Freitag, 3. Oktober 2008
Staatspleite
Ups, ich sage mal: Über das Wochenende geht Island mit einem Zusammenbruch des Finanzsystems über den Jordan, was geographisch nicht leicht ist, aber Island hat sich wirklich viel Mühe gegeben. Angesichts der Verflechtungen zur irischen und britischen Bankenszene könnten das äusserst spannende Tage werden, leider auch für unsere Währung, sollten sich die Typen da oben nach dem Kollaps ihrer Krone dazu entschliessen, den Euro einzuführen. Ich hoffe ja eher, dass die EU ein paar Kriegsschiffe da hochschickt, den Laden auseinandernimmt und die Amerikaner Kapazitäten in Guantanamo für die Verantwortlichen frei machen. Bail In ist der neue Bail Out.
Ich hatte mal ein Interview mit einem polnischen Partisanen des zweiten Weltkriegs, und der sagte mir sehr eindrücklich etwas, das ich nie vergessen werde:
Der Tod kommt immer von einer Seite, von der man ihn nicht erwartet.
Ich hatte mal ein Interview mit einem polnischen Partisanen des zweiten Weltkriegs, und der sagte mir sehr eindrücklich etwas, das ich nie vergessen werde:
Der Tod kommt immer von einer Seite, von der man ihn nicht erwartet.
donalphons, 14:07h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 1. Oktober 2008
Das Decamerone und die russische Lösung
Historische Wirtschaftskatastrophen haben einen Vorteil beim Beschwichtigen der Gegenwart: Sie geschahen, weil die Verursacher kaum begriffen, was sie da taten. Sie spielten nach Regeln von Märkten, die sie und die anderen Teilnehmer, ob nun freiwillig oder unfreiwillig, nicht zu verstehen in der Lage waren, und die trotz aller entsetzlichen Folgen so wenig in ihrem gesamten Ausmass erkannt wurden, dass eine präzise Analyse bis heute allein schon mangels schlüssiger Quellen kaum möglich ist. Dazu kommt, dass viele Katastrophen so tiefgreifend waren, dass die betroffenen andere Probleme hatten, als den VWLern schlüssiges Datenmaterial zu liefern. Wir wissen definitiv vom Zusammenbruch des Geldsystems in den römischen Provinzen des IV. Jahrhunderts, weil die Barbaren, die keinen Markt mehr für ihr erplündertes Geld haben, es in Gürtelschnallen und Fibeln umarbeiten - was es aber für einen Romanen bedeutet hat, plötzlich in den Ruinen seiner Städte bestenfalls Tauschhandel betreiben zu können, wissen wir nicht. Es war scheisse, soviel ist klar, und es war nicht begrenzt wie beispielsweise die Tulpomanie des XVII. Jahrhunderts, die sich stets anbietet, wenn man nach einer eher folgenlosen Blasenwirtschaft und ihrem Platzen in einem prosperierenden Land sucht.
Bei den historischen Vergleichsdebakeln also herrscht so eine Art Beliebigkeit, jeder sucht sich das heraus, was ihm passt; der eine nimmt den Aufstand der Ciompi und der andere die Folgen der Jacquerie, ein Dritter behilft sich bei der Hungersnot von 1814 und ich persönlich tendiere zum Vergleich mit den Staatsbankrotten des absolutistischen Frankreichs, die auf andere abzuwälzen einer der Gründe für die expotierten Kabinettskriege der Zeit war, was uns wiederum Voltaires im Elend des siebenjährigen Krieges spielenden Candide bescherte. Aber angesichts der aktuellen Krise ist das alles - wertlos. Und weil ich kein VWLer bin und auch ansonsten von Wirtschaft keine Ahnung habe, abgesehen davon aber ziemlich früh auf die Probleme und ihre Folgen hingewiesen habe, bitte ich meine Zukunftseinschätzungen mit Vorsicht zu geniessen.

Unser spezifisches Problem in dieser Krise ist neben der extremen Komplexität und der folgenden Unvorhersehbarkeit der Glaube, dass alles möglich ist. Gestern Abend zum Beispiel knallte die Aktie von Google in wenigen Minuten bei enormen Umsätzen um bis zu 20% nach unten, ohne dass es irgend eine Nachricht gegeben hätte. Ein Fehler der Software, wie sich dann herausstellte, nichts weiter, aber trotzdem brach Verkaufspanik aus. Weil es im Momment möglich erscheint. Das aber ist nur eine Fussnote gegen das eigentliche Problem, das sich längst von den Subprimekrediten gelöst hat und sich nun durch das System zu den lebenswichtigen Einrichtungen frisst: Das Misstrauen der Banken in das eigene Geschäftsmodell. Wäre die Wirtschaft ein Körper, dann hätten wir gerade durch das mit Irrsinnszinsen de facto beendete Interbankengeschäft so eine Art Herzstillstand. Und warten jetzt auf den Hirntod.
Das Interbankengeschäft, dessen Probleme beinahe den Kollaps der Hypo Real Estate und damit indirekt auch das Ende der Pfandleihen und damit wiederum der Kreditwürdigkeit des Staates ausradiert hätten, dieses Interbankengeschäft ist langwilig und mechanisch und theoretisch narrensicher - im Grunde ist das Rumreichen von Krediten untereinander so simpel, dass niemand sich vor wenigen Monaten wirklich darüber Sorgen gemacht hätte. Jetzt geht alles sehr, sehr schnell. Und wer gestern noch kaufen konnte, steht heute schon ohne Kredit da. Es gehört zum zentralen Lebenstrieb der Banken zu wissen, wie schlimm es wirklich ist. Due Diligence, Risikobewertung und Scoring sind deren täglich Brot. Was ich nirgendwo so brutal lese, ist: Banken, die sich selbst nichts mehr leihen, sind kein Systemfehler mehr, sondern die Zerstörung des Systems. Sie sind wie ein teures Heizkraftwerk, das mit extremen Abgasen im Winter kalt macht.
Meines Erachtens kam und kommt es so weit, weil die verfickten Arschlöcher an der Wall Street und in Washington und vielen profitierenden Ländern die Party der Blase weiterfeiern wollen. Statt die ganze kritische Scheisse zum Abkühlen Anfang 2007 in eine milde Rezession zu schicken, den Laden zu konsolidieren, die Schwachen zu killen und den Guten die Märkte zu öffnen, hat man versucht, das System so heiss wie möglich zu fahren. Eine Rezession ist absolut nichts schlimmes, sie gehört dazu, sie ist die Voraussetzung für eine Neujustierung des Marktes. Statt dessen werden Schulden gemacht, um Versager durchzufüttern, Aktionäre zu belohnen, überflüssige Firmen zu bewahren und den Konsum anzuregen, dessen Übertreibung erst die Schulden produzierte, die nie mehr zurückgezahlt werden können und die eine neue Masslosigkeit kreierten. Eine Masslosigkeit, an deren Ende ein bigottes, fastschweizerisches Gebilde namens Irland nicht mal den Anstand hat, für seinen finanziellen Selbstmord mit Totalabsicherung aller giftigen Assets seiner miserablen Banken vor die Tür des Euroraums zu gehen, um beim Hirnrausblasen mit dem Dreieinhalbfachen des Bruttoinlandsprodukts nicht die Gemeinschaftswährung zu beschädigen. Europa hätte gute Chancen, besser als die USA und England durchzukommen, und dann schreiben die Sprosse der Kartoffelpestgeschädigten einen Blankoscheck gegen die gesamte Union raus, einzulösen von jedem Verbrecher, der eine Bad Bank den Bach runtergehen lassen will.

