: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 22. März 2014

Jemima Morrell, Miss Jemimas Journal

Dieses Buch wird allenthalben sehr gelobt, und von seiner Existenz wusste ich schon durch die SZ, bevor ich es leibhaftig bei den Neuerscheinungen sah. Es ist das Tagebuch einer jungen Britin, die im Sommer 1863 mit dem damals leibhaftigen Thomas Cook in die Schweiz fuhr. Es entsteht also genau zu dem Moment, da der Massentourismus über die Berge hereinbricht; noch ist die Schweiz oft arm und verschlossen, aber schon finden sich erste Luxushotels, Züge erleichtern die Anfahrt und die Bergführer wissen, wie man die Briten ausnimmt. Insofern ein Stück Zeitgeschichte, das für Bergfreunde von hohem Interesse ist, zumal die Autorin auch - nun - nett schreibt.



Es erinnert vom Duktus her ein wenig an "Zimmer mit Aussicht" mit dieser Mischung aus Reserviertheit und dem Ablegen der Konventionen - nur eben ohne Zimmer. Und ohne Aussicht auf Männer. Tatsächlich vergessen die Autorin und ihre Mitreisenden einige Konventionen, und man darf davon ausgehen, dass jenes Tagebuch sicher nicht als das geplant wurde, was es jetzt ist: Ein gedrucktes Buch. 1863 hätte sie es vermutlich noch einmal deutlich überarbeitet, um die für damaige Verhältnisse unschicklichen Stellen zu streichen. Manchmal blinzelt ein wenig honeychurch'sches Selbstbewusstsein durch und manchmal ein Sufragettenstrumpf, die Autorin ist sicher kein dummer Puschel auf dem Weg zur Heiratsschlachtbank, sondern durchaus selbstbewusst, wie sie da so durch die Alpen stapft. Aber sie ist dabei auch sehr vernünftig. Sie bricht aus ihrer gewohnten Welt aus, aber nicht aus ihren eigenen Vorstellungen.

Man bedenke - das ist die Zeit, da Damen ihre Hände mit quecksilberhaltiger Creme behandeln, damit die Haut schön bleich wirkt. So gesehen ist das Buch etwas ungewöhnlich, wenn man es mit der sonstigen Gesellschaftsliteratur der Zeit vergleicht. Ich denke da etwa an den damaligen Bestsellerautor Anthony Trollope, der damals mit "Framley Parsonage" die Sorte Gesellschaftsroman schrieb, die später von Waugh und Foster so glänzend persifliert wurde - diesem Umfeld der schüchternen Vikare ist Frau Morrell schon viel zu weit entwachsen.

Aber ach, es fehlt alles Menschliche. Diese junge Dame ist dort, um die Berge zu sehen, Konversation zu machen und zu wandern. Sie ist mitunter etwas bissig, aber es kommt nichts an sie heran, keine Verlockung, keine Versuchung, sie ist trocken, nüchtern und sehr angetan vom englischen Gottesdienst. Ein Kind ihrer Zeit. Und mit jeder Seite schweift der Blick zum Buchregal, wie "Zimmer mit Aussicht" steht. Es ist halt eine seltsame Zeit, diese 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, nicht umsonst habe ich kaum Bilder aus jener Epoche, und man muss sich das vor Augen halten: Wir denken bei dieser Epoche an die in sich schon verdruckste, sexuell gefesselte Fabelwelt von Alice im Wunderland. Aber was damals wirklich sensationelle Auflagen hatte, war die heute vollkommen vergessene, tränenrührige Hesba Stretton mit ihren Waisengeschichten, eingepackt in christliche Moral. Und irgendwo dazwischen stakst also Frau Morrell durch die Berge, bewundert die Natur und heiratete dann bald.

Und so lakonisch ist das Buch dann auch. Es ist britisch in einer süffigen Landschaft, und das Herz geht nur sehr kontrolliert auf. Dazu kommt noch eine wirklich nervige Aufsgeldschauerei, und man kann sich richtig vorstellen, wie schmale britische Lippen gespitzt und skeptische Augen zusammengekniffen werden - ich brauchte dazu ein Stück Kuchen.



