Montag, 18. Oktober 2004
Bitte erschiesst mich
an dem Tag, an dem ich statt Treffpunkt Meeting Point sage.
donalphons, 22:02h
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Nicht kommen
Die Medientage München sind die Fortsetzung des Oktoberfestes mit anderen Mitteln. Oder war es zumindest, früher, so in der Zeit bis 2002. Normalerweise musste man sich anmelden, einen Marathon durch die Orga machen, um in die richtigen Events zu kommen - es sei denn, der Pressesprecher hatte den falschen Eindruck und stufte einen ganz an der Spitze der Medienschaffenden ein, was mit einem Redaktionssitz am Broadway, NY, nicht wirklich schwer war. Dann war es dort, als hätte man beinm Oktoberfest eine Freikarte für immer und alles gehabt, die Ansicht der rotgesichtigen, begeisterten Medienmanager aus aller Welt, auf die tanzenden Mädchen, auf die Hostessen, die die Bedienungen ersetzten und auf die Kollegen, die sich gegenseitig auf die Schultern klopften und dachten, das grosse Fressen würde nie enden.
Letztes Jahr war ich zu dieser Zeit in Norddeutschland unterwegs, und schaffte es erst am letzten Tag in die Systems. Irgendwo, zwischen begrünter Freifläche und Eingang zum Mediencampus, schwor ich mir, dass ich mich 2004 nicht nochmal breitschlagen lassen würde. Die pampigen Sandwiches bei einer Abendveranstaltung gaben mir dann den Rest. Keine Chance mehr für die Medientage, für das wehleidige Besucherpack, das jetzt die Folgen von einer Dekade Protz und Verschwendung, grossen Teils auf Kosten des Staates und der Allgemeinheit, in die Säuferleber geprügelt bekam. Kein Mitleid für die Kids, die noch immer nicht kapiert hatten, dass jeder Metzger, jede Einzelhändlerin ein besseres Leben vor sich hat als Spinner wie sie, die auf der Suche nach dem Glück durch die Messehallen stolperten, wie weiland die Conquistadores auf Haiti bei der vergeblichen Jagd auf Gold.
Trotzdem haben sie mich noch immer nicht aus ihrem Grosskotz-Verteiler geschmissen. Ich möchte doch bitte, ich soll doch, es würde sie sehr freuen, und mein Magen hüpft vor Abscheu bei jedem Wort und bei der Erinnerung an die Mayonaise. Um so überraschender die Absagen, die Kollegen treffen: Da wird brutal gesiebt, da dürfen nur wenige kommen, da müssen viele leider draussen bleiben. Als ob jemand kommen würde, um glibbrige, weiche, schleimige Sandwiches zu schnorren. Oder ist die Versorgungslage schon so schlimm? Ich werde es nicht erfahren, ich komme nicht.
Letztes Jahr war ich zu dieser Zeit in Norddeutschland unterwegs, und schaffte es erst am letzten Tag in die Systems. Irgendwo, zwischen begrünter Freifläche und Eingang zum Mediencampus, schwor ich mir, dass ich mich 2004 nicht nochmal breitschlagen lassen würde. Die pampigen Sandwiches bei einer Abendveranstaltung gaben mir dann den Rest. Keine Chance mehr für die Medientage, für das wehleidige Besucherpack, das jetzt die Folgen von einer Dekade Protz und Verschwendung, grossen Teils auf Kosten des Staates und der Allgemeinheit, in die Säuferleber geprügelt bekam. Kein Mitleid für die Kids, die noch immer nicht kapiert hatten, dass jeder Metzger, jede Einzelhändlerin ein besseres Leben vor sich hat als Spinner wie sie, die auf der Suche nach dem Glück durch die Messehallen stolperten, wie weiland die Conquistadores auf Haiti bei der vergeblichen Jagd auf Gold.
Trotzdem haben sie mich noch immer nicht aus ihrem Grosskotz-Verteiler geschmissen. Ich möchte doch bitte, ich soll doch, es würde sie sehr freuen, und mein Magen hüpft vor Abscheu bei jedem Wort und bei der Erinnerung an die Mayonaise. Um so überraschender die Absagen, die Kollegen treffen: Da wird brutal gesiebt, da dürfen nur wenige kommen, da müssen viele leider draussen bleiben. Als ob jemand kommen würde, um glibbrige, weiche, schleimige Sandwiches zu schnorren. Oder ist die Versorgungslage schon so schlimm? Ich werde es nicht erfahren, ich komme nicht.
donalphons, 15:10h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 18. Oktober 2004
Ein Empfang
wie ein Rausschmiss oder die Neue Unbehaglichkeit.

Deutliche Anleihen an das Filmdesign im Babelsberg der 30er und frühen 40er Jahre, vielleicht auch etwas Speer. Darin sehr verloren und leicht unpassend der Eames Chair. Wenn sie könnten, würden sie monochrome Menschen reinsetzen, damit kein Farbschmutz das Ambiente der Nichtigkeit stört.