Momentan ist sich jeder selbst der nächste, es herrscht absoluter Egoismus vom Abräumen der Banken über das Ausscheiden bei den Hedge Fonds bis zum Warten auf das Ende der Investmentbanken. Die Schulden sind so gigantisch, dass sie nur mit dem Ausscheiden von Mitspielern, sprich deren Pleite aufgelöst werden können, inclusive Vermögensverluste für Anleger, Rentenkassen, Immobilienbesitzer - einfach alles. Wir sind bereits mitten drin im Melt Down des Systems und der Assetwerte oder was man dafür gehalten hat. So gesehen ist es idiotisch, anderthalb erfolglos vergeudete Jahre nach dem Beginn der Krise nochmal 700 Milliarden neue Schulden zu machen, um das Geld in einem Multibillionenloch verschwinden zu sehen. Es würde nichts an den Überbewertungen ändern, die bei den Aktienkursen beginnen, sich über VCs und Private Equity fortsetzen und im Giftmüll der Derivate ihren Höhepunkt finden. Wenn man diese Giftladungen gegenrechnet, bleibt nichts übrig ausser dem amerikanischen Staatsbankrott, in der Folge dem Bankrott der Schwellenländer und eine Rezession, die auch in Europa jeder nördlich der Mangfall brutal spüren wird.
Ich glaube aber eher an eine politische Lösung. Wenn man schon verstaatlichen, übernehmen und Leerverkäufe verbieten muss, dann gleich ganz und komplett. So ähnlich, wie es die Russen letzte Woche gemacht haben: Wenn die Märkte für die Staaten gefährlich werden, müssen sie eben wie jedes kaputtte Atomkraftwerk runtergefahren werden. Danach kann man die Löcher reparieren, die verschmorten Bauteile austauschen, die Verluste so gegenrechnen, dass für alle genug bleibt, die Versager bestrafen und in ein Lager einweisen, hochriskante Praktiken verbieten, staatliche Grundfunktionen wie Rente, Gesundheit, Transport, Energie und Nahrung eigenverantwortlich fahren und dann das restliche System langsam wieder hochfahren - und die Verantwortlichen knallhart kontrollieren.
Alles andere - Bilanzierungstricks, Rumschieben, Geldnachschmeissen, Sicherheiten garantieren, die man nicht halten kann, die Mischung aus Panik und Euphorie ver bipolar Gestörten in den wirtschaftlichen Befehlsständen - verlängert nur den Absturz in eine marktradikale Lösung des Niedergangs, die man sich nicht wünschen darf, solange da draussen die Berlusconis, Straches und diverse Rattenfänger frei rumlaufen. Ich persönlich bin hochgradig pessimistisch, dass man politisch weiter rumdoktorn und retten und sich erpressen lassen wird, statt das Problem umfassend zu lösen.
Also, was wird langfristig sein? Ich glaube: Man wird die erste Option des Niedergangs so lange geschehen lassen, bis man zur zweiten Option des radikalen Staatseingriffs praktizieren muss, um überhaupt noch irgendetwas zu retten. Wir stehen dieser Krise nicht mit Wissen und Erfahrung gegenüber, sondern mit der Fassungslosigkeit der Florentiner des Jahren 1349, deren glückliches Leben von der Pest hinweggefegt wird, gegen die man zu spät zu schlechte Mittel ergreift. Viele werden krepieren, nur wenige werden auf ein Landgut gehen und Geschichten erzählen. Ich fürchte, dass unsere Geschichte bereits geschrieben steht im ersten Kapitel des Decamerone, und ich hoffe, dass die folgenden 10 Tage von meinen Freunden handeln.
Bei den historischen Vergleichsdebakeln also herrscht so eine Art Beliebigkeit, jeder sucht sich das heraus, was ihm passt; der eine nimmt den Aufstand der Ciompi und der andere die Folgen der Jacquerie, ein Dritter behilft sich bei der Hungersnot von 1814 und ich persönlich tendiere zum Vergleich mit den Staatsbankrotten des absolutistischen Frankreichs, die auf andere abzuwälzen einer der Gründe für die expotierten Kabinettskriege der Zeit war, was uns wiederum Voltaires im Elend des siebenjährigen Krieges spielenden Candide bescherte. Aber angesichts der aktuellen Krise ist das alles - wertlos. Und weil ich kein VWLer bin und auch ansonsten von Wirtschaft keine Ahnung habe, abgesehen davon aber ziemlich früh auf die Probleme und ihre Folgen hingewiesen habe, bitte ich meine Zukunftseinschätzungen mit Vorsicht zu geniessen.

Unser spezifisches Problem in dieser Krise ist neben der extremen Komplexität und der folgenden Unvorhersehbarkeit der Glaube, dass alles möglich ist. Gestern Abend zum Beispiel knallte die Aktie von Google in wenigen Minuten bei enormen Umsätzen um bis zu 20% nach unten, ohne dass es irgend eine Nachricht gegeben hätte. Ein Fehler der Software, wie sich dann herausstellte, nichts weiter, aber trotzdem brach Verkaufspanik aus. Weil es im Momment möglich erscheint. Das aber ist nur eine Fussnote gegen das eigentliche Problem, das sich längst von den Subprimekrediten gelöst hat und sich nun durch das System zu den lebenswichtigen Einrichtungen frisst: Das Misstrauen der Banken in das eigene Geschäftsmodell. Wäre die Wirtschaft ein Körper, dann hätten wir gerade durch das mit Irrsinnszinsen de facto beendete Interbankengeschäft so eine Art Herzstillstand. Und warten jetzt auf den Hirntod.
Das Interbankengeschäft, dessen Probleme beinahe den Kollaps der Hypo Real Estate und damit indirekt auch das Ende der Pfandleihen und damit wiederum der Kreditwürdigkeit des Staates ausradiert hätten, dieses Interbankengeschäft ist langwilig und mechanisch und theoretisch narrensicher - im Grunde ist das Rumreichen von Krediten untereinander so simpel, dass niemand sich vor wenigen Monaten wirklich darüber Sorgen gemacht hätte. Jetzt geht alles sehr, sehr schnell. Und wer gestern noch kaufen konnte, steht heute schon ohne Kredit da. Es gehört zum zentralen Lebenstrieb der Banken zu wissen, wie schlimm es wirklich ist. Due Diligence, Risikobewertung und Scoring sind deren täglich Brot. Was ich nirgendwo so brutal lese, ist: Banken, die sich selbst nichts mehr leihen, sind kein Systemfehler mehr, sondern die Zerstörung des Systems. Sie sind wie ein teures Heizkraftwerk, das mit extremen Abgasen im Winter kalt macht.
Meines Erachtens kam und kommt es so weit, weil die verfickten Arschlöcher an der Wall Street und in Washington und vielen profitierenden Ländern die Party der Blase weiterfeiern wollen. Statt die ganze kritische Scheisse zum Abkühlen Anfang 2007 in eine milde Rezession zu schicken, den Laden zu konsolidieren, die Schwachen zu killen und den Guten die Märkte zu öffnen, hat man versucht, das System so heiss wie möglich zu fahren. Eine Rezession ist absolut nichts schlimmes, sie gehört dazu, sie ist die Voraussetzung für eine Neujustierung des Marktes. Statt dessen werden Schulden gemacht, um Versager durchzufüttern, Aktionäre zu belohnen, überflüssige Firmen zu bewahren und den Konsum anzuregen, dessen Übertreibung erst die Schulden produzierte, die nie mehr zurückgezahlt werden können und die eine neue Masslosigkeit kreierten. Eine Masslosigkeit, an deren Ende ein bigottes, fastschweizerisches Gebilde namens Irland nicht mal den Anstand hat, für seinen finanziellen Selbstmord mit Totalabsicherung aller giftigen Assets seiner miserablen Banken vor die Tür des Euroraums zu gehen, um beim Hirnrausblasen mit dem Dreieinhalbfachen des Bruttoinlandsprodukts nicht die Gemeinschaftswährung zu beschädigen. Europa hätte gute Chancen, besser als die USA und England durchzukommen, und dann schreiben die Sprosse der Kartoffelpestgeschädigten einen Blankoscheck gegen die gesamte Union raus, einzulösen von jedem Verbrecher, der eine Bad Bank den Bach runtergehen lassen will.