Vielleicht bin ich ja überkritisch und vielleicht liegen mir die kleinen Engländerinnen wirklich nur, wenn sie dann im edwardianischen Zeitalter merken, dass anderes viel mehr Spass macht. Es ist immer noch ein entzückendes Buch und etwas, das man als Freund der Berge gelesen haben sollte. Das einzige, was mich wirklich daran geärgert hat, ist der grosse, orange Aufkleber des Verlags der sich kaum und nur mit Kleberesten vom Umschlag lösen liess. So etwas tut man nicht.

Ansonsten ward ich gut unterhalten und vergass das Poche für einige Stunden. Nur, die hymnischen Elogen der SZ auf dieses Journal würde ich nicht unterschreiben. Mark Twain war etwas später ebenfalls dort, und das ist deutlich schärfer.

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Samstag, 22. März 2014

Moacyr Scliar, der Zentaur im Garten

So um die 18 herum, als andere in dieser Zeit das Angebot von Videotheken für sich entdeckt haben, begann mein Interesse an südamerikanischen Autoren. Manchen wie Jorge Amado halte ich unverbrüchlich die Treue, andere, wie Carlos Fuentes, waren durchaus nett zu lesen, haben aber keine dauerhaften, heissblütigen Erinnerungen zur Folge. Gabriel Garcia Marquez ist, ähnlich wie Jorge Ibargüengoitia, meistens toll und nur manchmal etwas schwierig, und ich gebe zu, dass ich mich an Miguel Ángel Asturias noch einmal versuchen müsste. Aber wenn ich dann ab und zu vor den Neuerscheinungen stehe, greife ich doch recht oft aufgrund dieser guten Erfahrungen zu Autoren aus Südamerika. Und der Titel "Der Zentaur im Garten" hat mir einfach gefallen.



Das Buch erschien zuerst 1985 auf Deutsch, ging aber zusammen mit dem Autor Moacyr Scliar damals an mit vorbei - man muss das verstehen, so ein Abiturientenhirn kann sich nicht allein Büchern hingeben. Es ist ein typisches Werk des magischen Realismus, das die Leser mit der Existenz von Zentauren konfrontiert, und wie sie die wechselvolle Geschichte Brasiliens zwischen den 30er und späten 70er Jahren des vergangene Jahrhunderts durchleben. Brasilianische Autoren tun sich bei mir wegen des Vergleichs zu Jorge Amado und seiner unbändigen Fabulierkunst und Lebensnähe nie ganz leicht, und tatsächlich kommen die Zentauren meinem Gefühlsleben nie so vollkommen nah, wie, sagen wir mal, der Richtige von Donna Flors Ehemännern. Es ist ein Schritt weiter in Richtung Feuilletonbuch, es setzt vieles an Grundwissen voraus, und nimmt sich viel Zeit, die Hauptperson vielschichtig zu entwickeln. Ich werde den Eindruck nicht los, dass das Magische ein wenig der Aufhänger ist, um die Realität fett zu machen; so plätschern hier drei Hauptideen, Brasilien, Judentum und das Leben als Zentaur, man mehr und mal weniger verwoben nebeneinander her.

Das ambivalente Zentaurendasein als Bildnis des nie wirklich heimisch werdenden Judentums - dieses Bild drängt sich manchmal auf, und ich weiss nicht so recht, was ich damit anfangen soll; meines Erachtens werden damit Klischees gefüttert, gesondert herausgestellt, die ganz sicher ihr Publikum haben, aber mich persönlich nicht sonderlich ansprechen. Es gibt sicher ein gewisses Leserumfeld, das sich an solchen Aspekten mit Vorliebe lang aufhängen kann - für mich sind das mehr die Längen des Buches. Schön wird es, wenn es den Fremdheiten einfach Raum gewährt, dann erinnert es in seiner Stimmung teilweise an ein anderes Lieblingsbuch, den Husar auf dem Dach. Leider ohne die ganz grosse, unerfüllte Liebe, dafür mit der erfüllte, normale Liebe zwischen zwei Zentauren, die ganz anders als alle anderen sind, und gern wie sie sein möchten.