Deutliche Anleihen an das Filmdesign im Babelsberg der 30er und frühen 40er Jahre, vielleicht auch etwas Speer. Darin sehr verloren und leicht unpassend der Eames Chair. Wenn sie könnten, würden sie monochrome Menschen reinsetzen, damit kein Farbschmutz das Ambiente der Nichtigkeit stört.
donalphons, 01:40h
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Samstag, 16. Oktober 2004
Herbstfest
Die Bernauer Strasse hat sich seit dem Fall der Mauer kaum geändert. Es ist eine innerstädtische Ödnis, leer, brach und ungenutzt. Nur an der Brunnenstrasse schlagen ein paar Penner oder Frühpensionäre ihr Lager auf, ein Tisch und eine Bank, und dann packen sie die Flaschen aus und saufen sich sprachlos in das Vergessen oder die Träume von der Deutschen Demokratischen Republik, als sie noch einen Posten und Ansehen als Parteimitglied hatten.

Man will dagegenhalten. Die Stadt lässt hier Volksfeste zu, die für ein paar Tage Leben, Remidemmi und Vergügen simulieren sollen. Was anderes fällt ihnen auf die Schnelle nicht ein. Die Besitzverhältnisse des Geländes sind nicht geklärt, und solang die Prozesse laufen, wird sich daran auch nichts ändern. Was eigentlich kein Problem ist, in einer Stadt, wo der heisse Krieg bis 45 und der kalte Krieg bis 89 immer noch schwärende Wunden, tiefe Kratzer und Löcher hinterlassen hat. Ein paar Meter die Strasse runter fehlen drei Eckhäuser. Auf den Flächen haben sich ein Gebrauchtautohändler, ein ambulantes Blumengeschäft und, auf dem dritten, eine ganze Menge Unkraut breit gemacht. Kann sein, dass der nächste potentielle Investor erst mal Kröten umsiedeln muss, oder Ausgleichräume schaffen, irgendwo vor der Stadt, damit die dort seit Jahrzehnten siedelnden, wahrscheinlich seltenen Pflanzen und Insekten einen neue Heimat bekommen.
Am Mauerstreifen ist das nicht zu befürchten. Banales Gras, ein paar Büsche, das ist alles, was sich durt in den letzten 15 Jahren angesiedelt hat. Da kann man schnell mal was drüberklatschen, so eine Volksbelustigungsgeschichte mit Autoscooter, Karusell, Würstchenbude und Losstand. Was man halt sokennt und aus der näheren Umgebung ranschaffen kann.

Aber leise muss es natürlich sein, wegen der Anwohner. Und nicht zu blinkend schrill, und bitte auch nicht allzu lange, schliesslich will man schlafen, und Ruhe ist die erste Bürgerpflicht bis heute, ist ja Preussen, wa. Da hat so ein fest auch nicht allzu spassig zu sein, und Wind und Regen von der Nordsee treiben die letzten Kids weg nach Hause vor die Glotze. Oder in die richtigen Autos, mit denen sie durch die regennassen Strassen der Stadt preschen, da kann die Musik wenigstens richtig LAUT sein, das ist schneller, nur rumbumsen kann man nicht, aber vielleicht findet man ja mehr Glück als bei so einem komischen Losstand; nicht nur einen rosa Plüschelefanten, sondern was fürs Bett, für die Nacht oder einfach nur für den Rücksitz, wenn die Eltern daheim was dagegen haben, und damit kann man am nächsten Morgen ja auch ordentlich angeben.
Auf dem Herbstfest geht das ohnehin nicht, die Büsche sind zu dünn, es ist zu kalt und windig, und Bierzelte wie in Bayern gibt es auch nicht. Sie nennen es Herbstfest - aber mit einem Fest hat es nichts zu tun. Herbsttrauerveranstaltung wäre ein aktzeptabler Begriff.
Hinweis: beitrag für 3Sat, bitte keine Beschwerden!

Man will dagegenhalten. Die Stadt lässt hier Volksfeste zu, die für ein paar Tage Leben, Remidemmi und Vergügen simulieren sollen. Was anderes fällt ihnen auf die Schnelle nicht ein. Die Besitzverhältnisse des Geländes sind nicht geklärt, und solang die Prozesse laufen, wird sich daran auch nichts ändern. Was eigentlich kein Problem ist, in einer Stadt, wo der heisse Krieg bis 45 und der kalte Krieg bis 89 immer noch schwärende Wunden, tiefe Kratzer und Löcher hinterlassen hat. Ein paar Meter die Strasse runter fehlen drei Eckhäuser. Auf den Flächen haben sich ein Gebrauchtautohändler, ein ambulantes Blumengeschäft und, auf dem dritten, eine ganze Menge Unkraut breit gemacht. Kann sein, dass der nächste potentielle Investor erst mal Kröten umsiedeln muss, oder Ausgleichräume schaffen, irgendwo vor der Stadt, damit die dort seit Jahrzehnten siedelnden, wahrscheinlich seltenen Pflanzen und Insekten einen neue Heimat bekommen.
Am Mauerstreifen ist das nicht zu befürchten. Banales Gras, ein paar Büsche, das ist alles, was sich durt in den letzten 15 Jahren angesiedelt hat. Da kann man schnell mal was drüberklatschen, so eine Volksbelustigungsgeschichte mit Autoscooter, Karusell, Würstchenbude und Losstand. Was man halt sokennt und aus der näheren Umgebung ranschaffen kann.

