Die verlorene Ehre des Kunstsammlers Gurlitt

Ich bin mir ziemlich sicher, dass keiner der anständigen Journalisten, die dem alten Mann die letzten Monate seines Lebens vergällt haben, sich nun einmal hinsetzt und all die Lügen aufschlüsselt, die in diesem Fall von den Medien fabriziert, verbreitet und breitgetreten wurden. Wenn der Anlass nur stimmt - das ist die Lehre aus dem Fall - wird der Journalismus zum Kettenhund von staatlichen Stellen, die selbst schon reichlich freidrehen. Natürlich erwarten die gleichen Journalisten - es gilt die Unabhängigkeit der Justiz nicht weniger als die Freiheit der Presse - dass sie dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Und vermutlich haben sie damit sogar recht. Und suchen sich das nächste Thema, an dem sie ihr klerasilreines Pickelgewissen aufbauen.



Aber ich bedaure es heute sehr, nicht mehr für Gurlitt als nur einen einzigen Beitrag in der FAZ geschrieben zu haben. Der Mann hatte sehr recht, sich hinter seiner Tür mit seiner Kunst zu vergraben. Nulla Spes findet sich jenseits der Kunst.

Dienstag, 6. Mai 2014, 18:19, von donalphons | |comment

 
In den Nachrichten heute um 16:30 im DeutschlandradioKultur wurde Gurlitts Vater Hildebrand schlicht und kurz als "Hitlers Kunsthändler" bezeichnet.

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Die hohe Kultur schützt bekanntlich vor Differenzieren und bei Gurlitt haben ja auch manche mitgeholfen, die sich für was Besseres halten möchten.

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Kettenhunde staatlicher Stellen?
Eher doch privater Partikularinteressen.

Heredis fletus sub persona risus est.

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Das vermutlich in gewisser Weise auch, Autodafes sorgen stets für Rummel.

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Zufälle gibt's
Ich bemerkte heute zu einer Kollegin, dass ich besser nicht an Gurlitts Stelle betroffen gewesen wäre. Ich hätte die staatlichen Missbrauchsstellen aka Staatsanwaltschaft mit Strafanzeigen wegen Diebstahl überzogen, die Presse mit Gegendarstellungen geflutet und mich auch sonst gründlich unbeliebt gemacht.

Dem alten Mann war's wahrscheinlich schon zuviel. Leider!

Gruss,
Thorsten Haupts

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Dem alten Mann war's wahrscheinlich schon zuviel.
…weshalb sie gezielt ihn ausgenommen haben: Von Gurlitt war keine große Gegenwehr zu erwarten.

Ich prophezeihe, dass das -wie derzeit noch Abmahnungen - ein Geschäftsmodell größerer Kanzleien werden wird. Wer sonst kann sich zum Mit-Erben selbst einladen?

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...ist es schon geworden, zumindest in den USA wird der Fall munitiös in sog. "Client Infos" verschiedener Kanzleien scheibchenweise immer wieder über die Ticker gejagt. Da werben einige aggressiv ums Einzelmandat.

Purer Zufall, natürlich, dass kolportiert wurde, einige Bilder seien in den 50ern in den USA ausgestellt worden. Da den US Gerichten ja Spinnen-Faden dünne Bezüge ausreichen, um ihre Gerichtsbarkeit zu bejahen, wird da sicher noch was kommen.

In der aktuellen BUNTEN ist übrigens auch Mdme. Dominique Strauss-Kahn abgebildet, die ein Bild von G zu erhalten wünscht. Sie hat es wohl als Kind mal bei einem Verwandten gesehen. Das Blatt will es sich vermutlich mit Peter Raue, einem bekannten Berliner Promi/Medien/Presseanwalt, nicht verscherzen. Raue, der auch als Förderer moderner Kunst bekannt ist und die aktuelle "Ausweitung der Kampfzone" Kunstausstellung in Berlin mitsamt Förderverein (mit) ermöglichst hat, äußerte sich bereits mehrfach auf eine Art und Weise über den Fall G. die ich zumindest von einem Rechtsanwalt seltsam unreflektiert finde. Hat möglicherweise damit zu tun, dass es mehr Anspruchssteller als Anspruchsgegner zu geben verspricht.
Aber das sind alles bestimmt nur Verschwörungstheorien und der Anwalt als Organ der Rechtspflege ist vor allem an derselben interessiert statt an seinem Geldbeuten, und ich bin nur miesepetriger Nörgler...

