Dienstag, 12. Juli 2011
Die Langsamkeit
Das ist die legendäre Campagnolo C-Record Kurbel. In Rennradlerkreisen ist sie mit den dazu gehörenden Bremsen immer noch das ultimative Statussymbol.

Kostenpunkt vor 23 Jahren: 500 D-Mark. Das war noch echtes Geld! Diese Bremsen waren eine extrem teure, glatte und lebensgefährliche Fehlkonstruktion, weshalb sie kaum jemand kaufte, und deshalb sind sie auch selten und sehr teuer - gerade die allerersten Exemplare, die von der Firma zurückgerufen wurden. Allerdings gab es ja auch die Kurbel: Die ist aerodynamisch von der Seite, also da, wo der Wind nicht herkommt. Von da, wo der Wind herkommt, ist es eine Turbine gegen den Luftstrom. Sie ist enorm schwer und edel poliert, was toll ist bei einem Gerät, das man mit Füssen tritt. Sie ist 100 Gramm schwerer als die damalige Konkurrenz und 130 Gramm schwerer als das hauseigene Vorgängerprodukt. Sie macht den Berg hinauf langsam und den Berg hinunter auch, da sind Bremsen dann nicht mehr so wichtig. Und wenn sie sich lockert, so wie heute, dann wird es eben noch langsamer. Dann kann man nicht mehr treten.

Dabei hatte alles so schön angefangen. Kein unfreundliches Gewitter mehr am Horizont (Grossbild, wie gewünscht). Blauer Himmel. Schönstes Wetter. Die Apfelbäume knistern im Licht. Die Luft bläut. Das Gulfnago sirrt, wie auch schon vorher 90 Kilometer.

Und dann knirscht es. Immer lauter. Die Kurbel wird locker. Ich verstehe das nicht, normalerweise löst sie sich, wenn man nicht richtig angezogen hat, nach kurzer Fahrt. Ich bin am Wochenende heftig geradelt und habe richtig hart getreten - da war alles in Ordnung. Nun gaukle ich über Sommerwiesen, und es knirscht auf einer Seite. Umdrehen, die richtige Position für den Fuss suchen, damit die Kurbel beim Treten nicht schlackert. und dann mit dem anderen Fuss fest treten in der Hoffnung, dass die andere Seite fest sitzt. Natürlich fehlt der 7er Inbus, den man jetzt bräuchte.

Immerhin, es ist zwar langsam, aber sportlich: Auf der einen Seite Muskelkater, auf der anderen Haltungsschaden, 15 Kilometer, vier Anstiege, da fühlt man daheim jede Muskel im Leib. Restenergie wird man dann an der zentralen Schraube austoben, damit die in Zukunft drin bleibt. Es ist so demütigend, wenn man reihenweise überholt wird. Wobei ich mich lieber so als von Lycra überholen lasse:

Insgesamt habe ich damit aber so ziemlich alles durch, was passieren kann: Doppelter Ventilabriss, 8 Kilometer auf Cleats nach Hause laufen, ein Stich eines Insekts, nach dem der Arm eine Woche geschwollen ist, Unwetter und etliche Kleinigkeiten. Dass es diesmal glimpflich abging, schreibe ich einer guten Tat auf dem Weg zum Debakel zu - jemand hat seine Pumpe verloren, ich habs sie gefunden, aufgehoben und ihm nachgerast. Am Ende ist es nur wichtig, dass man sich gesund belohnen kann:

Bald ist wieder grosse Tortenzeit. Ganz langsam. Stück für Stück.

Kostenpunkt vor 23 Jahren: 500 D-Mark. Das war noch echtes Geld! Diese Bremsen waren eine extrem teure, glatte und lebensgefährliche Fehlkonstruktion, weshalb sie kaum jemand kaufte, und deshalb sind sie auch selten und sehr teuer - gerade die allerersten Exemplare, die von der Firma zurückgerufen wurden. Allerdings gab es ja auch die Kurbel: Die ist aerodynamisch von der Seite, also da, wo der Wind nicht herkommt. Von da, wo der Wind herkommt, ist es eine Turbine gegen den Luftstrom. Sie ist enorm schwer und edel poliert, was toll ist bei einem Gerät, das man mit Füssen tritt. Sie ist 100 Gramm schwerer als die damalige Konkurrenz und 130 Gramm schwerer als das hauseigene Vorgängerprodukt. Sie macht den Berg hinauf langsam und den Berg hinunter auch, da sind Bremsen dann nicht mehr so wichtig. Und wenn sie sich lockert, so wie heute, dann wird es eben noch langsamer. Dann kann man nicht mehr treten.

Dabei hatte alles so schön angefangen. Kein unfreundliches Gewitter mehr am Horizont (Grossbild, wie gewünscht). Blauer Himmel. Schönstes Wetter. Die Apfelbäume knistern im Licht. Die Luft bläut. Das Gulfnago sirrt, wie auch schon vorher 90 Kilometer.