Aber leise muss es natürlich sein, wegen der Anwohner. Und nicht zu blinkend schrill, und bitte auch nicht allzu lange, schliesslich will man schlafen, und Ruhe ist die erste Bürgerpflicht bis heute, ist ja Preussen, wa. Da hat so ein fest auch nicht allzu spassig zu sein, und Wind und Regen von der Nordsee treiben die letzten Kids weg nach Hause vor die Glotze. Oder in die richtigen Autos, mit denen sie durch die regennassen Strassen der Stadt preschen, da kann die Musik wenigstens richtig LAUT sein, das ist schneller, nur rumbumsen kann man nicht, aber vielleicht findet man ja mehr Glück als bei so einem komischen Losstand; nicht nur einen rosa Plüschelefanten, sondern was fürs Bett, für die Nacht oder einfach nur für den Rücksitz, wenn die Eltern daheim was dagegen haben, und damit kann man am nächsten Morgen ja auch ordentlich angeben.
Auf dem Herbstfest geht das ohnehin nicht, die Büsche sind zu dünn, es ist zu kalt und windig, und Bierzelte wie in Bayern gibt es auch nicht. Sie nennen es Herbstfest - aber mit einem Fest hat es nichts zu tun. Herbsttrauerveranstaltung wäre ein aktzeptabler Begriff.
Hinweis: beitrag für 3Sat, bitte keine Beschwerden!
donalphons, 14:59h
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Donnerstag, 14. Oktober 2004
Nackt in Mitte
Langsam nimmt das Kapital wieder Fahrt auf und fräst sich weiter in die Subkultur. Die Kastanienallee ist lang, noch gibt es weite Flecken Andersartigkeit, aber jetzt geht es an die unersetzliche Infrastruktur für biersüchtige Punks, rheumakranke Autonome und abhängige Kleindealer; 15-EuroQuickie-Mädels verlieren ihren Anlaufpunkt, und die Designerinnen der Kaputtheit die Strasse runter werden sich einen anderen Ort für dsie schnelle Pulle Nachts um drei suchen müssen.
Flashback. Februar dieses Jahres. Date bei meinem Verleger, Debatte um Blogs! und das Aussehen, um urbanen Lifestyle, wenn man das Gesumpfe wirklich als Leben definieren will. Er meint, man soll sich mal die Gestalten an diesem Nachtkauf Nudes anschauen, wenn man wissen will, was wirklich abgeht in der Stadt.
Seitdem bin ich öfters daran vorbeigelaufen. Wollte vielleicht mal drüber schreiben, über die Mädels, die einen anpumpen, weil sie da drin keinen Kredit mehr bekommen, über ihre Hunde und das Leben, das die in irgendwelchen Abbruchbuden führen und den Eltern irgendwo in der Provinz erzählen, dass alles gut geht und das Studium schon irgendwie passt, während sie auf der Suche nach einem Kreativjob und dünn sind, wie man für solche Jobs sein sollte, aber eben dünn aus Hunger,dieser nagenden, unvermeidlichen Bestie, aber es muss so sein denn das Geld brauchen sie für die Träume, die sie in gelben und rosa Pillen kaufen, und die exorbitante Handyrechnung, weil das Festnetz längst abgestellt wurde. Über das Grauen und die Hoffnung in ihren Augen, über dieses Gefühl, dass man sie einfach niederschlagen will und in das Auto zerren und sie heimbringen zu ihren verdammt blöden 68er Eltern, damit sie die ins Bett packen, zudecken und am nächsten Tag nochmal etwas erziehen, nicht zu einer karrieregeilen Pitchersau, aber zumindest so weit, dass es täglich eine warme Mahlzeit statt der scheisssynthetischen Pillen gibt, und darüber, dass das alles in den paar Sekunden passiert, wenn ich ihnen was gebe und dann trotzdem die halbe Nacht nicht schlafen kann, weil ich einfach noch nicht abgebrüht genug bin, um diesen Leuten beim draufgehen zuzuschauen, und das wird sich auch nie ändern, solange ich es sehe.