In seinen besten Momenten ist es auf eine unsentimentale Art rührend, ein guter Begleiter durch einen Tag, und vielleicht, wenn ich 18 wäre, hätte es mir ohne meine weitere Lebenserfahrung sogar sehr viel besser gefallen - damals war vieles, was zu durchleben war, noch eine grosse Frage und nicht das Wissen, mit dem ich heute diese Aspekte betrachte. Übergeordnete Fragen - was tut man, wenn man einfach anders als die anderen ist - erklärt einem das Leben besser als ein Buch, und liest man es mit Erfahrung und der Sicherheit, dass sich alles finden wird, ist es mit seinem Grundkonflikt vielleicht ein wenig dick und überproblematisierend aufgetragen. Ich sollte wohl noch etwas mehr lesen, von diesem Herrn - bitte, das hier ist Meckern auf ganz hohem Niveau an einem wirklich unterhaltsamen Werk, und man darf nicht übersehen, was sonst so an neudeutschem Müll heutztage in den Regalen steht.

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Donnerstag, 20. März 2014

Berni Mayer, Der grosse Mandel

Also ich hab dem Berni ja immer gesagt: Deine Protagonisten ned woahr die kummen von do und deshalb sollten sie auch mal wieder herkommen. Es ist ja eh so mit denen, dass sie zwar in Berlin sind, aber wann immer ich das lese, höre ich den bayerischen Dialekt heraus, und vielleicht sind die beiden - oder wenigstens der Erzähler - auch nur deshalb manchmal so Zwidawurzn, weil man den Bayern aus seinem Land, nicht aber das Land aus dem Bayern nehmen kann. Vielleicht sind sie einfach heimwehkrank und lügen sich im Deichgraf darüber hinweg. So generell finde ich es ja sympathisch, dass die beiden Helden immer ein wenig schlecht gelaunt und nur so mittelzufrieden sind, und ich kann diese bayerische Form der anarschischen Opposition schon unterscheiden vom Krisengekreisch in Berlin - und was soll ich sagen: Das hat er diesmal auch schön herausgearbeitet, als die Helden zurück nach Bayern kommen. Dorthin, wo sonst nie die Heimatkrimis spielen, in der Oberpfalz nämlich.



Als Mittelbayer ist man ja immer wieder schockiert, was da Richtung Osten noch alles an Bayern bis Passau kommt. Notfalls kann man sich sagen, dass wir früher einfach diesen antiösterreichischen Donausumpfstreifen gebraucht haben, aber das Verhältnis eines Normalbayern zur Oberpfalz - ich sage es einmal so, ich kenne viele Regensburger, die steif und fest behaupten, sie seien gar keine Oberpfälzer. Und tatsächlich ist Regensburg wirklich eine schöne und lebenswerte Stadt, und der Roman macht daraus auch keinen Hehl. Es ist - ich habe die beiden Vorläufer ja auch gelesen - zum ersten Mal überhaupt, dass eine Stadt als schön dargestellt wird. So schön, dass es den Helden richtig reisst und zwickt, ob das nicht doch eine Option wäre. Weil ja eigentlich alles da wäre, mehr als in Berlin. Und hämisch funkelt immer wieder durch, dass sogar einer wie der Dieter sein Auskommen im Netz findet. Der Dieter, das ist mir schon beim ersten Teil positiv aufgefallen, erzählt eigentlich, was die anderen Möglichkeiten so wären. Und zwischen denen und dem, was ihn in Berlin erwartet, da hängt der Erzähler und verwurschtelt sich drin.

Insofern sind das eigentlich zwei Bücher: Das eine geht über Unterschichten, die sich in Geldnot viel, wenn nicht gar alles antun, und das andere über Heimat und Lebenswege. Ich sage es ganz ehrlich, ich habe es nicht mit Catchen und war daher ein wenig reserviert, aber der Teil passt schon. Der andere Teil jedoch ist das genaue Gegenteil all der träge hingestöpselten "Junger Mensch kommt nach Berlin und erlebt was"-Romane, und das fand ich in allen Details sehr lebensecht und treffgenau. Weil es halt genau so war und ist, wie es beschrieben ist. Komischerweise war ich lang in Regensburg, als der Berni auch dort war, wir sind uns aber nie begegnet - und trotzdem kenne ich die ganze Stadt, so wie er sie beschreibt. Ich weiss, wie das mit falschen Freunden ist und das mit dem Zurückkommen in eine Welt, die anders gelaufen ist, und da sind groteske Einfälle wie ein Österreicher, der sich ausgerechnet an der bayerischen Kopfsammlung der Walhalla den Schädel deformiert, lustige Zugaben - aber es würde auch so tragen. Sehr gut sogar. Weil es die grossen Wahrheiten ganz langsam erzählt und die billigen Klischees meidet - und dann passt auch wieder die Unterschicht mit hinein. Die Provinz hat natürlich auch ihre hässlichen Seiten.



