kurzen Moment im August des Jahres 2000. Middelhoff wollte das Netz erobern, und Musik war der Schlüssel dazu; digital, so schnell wie das Licht, nicht materiall, billig, omnipräsent, emotional, der Türöffner.

"Haben Sie den Mut, auch Fehler zu machen und alles komplett in Frage zu stellen. Sehen sie die Chance und nicht so sehr das Risiko", rief er in die Menge der anwesenden Music-Bizzler, und alle hörten es gerne. Denn das Fiasko der New economy war nach damaliger Lesart ein versagen unfähiger junger Leute, und die grossen Konzerne würden sich jetzt daran machen, die Trümmer aufzusammeln und das grosse Geschäft zu machen.

Es war strahlend schön, in diesem August 2000. Man hatte die Medien gut ausgehalten, man war nett, man war gut drauf. Und dann sagte Middelhoff etwas, was sich bewahrheitet hat, etwas, weshalb ich ihn immer noch achte: "Die neue Technik a la Napster ist nicht mehr zu stoppen."



Ansonsten: Middelhoff hat die Risiken wirklich nicht gesehen. Das Internet ist kein Markt, sondern für die Musikinustrie das Tor zur Hölle. Und es ist noch längst nicht vorbei. Was nicht zu stoppen ist, ist nicht die Technik - was nicht zu stoppen sind, sind die Menschen dahinter.

Jetzt ist die Popkomm in Berlin angekommen. Es geht nicht mehr ums Erobern, sondern nur noch unm den möglichst geordneten Rückzug. Man baut digitale Barrikaden und rechtliche Gräben im Netz. Der Kunde ist der Feind. Es ist fast Oktober; es regnet, es ist kalt, und wenn es am Morgen doch klaren Himmel gibt, pfeift ein eisiger Wind durch die Strassen.

Die Popkomm ist da. Bald ist sie wieder weg, und die Sozialhilfeempfänger sparen weiterhin auf die neue 200 GB-Platte, für all den Krempel aus dem Netz.

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Schimpfworte aus dem Marketing-Sumpf

"Restmarktabschöpfer" - klingt eklig, ist es auch, betrifft gedungene News-Contentzusammenklatscher, und wurde bei IT&W gefunden.

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Mittwoch, 29. September 2004

Feuern und gefeuert werden

Im Prinzip mag ich solche Typen ja, weil sie das Pseudomedium Glotze so kaputt machen, wie es nun mal ist - aber die mit der Fresse voran im Quotenstaub liegen zu sehen, turnt natürlich voll an. (via Girl)

Und wie es dem Mol ergeht, kann es auch den anderen Mo-x dieser Welt ergehen.

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Montag, 27. September 2004

Freuden der Öffentlichkeit II

wegen der Wiederholung der leidigen Sache mit ungefragter Autorenschaft bei einer gewissen Frankfurter Billigzeitung, was ja angeblich nicht mehr vorkommen sollte. Wie sagt nicht der Lateiner so schön? Audiatur et altera pars, auch bekannt als Zulieferer:

BloggerInnen die keine Email-Adresse angeben, kann man auch keine Email senden.

Kann man (hier) so sehen. Und sagen. Und machen. Klar. Denn wer etwas ins Netz stellt, will auch gelesen und zitiert werden. Eigentlich sehr einfach. Oder so.

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Freuden der Öffentlichkeit I

hier: Geplatzte Abmahnversuche gegen Blogger.de. Nach drei Stunden Öffentlichkeit wieder zurückgezogen. Grosse Klappe, nichts dahinter.

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