Der Sommer der Lieblosigkeit

Zumindest im Süden der Republik könnte man ein Blog über Scheidungen aufmachen; das hätte jede Menge betroffener Leser. Ich weiss nicht, ich ahne nur, dass es etwas mit dem Wetter zu tun hat, denn es scheint, als wären all die zugeeisten Hoffnungen des Winters durch den Regen des Nachwinters weggewaschen worden. Oder ist es nur normal, dass sich heute jeder erst mal ohne Nachdenken in die Ehe stürzt und dann merkt, dass es in Freiheit doch besser war?



Die kleine, dumme Stadt hat immer noch ihre Hochzeiten, und als Anwohner einer klassischen Ehestrecke zwischen Barockkirche und Feiersaal kann ich auch sagen, dass der Aufwand 2010 den vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung darstellt: Meterlange Schleppen, Schleppenträger, voranziehende Musiktruppen, ein Verleih britischer Prachtkarossen musste aufstocken, und die Feiern, früher gegen Mitternacht vorbei, ziehen sich nun bis in den frühen Morgen hin: Volles Programm, externes Catering, immer mehr, immer üppiger, Trauung am Morgen und dann ein Marathon, bis alle Hits der 80er und 90er gespielt sind (Summer of 69) und alle Erinnerung an benale Ereignisse ausgegraben wurden. Eventcharakter. Planung. Orchestrierung. Da geht immer noch was. Emely hatte so eine tolle Hochzeit, aber Sabrina machte es noch besser. Nur läuft das Niveau auseinander: Vorne in Weiss und Schwarz der ganze Prunk. Dahinter: Was man halt als Sonntagsanzug so hat, und zu tiefe Griffe in das Sortiment einer Boutique, die "Hollywood" heisst. Zu hohe Schuhe.



Früher war es so, dass sie nach 7 Jahren schockiert feststellten, dass sie sich getäuscht hatten. Was man nun so hört ist, dass die Grenze gegen 5 Jahre geht. Vielleicht, weil es die letzte Gelegenheit ist, noch vor dem Kind abzuspringen. Oder was auch immer. Man kann nicht in die Leute hineinschauen. Vielleicht liegt es auch nur an diesem Nichtsommer in Süddeutschland, der einen auf existenzielle und wenig erfreuliche Fragen zurückwirft. Die hatte man früher sicher auch, aber im Rahmen des allgemeinen Reichtums und der schnellen Ersetzbarkeit jeden Eigentums ist die Scheidung im Kern etwas, das man sich genauso leisten kann, wie die teure Hochzeit.

Die Liebe? Nun, die Liebe, die Emotionalität, das ist ein anderes Thema, und nat nur wenig mit Heirat zu tun, mag mir scheinen. Vielleicht sollte man Hochzeiten für Heiratsunwillige anbieten, all der Pomp und die Grösse ohne Nebenwirkungen und Folgeschäden, die sich im Regen über den Niederungen immer einstellen, und zumehmend eintreten, wenn die Fundamente noch ganz frisch sind. Ich verstehe das alles nacht, aber ich bin ja auch nur ein Libertin.

Montag, 21. Juni 2010, 00:51, von donalphons | |comment

 
wenn sie nicht ständig romantische liebe mit ehe verwechseln würden, könnte der klumpatsch etwas länger halten. es fragt sich nur, wofür. gesetzes-tüv-geprüfte fortpflanzung ist noch ein argument. aber sonst?
im netz sind gruselige seiten über hochzeitsinszenierungen zu finden. je sinnentleerter das ritual, desto größer der pomp. als würde es besser halten, wenn es teuer und auffällig war.

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Ach, "romantische Liebe", das ist ohnehin nur ein Konzept aus einer Zeit des hohen Sozialdrucks, der Syphilis und der Tuberkulose. Allerdings denke ich mir schon, dass der Kapitalismus bei hohen Anschubfinanzierungen nicht so schnell aufzugeben bereit ist.

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Romantische Liebe...
ist was für schlechtere Jünglinge aus besseren Familien die in der Pubertät zuviel Singer/Songwritermusik hören und dann auch noch irgendwelche ollen Schinken lesen. ich hab bis 24 gebraucht, bis ichs gecheckt hab, wie der zwischenmenschliche Männlein/Weiblein Hase wirklich läuft. Seitdem gehts mir besser. Aber sowas von.

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@kittykoma:
als würde es besser halten, wenn es teuer und auffällig war.

