: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 5. Dezember 2014

Knallen. Es muss knallen

Es war irgendwie absehbar, dass dieser Gastbeitrag nicht ganz ohne emotionale Reaktionen bleiben würde. Und ich habe gelernt, dass solche Beiträge wirklich wichtig sind, weil das Denken vieler Menschen nicht unbedingt so kühl ist, wie es sein sollte. Es geht um Sexkauf und zwar nicht um die Form, die ich hier praktiziere.



Formeller Anlass ist die sich bildende Koalition aus Emmas, Femen, Schwedinnen und katholischer Kirche für ein Bündnis zur "Abschaffung" - höhö - von Prostitution, ohne mit den Betroffenen zu reden oder sie auch nur einzulassen - und das mit Steuergeldern. Nun kann ich mich ja bequem aus der Affaire ziehen und sagen, dass mir Sex in meinem Alter eh langsam egal sein kann, ich nicht mehr viel versäume und meinen Spass schon früher und mehr als ausreichend hatte. Und warum sollte ich mir, in meiner privilegierten Situation, den Stress antun, so einen "riskanten" Beitrag bei der FAZ zu bringen.

Es sind ja nicht meine Privilegien, an die dieser von Moralin besoffene Mob will.

Da habe ich zwei Antworten. Die eine ist, dass ich generell nicht will, dass solche Figuren darüber zu befinden haben, wie ich mein Leben zu gestalten habe. Es geht mir nicht darum, ob ich das tun will - es geht mir darum, dass ich und jeder die Freiheit hat. sein Sexualleben nach eigenem Willen und Plaisier zu gestalten. Wenn jemand dafür zahlen will, soll es so sein und wenn Bezahung gewünscht wird, ist das auch in Ordnung. Solange da eben freier Wille dahinter ist. Und wenn diese Tätigkeit gewählt wird, weil es die bessere Alternative zu Unannehlichkeiten dieses Systems ist, nehme ich das auch gern hin, selbst wenn ich auch der Meinung bin, dass die Gehaltsunterschiede in Deutschland generell zu gross sind, und Frauen besonders am unteren Ende mehr verdienen sollten. Was die dann tun, muss mir auch nicht gefallen. Mir gefällt sehr vieles nicht, ich bin eigentlich ein enormer Spiesser. der schon kaum den Anblick von Piercings erträgt. Aber es ist deren Freiheit und die habe ich nicht nur hinzunehmen, sondern auch zu respektieren. So, wie ich auch nicht angepflaumt werden möchte, wenn ich gut gekleidet zuammen mit einer Frau im Abendkleid in die Oper gehe, nur weil jemand das als Verschwendung und kulturelle Arroganz ablehnt.

Generell: Freiheit sind nicht die Grenzen, in denen ich lebe. Freiheit ist die Abwesenheit von Grenzen. Kleines Beispiel: Ich esse nicht in England. Aber ich will die Freiheit haben, in England essen zu können. Das ist das eine.

Das andere ist: Diesen Kriegsschauplatz haben sich die Emmas absichtlich herausgesucht. Bigotte Leute die sie sind, suchen sie sich wie ihre Nichten aus der Netzblase mit Shirtgate das leichteste Opfer. Das, wo sie sich überhöhen und mit Vorbehalten spielen können. Für die Emmas ist die Prostitution, was der Jude für die NPD ist: Projektionsfläche für weit verbreitete Vorurteile. Und wie jeder Jude und jeder Kenner der Geschichte Frankreichs und Englands in der frühen Neuzeit vermutlich weiss - es muss dazu gar keine realen Juden geben, Antisemitismus funktioniert auch in deren Abwesenheit. Es wird immer etwas gegben, das man als jüdisch diffanieren kann. So ist das auch mit dem Sex. Wenn die Prostitution weg ist, wird sich der totalitäre Sexismus, der sich Feminismus nennt, gleich die nächsten Abweichungen ihrer Norm suchen, finden und als Gewalt gegen Frauen und Rape Culture bekämpfen, selbst wenn es das Phänomen auch unter Homosexuellen und für Frauen gibt. Sie werden immer einen Grund finden, Praktiken, Lust und Gedanken verbieten zu wollen. Und dann stehen sie halt irgendwann auch bei mir. Je eher man sie aus dem Felde schlägt, um so besser ist es.