Aber wie es aussieht, sorgt das Kapital für mich und befreit mich von den Racheengeln. Die Vermieter haben dem Nudes gekündigt, es hat zu gemacht, die Leuchtschrift, von der es seinen Namen hat, ist erloschen. Vielleicht macht dort die nächste Coffeee-Shop-Kette einen Franchise-Laden auf. Oder ein Restaurant mit pseudokreativer Einrichtung, verspielt und mit Happy Hour für Mai Thais. Oder eine Agentur mit Trendscouts, die hier nach dem wahren Leben suchen und es dann auf Powerbooks bannen, um es den Konzernzentralen in London, Singapur oder Gütersloh zu schicken, wo Produkte für den Massengeschmack der Provinz entstehen.
Morgen Abend gibt es dort nochmal eine letzte Party, mit DJs, Mädchen, Hunden, Kleindealern und dem Mittepack, das sich das aus Kredibilitätsgründen antun wird, bevor sie am Montag wieder Projekte entwickeln und sich bei einer Bank bewerben, Abteilung Kreditwesen.
Flashback. Februar dieses Jahres. Date bei meinem Verleger, Debatte um Blogs! und das Aussehen, um urbanen Lifestyle, wenn man das Gesumpfe wirklich als Leben definieren will. Er meint, man soll sich mal die Gestalten an diesem Nachtkauf Nudes anschauen, wenn man wissen will, was wirklich abgeht in der Stadt.
Seitdem bin ich öfters daran vorbeigelaufen. Wollte vielleicht mal drüber schreiben, über die Mädels, die einen anpumpen, weil sie da drin keinen Kredit mehr bekommen, über ihre Hunde und das Leben, das die in irgendwelchen Abbruchbuden führen und den Eltern irgendwo in der Provinz erzählen, dass alles gut geht und das Studium schon irgendwie passt, während sie auf der Suche nach einem Kreativjob und dünn sind, wie man für solche Jobs sein sollte, aber eben dünn aus Hunger,dieser nagenden, unvermeidlichen Bestie, aber es muss so sein denn das Geld brauchen sie für die Träume, die sie in gelben und rosa Pillen kaufen, und die exorbitante Handyrechnung, weil das Festnetz längst abgestellt wurde. Über das Grauen und die Hoffnung in ihren Augen, über dieses Gefühl, dass man sie einfach niederschlagen will und in das Auto zerren und sie heimbringen zu ihren verdammt blöden 68er Eltern, damit sie die ins Bett packen, zudecken und am nächsten Tag nochmal etwas erziehen, nicht zu einer karrieregeilen Pitchersau, aber zumindest so weit, dass es täglich eine warme Mahlzeit statt der scheisssynthetischen Pillen gibt, und darüber, dass das alles in den paar Sekunden passiert, wenn ich ihnen was gebe und dann trotzdem die halbe Nacht nicht schlafen kann, weil ich einfach noch nicht abgebrüht genug bin, um diesen Leuten beim draufgehen zuzuschauen, und das wird sich auch nie ändern, solange ich es sehe.

Aber wie es aussieht, sorgt das Kapital für mich und befreit mich von den Racheengeln. Die Vermieter haben dem Nudes gekündigt, es hat zu gemacht, die Leuchtschrift, von der es seinen Namen hat, ist erloschen. Vielleicht macht dort die nächste Coffeee-Shop-Kette einen Franchise-Laden auf. Oder ein Restaurant mit pseudokreativer Einrichtung, verspielt und mit Happy Hour für Mai Thais. Oder eine Agentur mit Trendscouts, die hier nach dem wahren Leben suchen und es dann auf Powerbooks bannen, um es den Konzernzentralen in London, Singapur oder Gütersloh zu schicken, wo Produkte für den Massengeschmack der Provinz entstehen.
Morgen Abend gibt es dort nochmal eine letzte Party, mit DJs, Mädchen, Hunden, Kleindealern und dem Mittepack, das sich das aus Kredibilitätsgründen antun wird, bevor sie am Montag wieder Projekte entwickeln und sich bei einer Bank bewerben, Abteilung Kreditwesen.
donalphons, 16:47h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 13. Oktober 2004
Die Armut trifft mich wie ein Schlag.
Ich bin spät Nachts nach Berlin gefahren, habe mich 2 Tage eingebunkert und nachgearbeitet. Die paar Meter von der Wohnung zum Büro gibt es keinen Schmutz, keine gebrauchten Kondome, keine abgestellten Möbel. Vor dem Fenster steht ein Baum, und mildert die Aussicht auf den Betonklotz auf der anderen Seite der Kreuzung.
Aber dann muss ich doch raus, rüber über die Brücke zur Post, und auf dem Weg dorthin ist alles in den unterschiedlichen Stadien des Zerfalls. "Frisch restauriert" gibt es nicht, der billige Putz bröckelt sofort weiter, die Sprayer freuen sich über die Freiflächen, und jedes kleine Fleckchen unter den Bäumen wird zur gemeinschaftlichen Müllkippe. Die Gegend ist nicht reich, aber doch nicht so arm, als dass sie auf das Saufen aus den Dosen verzichten würden, die hier rumliegen. Hinter den alten Fenstern hängen oft nur nackte Glühbirnen von der Decke; draussen sind noch Kriegsschäden sichtbar.

Und durch all diesen Niedergang werde ich morgen fahren, in ein topsaniertes Edelgebäude, wo ein unsinkbarer Konzern seinen Geburtstag feiern wird, mit etwas Kunst zum Thema Identität im digitalen Zeitalter, vorbei an den Pennern, den türkischen Kids und den Sozialhilfeempfängern mit Alkoholproblem, und ich werde reden, höflich sein und nicht darüber diskutieren, dass das digitale Zeitalter eine Luxusflucht für ein paar wenige ist, während draussen der analoge Müll regiert, vor dem man eine Weile die Augen verschliessen kann, als digitale Identität, aber irgendwann werden sie kommen und uns holen, wenn wir nicht schnell genug wieder weg sind, oder mal bei unserem Springen von Fluchtpunkt zu Fluchtpunkt ausrutschen.
Aber dann muss ich doch raus, rüber über die Brücke zur Post, und auf dem Weg dorthin ist alles in den unterschiedlichen Stadien des Zerfalls. "Frisch restauriert" gibt es nicht, der billige Putz bröckelt sofort weiter, die Sprayer freuen sich über die Freiflächen, und jedes kleine Fleckchen unter den Bäumen wird zur gemeinschaftlichen Müllkippe. Die Gegend ist nicht reich, aber doch nicht so arm, als dass sie auf das Saufen aus den Dosen verzichten würden, die hier rumliegen. Hinter den alten Fenstern hängen oft nur nackte Glühbirnen von der Decke; draussen sind noch Kriegsschäden sichtbar.