Unter uns gesagt drängt sich mir bei dem ganzen pompösen Hochzeitsgedöns eher der Verdacht auf, bei dem ganzen Getue, das sich auf diesen einen Tag konzentriert, geht so manchem Paar ein wenig der Blick dafür verloren, dass die entscheidenderen Weichen zum Gelingen der Ehe in der Zeit danach gestellt werden, im Alltag und in der Routine - und eben nicht in der Inszenierung des Außergewönlichen an einem besonderen Tag. Ich kriege überhaupt Krämpfe, wenn ich diese Hochzeitsvorbereitungsblogs sehe mit dieser ganzen dahinterstehenden Erwartungshaltung, es müsse alles perfekt werden. Da meint jede Kassiererin oder Büro-Tippse, sie müsste um diesem Tag einen Zinnober veranstalten als wäre sie Sissy-Diana-Mette-Viktoria und ihr gegelter Gebrauchtwagenverkäufer der Prinzgemahl höchstpersönlich. Mannmannmann.

Kann gar nicht sagen, wie froh und dankbar ich bin, dass meine Frau mir solcherlei Heckmeck weiträumig erspart hat.

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Ich kenne da ein Beispiel eines der ersten Hochzeitsblogs, sehr aufwändig, Feier im Burghotel, standesamtliche Trauung in den Burgräumen usw.

Das Ende: Trennung.

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allerdings habe ich mir die show mit 21 gegeben. eine eher coole hochzeit (von der familienfeier abgehauen in einen club zum tanzen, mit brautkleid und schleier), da gab sich aber niemand der illusion hin, das solle ewig halten.
mal sehen, was die lilifee-sozialisierten mädchen später machen, vielleicht brauchen die ja das prinzessinsein mit ende 30, wenn sie endlich so weit sind, nicht mehr.

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Na, aber das ewig halten ist doch genau die Ideologie, wegen der man es (zumindest in der bayerischen Steinzeit) macht.

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Du hast einfach das Wesen der Ehe nicht verstanden lieber Don. Ehe ist eine Art von Flucht. Anstatt sich täglich neu auf dem Markt anzubieten, kann man so tun, als ob man der ehelichen Treue frönte, und dabei nur die ganz sicheren Gelegenheiten abgreifen. Selbst eine Niederlage ist bedeutungslos, weil man ja immer sagen kann, dass man ein eigentlich nicht gewollt hätte.

Ehe ist ein Käfig der zunächst Schutz verspricht sich dann aber schnell als Gefängnis offenbart in dem man strafverschärfend auch noch mit einem Menschen eingesperrt ist, der einem täglich mehr zuwider wird.

Wenn unsägliches alltäglich wird, ist das ein gut gedüngtes Feld für tiefen Hass.

Warum es nicht mehr sieben sondern eher fünf Jahre sind fragst du. Ganz einfach. Wir werden schneller. Das ist immer so am Ende einer Epoche. Die Anzeigen wechseln immer schneller zwischen den Extremen. Nenn es den Todeskampf einer Zeit.

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Da kann man schlecht widersprechen...

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Sprechen mir aus der Seele...
Was kann ich dazu noch sagen - ausser, dass ich meinen Senf dazugeben muss , aus weiter Ferne. Ich war einmal in Hamburg in einem Brautkleidladen (wo ich dann doch nichts gekauft habe, habe stattdessen ein Abenddirndl, was jetzt noch im Schrank haengt, gekauft und sehr variabel ist und vor allem nicht weiss) und dort hat mir die Verkaeuferin erzaehlt, dass einige Damen ihr Kleid jetzt schon kaufen, obwohl sie es erst in zwei Jahren braeuchten. In zwei Jahren kann schon alles vorbei sein. Mir fiel dazu dann erstmal gar nichts mehr ein. Ausserdem fand und finde ich die traditionellen weissen Hochzeitskleider scheusslich. Und den "schoensten Tag im Leben einer Frau", der Hochzeitstag mit all dem furchtbaren, kitschigen Prunk, hab ich noch nie verstanden. Vor allem angesichts dessen, was danach dabei rauskommt. Las Vegas-Trauung oder City Hall erscheinen mir noch am vernuenftigsten. Und dazu kann man auch ein schoenes Kleid anziehen und im Anschluss noch gut zum Lunch gehen. Kann ja zur Feier des Tages dann etwas teurer sein.

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Ein Punkt, der die langfristige Planung des Ereignisses begünstigt, ist wohl auch, dass es schwierig ist, viele Leute terminlich unter einen Hut zu bekommen. In unserer Event-, Vereins-, Urlaubs-, und Freizeitgesellschaft ist ein Jahr Vorlauf das mindeste, was viele brauchen, um ein Wochenende für den Besuch und Reise zu einer Hochzeit so einzuplanen, dass möglichst alle Verwandten und Freunde kommen können.

