Hamburg, Teil Zwei.

Ich glaube, jeden Tag 9000 Zeichen schreiben, Kommentare verwalten, Leute Treffen und Vorträge der CCC-Kongresses anhören - von denen die letzten drei so schwach waren, dass ich darüber lieber nicht schreibe - ist so ziemlich das Maximum, das ich schaffe. Besser wäre es wohl, würden sich vor Ort zwei Leute abwechseln. Dann könnte man jeden Tag wirklich ordentlich abdecken

Ich finde es ausdrücklich nicht ärgerlich, wenn Leute die Bühne betreten, die Steinigungen von ehebrecherischen Frauen verteidigen. Ich hatte mit solchen Irren schon mehrfach selbst zu tun und auch solchen Irren sollte man erst mal zuhören, um sie zu verstehen -eine Grundlage der gelungenen Bekämpfung. Was mir aber entschieden auf die Nerven geht, ist die Show, die Cage UK auf dem Kongress abgezogen hat. Das können keine Partner sein, für niemanden, der auch nur ansatzweise für die Freiheit einsteht. Auch wenn sie hier jemanden vorschicken, der nur sein eigenes Leid klagt und sich auf die Magna Charta beruft, während seine Spiessgesellen Massenmörder toll finden. Das war in meinen Augen kein Vortrag, sondern ein Test zun kritischen Denken. Ich war dort als Nichtkombattant, ich habe mir das nur angeschaut - Schlüsse muss jeder selbst ziehen. Wenn die TOR-Leute sich damit in Billern assoziieren lassen - tja. So kommt dann die Idee, dass ihre Arbeit den Falschen hilft. Ich hoffe, der Klingelbeutel dieser Leute ist leer geblieben.

Oh, und wie schon die deutschen Totalitären von der Politischen Schönheit prügeln sie auf Amnesty ein. Ist wohl Sport bei allen, die politische Arbeit für ihre eigenen Zwecke unterwandern.

Geerell bin ich etwas unempfindlich gegen Vibrationen grosser Menschenmengen, wenn es um positive Effekte geht. Genau genommen hasse ich Massenveranstaltungen und bin gern auch länger mal allein. Ich lasse mich so gut wie nie mitreissen - Ausnahme sind klassische Konzerte. Wenn mir Flow und Miteinander versprochen wird, oder gar Solidarität, weiss ich schon vorher, dass das nichts wird. Ich will als Individuum behandelt werden, gleichgeordnete Massen machen mich sehr schnell sehr rebellisch. Auch wenn die angeblichen Zwecke gut und richtig sind, werde ich zunehmend kritisch. Vermutlich ist das ein angeborenes Übel, viele in der Familie können da auch nicht anders. Diese nett gemeinten Ansagen,. jetzt doch auch mal Ja zu sagen und der Mehrheit recht zu geben, ist eine der besten Methoden, mich zwischenmenschlich stur werden zu lassen. Ich verabscheue Fahnen, Parolen un Gleichschritt. Der Kongress war - zum Glück. und weil ich dort genug Dissidenten und Freigeister kenne - nicht weiter schlimm. Aber für viele ist er im Kern so eine Art Oktoberfest der Nerds, wo sie endlich die Attraktionen, Räusche und Marschmusik bekommen, die sie wollen. Sie haben dort die Definitionsmacht. Das muss gar nichts Schlechtes sein. Aber es setzt mich geistig in die Rakete, die vor dem Gebäude steht, und lässt mich die Schwerkraft des Richtigen, Guten und Sicheren verlassen. Das klingt jetzt vielleicht negativer, als es gemeint ist. Ich kann das alles auch nett ironisch formulieren. Es ist nicht das Problem des Kongresses, er so vielen sehr taugt - es ist einfach meine Art.