Ja, und deshalb bin ich der Meinung, dass der schmutzige Schützengraben im Streit um die Prostitution ein phantastischer Ort für mich, meine an sich makellose Identität mitsamt nichtarischer Moralwumme und meine Überzeugungen ist. Denn es ist nicht so, dass ich meine Ruhe habe, wenn sich diese Koaltion dort ihren bigotten Hass verbreitet. Die Prostitution ist nur ein schwacher Punkt in der Front der Freiheit gegen die totalitären Bemühungen, und natürlich meinen die auch nicht nur meine Gastautorin. Die meinen mich, mein Gelächter und meine persönliche Freiheit, zu denken und zu lieben, was und wen immer ich will.

Ausserdem habe ich eine wirklich tolle Gastautorin nicht nur gefunden. sondern auch rumgekriegt, das zu machen. Natürlich sind solche Beiträge nicht ohne Risiko, aber publizistisch ist das für mich - befriedigend.

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Donnerstag, 4. Dezember 2014

Meine gute Tat des Tages

ist es, den Lesern einen Fehlkauf zu ersparen, indem ich die Fragen, die die Zeit aufwirft, bei der FAZ beantworte - nämlich, wie es wirklich auf dem überfüllten Heiratsmarkt der besseren Kreise zugeht und warum junge Aufsteigerinnen da mehr Risiko denn Verlockung sein können.

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Dienstag, 2. Dezember 2014

Redeverbote durchsetzen. Kritik verhindern

Es gibt Menschen, die Grosses tun, aber ihre Werke werden nach ihrem Tod vollstänsig vernichtet. Bertha Pappenheim ist da nur ein Frankfurter Beispiel, andere werden sich leider auch finden lassen. Und dann gibt es Menschen, deren Tod für viele keinen Schaden darstellt. Über das Ableben von Jörg Haider, den ich in der schlimmsten Zeit selbst erlebt habe, habe ich nicht geweint. Und man denkt sich, jetzt könnte man das alles nach seinem Tod aufräumen. Besser machen. Das schlimme Erbe zuschütten und darüber einen hübschen Park anlegen.

Man weiss natürlich, dass das in Österreich nur sehr begrenzt gelungen ist, und nur ganz langsam, mit dem Aufkommen von NEOS, kann man Hoffnung schöpfen. Aber vieles, was ich von der Beschäftigung mit Haider nur zu gut kenne, sehe ich heute an anderen Stellen erneut. Totalitäre Ideologien haben halt nur sehr wenige, afür aber immer gleiche Ziele, und ihre Mitel unterscheiden sich kaum. Und das Wahnwitzige ist, wenn es solchen Leuten gelengt, ihre Denk- und Redeverbote ausgerechnet unter dem Deckmantel der Toleranz durchzusetzen, und dabei jede ehrliche Debatte, die nun mal nicht ohne Standpunkte möglich ist, zu verhindern. Wie das mit Fat.Shaming geht, habe ich bei der FAZ aufgeschrieben. Gleichzeitig ist das ein Test des neuen Blogsystems mit den Kommentaren. Um Feedback bin ich dankbar.

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Sonntag, 30. November 2014

Ab wann darf man eigentlich Leute zusammenstauchen

Ich darf eigentlich nicht Böses sagen. Die ganze Geschichte ist lang mit Höhen und Tiefen, manches war unter der Gürtellinie und doch irgendwie verständlich - nicht jeder hat es immer leicht und wenn man das mit einbezieht, ist manche schlechte Laune vollkommen nachvollziehbar. Auf der anderen Seite ist diese Person unabsichtlich und indirekt der Grund für zwei sehr angenehme Nachmittage in München gewesen, selbst wenn sie das ziemlich sicher nicht sein wollte, Der Anlass kam zu einem lange vergangenen Zeitpunkt, gut zwei Jahre her, da war die Welt noch anders und das, was damals verkündet wurde, würde heute nicht mehr so vertreten werden. aber man neigt ja dazu, Menschen eher in angenehmer Erinnerung halten zu wollen und wie gesagt - über all die Jahre muss man auch mit persönlichen Krisen rechnen. Geht mir ja auch nicht anders, auch bei mir gibt es Tage, da bin ich unausstehlich. Tage wie heute mit dem bitterkalten Ostwind gehören dazu, wenn ich weiss, dass oben in den Bergen die Sonne scheint.