Momentan ist sich jeder selbst der nächste, es herrscht absoluter Egoismus vom Abräumen der Banken über das Ausscheiden bei den Hedge Fonds bis zum Warten auf das Ende der Investmentbanken. Die Schulden sind so gigantisch, dass sie nur mit dem Ausscheiden von Mitspielern, sprich deren Pleite aufgelöst werden können, inclusive Vermögensverluste für Anleger, Rentenkassen, Immobilienbesitzer - einfach alles. Wir sind bereits mitten drin im Melt Down des Systems und der Assetwerte oder was man dafür gehalten hat. So gesehen ist es idiotisch, anderthalb erfolglos vergeudete Jahre nach dem Beginn der Krise nochmal 700 Milliarden neue Schulden zu machen, um das Geld in einem Multibillionenloch verschwinden zu sehen. Es würde nichts an den Überbewertungen ändern, die bei den Aktienkursen beginnen, sich über VCs und Private Equity fortsetzen und im Giftmüll der Derivate ihren Höhepunkt finden. Wenn man diese Giftladungen gegenrechnet, bleibt nichts übrig ausser dem amerikanischen Staatsbankrott, in der Folge dem Bankrott der Schwellenländer und eine Rezession, die auch in Europa jeder nördlich der Mangfall brutal spüren wird.
Ich glaube aber eher an eine politische Lösung. Wenn man schon verstaatlichen, übernehmen und Leerverkäufe verbieten muss, dann gleich ganz und komplett. So ähnlich, wie es die Russen letzte Woche gemacht haben: Wenn die Märkte für die Staaten gefährlich werden, müssen sie eben wie jedes kaputtte Atomkraftwerk runtergefahren werden. Danach kann man die Löcher reparieren, die verschmorten Bauteile austauschen, die Verluste so gegenrechnen, dass für alle genug bleibt, die Versager bestrafen und in ein Lager einweisen, hochriskante Praktiken verbieten, staatliche Grundfunktionen wie Rente, Gesundheit, Transport, Energie und Nahrung eigenverantwortlich fahren und dann das restliche System langsam wieder hochfahren - und die Verantwortlichen knallhart kontrollieren.
Alles andere - Bilanzierungstricks, Rumschieben, Geldnachschmeissen, Sicherheiten garantieren, die man nicht halten kann, die Mischung aus Panik und Euphorie ver bipolar Gestörten in den wirtschaftlichen Befehlsständen - verlängert nur den Absturz in eine marktradikale Lösung des Niedergangs, die man sich nicht wünschen darf, solange da draussen die Berlusconis, Straches und diverse Rattenfänger frei rumlaufen. Ich persönlich bin hochgradig pessimistisch, dass man politisch weiter rumdoktorn und retten und sich erpressen lassen wird, statt das Problem umfassend zu lösen.
Also, was wird langfristig sein? Ich glaube: Man wird die erste Option des Niedergangs so lange geschehen lassen, bis man zur zweiten Option des radikalen Staatseingriffs praktizieren muss, um überhaupt noch irgendetwas zu retten. Wir stehen dieser Krise nicht mit Wissen und Erfahrung gegenüber, sondern mit der Fassungslosigkeit der Florentiner des Jahren 1349, deren glückliches Leben von der Pest hinweggefegt wird, gegen die man zu spät zu schlechte Mittel ergreift. Viele werden krepieren, nur wenige werden auf ein Landgut gehen und Geschichten erzählen. Ich fürchte, dass unsere Geschichte bereits geschrieben steht im ersten Kapitel des Decamerone, und ich hoffe, dass die folgenden 10 Tage von meinen Freunden handeln.
donalphons, 06:34h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 30. September 2008
My private Bank Run
Money may desert you, friends forsake you, enemies grow indifferent to you, but the scarlet fever will be true to you.
Mark Twain
Man muss etwas suchen, es ist nicht sofort ersichtlich, aber man kann in Gmund ganz wunderbar am See frühstücken. Und zwar am Strandbad Kaltenbrunn, das sich das Cafe mit dem dortigen Yachtclub teilt. Und als ich dort heute morgen sass, dachte ich darüber nach, ws es mir wert ist. Einfach hier sitzen zu können, eine Zeitung zu lesen und ein wenig über die nächsten Schritte nachzudenken.

Offen gesagt, waren die Gedanken absolut wertlos, weil die Hintergründe bei der Rettung der Hypo Real Estate so noch nicht bekannt waren - Deutschland hatte einfach keine andere Wahl, ausser international jede Kreditwürdigkeit zu verlieren. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass man in den UdSSA das Rettungspaket für die Immobilienkredite einfach durch den Kongress sausen lässt. Hätte ich das aber gewusst, wäre mir der Moment auch nicht mehr wert gewesen.
Diese Stunde da unten am See ist etwas, das mir keiner nehmen kann, und nur abhängig vom Wetter. Ich kann das immer haben, es kostet nichts, und es ist vollkommen ausserhalb der regulären Verwertungsmechanismen, weil ich schon im Februar meinen privaten Bank Run gemacht habe. Ich kann hier immer sein. Man geht leichter und gelassener in Tage wie diesen, es löscht Existenzängste aus wie die Bankenpleite das Zertifikat und die Idioten im amerikanischen Kongress die Wirtschaft der UdSSA. Sie helfen die Banken nicht, und auch der letzte Hinterwäldler in den UdSSA wird sich jetzt überlegen, warum er mit seinen Einlagen helfen soll, wenn es schon dem Parlament zu gefährlich ist.
Die Entscheidung des Kongresses war der Startschuss zum Rennen um die individuelle Rettung. Aktien, Wertpapiere, Bankeinlagen, alles, was von denen abhängt, denen keiner mehr helfen will, geht zurück. Lieber mit verlust losschlagen, als alles verlieren. Für viele geht es um die nackte Existenz, dank des ehemaligen Markttotalitarismus der UdSSA. Es ist ein ganz normales menschliches Verhalten, das man im Februar hätte praktizieren sollen. Ich habe es damals gesagt und danach gehandelt. Ich sitze hier. Es ist warm. Es ist weit, weit weg. Es ist sicher. Heute, morgen, in einem Jahr. Eine bessere Rendite gibt es nicht.
Mark Twain
Man muss etwas suchen, es ist nicht sofort ersichtlich, aber man kann in Gmund ganz wunderbar am See frühstücken. Und zwar am Strandbad Kaltenbrunn, das sich das Cafe mit dem dortigen Yachtclub teilt. Und als ich dort heute morgen sass, dachte ich darüber nach, ws es mir wert ist. Einfach hier sitzen zu können, eine Zeitung zu lesen und ein wenig über die nächsten Schritte nachzudenken.

Offen gesagt, waren die Gedanken absolut wertlos, weil die Hintergründe bei der Rettung der Hypo Real Estate so noch nicht bekannt waren - Deutschland hatte einfach keine andere Wahl, ausser international jede Kreditwürdigkeit zu verlieren. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass man in den UdSSA das Rettungspaket für die Immobilienkredite einfach durch den Kongress sausen lässt. Hätte ich das aber gewusst, wäre mir der Moment auch nicht mehr wert gewesen.
Diese Stunde da unten am See ist etwas, das mir keiner nehmen kann, und nur abhängig vom Wetter. Ich kann das immer haben, es kostet nichts, und es ist vollkommen ausserhalb der regulären Verwertungsmechanismen, weil ich schon im Februar meinen privaten Bank Run gemacht habe. Ich kann hier immer sein. Man geht leichter und gelassener in Tage wie diesen, es löscht Existenzängste aus wie die Bankenpleite das Zertifikat und die Idioten im amerikanischen Kongress die Wirtschaft der UdSSA. Sie helfen die Banken nicht, und auch der letzte Hinterwäldler in den UdSSA wird sich jetzt überlegen, warum er mit seinen Einlagen helfen soll, wenn es schon dem Parlament zu gefährlich ist.
Die Entscheidung des Kongresses war der Startschuss zum Rennen um die individuelle Rettung. Aktien, Wertpapiere, Bankeinlagen, alles, was von denen abhängt, denen keiner mehr helfen will, geht zurück. Lieber mit verlust losschlagen, als alles verlieren. Für viele geht es um die nackte Existenz, dank des ehemaligen Markttotalitarismus der UdSSA. Es ist ein ganz normales menschliches Verhalten, das man im Februar hätte praktizieren sollen. Ich habe es damals gesagt und danach gehandelt. Ich sitze hier. Es ist warm. Es ist weit, weit weg. Es ist sicher. Heute, morgen, in einem Jahr. Eine bessere Rendite gibt es nicht.
donalphons, 00:13h
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Aussicht auf heute
Bayern: Grosses Hauen, Stechen und Morden bei der CSU in München. Haderthauer und Huber gehen über die Wupper - minimal.

