Fall
Onlel Primus war ein Mörder.
Wobei, er war nicht mein Onkel, sondern mein Ururgrossonkel. Und er hat auch keinen Menschen ermordet, sondern einen Weinstock beim Beschneiden. Eigentlich war es auch nur Weinstocktotschlag, zudem auch nur fahrlässig, aber seitdem hiess er eben Onkel Primus, der Mörder. Wenn vom Mörder die Rede war, wusste jeder, um wen es ging.
Hier war früher auch einmal Wein an den Häusern, aber das ist lang vorbei, denn in den Wirtschaftswunderjahren wurde das ganze Dorf gesprengt und danach geflutet. Im westlichen Teil des Sees stehen noch die Fundamente des Bauernhofs, aus dem die Frau von Onkel Primus, dem Mötder stammte. Hier hat sie ihre Jugend verlebt, als noch nicht alles schlammbraun war, sondern weitgehend unberührt und vergessen.
Es war sicher keine gute Zeit, denn das Tal ist sehr abgelegen - nach Lenggries und zurück geht man sicher einen Tag, und an den Ruinen sieht man, dass die Höfe nicht gerade stattlich waren. Der Jäger von Fall, geschrieben von Ludwig Thoma, ist denn auch kein besonders schönes Stück Literatur: Furchtbare Zustände, und sechs Monate Winter müssen es damals gewesen sein. Aber jetzt ist Fall noch einmal eine Sensation. Münchner parken die Brücke zu, um das versunkene Dorf zu sehen. Sogar die Wege sind noch da. Und die Baumstümpfe.
Im Frühjahr wird der Ort wieder verschwinden, für die kommenden Jahrzehnte.
Ich schwimme ungern, egal wo. Hier besonders. Schon immer. Da war immer das Gefühl, die Vergangenheit würde mich hinab ziehen.
Wobei, er war nicht mein Onkel, sondern mein Ururgrossonkel. Und er hat auch keinen Menschen ermordet, sondern einen Weinstock beim Beschneiden. Eigentlich war es auch nur Weinstocktotschlag, zudem auch nur fahrlässig, aber seitdem hiess er eben Onkel Primus, der Mörder. Wenn vom Mörder die Rede war, wusste jeder, um wen es ging.
Hier war früher auch einmal Wein an den Häusern, aber das ist lang vorbei, denn in den Wirtschaftswunderjahren wurde das ganze Dorf gesprengt und danach geflutet. Im westlichen Teil des Sees stehen noch die Fundamente des Bauernhofs, aus dem die Frau von Onkel Primus, dem Mötder stammte. Hier hat sie ihre Jugend verlebt, als noch nicht alles schlammbraun war, sondern weitgehend unberührt und vergessen.
Es war sicher keine gute Zeit, denn das Tal ist sehr abgelegen - nach Lenggries und zurück geht man sicher einen Tag, und an den Ruinen sieht man, dass die Höfe nicht gerade stattlich waren. Der Jäger von Fall, geschrieben von Ludwig Thoma, ist denn auch kein besonders schönes Stück Literatur: Furchtbare Zustände, und sechs Monate Winter müssen es damals gewesen sein. Aber jetzt ist Fall noch einmal eine Sensation. Münchner parken die Brücke zu, um das versunkene Dorf zu sehen. Sogar die Wege sind noch da. Und die Baumstümpfe.
Im Frühjahr wird der Ort wieder verschwinden, für die kommenden Jahrzehnte.
Ich schwimme ungern, egal wo. Hier besonders. Schon immer. Da war immer das Gefühl, die Vergangenheit würde mich hinab ziehen.
donalphons, 23:49h
Samstag, 2. Januar 2016, 23:49, von donalphons |
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trippmadam,
Mittwoch, 6. Januar 2016, 08:36
Ähnlich wie im Edersee.
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donalphons,
Mittwoch, 6. Januar 2016, 11:24
Irgendwann brechen die Deiche, dann kommt alles wieder heraus. Ich finde es sehr tröstlich, dass es auch ohne Menschen weiter geht.