Und durch all diesen Niedergang werde ich morgen fahren, in ein topsaniertes Edelgebäude, wo ein unsinkbarer Konzern seinen Geburtstag feiern wird, mit etwas Kunst zum Thema Identität im digitalen Zeitalter, vorbei an den Pennern, den türkischen Kids und den Sozialhilfeempfängern mit Alkoholproblem, und ich werde reden, höflich sein und nicht darüber diskutieren, dass das digitale Zeitalter eine Luxusflucht für ein paar wenige ist, während draussen der analoge Müll regiert, vor dem man eine Weile die Augen verschliessen kann, als digitale Identität, aber irgendwann werden sie kommen und uns holen, wenn wir nicht schnell genug wieder weg sind, oder mal bei unserem Springen von Fluchtpunkt zu Fluchtpunkt ausrutschen.
donalphons, 22:05h
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Es gab eine Zeit
als das neue Jahrtausend begann und die neue Technologie, die neue Wirtschaft schon am Ende war, 2000, als man erst mal nicht daran dachte, jetzt zu bremsen, denn so schlimm wird das schon nicht, als man bis Oktober eifrig weiter plante, und schliesslich eine ganze Hallenebene für das Internet zur Verfügung stellte. eBooks, Rocketbooks, Book on Demand, Bertelsmann On Line, totes Holz ist tot, es lebe das Licht in den globalen Glasfaserleitungen auf zigtausend Quadratmeter Austellungsfläche.

2004 heisst es Digital Marketplace, was soviel bedeuetet wie dass es einen Platz für einen Markt gibt, aber deshalb noch lang keinen Markt. In Halle 4.2 hinten zwischen einer grossen Freifläche und ein paar Wirtschaftsverlagen sind die Bretterverschläge der letzten Internetapologeten, heute sind sie Dienstleister. Oder wollen es zumindest sein, denn kaum jemand verirrt sich hierher, wo das Leben nicht tobt und allenfalls Facheinkäufer für Wissenschaftsbücher auf dem Weg zur Toilette vorbeieilen.
Manchmal rottet sich das Personal der Gemeinschaftsstände des Platzes zusammen und zeigt sich gegenseitig Powerpoint Präsentationen auf den Laptops. Erkennt man daran, dass hinter einer Bretterwand ein Dutzend Anzugträger stehen und das nähere Umfeld leergefegt ist. Ganz selten kommt mal ein Jobsucher vorbei und wird wieder weggeschickt. Das wird noch auf der Systems schlimm genug.

2004 heisst es Digital Marketplace, was soviel bedeuetet wie dass es einen Platz für einen Markt gibt, aber deshalb noch lang keinen Markt. In Halle 4.2 hinten zwischen einer grossen Freifläche und ein paar Wirtschaftsverlagen sind die Bretterverschläge der letzten Internetapologeten, heute sind sie Dienstleister. Oder wollen es zumindest sein, denn kaum jemand verirrt sich hierher, wo das Leben nicht tobt und allenfalls Facheinkäufer für Wissenschaftsbücher auf dem Weg zur Toilette vorbeieilen.
Manchmal rottet sich das Personal der Gemeinschaftsstände des Platzes zusammen und zeigt sich gegenseitig Powerpoint Präsentationen auf den Laptops. Erkennt man daran, dass hinter einer Bretterwand ein Dutzend Anzugträger stehen und das nähere Umfeld leergefegt ist. Ganz selten kommt mal ein Jobsucher vorbei und wird wieder weggeschickt. Das wird noch auf der Systems schlimm genug.
donalphons, 04:19h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 12. Oktober 2004
Postmessial
Da war einer, der ein Buch angeboten hat. Randthema. Aber er hat es klug gemacht, und er hatte wohl auch den richtigen Riecher. Manchmal geht es wirklich so einfach, ran an den Stand, den Entscheidungsträger anquatschen, aus dem 30 Sekunden-Pitch wird ein 10-Minuten-Talk, sie tauschen die Adressen, und dazwischen kann man überlegen, warum der Verlag es nehmen wird: Klar definierte Zielgruppe mit Geld und einem gewissen Fanatismus, Thema ist im Trend, es gibt kein anderes hochwertiges Produkt, und der Autor hat erkennbar Ahnung von der Sache. Wenn man den ganzen Dreck des Betriebs nur einmal gerochen hat, den Schweiss der Ochsentour durch Lektorate und Pressestellen, dann geht einem bei solchen Szenen das Herz auf.
Es ist Buchmesse, und Buchrebellen ohne Markt suchen Verleger, die oft genug fälschlicherweise behaupten, einen Markt zu haben. Es ist ein Schneeballsystem, manche werden dadurch reich und kriegen die Gutscheine für die Parties, wo über die staatliche Stütze in Form von Einladungen zu Literaturfesten verhandelt wird, andere müssen sich ihre Märkte erkämpfen, und die grosse Mehrheit versagt. Sophie Dannenbergs Erstling wird nach dem grossen Scheitern ebenso versteckt wie Ariane Grundies, auch nach Dobellis Zweitling muss man lange suchen, so verhuscht steht er am Rand. Zwei, drei Monate machen aus prognostizierten Bestsellern Füllmaterial für internationale Stars, und das Heer anderer Buchwilliger steht schon bereit, in den Lesebühnen, bei den Agenten und den Schreibwettbewerben.