Mir hat das Buch Lust gemacht, mal wieder an der Donau entlang nach Regensburg zu radeln. Ein Bett wäre da für mich, man könnte das leicht an zwei Tagen machen und ein wenig auf den Spuren von Sigi Singer wandeln -was ja immer ein gutes Zeichen bei einem Buch ist. Handwerklich ist es schön durchkomponiert, und dass am Ende immer die pessimistische Note bleibt, ist ja auch schon eine Tradition in dieser schwarzen, sehr bayerischen Serie. Dass eine Modebloggerin, bei der man sofort an eine ganz bestimmte welche, in der Geschlossenen landet, dass es mit dem Volksfeststreit schon die Hoffnung für den nächsten Bayernkrimi in Niederbayern gibt, der dann richtig aufs Pedal von CSU und Vetternwirtschaft haut - das mag ich sehr.

Mehr Infos zum Buch hier.

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Donnerstag, 20. März 2014

Hausarrest

Den ganzen Winter habe ich immer brav meine Totalvermummung angezogen. Man will sich ja nichts verkühlen. Lange Unterwäsche, dicke Jacken, Winterradschuhe habe ich gekaufr und immer eine gepolsterte Haube unter dem Helm getragen.



Das sah nicht gut aus, hielt aber warm. Wie schön, dass es jetzt Frühling ist! Da kann man doch auch einige Dinge weg lassen, selbst wenn das Wetter mal einen Tag ein klein wenig aussetzt, und ein kalter Westwind pfeift. Letztes Jahr um die Zeit, das war schlimm! Dieses Jahr ist das doch alles bestens.



Und weil es so gut läuft, achtet man doch gar nicht auf das, was sonst so ist, das Rauschen des Windes in den Ohren, die Wellen auf dem Wasser, und gut, es ist so ein leicht spannendes Gefühl im Kiefer wie nach dem Cabriofahren im Frühling - also nachher also besser eine Ibuprofen einwerfen und vorher noch eine Runde.



Eine Runde zu viel, genau genommen, bei diesem Wind, und die Ibuprofen zu spät, wie sich dann am Abend zeigt. Das passiert halt manchmal. Es gibt welche mit vereiterten Ohren, das soll schlimm sein - ein paar Tage daheim herumliegen und auskurieren bedeutet bei mir nur, dass ich den Leserückstand aufholen kann. Und nichts schreiben, Schreiben bringt Blut in den Kopf und das ist gerade nicht so gut - wie vieles andere.



Schnell noch den letzten Zucker weg, Kamillentee gekauft und dann beginnt der Selbstversuch "ein paar Tage ohne aufputschenden schwarzen Tee". Alles muss schön ruhig bleiben. Keine falschen Bewegungen. Kein hoher Blutdruck. Und das nächste Mal wieder die Kappe aufziehen. Das letzte Mal ist sowas vor 2 Jahren im Sommer doch auch bei einer langen Gegenwindtour passiert. Lernen durch Schmerz, nur ohne lernen, nicht wahr. Deshalb schreibe ich es jetzt auch auf.

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Ich mochte Twitter noch nie

und je besser ich mich damit auskenne, desto weniger gefällt es mir. Ich kann damit umgehen und spielen und kenne die Tricks - aber sie sind nicht schön, und noch unschöner ist das, was noch alles möglich wäre. Ich beschreibe das anhand von lebenden Beispielen in der FAZ und im Kommentarblog.

Egal. Twitter ist eh auf dem absteigenden Ast.