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Zufälle gibt's
Ich bemerkte heute zu einer Kollegin, dass ich besser nicht an Gurlitts Stelle betroffen gewesen wäre. Ich hätte die staatlichen Missbrauchsstellen aka Staatsanwaltschaft mit Strafanzeigen wegen Diebstahl überzogen, die Presse mit Gegendarstellungen geflutet und mich auch sonst gründlich unbeliebt gemacht.

Dem alten Mann war's wahrscheinlich schon zuviel. Leider!

Gruss,
Thorsten Haupts

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Er war leichte Beute. Ein alter Herr, etwas exzentrisch und (ich kann es nicht anders nennen) weltfremd, der nicht so recht verstand, mit welchen Mechanismen er es da plötzlich zu tun bekam.

Leider war es ja nicht nur die Presse, sondern auch die bayrische Justiz. Ohne deren Aktionen wäre es vielleicht nie so weit gekommen.

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Ja, aber beruflich habe ich nun mal viel mit Medien zu tun und es gibt welche - besonders die fortgesetzten Lügnerinnen und Lügnern, die die Sammlung in toto als Raubkunst diffamieren - denen wünsche ich auch mal so ein Erlebnis. Denn Gurlitt hätte auch einigen deutschen Moralcretins zeigen können, was eine Harke ist. Denn am Ende fällt nur ein kleiner Teil der Sammlung unter den Begriff Raubkunst und wenn man das als Kriterium ansetzt, könnten auch einige deutsche Museumsdirektoren Angst bekommen. Es ist ja nicht so, dass man sich bei der Restitution unendlich bemüht hätte - Gurlitt kam nur gerade recht, um nach Jahrzehnten des Verschweigens und Blockierens und Gewinsel wegen des Schatzes des Priamos endlich mal die stinkende Selbstgerechtigkeitssau heraus zu lassen.

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Völlig richtig Don.
Und darüber hinaus hat man mit dem alten Mann sogar noch Glück gehabt - das deutsche Recht kennt für Privatleute keine Rückgabeverpflichtung für Beutekunst. Verjährung abgelaufen - Zeugs gehört mir.

Und nach der initialen Berichterstattung hätte ich diese Karte ganz sicher gezogen, während Gurlitt mit einer entsprechenden Vereinbarung ausgerechnet den Staat (aussenpolitisch) erleichterte, der ihm den ganzen Müll überhaupt erst eingebrockt hatte.

Gruss,
Thorsten Haupts

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Da hat sich wirklich niemand mit Ruhm bekleckert.
Das Verhalten der Justiz war katastrophal, vermutlich auch teilweise rechtswidrig. Die Presse war jedenfalls anfangs unverantwortlich. Und Gurlitt wusste wohl oder hätte zumindest wissen müssen, dass er auf einem vergifteten Schatz sitzt. Er hat sich schon sehr vergraben. Das Gegenteil dann das professionelle Krisenmanagment seiner Rechtsanwälte mit eigener Website etc. Ein echtes Gegennarrativ, State of the Art.
Interessant bleibt aber die Rolle des Staats, der sich erlaubt, über solche Aktionen seine eigenen schweren Versäumnisse zu kaschieren. Widerlich und unwürdig. Einerseits.
Andererseits zeigt die Geschichte, dass in der Verwaltung die moarlische Verpflichtung zur Aufklärung der Raubkunst irgendwie schon zur Kenntnis genommen wird - nur halt nicht im eigenen Haus. Bei Anderen ist gut Saubermachen.