Deutschland: Man kann nur hoffen, dass keiner auf die Idee kommt, eine von ausländischem Giftmüll ruinierte Firma wie Hypo Real Estate mit Staatsgeld zu retten. Schliesslich gehört mindestens ein Viertel der Firma reichen amerikanischen und, wenn ich richtig informiert bin italienischen Investoren. Sieht nicht gut aus für den DAX. Hoffentlich hat die bayerische Landsbank seit dem Verkauf von einer Million HRE-Stammaktien 2004 nicht wieder zugekauft, oder zwischenfinanziert.
Belgien: Flüssige 11 Milliarden geben die Niederlande, Belgien und Luxemburg für 49% der bislang unverkäuflichen Fortis-Bank aus. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir da keinen Bank Run auf die am Freitag noch von Politik und Wirtschaft als sicher und krisenfreien beschriebene Firma sehen. Wie lang dauert es, bis 11 Milliarden abgehoben sind? Pleite dann Mittwoch, würde ich erwarten.
England: Santander kauft für vermutlich kleinstes Geld die Operation und die Einlagen der Bank Bradford & Bingley, der Staat dagegen - der unregulierteste Thatcherstaat schlechthin - übernimmt rund 50 Milliarden Euro eher angefaulter Kredite; der ganze Spass könnte die Briten gschmackige 180 Milliarden kosten. Wann kommt endlich die Parität des Pfundes zum Euro?
UdSSA: Das vorläufig nur 250 Milliarden schwere Rettungspaket ist nicht viel und ziemlich heftig, sollte der Staat die Banken wirklich für Wertverluste der gekauften Giftmüllpakete in die Pflicht nehmen. Natürlich wird es eine mittelprächtige Rally geben, natürlich glaubt man jetzt wieder an eine Stabilisierung der Hauspreise, aber Wachovia wird es kaum retten, nachdem es dem potentiellen Käufer Citigroup auch nicht allzu gut geht. Das ist meines Erachtens auch der Grund, warum keine der begünstigten Banken jetzt plötzlich Kredit für Hauskäufe zur Marktstabilisierung geben wird: Die werden das Geld nehmen und bunkern in der Hoffnung, all die anderen beschissenen Spiele vom Autokredit bis zu den Gewerbeimmobilien zu überleben. Citibank wird also bei Wachovia warten, bis der Laden von der Bankenaufsicht gekillt wird. Die Schulden für das Rettungspaket sollen übrigens asiatische Staaten kaufen, die eh schon so viel davon haben. Vielleicht verlangen die Chinesen als Gegenleistung Taiwan nuken - was das einzige ist, was in den UdSSA noch funktioniert. Ain´t it beautiful? Bei CNN quasselt der Johurnaillendreck trotzdem von einem Vertrauensgewinn in den Märkten, selbst wenn die asiatischen Märkte mau reagiert haben.
Spannende Tage. Ausserdem warte ich darauf, dass sich jemand mal mit der Lage amerikanischer Lebensversicherungen und Rentenkassen beschäftigt, die meistens ziemlich fett bei solchen Banken wie da oben dabei sind.

Deutschland: Man kann nur hoffen, dass keiner auf die Idee kommt, eine von ausländischem Giftmüll ruinierte Firma wie Hypo Real Estate mit Staatsgeld zu retten. Schliesslich gehört mindestens ein Viertel der Firma reichen amerikanischen und, wenn ich richtig informiert bin italienischen Investoren. Sieht nicht gut aus für den DAX. Hoffentlich hat die bayerische Landsbank seit dem Verkauf von einer Million HRE-Stammaktien 2004 nicht wieder zugekauft, oder zwischenfinanziert.
Belgien: Flüssige 11 Milliarden geben die Niederlande, Belgien und Luxemburg für 49% der bislang unverkäuflichen Fortis-Bank aus. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir da keinen Bank Run auf die am Freitag noch von Politik und Wirtschaft als sicher und krisenfreien beschriebene Firma sehen. Wie lang dauert es, bis 11 Milliarden abgehoben sind? Pleite dann Mittwoch, würde ich erwarten.
England: Santander kauft für vermutlich kleinstes Geld die Operation und die Einlagen der Bank Bradford & Bingley, der Staat dagegen - der unregulierteste Thatcherstaat schlechthin - übernimmt rund 50 Milliarden Euro eher angefaulter Kredite; der ganze Spass könnte die Briten gschmackige 180 Milliarden kosten. Wann kommt endlich die Parität des Pfundes zum Euro?
UdSSA: Das vorläufig nur 250 Milliarden schwere Rettungspaket ist nicht viel und ziemlich heftig, sollte der Staat die Banken wirklich für Wertverluste der gekauften Giftmüllpakete in die Pflicht nehmen. Natürlich wird es eine mittelprächtige Rally geben, natürlich glaubt man jetzt wieder an eine Stabilisierung der Hauspreise, aber Wachovia wird es kaum retten, nachdem es dem potentiellen Käufer Citigroup auch nicht allzu gut geht. Das ist meines Erachtens auch der Grund, warum keine der begünstigten Banken jetzt plötzlich Kredit für Hauskäufe zur Marktstabilisierung geben wird: Die werden das Geld nehmen und bunkern in der Hoffnung, all die anderen beschissenen Spiele vom Autokredit bis zu den Gewerbeimmobilien zu überleben. Citibank wird also bei Wachovia warten, bis der Laden von der Bankenaufsicht gekillt wird. Die Schulden für das Rettungspaket sollen übrigens asiatische Staaten kaufen, die eh schon so viel davon haben. Vielleicht verlangen die Chinesen als Gegenleistung Taiwan nuken - was das einzige ist, was in den UdSSA noch funktioniert. Ain´t it beautiful? Bei CNN quasselt der Johurnaillendreck trotzdem von einem Vertrauensgewinn in den Märkten, selbst wenn die asiatischen Märkte mau reagiert haben.
Spannende Tage. Ausserdem warte ich darauf, dass sich jemand mal mit der Lage amerikanischer Lebensversicherungen und Rentenkassen beschäftigt, die meistens ziemlich fett bei solchen Banken wie da oben dabei sind.
donalphons, 05:26h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 28. September 2008
Der vorletzte Zug von der Küste
Man sollte, sagte ich, bis zum Abend bleiben und in Seeglas den Sonnenuntergang anschauen. Man versäumt was, wenn man zu früh zurückfährt.

Die Medien lügen euch an. Die Medien wissen, dass seit der Lehmanpleite die Banken gestürmt werden. Es fällt dank Onlinebanking nicht mehr so auf, die Leute erledigen das am Computer und haben auch mehr Zeit, es gibt noch keine Panik, nur ein Davonstehlen, aber am Ende gehen die Banken doch so oder so drauf, ganz schnell am Wochenende, bevor die Panik ausbricht, trotz aller Beteuerungen. Bradford & Bingley wird das Pfund Richtung Break Even zum Euro drücken, und Fortis war selber schuld, als sie sich mit Amro überfressen haben - vielleicht wackelt dann auch die an dem Deal beteiligte Royal Bank of Scotland. Wer glaubt, dass Fortis ein mitteleuropäisches Problem ist: Fortis ist eine der grössten Banken und Versicherung im Vereinigten Königreich, und die "Strukturierten Produkte", Derivate und anderer Gefahrenpotenziale, stecken vor allem in amerikanischen Portfolios - verkauft vor allem durch die UBS, gerne an institutionelle Anleger. Die amerikanen Pensionsfonds haben schon mal angenehmere Zeiten gesehen.
Welches Arschloch kam eigentlich auf die Idee, hochriskante Derivate unter dem Sicherheit vermittelnden Namen "Zertifikate" anzubieten?

Die Medien lügen euch an. Die Medien wissen, dass seit der Lehmanpleite die Banken gestürmt werden. Es fällt dank Onlinebanking nicht mehr so auf, die Leute erledigen das am Computer und haben auch mehr Zeit, es gibt noch keine Panik, nur ein Davonstehlen, aber am Ende gehen die Banken doch so oder so drauf, ganz schnell am Wochenende, bevor die Panik ausbricht, trotz aller Beteuerungen. Bradford & Bingley wird das Pfund Richtung Break Even zum Euro drücken, und Fortis war selber schuld, als sie sich mit Amro überfressen haben - vielleicht wackelt dann auch die an dem Deal beteiligte Royal Bank of Scotland. Wer glaubt, dass Fortis ein mitteleuropäisches Problem ist: Fortis ist eine der grössten Banken und Versicherung im Vereinigten Königreich, und die "Strukturierten Produkte", Derivate und anderer Gefahrenpotenziale, stecken vor allem in amerikanischen Portfolios - verkauft vor allem durch die UBS, gerne an institutionelle Anleger. Die amerikanen Pensionsfonds haben schon mal angenehmere Zeiten gesehen.
Welches Arschloch kam eigentlich auf die Idee, hochriskante Derivate unter dem Sicherheit vermittelnden Namen "Zertifikate" anzubieten?
donalphons, 04:59h
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Samstag, 27. September 2008
Nach dem Regen
Gestern war das Wetter so schlecht, dass man den ganzen Tag vin meiner Wohnung aus die Alpen nicht gesehen hat. Das ist insofern ungewöhnlich, als die Alpen ihre ersten Tausender in ein paar hundert Meter Entfernung beginnen lassen. Immerhin war ich damit nicht unter der grauen Wolkendecke, sondern mittendrin. Und in den Wolken prasselt der Regen nicht so runter wie im Flachland, er ist eher weich und wäre sogar angenehm, wenn es nicht gerade nur fünf Grad hätte. Heute war es wärmer, und der Regen hat sich weiter in die Berge verzogen.

Oder füllte als Quellwasser die Bäche an der Neureuth. Man sollte glauben, dass so ein Berg nach einem Tag Dauerregen ein nasser Matschhügel ist, aber abgesehen von etwas mehr Rutschgefahr und dem kontinuierlichen Rauschen der angeschwollenen, sprudelnden und über moosige Steine springenden Fluten war es wie immer. Nur etwas leerer vielleicht. Von unten bis oben kein Mensch. Manchmal ein paar Sekunden Sonne, und oben auf dem letzten Anstieg, ab 1200 Meter, dann wieder Wolken in den Bäumen und ihren zartgrünen Blätterkaskaden.

