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Donnerstag, 19. Mai 2011
Entschuldigen Sie bitte.
.Ja, Sie, die Dame auf dem Roller heute Nacht neben mir. Es gibt leider Arien, in denen die Lautstärkeschwankungen recht hoch sind. Ich gehöre nicht zu denen, die voll aufdrehen, wenn ich durch eine Stadt fahre, aber nun mal auch nicht zu Hobbylobbyisten und ihren verfetteten Mietfressen, dass ich mein Leben vor dem Rechner fristen müsste (oberster Beitrag, Blogbar wird gerade servermässig umgebaut). Da stand ich also, Sie kamen angeknattert - und mit Verlaub, Ihre Kiste war auch nicht legal leise - und dann setzte Frau Kermes an. Richtig. Das drang nicht nur durch ihren Helm, mir ging es auch durch und durch. Ich bin dann ja auch ganz schnell bei Grün von Ihnen weggefahren. Legal, aber schnell.
Trotzdem, es ist nicht so ganz meine Art, andere mit meiner Musik zu belästigen. Ich bin hier als Gast und verbringe meine Tage hier recht still, ich bin immer noch etwas mitgenommen von der Mille Miglia und dem vielfältigen Treibem, das zu beschreiben dem Berichterstatter obliegt, ich brauche danach Urlaub im Urlaub, und dass Frau Kermes so laut läuft, offen in der Stadt - das ist den besonderen Umständen geschuldet. Nein, ich will kein Verständnis, ich denke nur etwas über mein Leben nach.
Entsagung ist ja nicht so mein Ding. Aber auch, wenn es vielleicht manchmal so aussieht, also wäre Nichtstun und darüber Schreiben mein eigentlicher Beruf, stimmt das natürlich nicht. Es ist durchaus eine gewisse Arbeit, diese Existenz so niederzuschreiben, dass sie in sich stimmig ist. Wirklich "nichts tun" wäre dauerhaft auch nicht mein Lebenszweck. Aber andere sehen das anders; ich meine jetzt nicht all die kleinen Hater und Pisser da draussen im Internetdönerschlunz, sondern den Jungen, den ich kannte: Vor ein paar Jahren starben seine Eltern und hinterliessen ihm mehr als genug, wirklich reichlich, dass er kündigen konnte. Er ging mit seinem Hund spazieren, beschaffte sich - endlich - die richtige Freundin, und wenn ihn jemand für diese Arbeitslosigkeit kritisierte, sagte er, das sei ihm egal, er wisse, dass er nicht alt werden würde. Alle Männer in seiner Familie wären früh gestörben.Er war gerade mal 2 Jahre älter als ich, als er vor kurzem und eine Woche nach dem 46. Geburtstag schwere Schmerzen verspürte, den Notarzt rief, aber bis zu dessen Eintreffen war er schon tot.
Seitdem bin ich etwas durcheinander, ich gebe es zu. Da gehen einem dann schon gewisse Gedanken durch den Kopf. 2 Jahre ist nicht wirklich viel. Er hat es instinktiv richtig gemacht, man kann ihm sicher nichts vorwerfen, die Frage ist halt: Was macht man selbst. Die Frage ist für mich nicht so drängend, ich mag das, was ich tue, und wie ich es tue, aber andererseits: Mit solchen - letztlich zutreffenden - Vorahnungen würde ich vielleicht auch manches anders machen. Um Gottes Willen, sicher nicht mit den Dreckschweinen dieser Welt aussöhnen, nein, eher nochmal in die Fresse hauen, der Bande, nur weil sie weiterlebt, muss man es ihnen ja nicht schön machen. Dann habe ich manche Wünsche, die einen gehen Sie nichts an, werte Dame auf dem Roller, die anderen sind eher banaler Natur, aber darüber muss man kaum reden; ich hätter gern noch ein paar Bilder gekauft und geliebt und gelesen, das Übliche halt.
Wären es wirklich nur derer zwei Jahre - zum Glück bin ich der festen Überzeugung, mindestens 95 bei bester Gesundheit zu werden und auch keine Gelenkprobleme zu haben, wenn ich auf den Gräbern meiner Feinde tanze - dann würde ich es einmal mit voller Kraft darauf anlegen, noch einmal in einem alten Auto durch die Porta Borsari zu fahren. Es war dieses Jahr schon recht fein, wie so vieles andere auch - und ganz ehrlich, in Siena war ich wirklich froh, frei zu sein und mir die dort missglückte Sache anschauen zu können. Aber die erste Nacht ist die beste, und die Porta Borsari ist ein besonderer Ort. Sie hat etwas von einem Gipfel, und es war ein Genuss, auf sie zuzufliegen und sie zu durchfahren.
Und das nächste Mal bin ich dann bereit, wieder dort zu sitzen und zuzuschauen, wie sie vorbeikommen und in der Nacht verschwinden. Zuschauen ist auch fein. Alles ist fein, mit Ausnahme von vielem, Berlusconi etwa und seine Anhänger, aber ich bin gern hier, für ein, zwei Monate. Und noch sehr, sehr oft. Inzwischen ist hier wirklich Sommer; es ist noch hell, wenn die Geschäfte schliessen und sich die Italiener auf der Piazza dell Erbe treffen, wo das Orange in den Gläsern funkelt. Bald, das merke ich, wird es ungemütlich.