Und dann knirscht es. Immer lauter. Die Kurbel wird locker. Ich verstehe das nicht, normalerweise löst sie sich, wenn man nicht richtig angezogen hat, nach kurzer Fahrt. Ich bin am Wochenende heftig geradelt und habe richtig hart getreten - da war alles in Ordnung. Nun gaukle ich über Sommerwiesen, und es knirscht auf einer Seite. Umdrehen, die richtige Position für den Fuss suchen, damit die Kurbel beim Treten nicht schlackert. und dann mit dem anderen Fuss fest treten in der Hoffnung, dass die andere Seite fest sitzt. Natürlich fehlt der 7er Inbus, den man jetzt bräuchte.

Immerhin, es ist zwar langsam, aber sportlich: Auf der einen Seite Muskelkater, auf der anderen Haltungsschaden, 15 Kilometer, vier Anstiege, da fühlt man daheim jede Muskel im Leib. Restenergie wird man dann an der zentralen Schraube austoben, damit die in Zukunft drin bleibt. Es ist so demütigend, wenn man reihenweise überholt wird. Wobei ich mich lieber so als von Lycra überholen lasse:

Insgesamt habe ich damit aber so ziemlich alles durch, was passieren kann: Doppelter Ventilabriss, 8 Kilometer auf Cleats nach Hause laufen, ein Stich eines Insekts, nach dem der Arm eine Woche geschwollen ist, Unwetter und etliche Kleinigkeiten. Dass es diesmal glimpflich abging, schreibe ich einer guten Tat auf dem Weg zum Debakel zu - jemand hat seine Pumpe verloren, ich habs sie gefunden, aufgehoben und ihm nachgerast. Am Ende ist es nur wichtig, dass man sich gesund belohnen kann:

Bald ist wieder grosse Tortenzeit. Ganz langsam. Stück für Stück.
donalphons, 01:59h
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Gebucht
Nochmal vier Wochen, wenn die Touristen wieder alle weg sind. Mindestens vier Wochen, im Prinzip: Open End.

Wie immer kein Plan, keine Verpflichtung ausser für jene, die mich besuchen, genug Platz ist da, und vielleicht finde ich dann auch wieder etwas Ruhe, um etwas anderes zu machen.

Wie immer kein Plan, keine Verpflichtung ausser für jene, die mich besuchen, genug Platz ist da, und vielleicht finde ich dann auch wieder etwas Ruhe, um etwas anderes zu machen.
donalphons, 01:50h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 8. Juli 2011
+
Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch Google einen normalen Lebenszyklus wünschen würde: Aufbau, Wachstum, Innovation, Erfolg, Stagnation, Niedergang, Pleite. Der Tod gehört zum Leben dazu. Dass Google Plus sich jetzt aber anschickt. jene "Ihr müsst uns ganz dolle liken"-Pinscher in die Fresse zu treten, die sich mit so einem Facebookhinweis bei internetunfähigen Chefs einschleimen wollten - das ist schon fein. Und wenn ich Google und Facebook so vergleiche, traue ich Google einfach etwas mehr. So wie ich mein Geld eher einem 10-fach verurteilten Mörder als einem notorischen Anlagebetrüger und Mörder leihen würde. Und ja: Ich glaube, dass Google Facebook damit die Luft rauslässt. Bis vor zwei Wochen dachte man, Facebook sei so übermächtig wie auch schon Friendster, Myspace und StudiVZ, wer-kennt-wen. Jetzt steht Facebook in dieser Reihe zu Kreuzigung. Es wird eine Weile dauern, bis es krepiert, wie auch die anderen langsam abgestürzt sind - aber nicht einmal die mächtigen deutschen Verleger, die sogar mit dem Bürgermeister von Grosskötzing eine Weisswurst essen dürfen, werden diesen Paradigmenwechsel aufhalten können. Plus ist cool, bei Facebook sind eh schon alle, es ist immer das gleich Spiel - oder spielt noch jemand Moorhuhn abknallen? Oder war mal wieder jemand bei Sevenload?

Trotzdem wäre es fein, wenn mir jemand eine Einladung zu Plus schicken könnte, zwengs Test Vielen Dank, ich habe eine! - ich muss ja wissen, worüber ich schreibe. Angedeutet hat sich so eine Veränderung übrigens schon vor einiger Zeit; eine Weile war Facebook noch voll von Entdeckungen, da haben viele Leute etwas hineingetragen, was sie draussen fanden. Inzwischen ist Facebook als Trafficbringer nicht mehr im Wachsen begriffen: Ein deutliches Anzeichen für eine selbst genügende Stagnation der Möglichkeiten. Kulturen können zwar auch abgeschottet überleben, das frühneuzeitliche Japan ist so ein Beispiel - aber nur, wenn alle gezwingenermassen da bleiben. Das ist im Internet nicht so einfach. In dem Moment, das bei Facebook die Nutzer auch ihre +-URL dazuschreiben, ist es aus mit Facebook. Und Google wird den Markt dominieren, für 2, 3 Jahre. Vermutlich werden die deutschen Verleger dann gleich ein garantiertes Existenzrecht vom Staat einfordern.