Manchmal kann ich nicht anders. Rauchen ist so ein Thema, es ist mir ziemlich egal, wenn es Leute tun, die ich nicht kenne. Wenn ich anfange, einen Raucher zu bearbeiten, ist das immer ein Zeichen dafür. dass er mir viel bedeutet. Ich bin nun mal in dem Alter, da Gleichaltrige tot umfallen, und es sind ausschliesslich Herzprobleme und immer Raucher. meist in Verbindung mit Alkohol. Aber der letzte Fall war nur Raucher, anderthalb Schachteln am Tag, angeblich. Raucher von der Sorte, die einem immer von denen erzählen, die mit 22 beim Marathon tot umfallen und deren Opas steinalt wurden, trotz Zigaretten - das ist halt der Fluch der Statistik.

Statistisch könnte mich auch ein Auto über den Haufen fahren. Damit ich kein Opfer der Statistik werde, fahre ich ausserhalb der Städte und zumeist auf Strassen ohne Autoverkehr. es wird hier und am Tegernsee sehr schnell sehr leer, wenn man die richiigen Wege benutzt. Und selbst, wenn manche Räder 40 Jahre oder älter sind, sind sie technisch in einem perfekten Zustand. Das ist keine Garantie, aber bei den doch recht langen Strecken, die ich jedes Jahr zurücklege, nicht ohne Bedeutung. Wenn mir etwas zu gefährlich ist, habe ich die Kraft, es auch bleiben zu lassen.



In den grossen Städten, in denen ich gelebt habe, wäre ich besonders vorsichtig. Und keine Komponente wäre mir da wichtiger als die Vorderradbremse, die fast ausschliesslich darüber entscheidet, wann man in der Ebene zum Stehen kommt. Ich bin diesen Sommer einmal komplett durch München gefahren, und ich war nach drei Beinaheunfällen dankbar um meine extrem teure, aber auch bissige Campagnolo Record Bremse - schuld waren zweimal übrigens Radler, eine Mama mit Jastenrad und ein Ipod-Depp auf der falschen Seite. Wie man ohne eine gute Bremse auskommt, weiss ich nicht. aber wenn ich dann höre, wie jemand zum Radgeschäft fährt, um sich die vordere Bremse reparieren zu lassen, weil da ein Seil gerissen istdann stellt sich für mich schon die Frage, ob man sich auch bei Nichtwirklichfreunden aufregen darf.

Ich mein, was geben wir nicht alles an Geld aus, um schlau, gesund und hübsch zu sein. Das alles hängt an diesem gerissenen Seil, da muss man aktuell selbst gar keine Schuld haben, es kann einem immer mal jemand die Vorfahrt nehmen - und dann ist das alles dahin. Einfach, weil nicht die Bereitschaft da ist zu sagen: Das hat oberste Priorität. Das mache ich entweder selbst oder ich schiebe. Das Risiko mag klein wirken, aber die Folgen können so übel sein, dass man das einfach nicht tun darf. Oder wenigstens jemand haben sollte, der einen dafür zur Minna macht. Wirklich. Nur im Guten. An diesem Seil hängt alles.



Mir ist einmal ein Bremsbelag bei einer Scheibenbremse aus der Halterung gebrochen. Das kann immer mal passieren, das war minderwitzig, aber ich war allein am Berg, und es hat nur mich gefährdet. Ich hatte einen Öldruckverlust bei einer anderen Scheibenbremse und weiss schon, warum ich traditionelle Mechanik, die wenig Wartung braucht und mit geringen Kräften auskommt, lieber mag. Gegen die Statistik kommt man nicht an, die Wahrscheinlichkeit, die wir Unglück nennen, findet immer einen Weg, und nur, wenn einer fällt, heisst es nicht, dass andere stehen.

