: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 9. Februar 2018

Kompromat

Tatsächlich habe ich bislang nur eine Kamera jemals verloren, die aber gleich mehrfach, und das kam so: Ich war in Italien, und das nicht allein, und ich war sehr abgelenkt. einmal durch den Begleiter, dann durch Italien und letztlich durch den Erwerb gewisser ebenso teurer wie schöner Dinge. Dabei habe ich eine von zwei mitgebrachten Kameras, nämlich die kleine Sportknipse, vergessen. Und es sollte satte 4 Jahre dauern, bis ich durch mehrere Hindernisse und Vergesslichkeiten auf beiden Seiten - die nachgeschickte Mail "du hast schon wieder die Kamera vergessen und ich auch" wurde zum Klassiker der transalpinen Kommunikation - wieder in den Besitz gelangte.



Die SD-Karte in der Kamera ist wie ein alter, unentdeckter Film von einer Reise, und es ist erstaunlich, was da alles zu sehen ist - es sind nur viereinhalb Jahre, die Reise war exakt bei der Hälfte meiner Tätigkeit bei der FAZ, und entlang der Route ist alles wie immer, halt Bayern, Tirol, Südtirol und letztlich Venetien. Es gibt Bilder aus Meran eines schwulen Besitzers, der sich mit einer Bar seinen eigenen Traum erfüllte, und ansonsten, wie ich in den letzten Jahren als Journalist erfuhr und auch schon ahnte, Unternehmungen von Leuten, denen man mit den gleichen Einstellungen in Berlin die Autos anzünden, die Schaufenster einwerfen und die Läden verwüsten würden. Eigentlich ist das keine besondere Überraschung, Betreiber kleinerer Unternehmungen sind meistens konservativ und leben davon, nicht ausgeraubt und öfters mal bedroht zu werden. Man kann vom Tegernsee nicht langsam mit Einkehr nach Oberitalien fahren, ohne, sagen wir mal, die adrette Ungarin kennenzulernen, die als Bedienung in den Gasthof kam, den Junior heiratete, den Laden nach vorn brachte und supernett ist, bestes Heiratsmaterial, wirklich, Orban mag und mit ihrem Mann zusammen dem FPÖ-Stammtisch eine Heimat ist. Die Lega Nord ist bei uns gerade wegen des Anschlags in Macerata ein Schreckgespenst - wer die Meinung teilt, sollte besser erst gar nicht in Verona mit Handschuhgeschäftsinhabern sprechen, die sich noch gut erinnern, wie das vor der Lega Nord hier war, als die Altstadt zu kippen drohte.

Ich verteidige das nicht und ich würde weder unter CSU, FPÖ, ÖVP, AfD, SVP (die vielleicht noch am ehesten) oder italienischen Rechtsparteien leben wollen. Städte konnen auch unter der Sinistra schön, gut geführt und ordentlich sein, siehe Mantua - obwohl ich auch da die Sinistra persönlich kenne und diese Sinistra Null Toleranz für Migrationsnebenwirkungen wie abgebrannte Nachbarshäuser hat. Nur, wer Urlaub in seinem gewohnten politischen Umfeld deutscher Linker machen will, sollte besser den Alpenraum meiden, wenn er in einem netten Hofladen mit dem Kürbiskernbrot nicht auch ein paar gar nicht so biologisch schräge Thesen bekommen will. Die Zone des politischen Gifts beginnt schon beim Konditor von Gmund, ein wirklich stattlicher, leider inzwischen verstorbener Mann, der seinen Laden aus dem Nichts aufbaute und kurz nach der Pensionierung als führender CSUler starb. Ich will gar nicht wissen, wie viele politisch korrekte und pralinen- und tortenoffene Haupstädter jetzt nachträglich würgen würden, wenn sie in allen Details wüssten....



Wenn diese Kreise heute - leider auch von Seiten mancher Leute, die ich hier durch die Lokalitäten führte - über Abgrenzung und Ausgrenzung von Menschen mit abweichenden Einstellungen reden, wenn man bei Twitter zu Anne Wizorek steht, für die alles von Spahn bis Höcke eine braune Suppe ist, dann muss man schon mal fragen dürfen, wo diese Leute vor 4, 5 Jahren dachten, Urlaub zu machen. Sie finden es in Ordnung, Läden zu boykottieren, die AfD-Stammtische erlauben? Falls ja, dann sind im ganzen Alpenraum nur einige Viertel grösserer Orte wie Wien, Innsbruck, Graz, Trient, Zürich und Basel mit dem Helikopter anzusteuern. Ich kenne auch solche Lokalitäten, in denen die liberale Jugend verkehrt, die sind nur oft eher teuer. Es liegt weiss Gott nicht an mir, ich habe die übleren Aspekte der Region, die bis in die Gegenwart andauern, niemandem verschwiegen, und wer hier mit mir war, der kennt das Schöne wie das Abgründige. Es ist gar nicht zu übersehen gewesen, auf den Bildern sind auch Plakate mit den markigen FPÖ-Sprüchen.

Aber irgendwie war das früher alles noch tolerierbar. Man nahm es in Kauf. Man fand das alles trotzdem schön, man setzte sich an die Tische von Leuten, bei denen aus jeder Maserung und aus jeder Kachelofenplatte eine Vergangenheit drang, die heute bis aufs Messer bekämpft wird. Ich sehe die Bilder und erinnere mich, dass exakt die gleichen Personen, die heute Heimat verdammen, damals gut darin lebten. Das Bild ganz oben ist vom Beifahrersitz aus gemacht, weil damals jemand schnell Kurven fahren wollte, der den individuellen Autoverkehr heute bekämpft. Ich kann das sogar verstehen, weil Autofahrer in Berlin wirklich eine Pest sein können, aber ich wüsste nur zu gern, wo das Differenzierungsvermögen der gar nicht so lange verschwundenen Vergangenheit geblieben ist. Mir war schon bewusst, dass man damals besser nicht die Niggemeiers und Lasersushis mit Bildern bei Twitter Verdacht schöpfen liess, bei wem man da gerade die Landluft erfährt. Es gab da so eine Art, sagen wir mal, stillschweigendes Akzeptieren von Unterschieden.

Die meisten werden wissen, dass Niggemeiers Übermedien gerade einen Anschlag auf meine berufliche Existenz losgetreten hat, weil ich, wie jeder andere Reporter, Bilder im Görlitzer Park gemacht habe. Nun, es war nicht wirksam, weil man Niggemeier, Geuter, Lauer und all die anderen zur Genüge kennt und die FAZ nicht einknickt, egal ob der mit dem immer vom gleichen Hass erfüllte Mob von rechts oder links kommt. Ich weiss schon, warum ich dort explizit arbeiten will.

Ein Teil dieser Welle, die da gegen mich gemacht wurde, wurde bewusst von jener reichweitenstarken Internet-Person empfohlen, die am obigen Tisch neben mir sass, und der ich am Steuer neben mir bedenkenlos mein Leben anvertraut habe. Das muss man wissen, wenn man über die Entwicklung der letzten 4, 5 Jahre in Deutschland spricht. Und ich fürchte, dass ich da alles andere als ein Einzelfall bin. Es weimart schon sehr.

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