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Guter Punkt
Ehe ist eine Art von Flucht. Anstatt sich täglich neu auf dem Markt anzubieten, kann man so tun, als ob man der ehelichen Treue frönte, und dabei nur die ganz sicheren Gelegenheiten abgreifen.
Das ist ein sehr guter Punkt. Als ich diese Sätze gelesen habe, musste ich kurz nachdenken, aber es gibt genug Beispiele aus dem echten Leben, die genau das bestätigen, Leute, bei denen man bereits mit Anfang 20 weiß, dass ihr Leben vorbei ist. Und gerade in eigentlich ausgesprochen sicheren Zeiten (welche existenziellen Fragen des Überlebens müssen wir denn überhaupt beantworten?) suchen die verunsicherten Schäfchen nach Sicherheit.

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Heiraten aus Liebe ? Kwatsch! Liebe ist nix als ein vorübergehender hormoneller Zustand (...ist nicht von mir...). Ich bin für arrangierte Ehen. Wenn schon.

Ansonsten gilt:
Fortpflanzung funktioniert auch ohne Trauschein.

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perfektionismus? - niemals!
ehe? - aber ja!
ich bin schon ewig verheiratet und will es auch bleiben. und bloss keinen perfektionismus an den tag legen; es sei denn, man möchte unbedingt unglücklich werden. aber das gilt im leben generell.
der aufwand für die hochzeit war in etwa so hoch wie für alle anderen familienfeiern auch. das haben wir bereits ein drehbuch (das "protokoll") in der familie, wie das allgemein ablaufen soll.
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schade finde ich die abgeklärtheit, was die kombination von liebe in tateinheit mit hochzeit/ehe angelangt.
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ach ja, lieber Don Alphonso, auch ich bin ein libertin. aber sie kennen mich ja aus ihrem anderen blog ...

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Nun, ich bin nicht verheiratet und will es ebenso bleiben. Die beste Garantie, frei von (überzogenen) Ansprüchen zu bleiben.

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Serientäter
Im Prinzip muss ich Donna Laura zustimmen, drei Ehen waren sehr lehrreich und trotz allem nehme ich gerade zur vierten Anlauf. Aber ohne Liebe wäre keine einzige möglich gewesen.
Ich hoffe für den Don, das es ihn besser früher als später auch erwischt. Emotion schlägt Ratio.

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Bei mir ist nur noch spät, sehr spät und zu spät möglich.

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Fehlt da nicht der Link zur FAZ, zur "Staatsmätresse"?

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Nein, das ist ein eigener Beitrag.

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Rückwärtsbewegung
Nun, die jüngere (leider zum Teil auch meine) Generation bewegt sich meiner Ansicht nach „traditionell“ wieder zurück zu den Großeltern, vorbei an der Befreiung der 1968er. Hochzeitsideen scheinen wieder auf dem Vormarsch zu sein, die Bedeutung der Verlobung, ja sogar angehende Akademikerinnen, die sich als Hausfrauen andienen würden. Im Gegensatz zur Zeit der Großeltern ist eine Trennung heutzutage größtenteils nicht mit gesellschaftlichem Statusverlust verbunden – ansonsten hätten auch schon viel früher wohl viele Ehen nicht so lange gehalten. Ich bewundere Paare, die tatsächlich aus Liebe den Bund fürs Leben halten, ansonsten steckt man sich vor dem Traualtar nur einen Ring an,

„einen Ring, sie zu knechten
sie alle zu finden
ins Dunkel zu treiben
und ewig zu binden“

P.S.: Libertin ist der Begriff, den ich schon lange gesucht habe, vielen Dank dafür.

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Komisch, dass noch niemand auf Ihren wunderschönen Tippfehler "Ich verstehe das alles nacht" eingegangen ist. Denn das tun Sie in der Tat. (Sie sehen schwarz.) Ich finde, Heirat hat durchaus etwas mit Liebe zu tun: Heirat ist der sehr riskante Versuch, für etwas sehr Privates, geradezu archaisch Unsoziales (die Liebe) eine Entsprechung im Gesellschaftlich-Sozialen, sogar im Ökonomischen zu finden. Das kann leicht schief gehen. Und je mehr die Ökonomisierung voranschreitet, desto leichter.
Mit der ironischen Bemerkung über "Hochzeiten für Heiratsunwillige" haben Sie allerdings Recht. Solche Hochzeiten kenne ich auch. Ja, sie kaufen sich Hochzeiten, und nachher kaufen sie sich Scheidungen, die Marionetten des Regimes. Gegen diese Diktatur des Prole... äh, ich meine natürlich: der Ökonomie hilft nur eins: lieben! Egal ob als Libertin oder als Ehemann.

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