Gesundheit ist das Wichtigste, hat meine Grossmutter immer gesagt, und natürlich wie immer recht gehabt. Es passiert eh zu viel. Man sollte das nicht noch zusätzlich befördern. Und im Zweifelsfall lieber einmal zu oft den Mund aufmachen. Das habe ich jetzt indirekt getan und vielleicht macht es ja die Runde zu der Stelle, wo es hin soll.

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Samstag, 29. November 2014

Eigentlich bin ich Optimist

Es nähert sich der 200. Todestag des Marquis de Sade, und ich habe es mir erlaubt, ihn bei der FAZ indirekt in einem Beitrag über die Frauenquote zu würdigen. Und natürlich auch im liebgewonnenen Kommentarblog.

Ich bin eigentlich Optimist, und deshalb bin ich auch davon ausgegangen, dass ein wirklich sehr, seht günstig erstandenes Gemälde aus dem späten Biedermeier kein Öldruck ist, sondern gut. Es kam heute an, und ich sah meine Haltung gerechtfertigt. Es ist wirklich fein. Monumental und fein.



Weniger optimistisch bin ich bei der suche nach einem Platz dafür. Ich müsste eigentlich schon fast Bücherschränke wegräumen, aber das kann es auch nicht sein, wo doch Bücher so schön sind. Immerhin, vielleicht würde mir beim Umräumen dann wieder einfallen, wo ich diese Geschichte gelesen habe, die mir im Kopf herumgeht. Und die geht so:

Es war ein Kloster in einer schönen Weinbaugegend, und um die Weinherstellung kümmerte sich der Abt persönlich. Er war ein liebevoller Mensch, gutmütig und ab und zu auch etwas vom eigenen Wein betrunken, aber das Leben war gut und alle waren zufrieden. Der Wein war sehr beliebt, und sein Ruf drang bis zum König, der das Kloster zum Hoflieferanten machte. Und so schnitt man die Reben, presste die Trauben und füllte den Saft in einen riesigen Bottich. Dann kam, das war Tradition, jedes Jahr der Abt, schloss die Tür zum Weinkeller, und tat etwas, von dem niemand wusste, was es war. Aber es spielte keine Rolle, denn der Wein war gut und das Kloster wuchs und gedieh.

Aber irgendwann war der Abt alt, und als er seinen Tod kommen fühlte, schrieb er etwas auf und trug seinen Brüdern auf, es dem neuen Abt zu zeigen - das sei das Geheimnis des Weins. Seine Brüder wählten angesichts des Vermögens dann doch lieber einen tüchtigen, aber wenig humorvollen Verwalter, der das Kloster weiter nach vorne zu bringen versprach. Natürlich las er auch nach seiner Wahl, was ihm der alte Abt hinterlassen hatte - und schauderte zurück. Der alte Abt nämlich hatte jedes Jahr seine alten. ausgelatschten und vom Staub der erde bedeckten Schuhe in den Bottich geworfen.

So ging das natürlich nicht und bei der nächsten Ernte wurde genau aufgepasst, dass nur der reine, saubere Traubensaft vergoren wurde. Keine Schuhe - niemals.

Prompt hagelte es Beschwerden, dem König wurde schlecht von dem Wein, sein Vorkoster übergab sich und man munkelte, das Kloster würde etwas Giftiges in den Wein panschen. Es kam zu einer Untersuchung, aber die fand nur Wein - Wein, der schlecht schmeckte. Es kann sein, sagte der Abt, dass es ein schlechter Jahrgang war, vielleicht waren auch die Fässer verschimmelt, aber nächstes Jahr wird sicher gut und sauber. Aber auch im Jahr darauf war der Wein ungeniessbar, und das Kloster musste das Gesöff wegschütten, weil es keiner kaufen wollte. Das Kloster bekam einen schlechten Ruf. In seiner Not warf der Abt im Jahr darauf seine eigenen Schuhe in den Wein - der war dann wieder geniessbar. Das machte er dann immer, und das Kloster konnte sich erhalten

Aber nie mehr wurde der Wein so gut wie jener, in den der alte, gutmütige, lustige Abt seine Schuhe geworfen hatte.

