: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 21. Februar 2020

Eine einfache Frage

Ich bin zwar alles andere als ein Katholik, aber in einer erzkatholischen Umgebung gross geworden. Ich wohne sogar in einem ehemaligen Jesuitenseminar und sammle deren Bücher. Daher kenne ich die Katholiken und ihre Strategien, ohne einer zu sein.

Ich bin zwar alles andere als ein AfD-Wähler, aber diese früher katholische Stadt ist eine ihrer Hochburgen. Leute, die ich kenne, und bei denen man das nie gedacht hätte, wählen AfD. Daher kenne ich die Partei und die Denkweise ihrer Anhänger, ohne einer zu sein.



Schauen Sie, der Katholizismus war lange in einer kaum lösbaren Dauerkrise, und seitdem es die lutheranischen Ketzer gab, schien die Dominanz verloren. Verbote, Verfolgungen, rigide Unterdrückung, das alles funktionierte nicht mehr, die Methoden allein konnten die Menschen umbringen, aber nicht die Ideologie. Deshalb begriff der Katholizismus, dass er im Wettbewerb ist, und den Menschen Angebote machen muss, jenseits von Angst, Leid, Tod und Höllenqualen. Besuchen Sie eine katholische Rokokokirche, Sie werden irgendwo einen kleinen Teufel finden, und ansonsten Glanz, Gold und Gloria. Selbst Marterung ist spielerisch in den Hintergrund gerückt. Der Katholizsmus verspricht, dass für den Gläubigen eine ganze Menge drin ist, wenn er nur brav mitzieht. Pralle Kinder, geile Frauen, Wohlstand, Prunk, Party. Die Fresken der Kirche nebenan, die zum Seminar gehörte, müsste in Berlin abgedeckt werden, so geht es dort zu.

Komm rüber, sagt der Katholizismus, wir haben Platz für alle, wir sind alle nur kleine Sünderlein und wir verstehen es ja, wenn jemand über die Stränge schlägt - es gibt bei uns nichts, was man mit Beichte und Stiftung nicht klären könnte. Wir bieten was für das Geld. Da, wo die Protestanten ihre Ursünde präsentieren, hängt der Katholizismus einen goldenen Vorhang drüber und, schau mal, ein nackter Engel dort drüben und da, alles Marmor! Ist es nicht schön? Der Katholizismus war opportunistisch, anpassungsfähig, und hatte keine Angst vor dem Suhlen in Niederungen, die er 200 Jahre früher noch mit allen Mitteln ausgerottet hätte. Nun ja.



Der AfDler dagegen bekommt gerade etwas anderes zu sehen. Der AfDler als Abgefallener, als Ausgeschlossener, der sich aber nicht im Unrecht sieht, erlebt gerade, wie es jenen ergeht, die um Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen bitten. Die Demonstrationen gegen Lucke in Hamburg wurden von einem SPD-Mitarbeiter orchestriert und von einer Grünen überhaupt erst möglich gemacht, weil man darauf verzichtete, die Antifa mit Staatsgewalt in die Schranken zu weisen. Nach der Wahl von Kemmerich in Erfurt brachte es Lindner überhaupt nichts, dass er sich sofort distanzierte: Der volle Hass der linken Parteien brachen über ihn herein, auch mit dem erklärten Ziel, die FDP aus der Hamburger Bürgerschaft zu verdrängen. Und gestern, siehe oben, wurde die FDP sogar gehindert, ihre ehrliche Betroffenheit zu zeigen.

Und niemand hilft ihr. Die FDP ist auf verlorenem Posten, denn sie ist klein, sie hat sich entschuldigt, und sie lernt jetzt, dass es aber keine Vergebung gibt: Wenn sie im Bund rausfliegt, ist der Weg für R2G im Bund offen. Also wird man alles tun, was möglich ist - und im Moment sind sogar Listen durch Zwangsgebührenkomiker bei Twitter möglich, die woanders als Todeslisten gälten - um die FDP klein zu halten. Die FDP bekommt momentn deutlich mehr ab, als man es vor vier Jahren in einem zivilisierten Rechtsstaat noch für möglich gehalten hätte. Sie kann nicht anders, als die Tagen und Wochen am Pranger zu ertragen, und muss hoffen, dass es irgendwann vorbei ist. Mit Verlaub, ich kenne den Mob persönlich: Es wird nie vorbei sein. Es geht um die kulturelle Dominanz der Linken, da ist die FDP ein viel zu saftiges Opfer.