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Dienstag, 18. März 2014

Abendrunde

Ich muss ein paar Entscheidungen treffen, durchaus mit einer gewissen Tragweite - und unter Umständen bin ich auch gezwungen, etwas zu tun, was nicht meine Art ist.





Das sind dann so die Momente, da ich mich frage: Wäre es anders nicht besser gewesen? Und haben die hier, sie so anders sind und so auf die Sicherheit schauen, nicht doch recht? Findet man wirklich nur im Grenzenlosen, was es im Kleinen nicht genauso gäbe, und könnte man im Kleinen nicht all das meiden, was das Grenzenlose mitunter so unerträglich macht?





Es gibt gerade wieder diese Untersuchung der Frage, was in diesem Land eigentlich "vorne" bedeutet, wirtschaftlich, sozial, und das sind nun mal Orte, die so irgendwie gar nichts mit dem Internet zu tun haben. Orte wie dieser hier, die nutzen, was sie brauchen, und ansonsten lassen sie andere schnattern und schreien. Es gibt andernorts einen digitalen Gründerboom? Dab es auch schon bei StuidiVZ und Jamba und Groupon und was hat es gebracht? Nichts, wir sind hier und die anderen lösche ich gerade aus kompromittierenden Beiträgen, weil es ihnen ja nicht 6, 7 Jahre hinterher hängen muss.





Das wäre ihnen allen nicht passiert, wenn sie den Unterschied zwischen gesundem Wachstum und überzogenem Hype gekannt hätten, zwischen dem, was bleibt und dem, was bei Belieben verlagert werden kann. Wenn der Ort hier schon zu gross wird, weil zu viele kommen - wie ist das erst da draussen, wo all jene sind, die denken, es wäre gar nicht nötig, sich zu binden und es würde sich schon was ergeben? Hier kann man 30 Jahre voraus planen. Aber was macht so eine Modebloggerin, wenn sie 58 ist?

Das sind bittere Fragen, aber sie geben mir Antrieb.

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Montag, 17. März 2014

Warum Pastelle?

Pastelle sind in der Kunstgeschichte deutlich unterbewertet. Es gibt eine kurze Phase bei menchen Künstlern, da wird Pastellmarei ganz gross, namentlich bei Liotard und Boucher. Aber ansonsten fristen Pastelle ein Schattendasein neben Rötelzeichnungen und Ölskizzen.



Der Grund liegt in der Hand der Künstler: Während ein Ge,älde im 18. Jahrhundert noch einen enormen Aufwand darstellt - die Farben sind teuer, das Bild muss wegen der Trocknung langsam komponiert und Schicht um Schicht aufgebaut werden - geht das Malen mit Pastellkreide flüssig von der Hand, so wie mit den heutigen Tubenfarben.



Deshalb waren Pastelle schon damals erheblich günstiger. Zumal sie ja auch auf Papier und Karton hergestellt wurden. Und weil Papier ein schlechter Träger ist, und vergleichsweise stark altert, knickt, stockfleckig wird, geht das auch heute noch in den Preis ein. Pastelle sind günstiger, erheblich günstiger als Ölgemälde.



Das würde sie für Leute wie mich, die am untersten Bodensatz des Kunstmarktes herumkraudern, interessant machen - wenn es sie denn öfters gäbe. Aber das Trägermaterial altert nicht nur, es geht auch schneller und öfter verloren. Es ist die perfekte Rokokokunst, leicht, schnell und eben auch schnell vorbei,



Diesmal jedoch traf alles richtig aufeinander, Grösse, Alter, Sujet, Preis und ein mir bekannter Händler, was bei Pastellen nicht unwichtig ist - besager Herr Boucher zum Beispiel hat eine Methode entwickelt, die zwar wie eine Kreidezeichnung aussieht, aber nur gedruckt ist.



Und warum muss es auch noch ein Pastell sein? Nun, wenn man mehrere Fenster hat, kann man schlecht an der Wand gegenüber Gemälfe aufhängen: Die Firnis reflektiert zu stark, Aber Papier und Kreide sind mall, und das sieht dann so aus:



Deshalb also Pastelle. Wobei_ Langsam langt es auch. Wirklich.