Ich weiss wirklich nicht mehr, woher ich die Geschichte habe. Möglicherweise von Cervantes, der diverse Novellensammlungen verfasst hat - aber es fällt mir nicht mehr ein,

Warum aber mir die Geschichte gerade jetzt durch den Kopf geht, weiss ich auch nicht.

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Freitag, 28. November 2014

Privileg

Zugegeben, es gibt natürlich auch Offline-Debatten über meine Beiträge, die so im Blog nicht stattfinden. Da geht es vor allem darum, ob ich die Lebenswirklichkeit richtig verorte. Eigentlich jeder in meinem Umfeld sagt, meine Texte würden deutlich übertreiben, und was ich dort darstellen würde, sei Durchschnitt, den ich krass überschätze. Und es ist natürlich richtig, dass ich für Tegernseeverhältnisse ganz klar nicht zu den Vermögenden gehöre, und dort keinesfalls mehr als der untere Durchschnitt habe. Allerdings - nicht zur Miete, sondern als Eigentum.

Ich halte dagegen, dass die Lebensrealität in Deutschland bei der echten Mittelschicht bei 40m² pro Person liegt und ich allein am Tegernsee dafür sorge, dass dieser Schnitt bei zwei anderen Menschen auf ein Niveau sinkt, das ich für unzumutbar halten würde - ungeachtet des Umstandes, dass woanders noch mehr Räume für mich da sind. Und nirgendwo wohne ich "zur Miete". Es ist halt immer eine Frage der Bezugsgrösse und des Umfelds, aus dem heraus man urteilt. Und so arrogant ich manchmal klingen mag: Ich weiss auch sehr genau, was andernorts üblich und gängig ist. Vielleicht gehe ich zu lässig mit meinen Privilegien um. Aber ich erkenne sie wenigstens.



Momentan macht dieses Schreiben einer GEO-Redakteurin die Runde, die sich auf dem Weg in die Altersarmut sieht - und vermutlich hat sie damit sogar recht. Wer im Journalismus reich werden will, muss darin entweder reich heiraten, reich erben oder auf einen Managerposten kommen. Alle anderen sollten sich eben überlegen, ob sie sich diese Arbeit, verbunden mit den Privilegien, die man dort hat, wirklich leisten können. Das ist nun mal so, und es ist nicht Schicksal oder eine Naturkatastrophe, das wurde so gemeinschaftlich von diesem Sektor mit sehr, sehr vielen Fehlentscheidungen vor die Wand gesetzt.

Fehlentscheidungen, deren Behebung dann auch unendlich lang dauern, weil man sich das alles nicht eingestehen möchte. Fehlentscheidungen, die ganz gross gemacht wurden, statt die Sache langsam und mit Bedacht zu entwickeln. Und man plötzlich Leute an Bord hat, die Kosten verursachen und die Sache verderben, ohne dass sie je einen Tritt kriegen, weil man ja nicht A oder B auf die Füsse treten will. Und dann kommen halt Entscheider wie in diesem Fall und machen Tabula Rasa. Das hat oft unschöne Konsequenzen, wenn man keinen Plan B hat. Und keine eigene Wohnung. Das ist bei sehr vielen über 40 die grosse Angst. Sie wissen, was sie monatlich als Sockeleinnahmen brauchen und oft, sehr oft, sind sie Singles und das ist sehr, sehr teuer, gerade wenn es um Wohnraum geht. Der Kauf ist aufgrund der Unwägbarkeiten und des Einkommens nicht möglich, und so darf fann eben auf gar keinen Fall eine Stütze wegbrechen - so sieht das aus. Gefühlt ist das bei der Mehrheit meiner Kollegen so.