Mein Gefühl ist halt, dass, wenn andere meinen, man müsste doch über dieses und jenes nicht mehr gross reden, es genau dann wieder wichtig wird. Wer etwas weiss, kennt zu wenige Fakten. Und wer nur Fakten sieht, verkennt ihre ambivalente Natur. Wahrheit ist bestensfalls ein Gefühl und meistens Teil einer Lüge. Erkenntnis dauert lang und muss trotzdem manchmal weggeworfen werden. Manche möchten dagegen einfach in Überzeugungen aufgehen und jeden arin aufgehen lassen. Ich höre mir eigentlich so ziemlich alles an. Es darf gern so abseitig sein, wie ich mich letztlich mit meinem Stanpunkt fühle. Das ist dann das beste aller möglichen Gefühle. Nicht gut, aber immer noch das beste.

Mittwoch, 30. Dezember 2015, 23:36, von donalphons | |comment

 
Was diese elektronisch blinkenden Signalbierdeckel angeht, so glaub ich, dass man da die nicht so extrem dämonisieren muss.
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Das ist vor allem für Ausflugslokale geeignet, die im Sommer über Mittag in kurzer Zeit eine extreme Zahl von Gästen befüttern müssen, die da nicht wegen der Kulinarik kommen oder der Eßkultur, sondern einfach nur um ihr Schnitzel mit Pommes zu kriegen. Und wenn der normalmenschliche Kellner dann die Bestellungen verwechselt oder die Gäste nicht findet (unübersichtliches Lokal), dann hat auch keiner was davon.
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Und wer nicht nur für sich selber bestellt, sondern gleich für die Familie mit vier Kindern plus drei ausländische Gäste, der ist um so eine elektronische Gedächtnisstütze plus Signal gar nicht unfroh. Wie soll man sich denn sonst merken, wer was bestellt hatte und ob das jetzt für diesen Tisch ist oder einen anderen.
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Das gehört in den Bereich Schnellgastronomie und kann da nicht viel kaputtmachen. (Diese ganzen Buffets finde ich ja auch immer nervig: Schlange stehen, schubsen, kämpfen, drängeln ... was hat das mit Entspannung zu tun? Aber die Leut mögens...)

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Diese ganzen Buffets finde ich ja auch immer nervig: Schlange stehen, schubsen, kämpfen, drängeln ... was hat das mit Entspannung zu tun? Aber die Leut mögens...

Da sagen Sie was, und wenn Sie versuchen, das ganze noch mit geschäftlichem Smalltalk - etwa auf einer Veranstaltung - unter einen Hut zu bekommen, wirds noch nerviger als im Ferienhotel.

Denke im Übrigen auch, dass man die elektronischen Blinkiblinki-Dingsis nicht über Gebühr niedermachen muss. War damit erst einmal in Berührung, und in dem Kontext hatte es gepasst. Was jetzt nicht heißt, dass ich das andernorts auch unbedingt haben wollte. Sagen wir's so, ich verstehe den Ekel davor, obschon ich ihn nicht vollumfänglich teile. Das zivilisatorische Hauptübel scheint mir im Zweifelsfall ja die Massenabfütterung zu sein, da kommt das Blink-Element dann grade noch als Topping drauf.

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Ich finde es erstaunlich, dass viele das bereits seit zehn Jahren kennen - für mich war das wirklich das erste Mal. Ich war völlig verdattert, als mir das Ding hingeschoben wurde.

Vermutlich ist es letztlich eine Art neue Klassenbenachteiligung wie TBC: Für die einen gehört es zur normalen Erfahrung, die anderen kommen erst gar nicht damit in Kontakt.

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Ich kenn die Dinger aus einem Ausflugslokal in der tiefen Provinz, aber sommersonntags höchstfrequentiert mit ganz viel Familien und Motorradrentnergangs. Das sind, ähem, nicht alles Schlankheitswunder und man kann dort nicht mal mit EC-Karte zahlen.