Wobei - mich würde immer noch ein Minus interessieren. Eine Einrichtung, die dafür sorgt, dass jede Menge Müll einfach ausgeblendet wird. Beiträge mit Schleichwerbung: Weg. Wichtigtuer: Weg. Nullinhalte: Weg. Sinnlose Kommunikation: Da wäre ein Autokretinisierer nett, der dem Schreiber kunstvoll sagt, was von ihm zu halten ist. Ein Rezepthervorheber, ein Literaturdetektor, ein Kunstnetz - das alles wäre auch fein und durch Reduzierung von Müll zu erreichen. Es muss ja nicht die totale Abschottung sein, ich darf schon wissen, wieso die Bank jetzt plätzlich WM-Zinsen anbietet. Aber dann reicht es auch schon wieder. Es geht gar nicht darum, dass das Internet mich überfordern würde, es zwackt nur an manchen Stellen,. pbendrein ist es vorhersehbar und zu wenig neu. Und das, was als Neu verkauft wird, wie eben Gogle+, ist alt. Oder einfach nur hektisch, siehe Echtzeit, siehe Priority, siehe Alerts. Zeitverschwender.
Ich möchte einen Mussebringer.


Wobei - mich würde immer noch ein Minus interessieren. Eine Einrichtung, die dafür sorgt, dass jede Menge Müll einfach ausgeblendet wird. Beiträge mit Schleichwerbung: Weg. Wichtigtuer: Weg. Nullinhalte: Weg. Sinnlose Kommunikation: Da wäre ein Autokretinisierer nett, der dem Schreiber kunstvoll sagt, was von ihm zu halten ist. Ein Rezepthervorheber, ein Literaturdetektor, ein Kunstnetz - das alles wäre auch fein und durch Reduzierung von Müll zu erreichen. Es muss ja nicht die totale Abschottung sein, ich darf schon wissen, wieso die Bank jetzt plätzlich WM-Zinsen anbietet. Aber dann reicht es auch schon wieder. Es geht gar nicht darum, dass das Internet mich überfordern würde, es zwackt nur an manchen Stellen,. pbendrein ist es vorhersehbar und zu wenig neu. Und das, was als Neu verkauft wird, wie eben Gogle+, ist alt. Oder einfach nur hektisch, siehe Echtzeit, siehe Priority, siehe Alerts. Zeitverschwender.
Ich möchte einen Mussebringer.
donalphons, 01:46h
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Aus Mitleid.
Ich verstehe sehr gut, dass manche Journalisten gegen die Präimplantationsdiagnostik sind. Bei anderen wundert mich die Befürwortung.
donalphons, 15:15h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 6. Juli 2011
Nord-Süd-Gefälle
München und das südliche Umland entgehen dem Kommerzspektakel der Olympischen Spiele.
Berlin wird mit dem Stadtschlossimitat bestraft.
Das Leben ist nicht immer gerecht, aber schön.
Nachtrag 7.7.2011: Vorgestern Nacht war ich leider indirekt und leider auch gezwungenermassen auf einer grossen Gartenpary mit viel Alkohol dabei, deren Gäste zum Teil nicht unbedingt dem entsprachen, was man als angenehm bezeichnen kann. Es dauerte insgesamt mit dem Wegräumen der Scherben dann etwas länger, und deshalb war ich dann gestern zu müde, noch die Bilder vom Radeln einzustellen. So ein Rad hat ja den Vorteil, immer eine angenehme Begleitung zu sein, und ausser dem Sirren der Reifen behält es alle Geheimnisse seines Entzückens, die zudem nicht einem abstossenden Verhalten entspringen, nicht unter Betrunkenen weiter.






Immerhin, so sieht es zumindest aus, werde ich auch in Zukunft solche Parties meiden können. Das ist doch schon was.
Berlin wird mit dem Stadtschlossimitat bestraft.
Das Leben ist nicht immer gerecht, aber schön.
Nachtrag 7.7.2011: Vorgestern Nacht war ich leider indirekt und leider auch gezwungenermassen auf einer grossen Gartenpary mit viel Alkohol dabei, deren Gäste zum Teil nicht unbedingt dem entsprachen, was man als angenehm bezeichnen kann. Es dauerte insgesamt mit dem Wegräumen der Scherben dann etwas länger, und deshalb war ich dann gestern zu müde, noch die Bilder vom Radeln einzustellen. So ein Rad hat ja den Vorteil, immer eine angenehme Begleitung zu sein, und ausser dem Sirren der Reifen behält es alle Geheimnisse seines Entzückens, die zudem nicht einem abstossenden Verhalten entspringen, nicht unter Betrunkenen weiter.






Immerhin, so sieht es zumindest aus, werde ich auch in Zukunft solche Parties meiden können. Das ist doch schon was.
donalphons, 23:59h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 6. Juli 2011
Pause
Was habe ich eigentlich sonst so in meinem Leben gemacht?
Vor einem Jahr: In einem Mortuarium gelacht und geküsst.

Vor zwei Jahren: Rosa Geschirr gekauft.

Vor drei Jahren; In einem Unwetter gefangen, zwischen Bergeshöhen.

Vor vier Jahren: Öffentlich aufgetreten und erzählt.

Vor fünf Jahren: Auf der Dachterrasse im Sonnenuntergang geküsst und dann gekocht.

Vor sechs Jahren: Nach Erinnerungen im Dachboden gesucht.

Vor sieben Jahren: Bauchgrimmen in Erinnerung an die New Economy gehabt.

Gar nicht so schlecht, das alles.
Vor einem Jahr: In einem Mortuarium gelacht und geküsst.

Vor zwei Jahren: Rosa Geschirr gekauft.