Morgen ist das Wetter besser, dann ist es hier oben rappelvoll mit Münchnern und anderen Touristen, mit dem üblichen Spektakel aus Sonne, sattem Grün und einer gleissenden Wasserfläche unten im Tal. Heute bin ich allein, die Hütte hat schon geschlossen, und die Wolken schleifen über den Hirschberg exakt an der gleichen Stelle, wo ich vorgestern den Schlussanstieg vom Rauheck auf den Gipfel abgebrochen habe. Der Berg läuft nicht davon, und so ehrgeizig, dass ich im Nebel auf den Ausblick vom Gipfel verzichte, Hauptsache ich war oben, bin ich dann auch nicht. Der Berg ruft, aber man muss nicht immer antworten.

Auf dem Weg nach unten rutsche ich aus, als ich darüber nachdenke, was inzwischen furchtbares passiert sein könnte; die Banken Wachovia (man betrachte die stimmige Liste! Vor zwei Wochen am gleichen Berg!) und Fortis habe ich schon etwas länger als Wackelkandidat im Auge, und tatsächlich: Fortis laufen die Kunden und der Chef und die Aktionäre davon, und Wachovia versucht, sich der Citigroup an den Hals zu werfen - der leidgeprüften Bank, die ihr Europageschäft verschleudern musste und Wachovia nach meiner bescheidenen Meinung so abrauchen lassen wird, wie Washington Mutual. Sowas nennt man höflich "Konsolidierung", etwas unhöflicher und aus Kundensicht Anlass zum Bank Run, und wäre man sehr fies, würde man einfach sagen, dass sie auf der Todesliste Platz machen, damit Banken wie First Federal nachrücken können. Heute ist Lethal Friday, und das Orakel der verdreckten Hose sagt, dass es schlimm wird. Wirklich schlimm.
Sie sagen, das Geld sei sicher.

Oder füllte als Quellwasser die Bäche an der Neureuth. Man sollte glauben, dass so ein Berg nach einem Tag Dauerregen ein nasser Matschhügel ist, aber abgesehen von etwas mehr Rutschgefahr und dem kontinuierlichen Rauschen der angeschwollenen, sprudelnden und über moosige Steine springenden Fluten war es wie immer. Nur etwas leerer vielleicht. Von unten bis oben kein Mensch. Manchmal ein paar Sekunden Sonne, und oben auf dem letzten Anstieg, ab 1200 Meter, dann wieder Wolken in den Bäumen und ihren zartgrünen Blätterkaskaden.

Morgen ist das Wetter besser, dann ist es hier oben rappelvoll mit Münchnern und anderen Touristen, mit dem üblichen Spektakel aus Sonne, sattem Grün und einer gleissenden Wasserfläche unten im Tal. Heute bin ich allein, die Hütte hat schon geschlossen, und die Wolken schleifen über den Hirschberg exakt an der gleichen Stelle, wo ich vorgestern den Schlussanstieg vom Rauheck auf den Gipfel abgebrochen habe. Der Berg läuft nicht davon, und so ehrgeizig, dass ich im Nebel auf den Ausblick vom Gipfel verzichte, Hauptsache ich war oben, bin ich dann auch nicht. Der Berg ruft, aber man muss nicht immer antworten.