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Montag, 17. März 2014

Ein <3 für Bazis

Früher, im Mittelalter, war der Lumpazius der Brigant. Das Bayerische machte aus diesem Strassenräuber den Bazi, indem es das, was vor und nach der Hauptsache kommt, einfach wegliess, und so wurde in der Bedeutung aus dem Schlagetot ein gewitzter Mensch. So geht das in Bayern und deshalb habe ich auch keine Sorge um den Nachruf von Gestalten, die heute vielleicht den Volkszorn eregen, aber später sicher legendär werden. Den Mechanismus erkläre ich in der FAZ und im Kommentarblog.

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Samstag, 15. März 2014

Der Druck des Gedruckten

Schulden sind ja immer wie eine Schlinge um den Hals. Zuerst sehen sie aus wie Geld und am Ende sind sie ein Strick, und machen panisch und zwingen zu Handlungen, die man sonst nie tun würde. Ich würde mich da nicht in einem Umfeld ausliefern, das ich mag - vor Angst, dass ich es dann vielleicht irgendwann nicht mehr schätze, wegen der Erfahrungen. Dazu gehören auch Bücher und Vorschüsse, die, genau genommen, ja auch eine Art Schulden bei einem Verlag sind. Man bekommt nicht nur Geld, sondern auch einen Vertrag und Deadlines und zahlt dafür mit Spontaneität und Freiheit - etwas, an das man sich noch mehr als an Geld gewöhnen kann. Und dann ist es gut, wenn man auch mal Nein sagen kann, so wie ich das 2012 gemacht habe. Das verstehen viele nicht, aber der Preis - Abhängigkeit von einem Verlag, dem ich nicht vertrauen kann - war mir einfach zu hoch. Hinweis: Der Verlag wollte das Buch von mir, nicht umgekehrt.



Indirekt, durch Erzählumgen bekomme ich im Moment mit, was es bedeutet, wenn man diese Freiheit nicht mehr hat und gezwungen ist, dieses Produkt dann eben auf Teufel komm raus zu schaffen und zu vermarkten. Da sind diese etwas peinlichen Behauptungen, man verdiene mit dem Buchverkauf kein Geld, weil der Vorschuss ja schon ausbezahlt wurde. Da ist das Umwidmen einer Aktion in eine Lesung, da ist diese Verquickung von Interessen und Tätigkeiten, nie weiss man, ob man es jetzt mit dem Politiker, dem Autor oder dem Mensch zu tun hat, oder wie sie gemischt sind - jedenfalls, so ein Buch darf auf gar keinen Fall ein Flop werden, sonst wird es beim nächsten Mal, beim nächsten Text schwierig. Das setzt Menschen unter Druck, das ist fern von aller Schönheit des Buches, zumal, wenn es um so etwas Hässliches wie das 2.876ste Aktivistensachbuch geht. Sowas erscheint mir wie ein Pakt mit vielen Teufeln und nichts, was einem auf Dauer Freude bereiten würde. Für andere mag es gehen, mir wären meine Magenwände für so etwas zu schade.



Das Gleiche betrifft übrigens auch Crowdfunding - ich finde das sogar doppelt übel. Es sieht zwar, weil der Verlag wegfällt und das Geld erst mal auf dem Konto ist, gut aus. Aber gleichzeitig verdammt es den Autor dazu, sich strikt an Pläne und Regeln zu halten. 10.000 Euro Vorschuss eines Verlages sind 10.000 Euro Vorschuss. 20.000 Euro für ein Buch sind ein nicht leicht schätzbarer Betrag für all das, was da kommen mag. Vielleicht hat der Drucker gerade keine Zeit und man muss einen teureren Kollegen nehmen, vielleicht hat der Lektor mehr als erwartet zu tun, vielleicht liegen einem manche Aspekte des Geschäfts, die man noch gar nicht kennt, nicht sonderlich - schliesslich braucht das Buch auch einen Vertrieb und das ist ein besonders schweres Thema, wenn das Sujet des Buches, sagen wir mal, nicht allgemein verständlich ist. Ein Verlag weiss, wie das geht. Aber ein Autor allein? Die Welt ist voll mit gescheiterten BoD-Projekten, und selbst, wenn alles klappt, ist es ein enormer Aufwand - zumal ja auch leichtfertig geäusserte Versprechungen bei Termin, Umfang und Releaseparty einzuhalten sind. Und für all das muss das Geld reichen.