Vor drei Jahren; In einem Unwetter gefangen, zwischen Bergeshöhen.

Vor vier Jahren: Öffentlich aufgetreten und erzählt.

Vor fünf Jahren: Auf der Dachterrasse im Sonnenuntergang geküsst und dann gekocht.

Vor sechs Jahren: Nach Erinnerungen im Dachboden gesucht.

Vor sieben Jahren: Bauchgrimmen in Erinnerung an die New Economy gehabt.

Gar nicht so schlecht, das alles.
donalphons, 01:44h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 5. Juli 2011
Ich liebe die internationalen Versandgebühren
Am 26. Dezember letzten Jahres hatte einer der bei Ebay inserierenden Kunsthändler ein Portrait aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Angebot. Schlecht photographiert, aber durchaus eindrucksvoll. Ich ging mit - und endete kläglich auf dem zweiten Platz. Ein anderes Gemälde aus der gleichen Zeit vom gleichen Verkäufer - kleiner, aber auch nicht schlecht - wurde mir etwas später zugeschlagen.
Ich fuhr zeitnah zu ihm, um es abzuholen. Bei der Gelegenheit sah ich auch das grosse Portrait, und es drehte mir den Magen um: Es war viele Klassen besser als die Photos, es war eine Wucht, es war spottbillig - und ein Amerikaner hatte es erworben. Nebenbei meinte der Verkäufer in mein Klagen, es gäbe da ein paar Unstimmigkeiten mit dem Käufer, dem die Exportgebühren in die USA reichlich hoch erschienen, und der mache nun Sperenzchen. Sollte sich etwas ergeben... ich hörte nie wieder etwas von ihm.
Bis dann im März das Bild erneut auftauchte. Der Amerikaner hatte sich geweigert, die Kosten zu übernehmen, man hatte sich geeinigt, auf das Geschäft zu verzichten, und so war es wieder da: Die gleichen Bilder, die gleiche Beschreibung, nur diesmal mit jemandem, der wusste, auf was er bieten würde. Ich ging ziemlich an die Grenze dessen, was mir gerade noch vertretbar erschien. Und ich wurde brutal von zwei Ausländern untergepflügt, die es unter sich ausmachten. Andere haben auch gute Augen, und mehr Geld.
Allerdings gab es Anzeichen, dass der Sieger ein in Ebay-Kunstkreisen wohlbekannter Herr aus dem fernen Osten ist, der bislang eher kleine Graphiken, Glas des Jugendstils und Bronzen bestellt hatte, und im Internet oft über seine Erwerbungen berichtet (man kennt sich halt). Und das Bild ist mit Rahmen sehr gross und sehr schwer, schon in Deutschland käme es mit einer Spedition und nicht mit der Post. Mir blieb also aus Erfahrung eine kleine, klitzekleine Hoffnung. Und siehe da: Auch der Herr aus dem Fernen Osten hatte den Hinweis nicht übersetzt, dass man sich besser vorher über die Versandkosten ins Ausland klar werden sollte. Die wären zwar, relativ zum Preis des Bildes gesehen, nicht hoch gewesen, aber absolut schon üppig. Also einigte man sich erneut... diese Szene ist da recht diskret und nicht nachtragend.
Alles ging von vorne los. Ich streckte mich zum äussersten, wirklich alleräussersten Limit, und weil ich Angst hatte, ich würde Blödsinn machen, falls ich in der letzten Minute doch noch überboten worden wäre, gab ich mein Gebot eine Stunde vorher ab und ging auf eine weite Radtour. Und als ich nach Hause kam - hatte ich gewonnen. Für einen Preis, erheblich niedriger als im März und im Dezember.
Natürlich leidet man. Und nicht immer geht es gut aus. Die Qualen können lang dauern, und manch einer verwindet es nie, im falschen Moment nicht geboten zu haben. Ein halbes Jahr, drei Chancen, ein glücklicher Ausgang - wie viel leichter wäre es, ein Poster mit der Skyline von New York zu kaufen. Andere sind vielleicht sogar glücklicher, weniger schmerzerfüllt, und gar nicht verrückt.
Aber ich tanzte in Radlerkleidung durch meine Wohnung und sang Händelarien.
Ich fuhr zeitnah zu ihm, um es abzuholen. Bei der Gelegenheit sah ich auch das grosse Portrait, und es drehte mir den Magen um: Es war viele Klassen besser als die Photos, es war eine Wucht, es war spottbillig - und ein Amerikaner hatte es erworben. Nebenbei meinte der Verkäufer in mein Klagen, es gäbe da ein paar Unstimmigkeiten mit dem Käufer, dem die Exportgebühren in die USA reichlich hoch erschienen, und der mache nun Sperenzchen. Sollte sich etwas ergeben... ich hörte nie wieder etwas von ihm.
Bis dann im März das Bild erneut auftauchte. Der Amerikaner hatte sich geweigert, die Kosten zu übernehmen, man hatte sich geeinigt, auf das Geschäft zu verzichten, und so war es wieder da: Die gleichen Bilder, die gleiche Beschreibung, nur diesmal mit jemandem, der wusste, auf was er bieten würde. Ich ging ziemlich an die Grenze dessen, was mir gerade noch vertretbar erschien. Und ich wurde brutal von zwei Ausländern untergepflügt, die es unter sich ausmachten. Andere haben auch gute Augen, und mehr Geld.
Allerdings gab es Anzeichen, dass der Sieger ein in Ebay-Kunstkreisen wohlbekannter Herr aus dem fernen Osten ist, der bislang eher kleine Graphiken, Glas des Jugendstils und Bronzen bestellt hatte, und im Internet oft über seine Erwerbungen berichtet (man kennt sich halt). Und das Bild ist mit Rahmen sehr gross und sehr schwer, schon in Deutschland käme es mit einer Spedition und nicht mit der Post. Mir blieb also aus Erfahrung eine kleine, klitzekleine Hoffnung. Und siehe da: Auch der Herr aus dem Fernen Osten hatte den Hinweis nicht übersetzt, dass man sich besser vorher über die Versandkosten ins Ausland klar werden sollte. Die wären zwar, relativ zum Preis des Bildes gesehen, nicht hoch gewesen, aber absolut schon üppig. Also einigte man sich erneut... diese Szene ist da recht diskret und nicht nachtragend.
Alles ging von vorne los. Ich streckte mich zum äussersten, wirklich alleräussersten Limit, und weil ich Angst hatte, ich würde Blödsinn machen, falls ich in der letzten Minute doch noch überboten worden wäre, gab ich mein Gebot eine Stunde vorher ab und ging auf eine weite Radtour. Und als ich nach Hause kam - hatte ich gewonnen. Für einen Preis, erheblich niedriger als im März und im Dezember.
Natürlich leidet man. Und nicht immer geht es gut aus. Die Qualen können lang dauern, und manch einer verwindet es nie, im falschen Moment nicht geboten zu haben. Ein halbes Jahr, drei Chancen, ein glücklicher Ausgang - wie viel leichter wäre es, ein Poster mit der Skyline von New York zu kaufen. Andere sind vielleicht sogar glücklicher, weniger schmerzerfüllt, und gar nicht verrückt.
Aber ich tanzte in Radlerkleidung durch meine Wohnung und sang Händelarien.
donalphons, 01:48h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 4. Juli 2011
11700 Umdrehungen
Dieser Beitrag in der FAZ, der sich mit der anderen bayerischen Elite, der auf dem Land nämlich beschäftigt, und seinen politischen Qualen - dieser Beitrag begann hinter einer Mühle, nicht weit vor Kloster Bergen. Genau hier:

Das hier ist ziemlich genau der Scheitelpunkt einer Runde von 50 Kilometern Länge. Bis hierher haben sich die Räder schon 11700 mal um die eigene Achse gedreht, jeder Millimeter des Reifens hatte 11700 mal Strassenkontakt und wird es noch einmal haben. Das Wetter ist halbwegs schön und die Landschaft ist reizvoll; bis hierher wurde gegen den Wind gekämpft, und jetzt kommt die entspannte und photoreiche Heimfahrt. Ich schlenderte also über die leere Strasse zum Rad - hier ist noch ziemlich Einöde, die Strecke ist recht unbekannt - und wollte mich gerade in den Sattel schwingen - da sah ich das hier:

Ich hatte mich zuvor schon über eine leichte Unwucht beim Fahren gewundert. Jedenfalls ist der Mantel damit Schrott, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Druck im Schlauch das ganze Ensemble zerfetzt: Den Schlauch, den Mantel, und sollte ich dabei gerade in einer Kurve sein, wohl auch das Rad und mich selbst. Man müsste den Mantel sofort austauschen, wenn man Ersatz dabei hätte, aber von hier aus wird die zerstörte Stelle noch 11700 mal den Boden berühren. Es gibt vier Abfahrten und etliche Kurven. Man fängt an zu rechnen: Reifenumfang 2,14 Meter, die riskante Stelle, auf die keine zusätzliche Belastung wie ein Stein, ein spitzer Ast, ein Kirschkern kommen darf, ist gut 5 Millimeter breit, nach 418 Steinen ist theoretisch einer dabei, der es krachen lässt. Alle 60 Meter darf dann also etwas auf der Strasse liegen. Das Faggin ist zwar wendig, aber in diesem Zustand sollte man eher keine Kurven fahren, um Steinen auszuweichen. Man glaubt gar nicht, welche Unmengen an Steinen auf deutschen Strassen liegen. Feldwegeinfahrten sich schrecklich. Kirschbäume sind schrecklich. Überhaupt ist das alles schrecklich, weil hier um diese Uhrzeit auch keine Busse mehr verkehren. Also ist das erste Ziel eine vielbefahrene Hauptstrasse, wo es vielleicht noch Busse gibt.

Vor allem aber gibt es Steine. Und Kurven. Man kann, wenn man das Gesamtgewicht nach links verlagert, das Rad so schräg stellen, dass es in der Kurve nicht schräg steht und die ganze Kraft auf die besagte Stelle verlagert, man kann vorsichtig sein und langsam fahren und Steinen ausweichen, aber niemand kann wissen, ob der Druck alleine nicht für das Debakel ausreicht. Das ist vermutlich Glas gewsesen; ich kehre die Reste der Feiernden vor dem Haus immer zusammen, aber so eine kleine Scherbe übersieht man schon mal. 11700 Umdrehungen, um sich Gedanken zu machen, was man tut, wenn man den nächsten Kerl mit einer Flasche antrifft, so man es denn geschafft hat und nicht im schlimmsten Falle bis zur nächsten Telefonzelle, in vielen Kilometern Entfernung, schieben musste.