Auf dem Weg nach unten rutsche ich aus, als ich darüber nachdenke, was inzwischen furchtbares passiert sein könnte; die Banken Wachovia (man betrachte die stimmige Liste! Vor zwei Wochen am gleichen Berg!) und Fortis habe ich schon etwas länger als Wackelkandidat im Auge, und tatsächlich: Fortis laufen die Kunden und der Chef und die Aktionäre davon, und Wachovia versucht, sich der Citigroup an den Hals zu werfen - der leidgeprüften Bank, die ihr Europageschäft verschleudern musste und Wachovia nach meiner bescheidenen Meinung so abrauchen lassen wird, wie Washington Mutual. Sowas nennt man höflich "Konsolidierung", etwas unhöflicher und aus Kundensicht Anlass zum Bank Run, und wäre man sehr fies, würde man einfach sagen, dass sie auf der Todesliste Platz machen, damit Banken wie First Federal nachrücken können. Heute ist Lethal Friday, und das Orakel der verdreckten Hose sagt, dass es schlimm wird. Wirklich schlimm.
Sie sagen, das Geld sei sicher.
donalphons, 01:15h
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Randbemerkungen, Amranddesabgrundsbemerkungen
Es gibt - mal wieder, Veteranen kennen das noch aus der New Economy - eine gewisse Selektion der Dinge, die bekannt werden, und andere Dinge, die verschwiegen werden. Dazwischen sind dann noch die Nichtinformierten wie meine Verwandtschaft, die erst heute Morgen aus der Zeitung erfahren hat, was schon vorgestern im Netz stand - dass die Volksbanken wohl auch übel von der Lehmanpleite erwischt wurden. Es gubt da Internetfeinde, die erst jetzt begreifen, wie wichtig es sein kann, sich selbst sein Wissen zusammen zu suchen. Und sich dabei nicht auf die Medien zu verlassen. Da ist nämlich gerade eine Geschichte passiert, die offensichtlich keiner gross bringen mag, die aber sehr viel über die Panik und die Beschwichtigung erzählt, die momentan den Blick auf die Wahrheit verstellen. Und das geht so:
Washington Mutual ist gestern Nacht zusammengebrochen. Seit Anfang letzter Woche verging kein Tag, da die Medien nicht Käufer für die ins Schlingern geratene Bankenkette vorstellten; ein paar Mal sollte der Deal angeblich schon fast in trockenen Tüchern sein. Was nicht in den Medien stand, waren die Rückzieher der Interessenten, nachdem die in die Bücher geschaut hatten. Und was auch nicht in den Medien stand, war der de facto Bank Run auf Washington Mutual. In weniger als 10 Öffnungstagen hatten die Anleger 10% ihrer Gelder abgezogen. 10% ist wirklich, wirklich viel, und auch an der Grenze dessen, was normale Banken auszahlen könnten. Diesen Bak Run haben die Medien der Öffentlichkeit verschwiegen.
Bloomberg jedoch hatte gestern noch eine Geschichte über die Frage, ob die Eilagensicherung FDIC eine eventuelle Pleite einer Bank wie Washington Mutual angesichts der bisherigen Verluste auffangen könnte. Die Antwort eines Analysten war alles andere als schmeichelhaft;
"The FDIC and the banking regulators are ignoring the problems, hoping they'll go away,'' he says. ``They won't."
Worauf die FDIC augenblicklich mit einem in der Form ziemlich einmaligen, wütenden Brandbrief auf Bloomberg antwortete und sagte, alles wäre prima und Bloombeeg würde die eigenen Leser mit solchen Unterstellungen schädigen:
Bloomberg reporter David Evans' piece does a serious disservice to your organization and your readers by painting a skewed picture of the FDIC insurance fund. Let me be clear: The insurance fund is in a strong financial position to weather a significant upsurge in bank failures. The FDIC has all the tools and resources necessary to meet our commitment to insured depositors, which we view as sacred."
Am Abend der gleichen Tages geht WaMu dann doch über die Wupper und wird von der Bankenaufsicht sofort an JP Morgan weiterverscheuert, für lumpige 1,9 Milliarden und Fortführung des Bankgeschäfts, weil die FDIC das Problem der Einlagensicherung mit 145 Milliarden Dollar Kosten mit ihren 45 Milliarden auf dem Konto offansichtlich doch nicht bewältigen kann.
Was sagt das über die Glaubwürdigkeit einer Institution, deren einziges Geschäftsmodell die Glaubwürdigkeit ist?
Update: Ich sehe gerade, die amerikanische Tochter der Allianz ist bei dieser Pleite durch Bonds mit 59 Millionen Dollar dabei.
Washington Mutual ist gestern Nacht zusammengebrochen. Seit Anfang letzter Woche verging kein Tag, da die Medien nicht Käufer für die ins Schlingern geratene Bankenkette vorstellten; ein paar Mal sollte der Deal angeblich schon fast in trockenen Tüchern sein. Was nicht in den Medien stand, waren die Rückzieher der Interessenten, nachdem die in die Bücher geschaut hatten. Und was auch nicht in den Medien stand, war der de facto Bank Run auf Washington Mutual. In weniger als 10 Öffnungstagen hatten die Anleger 10% ihrer Gelder abgezogen. 10% ist wirklich, wirklich viel, und auch an der Grenze dessen, was normale Banken auszahlen könnten. Diesen Bak Run haben die Medien der Öffentlichkeit verschwiegen.
Bloomberg jedoch hatte gestern noch eine Geschichte über die Frage, ob die Eilagensicherung FDIC eine eventuelle Pleite einer Bank wie Washington Mutual angesichts der bisherigen Verluste auffangen könnte. Die Antwort eines Analysten war alles andere als schmeichelhaft;
"The FDIC and the banking regulators are ignoring the problems, hoping they'll go away,'' he says. ``They won't."
Worauf die FDIC augenblicklich mit einem in der Form ziemlich einmaligen, wütenden Brandbrief auf Bloomberg antwortete und sagte, alles wäre prima und Bloombeeg würde die eigenen Leser mit solchen Unterstellungen schädigen:
Bloomberg reporter David Evans' piece does a serious disservice to your organization and your readers by painting a skewed picture of the FDIC insurance fund. Let me be clear: The insurance fund is in a strong financial position to weather a significant upsurge in bank failures. The FDIC has all the tools and resources necessary to meet our commitment to insured depositors, which we view as sacred."
Am Abend der gleichen Tages geht WaMu dann doch über die Wupper und wird von der Bankenaufsicht sofort an JP Morgan weiterverscheuert, für lumpige 1,9 Milliarden und Fortführung des Bankgeschäfts, weil die FDIC das Problem der Einlagensicherung mit 145 Milliarden Dollar Kosten mit ihren 45 Milliarden auf dem Konto offansichtlich doch nicht bewältigen kann.
Was sagt das über die Glaubwürdigkeit einer Institution, deren einziges Geschäftsmodell die Glaubwürdigkeit ist?
Update: Ich sehe gerade, die amerikanische Tochter der Allianz ist bei dieser Pleite durch Bonds mit 59 Millionen Dollar dabei.
donalphons, 14:06h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 25. September 2008
Vertrauen ist so eine Sache.
Wie es ausschaut, haben die chinesischen Mörder wenig Zutrauen in den kommunistischen Weg der UdSSA und Staatsratsvorsitzendem Breschnjewskush und den Beauftragten für den 5-Jahresplan Paulson:
Chinese regulators have told domestic banks to stop interbank lending to U.S. financial institutions to prevent possible losses during the financial crisis, the South China Morning Post reported on Thursday.
Das ist, um es gradraus zu sagen, sowas wie die beantragte Bankrotterklärung für die UdSSA durch China - nebenbei dem zweitgrössten Besitzer von UdSSA-Schulden. (und warum steht sowas eigentlich nicht woanders in den Medien?) Schliesslich haben die Chinesen schon vor einem halben Jahrhundert erfahren, wie schrecklich so ein "grosser Sprung nach vorne" ausgehen kann, wenn eine Blase erneut überblasen wird, und die Sache mit Lehman und der KfW-Überweisung haben sie auch schon gehört. Vielleicht sollten die Herren des Ostens auch gleich noch spanische Banken mit einschliessen, die wie Banesto zwar keine Zinsen mehr zahlen wollen, aber für eine mittelfristige Geldanlage in guten Euro ein gutes Auto vor die Tür stellen:
To qualify for the vehicle offer, savers must commit between €18,000 and €160,000 locked in for a period of between 24 and 36 months. The top car on offer is a diesel version of the Citroën C4 family car for depositing at least €160,000 over three years, but the bank is also offering the smaller C2 and C3 models.
Wäre ich in Spanien, ich würde auf das Auto verzichten und mein Geld von der Bank holen.
Chinese regulators have told domestic banks to stop interbank lending to U.S. financial institutions to prevent possible losses during the financial crisis, the South China Morning Post reported on Thursday.
Das ist, um es gradraus zu sagen, sowas wie die beantragte Bankrotterklärung für die UdSSA durch China - nebenbei dem zweitgrössten Besitzer von UdSSA-Schulden. (und warum steht sowas eigentlich nicht woanders in den Medien?) Schliesslich haben die Chinesen schon vor einem halben Jahrhundert erfahren, wie schrecklich so ein "grosser Sprung nach vorne" ausgehen kann, wenn eine Blase erneut überblasen wird, und die Sache mit Lehman und der KfW-Überweisung haben sie auch schon gehört. Vielleicht sollten die Herren des Ostens auch gleich noch spanische Banken mit einschliessen, die wie Banesto zwar keine Zinsen mehr zahlen wollen, aber für eine mittelfristige Geldanlage in guten Euro ein gutes Auto vor die Tür stellen:
To qualify for the vehicle offer, savers must commit between €18,000 and €160,000 locked in for a period of between 24 and 36 months. The top car on offer is a diesel version of the Citroën C4 family car for depositing at least €160,000 over three years, but the bank is also offering the smaller C2 and C3 models.
Wäre ich in Spanien, ich würde auf das Auto verzichten und mein Geld von der Bank holen.
donalphons, 17:40h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 25. September 2008
Der Kirchen Nachfrage und des Eulogius Angebot
Die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts ist in Mitteleuropa eine Periode der Stabilität; die Vormacht der Karolinger ist gesichert, es gibt eine funktionierende Verwaltung, Steuern, Beamte, gar so etwas wie eine einigende Kultur, getragen vom Christentum, die in dieser Zeit die Landschaften mit Netzwerken aus Klöstern, geistlichen Herrschaften, Bistümern und Kirchen überzieht. Die Zeiten des Abspaltungen und Debatten, der Zuständigkeitsstreitereien zwischen Römern und Iren sind vorbei, das Christentum ist Staatsreligion und zugleich Herrschaftsapparat. Und wie alle Verwaltungen, hat auch das Christentum einen Hang zur Vergrösserung, Schaffung neuer Posten und Stellen, und natürlich auch Unterhaltung für das Publikum, das aus Wallfahrten ein grosses und aus Gottesdiensten ein kleines Geschäft werden lässt.
Es gibt da allerdings ein kleines Problem für ein grenzenloses Wachstum: Das Endkundengeschäft der Kirche, vom König bis hinunter zum Leibeigenen, benötigt eine Art dingliche Mittlerinstanz zwischen denen da unten und den Mächtigen da ganz oben. Das 9. Jahrhundert hat es noch nicht so mit Transzendenz und Unergründbarkeit, man braucht etwas, das man sehen, anfassen und in Geschichten verpacken kann - wir würden heute sagen: Derivate, mit der die grossen Geschäfte zwischen Gläubigen und Kirche und damit Gott abgesichert werden können. Diese Derivate sind die Reliquien von Heiligen, deren Leiden man an die Kirchenwände malt, und die den Weg zu Gott weisen. Aber genau hier setzt beim emerging Market der Kirchengeschäfte die Krise an: Es gibt nicht genug Heilige für so viele neue Kirchen.
Das Problem ist in der Patristik begründet, genauer: In der Historia Ecclesiastica von Eusebius von Caesarea, einer im frühen 4. Jahrhundert entstandenen Ansammlung der Verfolgungen, von denen die aufstrebende Sekte meinte, sie erlitten zu haben. Eusebius selbst hatte wohl als junger Mann im östlichen Bereich des Mittelmeeres die diokletianische Abwehrschlacht einer christlichen feindlichen Übernahme des römischen Imperiums erlebt, und weil ihm aus dieser Region auch die meisten Akten zur Verfügung stehen, enthält seine Kirchengeschichte vor allem sehr ausgeschmückte, leidvolle Schilderung zerfetzter Christen im heutigen Nahen Osten. Sobald Eusebius auf Frankreich oder Italien zu sprechen kommt, wird er einsilbig und vage. Ja, auch dort wurden Christen zu Heiligen umgebaut, aber die wertsteigernde Produktionsweise, das Marketing dieser Heiligen fehlte, und sie waren in etwa so cool wie chinesische Kleinwagen.