It´s a fucking war out there, und obwohl sie und ich auf den gleichen Markt zielen, bin ich doch nicht dabei, ich stehe am Rand und wundere mich, warum die sich so kaputt machen lassen. Da balgen sie sich mit 350 verkauften Exemplaren um den gleichen kleinen Kreis vn unglücklichen, ungefickten Mitte-Germanistik-Proseminaristinnen, versuchen es über karge Sätze und geschwollene Klappensülze, der Verleger sagt was über die Pflicht, die Jugend zu bedienen, die längst vor MTV abhängt und auf Kuttners ersten Roman oder so wartet, über den dann die Bild was schreibt. Vielleicht kriegen die Neuen auch noch die Awareness eines Aufmachers einer Opazeitung, deren Leser weiterblättern zur nächsten Was waren wir damals für feine Kerle und die Russen waren fies Apologie, oder zum Moralkeulenhändler, oder zum Bildband, den der Rezensent dann zu Weihnachten an Mutti verschenken wird.
Die Messe ist was schönes. Bücher sind was schönes. Aber ich fürchte, sie sind etwas antiquiert, und irgendwann wird das Schlachtfeld so umgepflügt, vergiftet und verseucht sein, dass sich die grossen Player doch ein anderes Penetrations-Spielzeug für ihre medialen Weltbeherrschungsphantasien suchen werden.
Amazon hat übrigens in den letzten drei Jahren 20% Marktanteil verloren. In Deutschland. Bei Büchern.
Es ist Buchmesse, und Buchrebellen ohne Markt suchen Verleger, die oft genug fälschlicherweise behaupten, einen Markt zu haben. Es ist ein Schneeballsystem, manche werden dadurch reich und kriegen die Gutscheine für die Parties, wo über die staatliche Stütze in Form von Einladungen zu Literaturfesten verhandelt wird, andere müssen sich ihre Märkte erkämpfen, und die grosse Mehrheit versagt. Sophie Dannenbergs Erstling wird nach dem grossen Scheitern ebenso versteckt wie Ariane Grundies, auch nach Dobellis Zweitling muss man lange suchen, so verhuscht steht er am Rand. Zwei, drei Monate machen aus prognostizierten Bestsellern Füllmaterial für internationale Stars, und das Heer anderer Buchwilliger steht schon bereit, in den Lesebühnen, bei den Agenten und den Schreibwettbewerben.