Aber dann kam ich an dieser Allmende bei einem Dorf vorbei und beschloss, darüber zu schreiben, mir zu überlegen, was ich schreiben werde, und mir keine Gedanken über einen Reifen zu machen, den die 8 bar dahinter ohne mein Zutun zerreissen oder auch nicht. Ich habe schon freundlichere Beiträge geschrieben. Aber es wirkte. Und der Reifen hat dann doch gehalten, bei langsamer Fahrt und jede Menge Vorsicht. Man ahnt gar nicht, wie viele Steine... heute habe ich alles niedergeschrieben, das Wetter war zu schlecht für das Rad, also habe ich eine Sache mit weniger als 2,14 Meter Umfang gemacht.

Und die rollt wirklich gut auf dem vorbestimmten Weg, wohin sie gehen soll. Und platzen tut nach all der Aufregung - Sorgen machen schlank - auch nichts dabei.

Das hier ist ziemlich genau der Scheitelpunkt einer Runde von 50 Kilometern Länge. Bis hierher haben sich die Räder schon 11700 mal um die eigene Achse gedreht, jeder Millimeter des Reifens hatte 11700 mal Strassenkontakt und wird es noch einmal haben. Das Wetter ist halbwegs schön und die Landschaft ist reizvoll; bis hierher wurde gegen den Wind gekämpft, und jetzt kommt die entspannte und photoreiche Heimfahrt. Ich schlenderte also über die leere Strasse zum Rad - hier ist noch ziemlich Einöde, die Strecke ist recht unbekannt - und wollte mich gerade in den Sattel schwingen - da sah ich das hier:

Ich hatte mich zuvor schon über eine leichte Unwucht beim Fahren gewundert. Jedenfalls ist der Mantel damit Schrott, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Druck im Schlauch das ganze Ensemble zerfetzt: Den Schlauch, den Mantel, und sollte ich dabei gerade in einer Kurve sein, wohl auch das Rad und mich selbst. Man müsste den Mantel sofort austauschen, wenn man Ersatz dabei hätte, aber von hier aus wird die zerstörte Stelle noch 11700 mal den Boden berühren. Es gibt vier Abfahrten und etliche Kurven. Man fängt an zu rechnen: Reifenumfang 2,14 Meter, die riskante Stelle, auf die keine zusätzliche Belastung wie ein Stein, ein spitzer Ast, ein Kirschkern kommen darf, ist gut 5 Millimeter breit, nach 418 Steinen ist theoretisch einer dabei, der es krachen lässt. Alle 60 Meter darf dann also etwas auf der Strasse liegen. Das Faggin ist zwar wendig, aber in diesem Zustand sollte man eher keine Kurven fahren, um Steinen auszuweichen. Man glaubt gar nicht, welche Unmengen an Steinen auf deutschen Strassen liegen. Feldwegeinfahrten sich schrecklich. Kirschbäume sind schrecklich. Überhaupt ist das alles schrecklich, weil hier um diese Uhrzeit auch keine Busse mehr verkehren. Also ist das erste Ziel eine vielbefahrene Hauptstrasse, wo es vielleicht noch Busse gibt.

Vor allem aber gibt es Steine. Und Kurven. Man kann, wenn man das Gesamtgewicht nach links verlagert, das Rad so schräg stellen, dass es in der Kurve nicht schräg steht und die ganze Kraft auf die besagte Stelle verlagert, man kann vorsichtig sein und langsam fahren und Steinen ausweichen, aber niemand kann wissen, ob der Druck alleine nicht für das Debakel ausreicht. Das ist vermutlich Glas gewsesen; ich kehre die Reste der Feiernden vor dem Haus immer zusammen, aber so eine kleine Scherbe übersieht man schon mal. 11700 Umdrehungen, um sich Gedanken zu machen, was man tut, wenn man den nächsten Kerl mit einer Flasche antrifft, so man es denn geschafft hat und nicht im schlimmsten Falle bis zur nächsten Telefonzelle, in vielen Kilometern Entfernung, schieben musste.

Aber dann kam ich an dieser Allmende bei einem Dorf vorbei und beschloss, darüber zu schreiben, mir zu überlegen, was ich schreiben werde, und mir keine Gedanken über einen Reifen zu machen, den die 8 bar dahinter ohne mein Zutun zerreissen oder auch nicht. Ich habe schon freundlichere Beiträge geschrieben. Aber es wirkte. Und der Reifen hat dann doch gehalten, bei langsamer Fahrt und jede Menge Vorsicht. Man ahnt gar nicht, wie viele Steine... heute habe ich alles niedergeschrieben, das Wetter war zu schlecht für das Rad, also habe ich eine Sache mit weniger als 2,14 Meter Umfang gemacht.