Mitteleuropa war der Weg zu diesen besseren Heiligen versperrt, denn dort herrschten inzwischen die daran desinteressierten Muslime oder Byzantiner, die ihre Heiligen selbst brauchten. Die Santiago de Compostella zugrunde liegende Idee, einen Heiligen mysteriös durch das Mittelmeer treiben und am Atlantik anlanden zu lassen, war nicht beliebig oft reproduzierbar. Die Folge des Mangels: In Europa grassierte der Reliquienklau, und Besitzer wenig glaubwürdiger Heiliger, gewissermassen die Subprimes, nutzten die hohe Nachfrage schamlos aus, indem sie Mönche die Echtheit feststellen liessen - so eine Art Vorläufer der Ratingagenturen. Mitunter teilte man auch Knochen und verkaufte sie als Bruchstücke an andere - in etwa so, wie man heute Risiken fauler Kredite verteilt. Kurz, der Markt war dereguliert, voller Krimineller und geprägt von vollkommen unrealistischen Bewertungen - eine Blase mitten im Zentrum des Geschäfts mit dem Heil, noch angefeuert durch immer prächtigere Kirchen.
Es ist eine seltsame Koinzidenz, dass mitten in dieser tiefgreifenden und die Geschäftsentwicklung gefährdenden Angebotskrise Eulogius von Córdoba auftrat. Die spanische Stadt Córdoba war im 9. Jahrhundert eine der glänzendsten Städte des Kontinents, reich, gebildet, und geführt von der fähigsten Staatsverwaltung ihrer Zeit, die aus christlicher Sicht einen Haken hatte: Sie war muslimisch. Abd ar Rahman II. war ein Mann der Künste und der Musen, und die Toleranz in Al Andalus liess die Christen tun, was sie wollten. Folglich sind die Berichte des den Muslimen untergebenen christlichen Klerus voller Gift und Galle: Ihre Schäfchen lesen lieber arabische Gedichte und Romane, ziehen sich muslimisch an und übernehmen orientalische Sitten und Gebräuche - und es gibt wenig, was die Kleriker dagegen tun konnten, schliesslich sind sie nicht am Drücker. Bis Eulogius, dem es gelang, sowohl den Hass zwischen Christen und Muslimen zu schüren, als auch das Beschaffungsproblem für zertifizierte Heilige zu lösen.
Eulogius, eine Art Vorfahr deutscher Hassblogger nämlich empfahl seinen Schäfchen, in die Moscheen und Strassen zu gehen, Mohammed laut zu lästern, Muslime zu beschimpfen und zu verhöhnen. Man kann sich die Folgen vorstellen: Das tolerante Klima ging den Bach runter, Muslime reagierten mit schauderhaften Lynchmorden, und Eulogius verteilte an die Betroffenen schon vorher Himmelsoptionsscheine, von denen zumindest keiner berichten konnte, dass sie nicht eingelöst wurden. Es wurde ein richtiger Hype, sich für den Unfrieden massakrieren zu lassen. Abd ar Rahman liess die Bischöfe eine Synode abhalten, die es den Christen bei hohen Strafen verbat, sich zu opfern - eine reichlich hilflose Geste und nicht wirklich dazu angetan, das Problem zu lösen. Und in ganz Europa blickte man voller Begeisterung auf den Opfermut der spanischen Kollegen, Geschichten über grausamste Misshandlungen machten die Runde, und frische Heiligenlegenden sprudelten aus Al Andalus nach Europa.
Nachdem seine Strategie aufgegangen war, machte man Eulogius zum leitenden Manager der christlichen Operationen im muslimischen Spanien und gab ihm das Bischofsamt von Sevilla, wo er sogleich weiter seine Schafe anstachelte. Gleichzeitig schrieb er mit der "Denkschrift der Heiligen" drei Bücher über das Geschehene, und legte auch noch eine Schutzrede nach, in der er andere Heiligenhändler diskreditierte, die behaupteten, seine neuen Heiligen würden keine Wunder bewirken, wie die alten, die schon seit langer Zeit vertrieben wurden. Der Nachfolger von Abd ar Rahman war jedoch nicht mehr ganz so zart besaitet und liess Eulogius den Kopf abschlagen. In den christlichen Kirchen des 9. Jahrhunderts aber kamen spanische Heilige schnell in Mode, der spanische Fanatismus linderte die Angebotskrise, endlich gab es frischen, zeitgemässen Nachschub für das grosse Geschäft, echte Heilige mit echten Geschichten, die Wallfahrten boomten und die Klingelbeutel füllten sich, und was lernen wir daraus?
Schon damals kam es nur darauf an, einen Dummen zu finden, der zahlt.
Es gibt da allerdings ein kleines Problem für ein grenzenloses Wachstum: Das Endkundengeschäft der Kirche, vom König bis hinunter zum Leibeigenen, benötigt eine Art dingliche Mittlerinstanz zwischen denen da unten und den Mächtigen da ganz oben. Das 9. Jahrhundert hat es noch nicht so mit Transzendenz und Unergründbarkeit, man braucht etwas, das man sehen, anfassen und in Geschichten verpacken kann - wir würden heute sagen: Derivate, mit der die grossen Geschäfte zwischen Gläubigen und Kirche und damit Gott abgesichert werden können. Diese Derivate sind die Reliquien von Heiligen, deren Leiden man an die Kirchenwände malt, und die den Weg zu Gott weisen. Aber genau hier setzt beim emerging Market der Kirchengeschäfte die Krise an: Es gibt nicht genug Heilige für so viele neue Kirchen.
Das Problem ist in der Patristik begründet, genauer: In der Historia Ecclesiastica von Eusebius von Caesarea, einer im frühen 4. Jahrhundert entstandenen Ansammlung der Verfolgungen, von denen die aufstrebende Sekte meinte, sie erlitten zu haben. Eusebius selbst hatte wohl als junger Mann im östlichen Bereich des Mittelmeeres die diokletianische Abwehrschlacht einer christlichen feindlichen Übernahme des römischen Imperiums erlebt, und weil ihm aus dieser Region auch die meisten Akten zur Verfügung stehen, enthält seine Kirchengeschichte vor allem sehr ausgeschmückte, leidvolle Schilderung zerfetzter Christen im heutigen Nahen Osten. Sobald Eusebius auf Frankreich oder Italien zu sprechen kommt, wird er einsilbig und vage. Ja, auch dort wurden Christen zu Heiligen umgebaut, aber die wertsteigernde Produktionsweise, das Marketing dieser Heiligen fehlte, und sie waren in etwa so cool wie chinesische Kleinwagen.