Dann wird es hier zu heiss, die Touristen kommen wieder in Scharen, die Oper macht auf und vorbei ist es mit der beschaulichen Ruhe. Es wird Zeit, die letzten Besorgungen zu erledigen, denn irgendwann wird in Deutschland die Blüte vorbei und der Pollendreck weggewaschen sein, und eigentlich bin ich auch sehr gern daheim. Aber diese beiden Monate, April, Mai, in Italien, ich denke, ich sollte sie beibehalten. Als Marotte. Eine mehr macht auch nichts mehr aus, so viele Löcher sind gar nicht in Ihrem Auspuff, Madame. Fahren Sie wohl, ich muss heim nach Mantua, wo über den gefluteten Reisfeldern ein blutroter Vollmond steht.
Trotzdem, es ist nicht so ganz meine Art, andere mit meiner Musik zu belästigen. Ich bin hier als Gast und verbringe meine Tage hier recht still, ich bin immer noch etwas mitgenommen von der Mille Miglia und dem vielfältigen Treibem, das zu beschreiben dem Berichterstatter obliegt, ich brauche danach Urlaub im Urlaub, und dass Frau Kermes so laut läuft, offen in der Stadt - das ist den besonderen Umständen geschuldet. Nein, ich will kein Verständnis, ich denke nur etwas über mein Leben nach.
Entsagung ist ja nicht so mein Ding. Aber auch, wenn es vielleicht manchmal so aussieht, also wäre Nichtstun und darüber Schreiben mein eigentlicher Beruf, stimmt das natürlich nicht. Es ist durchaus eine gewisse Arbeit, diese Existenz so niederzuschreiben, dass sie in sich stimmig ist. Wirklich "nichts tun" wäre dauerhaft auch nicht mein Lebenszweck. Aber andere sehen das anders; ich meine jetzt nicht all die kleinen Hater und Pisser da draussen im Internetdönerschlunz, sondern den Jungen, den ich kannte: Vor ein paar Jahren starben seine Eltern und hinterliessen ihm mehr als genug, wirklich reichlich, dass er kündigen konnte. Er ging mit seinem Hund spazieren, beschaffte sich - endlich - die richtige Freundin, und wenn ihn jemand für diese Arbeitslosigkeit kritisierte, sagte er, das sei ihm egal, er wisse, dass er nicht alt werden würde. Alle Männer in seiner Familie wären früh gestörben.Er war gerade mal 2 Jahre älter als ich, als er vor kurzem und eine Woche nach dem 46. Geburtstag schwere Schmerzen verspürte, den Notarzt rief, aber bis zu dessen Eintreffen war er schon tot.
Seitdem bin ich etwas durcheinander, ich gebe es zu. Da gehen einem dann schon gewisse Gedanken durch den Kopf. 2 Jahre ist nicht wirklich viel. Er hat es instinktiv richtig gemacht, man kann ihm sicher nichts vorwerfen, die Frage ist halt: Was macht man selbst. Die Frage ist für mich nicht so drängend, ich mag das, was ich tue, und wie ich es tue, aber andererseits: Mit solchen - letztlich zutreffenden - Vorahnungen würde ich vielleicht auch manches anders machen. Um Gottes Willen, sicher nicht mit den Dreckschweinen dieser Welt aussöhnen, nein, eher nochmal in die Fresse hauen, der Bande, nur weil sie weiterlebt, muss man es ihnen ja nicht schön machen. Dann habe ich manche Wünsche, die einen gehen Sie nichts an, werte Dame auf dem Roller, die anderen sind eher banaler Natur, aber darüber muss man kaum reden; ich hätter gern noch ein paar Bilder gekauft und geliebt und gelesen, das Übliche halt.
Wären es wirklich nur derer zwei Jahre - zum Glück bin ich der festen Überzeugung, mindestens 95 bei bester Gesundheit zu werden und auch keine Gelenkprobleme zu haben, wenn ich auf den Gräbern meiner Feinde tanze - dann würde ich es einmal mit voller Kraft darauf anlegen, noch einmal in einem alten Auto durch die Porta Borsari zu fahren. Es war dieses Jahr schon recht fein, wie so vieles andere auch - und ganz ehrlich, in Siena war ich wirklich froh, frei zu sein und mir die dort missglückte Sache anschauen zu können. Aber die erste Nacht ist die beste, und die Porta Borsari ist ein besonderer Ort. Sie hat etwas von einem Gipfel, und es war ein Genuss, auf sie zuzufliegen und sie zu durchfahren.
Und das nächste Mal bin ich dann bereit, wieder dort zu sitzen und zuzuschauen, wie sie vorbeikommen und in der Nacht verschwinden. Zuschauen ist auch fein. Alles ist fein, mit Ausnahme von vielem, Berlusconi etwa und seine Anhänger, aber ich bin gern hier, für ein, zwei Monate. Und noch sehr, sehr oft. Inzwischen ist hier wirklich Sommer; es ist noch hell, wenn die Geschäfte schliessen und sich die Italiener auf der Piazza dell Erbe treffen, wo das Orange in den Gläsern funkelt. Bald, das merke ich, wird es ungemütlich.
Dann wird es hier zu heiss, die Touristen kommen wieder in Scharen, die Oper macht auf und vorbei ist es mit der beschaulichen Ruhe. Es wird Zeit, die letzten Besorgungen zu erledigen, denn irgendwann wird in Deutschland die Blüte vorbei und der Pollendreck weggewaschen sein, und eigentlich bin ich auch sehr gern daheim. Aber diese beiden Monate, April, Mai, in Italien, ich denke, ich sollte sie beibehalten. Als Marotte. Eine mehr macht auch nichts mehr aus, so viele Löcher sind gar nicht in Ihrem Auspuff, Madame. Fahren Sie wohl, ich muss heim nach Mantua, wo über den gefluteten Reisfeldern ein blutroter Vollmond steht.
donalphons, 01:41h
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