Das aber zu verstehen - dauert. Das dauert mitunter eecht lang, heute erheblich länger als früher, als in den Medien oft und viel geschmähte Menschen mit 27 einen Partner für das Leben und ohne Twitter wollten, dann recht schnell den Bausparer füllten und sich bewusst waren, dass sie da jetzt durch und die begrenzten Optionen ideal nutzen müssen, auch unter Zuhilfenahme ihrer eltrn, selbst wenn die Zugeständnisse fordern. Das ist in meiner Heimat mit der extrem guten Beschäftigungslage und dem eher wenig konfliktträchtigen Gemüt der Menschen nicht so arg schwer, und nach weiteren 20 Jahren hat sich das, zumindest bei uns, auch finanziell rentiert.

Nur gibt es in so einem Lebensentwurf wenige Ausflüchte wie jene, die Menschen wie ich dauernd haben. Ich gehöre in diesem Bereich ja noch zu denen, die es sich wirklich aussuchen könnten. Und ich habe auch zudem keinen Grund, mich sofort dem nächsten an den Hals zu werfen, weil keine Reserven da sind. Allein das ist, wie man in diesem offenen Brief sieht, ein grosses Privileg. Aber auch andere sehen bei uns jede Menge Möglichkeiten, wenngleich mit minimaler Bezahlung. Das scheint aber zu reichen, weil die davon Angezogenen glauben, irgendwann würde es schon besser, selbst wenn die Realität etwas anderes aufzeigt. Dass die Propaganda oft in die andere Richtung geht und, wie aktuell mit der Frauenquote, die Illusion der grandiosen Zukunft der einsamen Kämpfer mit hinten angestellten Privatleben fördert, und später die Ausrede, das Scheitern läge an der gläsernen Decke des Patriarchats - das alles ist halt auch so ein grandioser Fehler der öffentlichen Darstellung, wie das Versagen des Journalismus vor Herausforerungen, die man falsch eingeschätzt hat.



Ich denke, wir werden in ein paar Jahrzehnten ganz deutlich sehr hässliche Folgen sehen, speziell bei jenen, die immer besonderen wert auf ihre vielen Optionen gelegt haben. Es wird ein sehr hässliches Äquivalent zum Thema der alleinerziehenden Mütter geben, die von der Gesellschaft jetzt so übel rangenommen werden, wie das anderen später zustossen wird. Versprochen wird ein Leben mit luxuriösen Vorteilen, aber ohne Vermögen und mit hohen Fixkosten, die jeden Aufbau von Polstern unmöglich machen. Die Vorteile sind schlagartig weg, wenn der Beruf weg ist, die Bedürfnisse werden aber bleiben, und gleichzeitig wird es mit der Reintegration in normale Verhältnisse sehr, sehr schwer.

Man sollte sich das leisten können. Ich kann es mir leisten, aber trotzdem bin ich froh, dass ich Rohre selbst reparieren und Räder bauen kann, denn Installateure sind sehr, sehr teuer und Leute, die etwas reparieren können, wird man immer brauchen.Es ist absehbar, dass es für mich nicht nötig sein wird, und dennoch: Es hat schon seine tiefere Bedeutung. Denn die neuen Privilegien sind wenig wert, sie sind die Lehman-Zertifikate auf eine Zukunft, die brutal aussortieren wird. Die alten Privilegien dagegen funktionieren, und sie funkionieren um so besser, je mehr man selbst tut und dabei ein Auge auf die Kosten hat. Ich wasche meine Hände, probiere die Spülung und lese dann den Jubel über eine Senator Card. Wenn ich Schnee räume, sehe ich nicht aus wie Elite.

Das macht mir nichts. Ich weiss, dass ich solche offenen Briefe in 2o Jahren nicht schreiben werde, und das ist auch ein Privileg, das man entweder hat, oder eben nicht.

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Donnerstag, 27. November 2014

Grundversorgung

Im Sommer ist einfach, da gibt es jeden Sonntag ein Konzert am Mittag, und das macht die Woche rund. Egal, was passiert, man weiss, Sonntag Mittag hat man eine schöne, angenehme Stunde, und das immer wieder überwältigende Deckenfreco entschädigt für die wirklich bestialisch gestalteten Kirchenbänke. Danach Torte.