Mitteleuropa war der Weg zu diesen besseren Heiligen versperrt, denn dort herrschten inzwischen die daran desinteressierten Muslime oder Byzantiner, die ihre Heiligen selbst brauchten. Die Santiago de Compostella zugrunde liegende Idee, einen Heiligen mysteriös durch das Mittelmeer treiben und am Atlantik anlanden zu lassen, war nicht beliebig oft reproduzierbar. Die Folge des Mangels: In Europa grassierte der Reliquienklau, und Besitzer wenig glaubwürdiger Heiliger, gewissermassen die Subprimes, nutzten die hohe Nachfrage schamlos aus, indem sie Mönche die Echtheit feststellen liessen - so eine Art Vorläufer der Ratingagenturen. Mitunter teilte man auch Knochen und verkaufte sie als Bruchstücke an andere - in etwa so, wie man heute Risiken fauler Kredite verteilt. Kurz, der Markt war dereguliert, voller Krimineller und geprägt von vollkommen unrealistischen Bewertungen - eine Blase mitten im Zentrum des Geschäfts mit dem Heil, noch angefeuert durch immer prächtigere Kirchen.
Es ist eine seltsame Koinzidenz, dass mitten in dieser tiefgreifenden und die Geschäftsentwicklung gefährdenden Angebotskrise Eulogius von Córdoba auftrat. Die spanische Stadt Córdoba war im 9. Jahrhundert eine der glänzendsten Städte des Kontinents, reich, gebildet, und geführt von der fähigsten Staatsverwaltung ihrer Zeit, die aus christlicher Sicht einen Haken hatte: Sie war muslimisch. Abd ar Rahman II. war ein Mann der Künste und der Musen, und die Toleranz in Al Andalus liess die Christen tun, was sie wollten. Folglich sind die Berichte des den Muslimen untergebenen christlichen Klerus voller Gift und Galle: Ihre Schäfchen lesen lieber arabische Gedichte und Romane, ziehen sich muslimisch an und übernehmen orientalische Sitten und Gebräuche - und es gibt wenig, was die Kleriker dagegen tun konnten, schliesslich sind sie nicht am Drücker. Bis Eulogius, dem es gelang, sowohl den Hass zwischen Christen und Muslimen zu schüren, als auch das Beschaffungsproblem für zertifizierte Heilige zu lösen.
Eulogius, eine Art Vorfahr deutscher Hassblogger nämlich empfahl seinen Schäfchen, in die Moscheen und Strassen zu gehen, Mohammed laut zu lästern, Muslime zu beschimpfen und zu verhöhnen. Man kann sich die Folgen vorstellen: Das tolerante Klima ging den Bach runter, Muslime reagierten mit schauderhaften Lynchmorden, und Eulogius verteilte an die Betroffenen schon vorher Himmelsoptionsscheine, von denen zumindest keiner berichten konnte, dass sie nicht eingelöst wurden. Es wurde ein richtiger Hype, sich für den Unfrieden massakrieren zu lassen. Abd ar Rahman liess die Bischöfe eine Synode abhalten, die es den Christen bei hohen Strafen verbat, sich zu opfern - eine reichlich hilflose Geste und nicht wirklich dazu angetan, das Problem zu lösen. Und in ganz Europa blickte man voller Begeisterung auf den Opfermut der spanischen Kollegen, Geschichten über grausamste Misshandlungen machten die Runde, und frische Heiligenlegenden sprudelten aus Al Andalus nach Europa.
Nachdem seine Strategie aufgegangen war, machte man Eulogius zum leitenden Manager der christlichen Operationen im muslimischen Spanien und gab ihm das Bischofsamt von Sevilla, wo er sogleich weiter seine Schafe anstachelte. Gleichzeitig schrieb er mit der "Denkschrift der Heiligen" drei Bücher über das Geschehene, und legte auch noch eine Schutzrede nach, in der er andere Heiligenhändler diskreditierte, die behaupteten, seine neuen Heiligen würden keine Wunder bewirken, wie die alten, die schon seit langer Zeit vertrieben wurden. Der Nachfolger von Abd ar Rahman war jedoch nicht mehr ganz so zart besaitet und liess Eulogius den Kopf abschlagen. In den christlichen Kirchen des 9. Jahrhunderts aber kamen spanische Heilige schnell in Mode, der spanische Fanatismus linderte die Angebotskrise, endlich gab es frischen, zeitgemässen Nachschub für das grosse Geschäft, echte Heilige mit echten Geschichten, die Wallfahrten boomten und die Klingelbeutel füllten sich, und was lernen wir daraus?
Schon damals kam es nur darauf an, einen Dummen zu finden, der zahlt.
donalphons, 01:30h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 24. September 2008
Grob gesagt
geht es, wenn man mal das Blabla von Finanzkrise und Rettung beiseite lässt, doch eigentlich nur um eines beim sog. Rettungspaket der Genossen Bernanke und Paulson: Man kauft den Banken Schrott über Wert ab, und die Kosten finanziert man im ersten Schritt über neue Schulden. Die Banken können dann den verbleibenden Schrott ziemlich hoch bewerten und entgehen somit dem Problem, mit harten Abschreibungen und Verlusten die Insolvenz anzusteuern, in der sie bei der aktuellen Marktlage wären. Je mieser sie gewirtschaftet haben, desto mehr würden sie daran verdienen. Damit steht auch das übelste Kreditinstitut von den Toten auf, ist wieder liquide und kann auf Teufel komm raus Kredite verteilen, mit denen ihre Kunden dann Häuser kaufen, was den Preisverfall begrenzt oder bestenfalls sogar umkehrt, damit sind die Häuser wieder mehr wert und damit wiederum deckt man die bei den Banken verbliebenen Ramschpapiere, und man hat eine neue Blase, mit der die UdSSA genauso weiter prassen kann, wie bisher.
Auf dieses simplen Nenner kann man das Konzept bringen, und zusammen mit 25 Milliarden Krediten für die Autofirmen, die angeblich damit schon 2010 zukunftsfähige Elektrofahrzeuge bauen wollen, und einer Absicherung gegen Shortverkäufe für jede Firma, die das will, rettet man nebenbei auch den Binnenmarkt, und mit 50 weiteren Milliarden auch die Geldmarktzertifikate. Was an Banken nicht rettbar ist, wird an andere Banken verkauft, um es zu bewahren. Und weil das alles so toll läuft, werden mittelfristig auch die Schrottpapiere des Staates wieder einen Wert bekommen, und dann ist es gar nicht so arg schlimm. Eigentlich alles in Ordnung, oder?
In der New Econnomy konnte man nicht umhin, Kokser kennenzulernen. Leute, die einen Plan hatten, so irr und durchgeknallt, wie ihn nur Psychos zusammenbringen, und mit einer Prise Pulver konstruierten sich die Freak dann eine innere, schlüssige Logik zusammen. Wenn wir 10 Millionen haben und nur 10% der halben Milliarde Fussballverrückten dieser Welt erreichen und ihnen Bälle verkaufen, können wir in 6 Monaten profitabel an die Börse und kaufen Adidas und Nike und dann übernehmen wir auch Amazon als Verkaufsplattform. Die Sorte Sicko. Die Best Case Deppen. Die Arschlöcher, die immer einen Schuldigen fanden, wenn es dann nicht so perfekt gelaufen ist. Die versucht haben, Investoren gegeneinander auszuspielen, und sich dabei sauklug vorkamen. Die Naturprallen, die auf Rollerblades zur Präsi kamen und die Frettchen, die 2002 noch ernsthaft mit Chat Kunden binden wollten. Kokain war immer eine gute Erklärung für solche Leute, und es hat damals Jahre gedauert, bis den letzten Irren klar wurde, dass das System nicht zu retten ist. Dass der Markt nicht dem entspricht, was sie glaubten, und dass der Markt nichts ist, gegen das man rebellieren kann. Wer auf dem Markt überleben will, muss sich an ihm orientieren. Man kann sich nicht vom Markt loskoksen.
Und auch diesmal wird es lange dauern, bis sie es begreifen. Es wird genauso lang dauern, bis die Medien endlich mal sagen, wie schlimm es wirklich ist. Als die New Economy crashte, konnte man die Verluste abschreiben und in der Realwirtschaft weitermachen. Aber diesmal gibt es kein Ausweichen mehr. Ich denke, der erste Schritt zur Lösung der Kreditkrise müsste sein: Ein brutaler Kassensturz, endlich die Wahrheit über die Situation, keine Beschönigungen mehr, und die Beseitigung derer, die es seit einem Jahr nicht in den Griff bekommen.
[Edit: Egghat nochmal zu den realen Problemen der Umsetzung]
Auf dieses simplen Nenner kann man das Konzept bringen, und zusammen mit 25 Milliarden Krediten für die Autofirmen, die angeblich damit schon 2010 zukunftsfähige Elektrofahrzeuge bauen wollen, und einer Absicherung gegen Shortverkäufe für jede Firma, die das will, rettet man nebenbei auch den Binnenmarkt, und mit 50 weiteren Milliarden auch die Geldmarktzertifikate. Was an Banken nicht rettbar ist, wird an andere Banken verkauft, um es zu bewahren. Und weil das alles so toll läuft, werden mittelfristig auch die Schrottpapiere des Staates wieder einen Wert bekommen, und dann ist es gar nicht so arg schlimm. Eigentlich alles in Ordnung, oder?
In der New Econnomy konnte man nicht umhin, Kokser kennenzulernen. Leute, die einen Plan hatten, so irr und durchgeknallt, wie ihn nur Psychos zusammenbringen, und mit einer Prise Pulver konstruierten sich die Freak dann eine innere, schlüssige Logik zusammen. Wenn wir 10 Millionen haben und nur 10% der halben Milliarde Fussballverrückten dieser Welt erreichen und ihnen Bälle verkaufen, können wir in 6 Monaten profitabel an die Börse und kaufen Adidas und Nike und dann übernehmen wir auch Amazon als Verkaufsplattform. Die Sorte Sicko. Die Best Case Deppen. Die Arschlöcher, die immer einen Schuldigen fanden, wenn es dann nicht so perfekt gelaufen ist. Die versucht haben, Investoren gegeneinander auszuspielen, und sich dabei sauklug vorkamen. Die Naturprallen, die auf Rollerblades zur Präsi kamen und die Frettchen, die 2002 noch ernsthaft mit Chat Kunden binden wollten. Kokain war immer eine gute Erklärung für solche Leute, und es hat damals Jahre gedauert, bis den letzten Irren klar wurde, dass das System nicht zu retten ist. Dass der Markt nicht dem entspricht, was sie glaubten, und dass der Markt nichts ist, gegen das man rebellieren kann. Wer auf dem Markt überleben will, muss sich an ihm orientieren. Man kann sich nicht vom Markt loskoksen.
Und auch diesmal wird es lange dauern, bis sie es begreifen. Es wird genauso lang dauern, bis die Medien endlich mal sagen, wie schlimm es wirklich ist. Als die New Economy crashte, konnte man die Verluste abschreiben und in der Realwirtschaft weitermachen. Aber diesmal gibt es kein Ausweichen mehr. Ich denke, der erste Schritt zur Lösung der Kreditkrise müsste sein: Ein brutaler Kassensturz, endlich die Wahrheit über die Situation, keine Beschönigungen mehr, und die Beseitigung derer, die es seit einem Jahr nicht in den Griff bekommen.
[Edit: Egghat nochmal zu den realen Problemen der Umsetzung]
donalphons, 01:47h
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