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the great artiste,
Mittwoch, 6. Januar 2016, 13:23
Ein gutes Neues Jahr für alle, so ungut es angefangen hat
Zu diesem etwas melancholischem Aufmacher einen Neujahrsgruss an alle Stammgäste hier!
Alles kommt wieder, da stimme ich zu, auch ohne gleich an Nietzsche zu denken - das dumme ist nur, dass die eigene Halbwertszeit ein bisschen kürzer ist, als die Wiederkehr optimistischer, leidlich gerechter, entspannter und sinnlich offener Zeiten.
Was nützt einem eine neue sexuelle Revolution, wenn man höchstens noch die Krankenschwester ins Bein kneifen kann, die einem den Rollstuhl schiebt?
Wir müssen da jetzt durch - und wenn man die grenzenlose Hilflosigkeit unserer Regierenden erlebt, schwant einem nicht unbedingt Gutes, was die Zukunft betrifft, die dem chaotischen Zufall der entscheidungsleitenden Situation ziemlich weit ausgeliefert ist.
Alles ist zweifelhaft, unsicher, abenteuerlich wie die Politik unserer Notenbanken - und wenn dann ein paar fast gänzlich von Bildung unbeleckte kräftige Zeitgenossen zu der Auffassung kommen, trotzdem ihre Rechte durchzusetzen, sind wir schnell in der Agonie des Rechtsstaats angekommen - danach in Anarchie, oligarchischer Clangesellschaft oder bei rechtsnational autoritären Rettern des Vaterlandes.
Prost Neujahr!
Alles kommt wieder, da stimme ich zu, auch ohne gleich an Nietzsche zu denken - das dumme ist nur, dass die eigene Halbwertszeit ein bisschen kürzer ist, als die Wiederkehr optimistischer, leidlich gerechter, entspannter und sinnlich offener Zeiten.
Was nützt einem eine neue sexuelle Revolution, wenn man höchstens noch die Krankenschwester ins Bein kneifen kann, die einem den Rollstuhl schiebt?
Wir müssen da jetzt durch - und wenn man die grenzenlose Hilflosigkeit unserer Regierenden erlebt, schwant einem nicht unbedingt Gutes, was die Zukunft betrifft, die dem chaotischen Zufall der entscheidungsleitenden Situation ziemlich weit ausgeliefert ist.
Alles ist zweifelhaft, unsicher, abenteuerlich wie die Politik unserer Notenbanken - und wenn dann ein paar fast gänzlich von Bildung unbeleckte kräftige Zeitgenossen zu der Auffassung kommen, trotzdem ihre Rechte durchzusetzen, sind wir schnell in der Agonie des Rechtsstaats angekommen - danach in Anarchie, oligarchischer Clangesellschaft oder bei rechtsnational autoritären Rettern des Vaterlandes.
Prost Neujahr!
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vitu,
Mittwoch, 6. Januar 2016, 13:22
An Ihrem Thema vorbei und an Ihren Texten gemessen absolut unfähig mitzureden, nur ich fand die Lebensfreude einer italienischen Weltmeisterin in Schwimmen, Federica Pellegrini, sehr ansteckend. https://www.instagram.com/kikkafede88/
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mark793,
Mittwoch, 6. Januar 2016, 13:35
Ach, das versunkene Dorf hätte mich beim Schwimmen dort weniger gestört als die zu niedrige Wassertemperatur.
Bin als Jugendlicher mal in eine knackekalten Stausee gehüpft, sowas würde ich meiner Pumpe heute nicht mehr zumuten.
Bin als Jugendlicher mal in eine knackekalten Stausee gehüpft, sowas würde ich meiner Pumpe heute nicht mehr zumuten.
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hansmeier555,
Mittwoch, 6. Januar 2016, 15:26
Es hett noch immer jott jejange
Bei Leverkusen nen Damm baun und lustig Kölle fluten!
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greenbowlerhat,
Mittwoch, 6. Januar 2016, 16:42
@mark793: Ja, ich hab es auch eher als dramaturgisch verbrämtes "Ich bring diesen Körper doch nicht in dieses Eiswasser" gelesen.
Das Wasser dort kommt schließlich fein aus der Schneeschmelze der Alpen.
Das Wasser dort kommt schließlich fein aus der Schneeschmelze der Alpen.
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