: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 7. September 2014

Anthony am See

Von den tragenden Charakteren in “Brideshead revisited“ ist Anthony Blanche derjenige, dem man am ehesten das grosse Scheitern zumuten könnte: Er ist weder sonderlich sympathisch, noch übermässig freundschaftlich, er ist ein Aussenseiter und lebt seine Exzentrik auch noch auf eine Art und Weise aus, die es schwer macht, ihn dafür zu mögen. Sogar für Exzentriker ist er sicher keine Identifikationsfigur, und eigentlich sollte er ein warnendes Beispiel sein.

Aber das wird er nicht.

Anthony Blanche nämlich kommt immer durch. Schmähungen machen ihm nichts aus, Krisen kennt er nicht, und von Gefühlen lässt er sich nicht beeindrucken. Er ist überhaupt nicht romantisch, er hat nichts für die Welt übrig, und seine Analysen der anderen Protagonisten, die allesamt menschlich leiden und scheitern, sind ebenso erkenntnisreich wie grausam. Er ist unerquicklich ehrlich, man könnte seine Intelligenz schätzen, aber der Charakter an sich verhindert das, und der Umstand, dass er als einziger keinen Schmerz empfindet. Keinen Hass, noch nicht einmal Verachtung für seine Feinde, er riskiert nichts und kann deshalb auch nichts an andere Menschen verlieren.

Am Ende haben alle weniger und Anthony hat nichts. Damit hat er, würde man das buch durchrechnen, den besten Part dank Agonie und Abweisung.



Ich bin Teil der Medienkrise, einerseits als Autor bei der FAZ und andererseits durch mein die Medien unterminierendes Treiben dort. Solche wie mich wird man bei allen Krisen immer brauchen, und wenn es nicht mehr die Zeitung ist, wird es etwas anderes sein. Ich bin ein Plauderer wie Blanche und fürchte nicht die Frage, wie lange es noch mein Büro geben wird. Ich habe keines. Beim Stern erwischt es wohl prekäre Frauen und bei der Nannenschule wird bejammert, dass sich nur noch Bürgerkinder die Ausbildung leisten könnten, und Ärmere und Migranten draussen bleiben – womöglich ist das so. Und ich sehe auch nicht, dass diese Geschnittenen dann in der Lage wären, meinen Weg zu gehen. Ich finde es nicht schlimm, so ist das eben in einer Umwälzung.

Frank Schirrmacher sagte einmal auf der Buchmesse zu Alice Schwarzer, wir Männer würden später einmal als Greise am Alice-Schwarzer-Platz auf einer Bank an einem Blumenbeet sitzen und uns daran erinnern, wie es war, als der Journalismus noch nicht in den gütigen Händen der Frauen war. Er konnte auf eine Art süss vergiftetes Lob aussprechen, von der Anthony Blanche noch etwas hätte lernen können. Aber wie auch immer, es wird nie einen Alice-Schwarzer-Platz geben, und wir werden auch nicht mehr zusammensitzen. Julia Jäkel räumt bei Gruner und Jahr auf, und die Berater, die bei der FAZ nach Sparpotenzialen suchen, haben so wenig Geschlecht wie ihre Zahlen.

Evelyn Waugh treibt im Roman ein Spiel mit dem Leser, dauernd werden Figuren angeboten, die einem dann wieder genommen werden, und selbst der zurück blickende Erzähler steht kurz vor der Invasion der Normandie und weiss nicht, ob er überleben wird. Man hätte gern - von Ekel Rex Mottram und Cousin Jasper abgesehen - jeweils die besseren Seiten und Momente der Figuren, aber das geht nicht, und ich selbst, nun, ich bin ein wenig in der Rolle desjenigen, der man absolut nicht sein möchte.

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