Und die rollt wirklich gut auf dem vorbestimmten Weg, wohin sie gehen soll. Und platzen tut nach all der Aufregung - Sorgen machen schlank - auch nichts dabei.
donalphons, 00:04h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Samstag, 25. Juni 2011
Stresstest
Wenn ich mir die Deutsche Bahn so anschaue, kommen mir etliche Dreckskonzerne aus den Sektoren organisierter Bankenbetrug, Staatsterrorismus und Petrolmafia gar nicht mehr so schlimm vor.
donalphons, 21:06h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Samstag, 25. Juni 2011
Goldblau
Ich bin nicht schreibfaul. Nur gerade anderweitig verpflichtet. Ich mag es auch nicht, wenn ich noch schnell um 23 Uhr einen Platzhalter abschicke im Wissen, dass ich erst ein, zwei Tage später dazu komme, mich um das Bloggen zu kümmern. So ist das eben, in diesem meist verregneten Sommer. Ich habe schmale Zeitfenster, in denen ich auch noch etwas anderes tun kann (und um das gleich dazu zu sagen: Nein, ich arbeite nicht für Wired Deutschland), und in diesen Zeitfenstern ist es entweder Nacht oder regnerisch. Normalerweise starte ich dann im Regen und komme in der Finsternis auf dem Rad wieder heim. Heute (also eigentlich gestern zum Zeitpunkt des Schreibens) war es zum Glück anders.

Es war sehr spät, und es war sehr schön. Fast italienisches Licht. Und erst in solchen Momenten versteht man, warum Italiener Rennräder so farbenfroh und optisch laut lackieren, wie sie es tun, oder früher mal getan haben, als die Räder noch nicht aus Plastik waren.

Man macht sich da so seine Gedanken, etwa, wenn man das gleiche Rad bei Ebay, 8 Jahre nach seiner Entstehung, schon als "vintage" und "Klassiker" findet. Aber eigentlich geht es um ganz andere Gedanken. Es sieht anders aus, wenn man so einen Radler sieht, aber für mich ist das wie das Kochen: Zeit, mir Gedanken zu machen. Man wird nicht von Konkurrenten oder Zielankünften abgelenkt, man strampelt durch die Landschaft in einer Art, die sich richtig anfühlt, auch an Tagen, da irgendwie so gar nichts richtig gelaufen ist.

Zum ersten Mal hat man dann den Eindruck, dass sich wieder alles so zusammenfügt, wie es sich gehört. Ich muss beispielsweise Emails schreiben, die ich lieber nicht schreiben will, und die für mich - gerade, weil es um Dinge geht, die so ganz anders sind als ich selbst - belastend sind. Da spielt bei mir schnell der Umstand hinein, dass ich manches dieser Probleme durchaus vermeiden könnte; mein Dasein ist zum Glück nur begrenzt durch Zwänge definiert, und gemeinhin kann ich es mir heraussuchen, wie ich mein persönliches Umfeld gestalte. Warum, frage ich mich dann, tun sie das, warum soll ich mir das antun, was hat das in meinem Leben eigentlich verloren?

Normalerweise öffnet das Radfahren sie Seele, gerade in einem Land wie diesem, von dem ich mir manchmal denke, dass es wirklich ein Traum, wirklich gesegnet ist. Es wird alles sehr viel leichter, der Geist hüpft dann beschwingt über Formulierungshürden und Konzeptsperren, das Angenehme hilft dem Angenehmen, aber so, wie es ist, verharrt alles nur in einer Balance streitender Gewalten, man müht sich ab, bis der Gegenwind einen einbremst, das System scheint stabil, aber nur ein Schlenker, und die Kräfte, die auf das System wirken, würden es zerreissen. So ein Rennrad ist genau auf Belastungen hin berechnet, sonst könnte es nicht so leicht und so flink sein, und ich bin auch ein wenig so: Ich mache eine Menge mit, wenn es das ist, was meinen Einstellungen entspricht. Ich mache vielleicht auch noch mehr mit, wenn ich etwas dazu lerne. Nur, und die Frage stellt sich dann im späten Tageslicht, wäre ich dann noch das, was ich selbst für wünschenswert halte?

Und - würde sich dann alles wieder selbst stabilisieren? Vermutlich schon. Ob es dann eine schöne, geschlossene und laufruhige Sache wäre - wer weiss. Andere schaffen es, ihr ganzes Dasein auf solche Umstände einzurichten. Ich bin privat in einer Art und Weise von Journalisten auch in wichtigen Fragen angelogen worden, dass ich lieber nichts mehr von denen lesen will. Ich kannte mal einen, der dann als Serienfälscher aufflog: Der kam jahrelang damit durch, dass er alle und jeden hintergangen hat. Was waren dessen Leitartikel wert? Und was war seine Existenz, nach aussen hin rund laufend und ehrbar, für ihn selbst? Vermutlich stimmig, so stimmig, wie für mich dieser Abend unstimmig ist.

In diesen Mittsommerabenden geht die Sonne sehr flach unter, man kann Kilometer em Kilometer abspulen, und es ist immer noch genug Helligkeit da. Genug, um weit hinaus zu fahren, immer noch genug, um mit dem Rückenwind zurück zu fliegen. Der Tag will nicht enden, er macht nur widerwillig einer kurzen Nacht Platz, die eine prima Ausrede ist, noch nicht zu schreiben, zu warten, zu kochen und dann ins Bett zu gehen. Morgen ist auch noch ein Tag, dann ist immer noch Zeit genug, und in dieser Welt der Auflösung muss man auch keine Bürozeiten einhalten. Langsam setzt sich alles zum Grund, die aufgeschüttelteten Gedanken und Zweifel, die bösen Erinnerungen und die fragwürdigen Perspektiven, vielleicht geht es gut, warum daran denken, wenn man auf einem italienischen Traum in Gold und Blau durch die Sommerlüfte fliegt.