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Hehe, mit dieser elektronischen Kellnerersatzflunder bin ich auch schon in Hamburg in Kontakt gekommen, nicht mein Ding, zumal ich das eher als Affront gegenüber den nun die Arbeit der Kellnerin verrichtenden Gästen sehe, die sich das Essen abholen müssen, aber gut (gibt dann auch kein Trinkgeld, wofür?). Vor einigen Jahren habe ich mal jemanden getroffen, der das noch einen Tick weiter gesponnen hat, indem er das Essen an die Gäste, nachdem sie es -natürlich- auf Computermonitoren ausgewählt und bestellt haben, vollautomatisch über eine entsprechende Anlage (ich stelle mir das wie ein Flughafen-Gepäcksortiersystem vor) ausliefern lassen wollte. Es war glaube ich im Raum Nürnberg eine solche Eventlokalität, wo er das installieren wollte. Keine Ahnung, ob daraus was geworden ist.

Heute war ja nochmal ein schöner Abschlussbericht vom 32C3 in der Zeitung, gerne gelesen!

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Danke - ich war wegen der Terrornacht zwischenzeitlich in München und habe den Beitrag 40 Minuten vor Umbruch abgeliefert, was mir sehr peinlich ist. Es freut mich, wenn er getaugt hat, so wie ich den -wie eigentlich alle Beiträge - runterschmierte.

Jetzt bin ich wirklich platt. Und häufig offline.

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Ich finde es erstaunlich, dass viele das bereits seit zehn Jahren kennen (...)

Bin voriges Jahr zum ersten (und bislang einzigen) Mal damit konfrontiert worden und wusste im ersten Moment auch nicht so recht, was mir das soll. Das war in einem Einkaufszentrum in Neuss, wo ich einem Hungerast auf meiner Rheinuferrunde vorbeugen wollte.

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Kenn das Teil berufsbedingt auch seit 10 Jahren. Nur aus Schnellabfertigungsfüttertrögen an grossen Flughäfen. Und da macht es sogar Sinn - die Alternative besteht in einer Person, die in 4 Sprachvarianten versucht, dem gesuchten Gast durch den Raum schreiend nahezubringen, das Essen No. 37 sei jetzt fertig :-).

Wird sich definitv ausserhalb solcher Biotope NICHT verbreiten.

Gruss,
Thorsten Haupts

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rollercoasterrestaurant
@stoiker zu: Es war glaube ich im Raum Nürnberg eine solche Eventlokalität, wo er das installieren wollte. Keine Ahnung, ob daraus was geworden ist.

http://www.rollercoasterrestaurant.com/de/standorte/FoodLoop

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@hm555:

"Diese ganzen Buffets finde ich ja auch immer nervig: Schlange stehen, schubsen, kämpfen, drängeln ..."

Sie müssen nicht unbedingt mit einem Kreuzfahrtschiff reisen, um halbstündlich per WLan hier einen Post reinzumachen. Mittlerweile gibt es auch auf vielen Langstreckenflügen diese Möglichkeit. Da bliebe dann allerdings das Problem mit Ihrer großen Tabakspfeife und - in der engen Flugzeugkabine - mit Ihrem sehr schlechten Atem.

Bei Lichte betrachtet sind Sie also doch mit Ihren Studienratskollegen am Buffet besser aufgehoben.

Nachdem Sie uns das so erfahren geschildert haben: wie geht es denn bei den Landausflügen so zu (oder können Sie an denen nicht teilnehmen, s.o.)?

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Mit der Eröffnungsrede von Afrah hat sich meines Wissens nur Hadmut Danisch kritisch auseinandergesetzt:

http://www.danisch.de/blog/2015/12/29/die-einweichende-piratisierung-des-chaos-computer-clubs/

Ansonsten scheint das Publikum das intersektionale Tabu (mehrfachdiskriminierte women of color kritisiert man nicht) und die Willkommensdoktrin (Flüchtlinge sind bessere Menschen, ihre Aufnahme macht Deutschland zu einem besseren Land) verinnerlicht zu haben.

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@donfranko: Donnerwetter, eine Achterbahn war es also, vielen Dank für den Link!

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@stoiker
Das s Baggers eröffnete 2007 und läuft noch

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Danke, hab's eben (s.o.) gesehen!

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