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Das hat mich auch sehr gefreut. Möchte jetzt das Gesicht der politisch Verantwortlichen sehen.

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Telefon klingelt.

"Gruezi mitainand, wenn die Kavallerie gelegentlich vorbeireitet, ob´s äväntuäll im Planwagen a paar Bilder mitbringan könnt´? Merci vielmol!"

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Don, die politisch Verantwortlichen werden ein Glas Sekt teilen.

Aus deren Sicht hätte es gar nicht besser laufen können. Gurlitt tot, damit die Staatsanwaltschaft und ihr rechtswidriges Verhalten aus dem Schneider. Kein Kläger mehr, also auch keine eventuell rufschädigenden Verfahren.

Bilder einer Stiftung übereignet, die ganz sicher alles tun wird, die Vereinbarung zwischen Gurlitt und dem deutschen Staat re Rückgabe Raubkunst zu erfüllen, statt eines renitenten Einzelerben.

"Optimal" gelaufen.

Sie glauben doch nicht wirklich, da trauert irgend jemand auch nur eine Sekunde um eventuell Deutschland verlorengehende Kunstwerke, oder?

Gruss,
Thorsten Haupts

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Aus Münchner Perspektive ist es eigentlich egal, ob die Kunstwerke in Bern oder in Hamburg hängen, kilometertechnisch jedenfalls.

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Ich habe damals die PK der Staatsanwaltschaft Augsburg verfolgt. Aus rechtsstaatlicher Perspektive war das zum Gruseln.

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Nur Leihgabe
Die Gurlitt- Kunstwerke können allenfalls als Leihgabe in die Schweiz gehen, weil es ein " Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung" gibt. Näheres dazu im "Tagesspiegel" von heute.

@ Thorsten Haupts:

Wenn sich also mehrere deutsche Behörden ein einziges Glas Sekt teilen, ist das eine angemessene Reaktion

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Skepsis
Ich weiß nicht; sicher hat die Justiz sich da von vorne bis hinten nicht mit Ruhm bekleckert, das steht außer Frage. Aber muß man nun mit Gurlitt Mitleid haben? Der Mann wußte, was sein Vater war; der Mann wußte, was 1933-45 in Deutschland an Sammlern verbrochen wurde; der Mann wußte, in wie vielen Fällen seit 1945 sich Sammlungsstücke als Raubkunst herausstellten - und kommt in 60 langen Jahren nicht auf die Idee, das für die eigenen Bilder mal zu prüfen (zu lassen)? Das darf dann nun das Berner Museum tun, ob die sich freuen? Mir reicht, dass EIN Bild dabei war, das einem jüdischen Besitzer zurückzugeben gewesen wäre, um ihn für eine miese Type zu halten.

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Auch nach der Definition der Gruppe A miese Typ hat das Recht, dass ihn der Staat genauso behandelt, wie den miesen Typen nach Definition der Gruppe B, C oder D. Solange die "misesen Typen" eines gemeinsam haben - nicht gegen geltendes Recht verstossen zu haben.

Das sollte der Kern von "Rechtsstaat" sein. Wer das anders haben möchte, muss sich darüber im klaren sein, dass Gesinnungs"recht" auch ihn unter veränderten Vorzeichen treffen kann. Wenn man das unbedingt will, nur zu.

Gruss,
Thorsten Haupts

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Es gibt ja den schönen Fachbereich der Herkunftsforschung und das kleine Problem ist, dass man da genz schnell in Abgründe blickt. Die einzig sichere Methode ist es, direkt beim Künstler zu kaufen, nach ein paar hundert Jahren wurde so ziemlich jeder Kunstgegenstand mal geklaut - einfach schon, weil sie extrem begehrt waren, wie man sich das heute nicht mehr vorstellen kann. Und da kommt das eigentliche Problem auf: Wo zieht man mit diesem Rigorismus die Grenze?