Und ich summe leicht falsch im Abendwind über dem Baasso Continuo der Reifen: Viva Sarastro, Sarastro lebe, Sarastro war ein braver Mann.

Es war sehr spät, und es war sehr schön. Fast italienisches Licht. Und erst in solchen Momenten versteht man, warum Italiener Rennräder so farbenfroh und optisch laut lackieren, wie sie es tun, oder früher mal getan haben, als die Räder noch nicht aus Plastik waren.

Man macht sich da so seine Gedanken, etwa, wenn man das gleiche Rad bei Ebay, 8 Jahre nach seiner Entstehung, schon als "vintage" und "Klassiker" findet. Aber eigentlich geht es um ganz andere Gedanken. Es sieht anders aus, wenn man so einen Radler sieht, aber für mich ist das wie das Kochen: Zeit, mir Gedanken zu machen. Man wird nicht von Konkurrenten oder Zielankünften abgelenkt, man strampelt durch die Landschaft in einer Art, die sich richtig anfühlt, auch an Tagen, da irgendwie so gar nichts richtig gelaufen ist.

Zum ersten Mal hat man dann den Eindruck, dass sich wieder alles so zusammenfügt, wie es sich gehört. Ich muss beispielsweise Emails schreiben, die ich lieber nicht schreiben will, und die für mich - gerade, weil es um Dinge geht, die so ganz anders sind als ich selbst - belastend sind. Da spielt bei mir schnell der Umstand hinein, dass ich manches dieser Probleme durchaus vermeiden könnte; mein Dasein ist zum Glück nur begrenzt durch Zwänge definiert, und gemeinhin kann ich es mir heraussuchen, wie ich mein persönliches Umfeld gestalte. Warum, frage ich mich dann, tun sie das, warum soll ich mir das antun, was hat das in meinem Leben eigentlich verloren?

Normalerweise öffnet das Radfahren sie Seele, gerade in einem Land wie diesem, von dem ich mir manchmal denke, dass es wirklich ein Traum, wirklich gesegnet ist. Es wird alles sehr viel leichter, der Geist hüpft dann beschwingt über Formulierungshürden und Konzeptsperren, das Angenehme hilft dem Angenehmen, aber so, wie es ist, verharrt alles nur in einer Balance streitender Gewalten, man müht sich ab, bis der Gegenwind einen einbremst, das System scheint stabil, aber nur ein Schlenker, und die Kräfte, die auf das System wirken, würden es zerreissen. So ein Rennrad ist genau auf Belastungen hin berechnet, sonst könnte es nicht so leicht und so flink sein, und ich bin auch ein wenig so: Ich mache eine Menge mit, wenn es das ist, was meinen Einstellungen entspricht. Ich mache vielleicht auch noch mehr mit, wenn ich etwas dazu lerne. Nur, und die Frage stellt sich dann im späten Tageslicht, wäre ich dann noch das, was ich selbst für wünschenswert halte?

Und - würde sich dann alles wieder selbst stabilisieren? Vermutlich schon. Ob es dann eine schöne, geschlossene und laufruhige Sache wäre - wer weiss. Andere schaffen es, ihr ganzes Dasein auf solche Umstände einzurichten. Ich bin privat in einer Art und Weise von Journalisten auch in wichtigen Fragen angelogen worden, dass ich lieber nichts mehr von denen lesen will. Ich kannte mal einen, der dann als Serienfälscher aufflog: Der kam jahrelang damit durch, dass er alle und jeden hintergangen hat. Was waren dessen Leitartikel wert? Und was war seine Existenz, nach aussen hin rund laufend und ehrbar, für ihn selbst? Vermutlich stimmig, so stimmig, wie für mich dieser Abend unstimmig ist.

In diesen Mittsommerabenden geht die Sonne sehr flach unter, man kann Kilometer em Kilometer abspulen, und es ist immer noch genug Helligkeit da. Genug, um weit hinaus zu fahren, immer noch genug, um mit dem Rückenwind zurück zu fliegen. Der Tag will nicht enden, er macht nur widerwillig einer kurzen Nacht Platz, die eine prima Ausrede ist, noch nicht zu schreiben, zu warten, zu kochen und dann ins Bett zu gehen. Morgen ist auch noch ein Tag, dann ist immer noch Zeit genug, und in dieser Welt der Auflösung muss man auch keine Bürozeiten einhalten. Langsam setzt sich alles zum Grund, die aufgeschüttelteten Gedanken und Zweifel, die bösen Erinnerungen und die fragwürdigen Perspektiven, vielleicht geht es gut, warum daran denken, wenn man auf einem italienischen Traum in Gold und Blau durch die Sommerlüfte fliegt.

Und ich summe leicht falsch im Abendwind über dem Baasso Continuo der Reifen: Viva Sarastro, Sarastro lebe, Sarastro war ein braver Mann.
donalphons, 01:09h
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