Im Winter geht das nicht, weil es in der Kirche zu kalt wird, und so endet der Spass im Oktober. Dann übernimmt der Konzertverein. Angenehme Bestuhlung, das muss man sagen, gute, wenngleich nicht exzellente Akustik wie in der Asamkirche, aber leider in einem Baukörper des Brutalismus, wie so vieles hier, was in jener fortschrittsfreudigen epoche gebaut wurde, als die Stadt noch von der SPD beherrscht wurde. Nun finde ich das für Schostakowitsch sehr angemessen, aber die Sternchendeko an der Decke mag nicht die gebaute Diskrepanz bei Haydn und Schubert übrdecken



Vielleicht sollte ich doch wieder ein Opernabo in München nehmen, denke ich mir zwischendrin, als der zweite Satz von Schuberts Quintett ein wenig, nun ja, sehr langsam wird, und man weiss ja, dass der Autor dieser Zeilen mit all der neumodischen Musik nach dem Rokoko wenig anfangen kann. Da stimmt das Ambiente, aber leider machen die da auch Regieopern, minimale moderne Aussage für die Verhunzung ganz wunderbarer Stücke, nur damit die Kritik was zum Schreiben hat. Oder ich wende mich an das Gärtnerplatztheater, da sind mehr Kinder als Kritiker, und denen mag man das nicht zumuten - aber leider sind da die Opern auf Deutsch und das kann es ja irgendwie auch nicht sein, denn die deutschen Libretti dämpfen die ganze Schäre der Originale. Wie auch immer, es könnte mehr sein, sage ich mir, aber dann begint der dritte Satz, und der ist deutlich schneller und eindringlich.



Im Programm steht das, was meine Zeitung über die Vortragenden geschrieben hat, aber zum Glück werde ich in der Pause mehr auf meinen böses witz angesprochen und auf Monte Carlo, und was man sonst so sagt, wenn man nicht über Kleider reden darf. Grundversorgung. Das bekomme ich und das mache ich, aber wenigstens sehe ich dabei gut aus.

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Der Relaunch ist da.

Nun ja. Ein paar Probleme sind da wohl noch, aber es ist schön geworden, selbst wenn ich gerade bei der FAZ nur dumm über Entsagung daherrede. Und auch im Kommentarblog, weil da sind halt noch so ein paar Sachen, wie immer nach solchen Mammutaufgaben.

Aber es ist schon sehr viel besser bei der FAZ geworden. Ganz viel Javascript ist weg. Zum Glück.

Das wird übrigens spassig -wenn ich mich über Minderheiten nur gaaanz leicht lustig mache, die nicht reich sind, gibt es massenhaft Kündigungsaufrufe durch Leute, die eigentlich darum betteln, dass man mal bei ihrer Uni aufruft und fragt, wie lange so ein Geuter eigentlich pro Tag staatlich finanziert im Netz rumhängen darf. Aber wenn ich das sehr viel böser mit Vermögenden mache, drucken die Angsprochenen das aus, verteilen es und klopfen mir gleich im Konzert auf die Schulter.

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Samstag, 22. November 2014

Nimm2

Mal das Rotorange und mal das Gelbe, dann kommst du gut durch diese etwas triste Jahreszeit.



Derweilen rafft es schon überall die Leute dahin, Grippe hier, Erkältung da, nur ich strample noch und ansonsten geht es mir wirklich, wirklich gut. körperlich betrachtet. Ich mache sogar schon Pläne, was denn wäre, wenn wir wieder so einen Winter wie letztes Jahr und gut verteilte und nicht so übel wirkende Pollen bekommen sollten. Denn in dem Fall hätte ich dann mal wirklich eine Chance, sauber trainiert in die Alpen zu kommen. Zum ersten Mal überhaupt.

Menschen ohne Heuschnupfen können sich das gar nicht vorstellen. Nehmt lieber nichts davon.

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