Die Anhänger der AfD bekommen nach dem entsetzlichen Anschlag von Hanau gerade einen Vorgeschmack auf das, was ihnen droht, wenn sie mal schutzlos sein sollten. Obwohl der Fall bislang nicht direkt (und m.W. auch nicht durch die Täteraussagen indirekt) mit der AfD zu verbinden ist, wird momentan alles gegen sie gefordert, was irgendwie rechtlich denkbar ist - und das nur von den demokratischen Parteien im Bundestag. Die Stimmung im Netz ist nochmal deutlich problematischer, und mitunter auch für Nicht-AfDler klar jenseits dessen, was moralisch vertretbar wäre. Es ist völlig klar, dass an dem Tag, da die AfD aus den Parlementen fliegen würde, bei den Gegnern die Überzeugung vorherrschen würde: Erst maximaler Druck, auch mit fragwürdigen Methoden, hat die Leute davon abgehalten, die AfD zu wählen. Das ist der richtige Weg, so kriegen wir sie klein.

Würden die Politiker dann aufhören und verzeihen? Ich habe da so meine Zweifel, weil ich öfters mal den Hass auf frühere Piraten miterlebe, die Grünen und SPD ihre Verletzlichkeit vorgeführt haben. Würden die Medien aufhören? Und damit ihre Dominanz aufgeben? Sicher nicht, die würden das als Gelegenheit nehmen, jetzt den Staat so umzubrüllen, damit so etwas nie wieder passieren kann: Sicherheitsgesetze, Frauenquoten, Verbote, Kontrolle, Definition undenkbarer Wörter - immer mit dem Schlachtruf Nie wieder, auch wenn das mit freiheitlicher Demokratie nicht so arg viel zu tun hat. Würde der anonyme Mob im Netz dann aufhören? Garantiert nicht. Da sind so viele Zukurzgekommene dabei, die scharf auf Beute sind. Es ist also kein glänzendes Rokoko, das dem AfD-Wähler im Falle der Einsicht versprochen wird, sondern maximale Bedrohung und die Bestätigung seiner Sichtweise, dass dieses System ihn und seine Wertvorstellungen zerstören will. Wenn man eine Stunde bei Twitter ist, kann man sich dieses Eindrucks wirklich nicht erwehren. Da macht die eine Seite die früheren Verschwörungstheorien der anderen Seite wahr.



Man wählt ja, damit etwas für einen herauskommt, oder wenigstens, um etwas Schlimmeres zu verhindern. Ich nehme an, dass es für die AfD-Anhänger schwer ist, irgendwo einen Anknüpfungspunkt zu finden, der sie überzeugen könnte, dass sie auch nur davonkommen, so aufgeheizt und undifferenziert ist inzwischen die Stimmung. Und mit einer AfD in den Parlamenten - so eklig ihr Malbuch auch gewesen sein mag - hat der AfD-Wähler jemand, auf den sich dieser ganze Hass richtet. Er kann Leute bestimmen, die sich das alles antun, und steht dann selbst nur in 3. oder 4. Reihe. Wo steht man, wenn die Partei aus den Parlamenten fällt? Aus dieser Angst heraus funktionierten Sekten im Kampf gegen die katholische Kirche, so funktioniert Zusammenhalt gegen eine als feindlich empfundene Umwelt, und so bin ich mir gar nicht so sicher, ob die AfD am Sonntag in Hamburg aus der Bürgerschaft trotz ihrer miserablen Leistung fliegt.

Ich bin kein Prophet, ich bin nur jemand mit einem zynischen Geschichtsbild und Erfahrung mit politischen Sekten. Die Steinzeitkommunisten bei uns im Bürgerfunk haben den Grünen schliesslich, weil es um Enfluss und Schutz ihrer Pfründe ging. die teure Sause mit den Journalisten im französichen Lokal verziehen. Daher würde ich momentan keiner Umfrage trauen, was die Werte der Parteien angeht, für deren Nennung man eventuell ein Risiko eingeht.

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