It´s a fucking war out there, und obwohl sie und ich auf den gleichen Markt zielen, bin ich doch nicht dabei, ich stehe am Rand und wundere mich, warum die sich so kaputt machen lassen. Da balgen sie sich mit 350 verkauften Exemplaren um den gleichen kleinen Kreis vn unglücklichen, ungefickten Mitte-Germanistik-Proseminaristinnen, versuchen es über karge Sätze und geschwollene Klappensülze, der Verleger sagt was über die Pflicht, die Jugend zu bedienen, die längst vor MTV abhängt und auf Kuttners ersten Roman oder so wartet, über den dann die Bild was schreibt. Vielleicht kriegen die Neuen auch noch die Awareness eines Aufmachers einer Opazeitung, deren Leser weiterblättern zur nächsten Was waren wir damals für feine Kerle und die Russen waren fies Apologie, oder zum Moralkeulenhändler, oder zum Bildband, den der Rezensent dann zu Weihnachten an Mutti verschenken wird.
Die Messe ist was schönes. Bücher sind was schönes. Aber ich fürchte, sie sind etwas antiquiert, und irgendwann wird das Schlachtfeld so umgepflügt, vergiftet und verseucht sein, dass sich die grossen Player doch ein anderes Penetrations-Spielzeug für ihre medialen Weltbeherrschungsphantasien suchen werden.
Amazon hat übrigens in den letzten drei Jahren 20% Marktanteil verloren. In Deutschland. Bei Büchern.
donalphons, 16:25h
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Dienstag, 12. Oktober 2004
Kalt Mann
Yo, jeder Satz eine Herausforderung. Er stellt sich hin und knallt rein. Er sagt es, Mann. Fehlt eigentlich nur noch das "ich schwör", und es wäre fast so was wie strassencredibel unter den Kinderkids in der Taunusstrasse. So, vom Lektorat in die klassischen Formen gepresst und mit dem Kreuzberger Pseudoton Marke Lesäbühnä, ist es nur debil.
Ach so, er studierte Mediengestaltung, und war schon mal bei MTV. Das erklärt einiges. Authentisch wie die bekannte lila Kuh. Sowas muss ja in totem Baum auf der Buchmesse enden, eifrig beklatscht von grauhaarigen Pädagoginnen, die das ihren Schülern als jugendgerechte Auseinandersetzung mit Technik und Gefühlen geben werden, weil sie von beiden so wenig verstehen, dass sie sich beim Platzieren eines Vibrators über den Jordan brutzeln würden.
Btw, irgendwie hab ich auf der Buchmesse keinen der so beliebten Schamhaar-Debuttexte gehört.
Ach so, er studierte Mediengestaltung, und war schon mal bei MTV. Das erklärt einiges. Authentisch wie die bekannte lila Kuh. Sowas muss ja in totem Baum auf der Buchmesse enden, eifrig beklatscht von grauhaarigen Pädagoginnen, die das ihren Schülern als jugendgerechte Auseinandersetzung mit Technik und Gefühlen geben werden, weil sie von beiden so wenig verstehen, dass sie sich beim Platzieren eines Vibrators über den Jordan brutzeln würden.
Btw, irgendwie hab ich auf der Buchmesse keinen der so beliebten Schamhaar-Debuttexte gehört.
donalphons, 00:41h
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Sonntag, 10. Oktober 2004
Nacktes Fleisch beim rohen Wohlt
Es hat was von Nepotismus, Günstlingswirtschaft und mafiösen verstrickungen, wenn man jeden Abend nach der Buchmnesse bei Rowohlt speist, in einer jährlich wechselnden Location. Dieses Jahr war es das Jazil, und ich war nicht jede Nacht dort, sondern nur eine. Aber die hat auch gereicht, um das eigene Verlagshaus innig zu lieben.
Rowohlt hat seine Homebase nicht in FFM, sondern in HH, muss also in fremden Räumen repräsentieren und das eigene, nicht gerade geringe Personal abfüttern. Und abfüllen. Am Stand sind sie alle gleich beansprucht von Manuskriptablieferern, Bücherdieben und nervigen Fragern, wo denn jetzt bitte der Walser ist und ob der auch noch 20 Jahre alte Suhrkamp-Schinken aufwertet. So ein Walser im Programm ist ein guter Grund, sich ordentlich zu zu kippen, und so wartet das jazil mit einer langen Theke oben und einem kurzen Buffet unten auf. Immerhin ein Buffet, das einen mit schimmernden Terrinen anlacht, und nicht, wie beim fischigen Fischer mit Quiche in Pillengrösse beleidigt.

Wir lassen die Käsespätzle rechts liegen und widmen uns dank Gutschein den ebenso vegetarischen Tortellini, und doch, die sind gut. Aber irgendwo muss die Kohle ja hin, von den Umsätzen mit den alten Tucholsky-Rechten, und den Gewinnen an Jungautoren, die dann immer flennen, wenn ich mal wieder was von 10% Honorar und ein paar Sutzend Belegexemplaren erzähle. Die tun nur so spendabel, für gäste. Innen drin regieren die Controller.
Und seit neuestem eben auch die Freunde von Walser und die Anhänger gesetzter Altherrenliteratur, sowie FAZ-Ab- und Anonanierer. Seitdem der Moralkeulenfreak dort ist, muss ich bei Rowohlt immer an alte Säcke mit Schuppen auf den Schultern und einem grausligen südschwäbischen Dialekt denken, die immer noch nicht kapiert haben, dass die jungen Frauen einfach keine Lust haben, egal was sie sich später im Kopf zusammenfantasieren. Sex ist hier nicht wirklich Thema, Verlagsangestellte sind heute ganz normale Mitarbeiter und keine verfolgte Minderheit mehr, die sich für Nachkommenschaft die Seele aus dem Leib ficken muss, weil alle paar Tage die Inquisition vorbeischaut und eine Autodafe inszeniert. Statt dessen wird das Programm am Geschmack gestreamlined, und so sehen sie dann auch oft aus.

Und sitzen zur Strafe lang rum, kommen einfach nicht weiter, und wenn sie dann mit 2 Caipis mehr und zwei Gutscheinen weniger von der Bar kommen, ist der Platz neben ihnen leer, und die anderen reden mit anderen Leuten darüber, dass sie nachher noch auf die Blumenbar-Party gehen, für die die älteren Semester dann doch zu vergreist sind.
Da ist eine Discokugel und auch Ntz Ntz Ntz Musik, aber zum Tanzen hat hier keiner Lust. Tanzen, das passt hier nicht her, also stehen sie lieber rum und halten sich an Gläsern fest und sind ganz froh, dass es nicht so laut und voll ist, damit man sich unterhalten könnte, und mehr, wenn es denn klappen würde.
Wir studieren die Drinkliste und finden sie ziemlich öde. Deshalb gehen wir hoch, quetschen uns an die richtige bar, und suchen was ungewöhnliches áus der Cocktailkarte. Mein Drink erweist sich als dünnflüssiger Kaugummi, meine charmante Begleiterin nimmt einen Whiskey der Senatorcard-Klasse. Ich kenne niemanden, ausser einer Frau, mit der ich früher mal studiert habe, aber es ist noch nicht mal schlimm, das Buchgestammel und Projektgefasel lullt mich ein, hinten schimmern rote Gläser, und ich schliesse Wetten mit mir ab, wieviele von den Typen hier nachher durch die Puffs und vorbei an den Nachtschattengewächsen in der Kaiserstrasse ziehen werden.