Das wird noch schwieriger, wenn solche Netz-"Erfolge" dann doch noch auf die reale Verlagswelt treffen. Alles, was im Internet schön klang, wird im normalen Buchhandel kritisch gesehen. Ein Buch von jetzt bis zur Frankfurter Buchmesse zu machen, ist zwar eventuell möglich, aber nicht leicht, und der Vertrieb wird kotzen. Nächstes Jahr Leipzig wäre eher möglich, aber das entspricht nicht den Erwartungen der Crowdfunder, die eigentlich darauf zählen, dass es schneller gehen sollte. Denn dafür hat man das ja im Netz revolutionär gemacht, wie auch die Sache mit dem Urheberrecht - wenn da alles erlaubt ist, dann wird das für Verlage natürlich problematisch. Ausserdem sind mit dem Crowdfunding die sicheren Kunden schon weg, das heisst, der Verlag muss die anderen Kunden beschaffen, und den Druck und die PR und was halt so anfällt, und das alles möglichst schnell, während der Autor schon den Rahm selbst abgeschöpft hat. Macht das jemand dennoch? Es ist gut möglich, dass man sich irgendwo einigt. Aber wenn der Autor sein versprochenes Vollprogramm nicht durchbringt, dann heisst es schnell: Der verspricht im Internet die Revolution und dann lässt er sich doch vom Verlag dazu bringen, dieselbe abzublasen - und behält vermutlich das Geld.



Aber das sind halt so die Tücken des Geschäfts, man muss sich entscheiden zwischen den Verpflichtungen, die man ohnehin schon eingegangen ist und den anderen, die andere von einem erwarten. Das alles hat sicher Vorteile, aber es ist halt noch eine zweite Schlinge, die die Spielräume eingrenzt. Man verliert dabei die Kontrolle über das Projekt, und zwar mehr, als es einem normalen Autor bei einem gängigen Verlag je passieren könnte. Ein Mittelweg wäre da schön, aber wenn man gleich zu Beginn in das eine Extrem ging und nun das andere Extrem der Verlage befriedigen muss, dann ist das eine Entscheidung, die ich nicht gerne treffen wollen würde.

Will sagen: Ich glaube, es gibt gute Gründe, warum wir bislang sop wenige Crowdfundingexperimente gesehen haben. Beim Verlag weiss man - mit allen Vor- und Nachteilen - was man hat.



Blauschimmel oder Trüffel, Glühbirne oder Energiesparen, Rad oder Transporter, Liebe oder Hass, MTB oder Rennrad, man muss sich irgendwann entscheiden. Und ich glaube, je weniger man da am Band anderer Interessen ist, desto besser fühlt man sich dabei. Es macht den Entstehungsprozess finanziell nicht leichter, wenn man erst mal das Buch schreibt, aber es lässt viele Freiheiten bishin zum Punkt, dass man lieber etwas bleiben lässt, als etwas Schlechtes zu verantworten. Ich erlebe das dauernd bei der FAZ, jeden Monat schmeisse ich zwei Beiträge weg, weil sie mir nicht gefallen, und ich denke, so ist es richtig. Oder es kommt noch der Moment, da man sie anderweitig verwenden kann. Aber in den Verträgen sehen die Autoren meist nur die Zahlen und nicht die Risiken, und die Ketten, sie sie dann mit sich herum schleppen. Ich glaube, wer ein Buch schreiben will, macht es besser als einer, der jetzt ums Verrecken fertig werden mus, weil er schon zwei Deadlines gerissen hat. Und je einfacher und indirekter der Deal mit dem Kunden ist, desto besser ist es.

Zuletzt: Im Internet scheitert man immer vor dem ganz grossen Publikum. So stelle ich mir das Autorendasein einfach nicht vor. Nicht, weil ich Angst vor dem Scheitern habe, sondern weil es kein gutes Klima ist. Und ich will doch über Meran schreiben, und nicht über Berlin.

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