Dazu kommt noch das Problem, dass die ganze Geschichte des Kunsthandels von 1933-45 weitgehend im Dunkeln liegt und sehr viele auch kein Interesse haben, darüber zu reden. Es macht nämlich den Eindruck, als sei die ach so antifaschistische Moderne serh wohl beliebt gewesen, auch bei Nazis. Und das wirft natürlich auch Fragen auf, die teilweise Restitutionen erschweren könnten - weshalb man eben lieber sagt: Was damals verschwand, wurde geraubt.

Sie ist nicht einfach, diese Geschichte.

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tu felix helvetia
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Eine saubere Lösung: Alles in der Nähe, an einem sicheren Ort ...

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Hehl-Vetia

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@DA: aus genau diesem gibt es die weisen Institute Verjährung, gutgläubiger Erwerb, Ersitzung. Ist eine gewisse Zeit abgelaufen, wird der Rechtsfriede wieder hergestellt, indem die Gegenstände als Eigentum dessen angesehen werden, der sie besitzt.

Der Gesetzgeber hat hier den Rechtsfrieden im Interesse aller über das individuelle Interesse des bisherigen Eigentümers gestellt, und dem Interesse des bisherigen Eigentümers durch entsprechend lange Fristen Rechnung getragen.

Das geht natürlich über den Horizont von Leuten und auch Kulturen bzw. Rechtsordnungen hinaus, die immer nur an sich denken und wo das - im Grunde vereinsamte - Individuum nur an seine Ansprüche gegen den Staat, gegen die Gesellschaft und überhaupt gegen alle denkt, quasi alle nur um sich selbst kreisen. Vielleicht auch kein Zufall, dass es das im BGB seit 1900 gibt, während die Gesetze unserer heutigen Witztruppen handwerklich dagegen einfach unterirdisch sind.

Abseits vom Recht is es ja auch bemerkenswert, dass alle Welt sich über G. aufregte, ihn einem Dieb oder Hehler gleichstellte, aber vermutlich nicht damit einverstanden gewesen wäre, wenn die Bundeswehr in Polen und Tschechein einmarschierte, um Ostpreußen und Sudetengebiete ihrem gefühlt rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Freilich wäre die Argumentation die gleiche gewesen.
Denn auch da sind früher Dinge wirklich nicht gut gelaufen und es geschah sicher großes Unrecht (was bei den meisten von G's Bildern so klar ja auch nicht ist).

Irgendwann muss halt mal gut sein. Auf G. wurde von der bayerischen CSU-Justiz herumgehackt, aber zu den Sudetendeutschentrreffen geht vor allem die CSU gerne.

@thorha: da muss ich Ihnen mal Recht geben. Der Rechtsstaat beweist sich nicht im Schönwetter, sondern muss immer funktionieren. Der Track Record in letzter Zeit ist da nicht besonders gut, angefangen von Kachelmann, über Mollath, Edathy, den Bundespräsidenten Wiehiessdernoch, bis hin zu Gurlitt. Und das sind nur die Verfahren, die die Presse begleitet und die die Menschen bewegen.

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@greenbowlerhat:
Eigentlich sollten alle staatlichen Einrichtungen, Prozesse und Institutionen so konstruiert sein, dass sie auch unter Schlechtwetterbedingungen noch funktionieren.

Sie sind es häufig nicht, weil sie kurzfristig und kurzsichtig nach aktuellen Forderungen errichtet werden. Ich vermute, dass langfristiges Denken einfach über den Horizont der meisten Menschen und in Demokratien logischerweise folgend auch den der meisten Politiker hinausgeht.

Also reformiert man halt alle 5, 10 oder 20 Jahre und untergräbt so das Vertrauen der Menschen in die Stabilität ihrer natürlichen Umwelt. Mit langfristigen und drastischen Folgen für die Gesellschaft als Ganzes.

Gruss,
Thorsten Haupts

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Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der *Peep*-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.

(Vorbemerkung Bölls zu Die verlorene Ehre der Katharina Blum)

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