Und wieviele Mädchen, natürlich auch. Man geht ja überall mit der Zeit und den Bedürfnissen. Nachfrage macht Angebot. Zumindest hab ich mal sowas geschrieben, dass es mit den Frauen als Freierinnen immer besonders heftig wird, wenn die Buchmesse ist. Bislang hat noch niemand widersprochen. Wird schon seinen Grund haben, das.
Rowohlt hat seine Homebase nicht in FFM, sondern in HH, muss also in fremden Räumen repräsentieren und das eigene, nicht gerade geringe Personal abfüttern. Und abfüllen. Am Stand sind sie alle gleich beansprucht von Manuskriptablieferern, Bücherdieben und nervigen Fragern, wo denn jetzt bitte der Walser ist und ob der auch noch 20 Jahre alte Suhrkamp-Schinken aufwertet. So ein Walser im Programm ist ein guter Grund, sich ordentlich zu zu kippen, und so wartet das jazil mit einer langen Theke oben und einem kurzen Buffet unten auf. Immerhin ein Buffet, das einen mit schimmernden Terrinen anlacht, und nicht, wie beim fischigen Fischer mit Quiche in Pillengrösse beleidigt.

Wir lassen die Käsespätzle rechts liegen und widmen uns dank Gutschein den ebenso vegetarischen Tortellini, und doch, die sind gut. Aber irgendwo muss die Kohle ja hin, von den Umsätzen mit den alten Tucholsky-Rechten, und den Gewinnen an Jungautoren, die dann immer flennen, wenn ich mal wieder was von 10% Honorar und ein paar Sutzend Belegexemplaren erzähle. Die tun nur so spendabel, für gäste. Innen drin regieren die Controller.
Und seit neuestem eben auch die Freunde von Walser und die Anhänger gesetzter Altherrenliteratur, sowie FAZ-Ab- und Anonanierer. Seitdem der Moralkeulenfreak dort ist, muss ich bei Rowohlt immer an alte Säcke mit Schuppen auf den Schultern und einem grausligen südschwäbischen Dialekt denken, die immer noch nicht kapiert haben, dass die jungen Frauen einfach keine Lust haben, egal was sie sich später im Kopf zusammenfantasieren. Sex ist hier nicht wirklich Thema, Verlagsangestellte sind heute ganz normale Mitarbeiter und keine verfolgte Minderheit mehr, die sich für Nachkommenschaft die Seele aus dem Leib ficken muss, weil alle paar Tage die Inquisition vorbeischaut und eine Autodafe inszeniert. Statt dessen wird das Programm am Geschmack gestreamlined, und so sehen sie dann auch oft aus.

Und sitzen zur Strafe lang rum, kommen einfach nicht weiter, und wenn sie dann mit 2 Caipis mehr und zwei Gutscheinen weniger von der Bar kommen, ist der Platz neben ihnen leer, und die anderen reden mit anderen Leuten darüber, dass sie nachher noch auf die Blumenbar-Party gehen, für die die älteren Semester dann doch zu vergreist sind.
Da ist eine Discokugel und auch Ntz Ntz Ntz Musik, aber zum Tanzen hat hier keiner Lust. Tanzen, das passt hier nicht her, also stehen sie lieber rum und halten sich an Gläsern fest und sind ganz froh, dass es nicht so laut und voll ist, damit man sich unterhalten könnte, und mehr, wenn es denn klappen würde.
Wir studieren die Drinkliste und finden sie ziemlich öde. Deshalb gehen wir hoch, quetschen uns an die richtige bar, und suchen was ungewöhnliches áus der Cocktailkarte. Mein Drink erweist sich als dünnflüssiger Kaugummi, meine charmante Begleiterin nimmt einen Whiskey der Senatorcard-Klasse. Ich kenne niemanden, ausser einer Frau, mit der ich früher mal studiert habe, aber es ist noch nicht mal schlimm, das Buchgestammel und Projektgefasel lullt mich ein, hinten schimmern rote Gläser, und ich schliesse Wetten mit mir ab, wieviele von den Typen hier nachher durch die Puffs und vorbei an den Nachtschattengewächsen in der Kaiserstrasse ziehen werden.

Und wieviele Mädchen, natürlich auch. Man geht ja überall mit der Zeit und den Bedürfnissen. Nachfrage macht Angebot. Zumindest hab ich mal sowas geschrieben, dass es mit den Frauen als Freierinnen immer besonders heftig wird, wenn die Buchmesse ist. Bislang hat noch niemand widersprochen. Wird schon seinen Grund haben, das.
donalphons, 22:05h
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