Samstag, 29. Januar 2005
Real Life 29.01.05 - Steuergerechtigkeit
Sie könnte auch bei mir übernachten, wenn sie beruflich zu dem irrwitzig hoch vergüteten Prozess nach Berlin kommt und noch zwei Tage dran hängt; ich würde dann das Frühstück bei der Conditorei Stern holen und frischen Tee machen; und am Abend kochen. Aber dann würde das Finanzamt nörgeln, denn wer privat schläft, macht den Trip wohl auch halbwegs privat, und deshalb ist es steuerlich nicht absetzbar. Deshalb geht sie in ein Hotel und macht während der nächsten Tage noch ein paar Arbeitsessen, bei dem ich dann als Geschäftspartner fungiere. Dann gern auch etwas teurer, weil dadurch mehr abzusetzen ist, wegen Spitzensteuersatz und so. Das Ganze kostet den Staat, grob gerechnet, anderthalb Semesterstudiengebühren a 500 Euro. Aber es sicher ganz schön, im Hotel, und der Tee ist auch nicht schlechter als bei mir.
donalphons, 17:20h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Samstag, 22. Januar 2005
Real Life 22.01.05 -Es ist warm im Auto
Ich fahre in Richtung Pallasstrasse durch den unschöneren Teil des ohnehin nicht besonders schönen Slumteils Schöneberg. Neben mir, in einer orangen Plastiktüte, schlummert ein halbes Pfund Silber, das bald nach München umziehen wird. Diese Stadt blutet langsam aus; mein Leben ist angenehm, mit ein paar Millimeter Blech und Glas um mich herum. Ich halte an der Ampel vor dem Pallasgebäude mit seinem obszönen, integrierten Hochbunker. Der Wind zerrt an meinem Auto, aber es stört mich nicht.

Der Wind zerrt auch an dem rotweissen Schirm, der sich vergeblich an den Verteilerkasten drängelt. Der Wind kommt direkt von Westen, 4 Beaufort bei 2 Grad Aussentemperatur. Unter dem Schirm steht ein einsamer Parteienvertreter, dem man die politische Einstelling in jeder Pore seiner Nase, in jeder Falte seiner Kleidung, in seinem verkniffenen Gesicht ansieht. Er ist allein mit seinen Broschüren, mit dem pseudoneoliberalen Dreck seiner Vordenker, den er noch nicht mal nachkauen könnte, wenn denn jemand stehen bliebe. Tut niemand. Keiner wird erfahren, wie toll doch die CDU in ihren Broschüren ist. Eine Partei mit Machtanspruch und einer Führungsriege, bei der alles Photoshop der Welt nichts mehr hilft. Ich gebe Gas.
Ein paar hundert Meter dann, weiter im Westen klatscht ein Regenschauer runter und wandert Richtung Osten, in Richtung des rotweissen Schirms. Mein Leben ist schön.

Der Wind zerrt auch an dem rotweissen Schirm, der sich vergeblich an den Verteilerkasten drängelt. Der Wind kommt direkt von Westen, 4 Beaufort bei 2 Grad Aussentemperatur. Unter dem Schirm steht ein einsamer Parteienvertreter, dem man die politische Einstelling in jeder Pore seiner Nase, in jeder Falte seiner Kleidung, in seinem verkniffenen Gesicht ansieht. Er ist allein mit seinen Broschüren, mit dem pseudoneoliberalen Dreck seiner Vordenker, den er noch nicht mal nachkauen könnte, wenn denn jemand stehen bliebe. Tut niemand. Keiner wird erfahren, wie toll doch die CDU in ihren Broschüren ist. Eine Partei mit Machtanspruch und einer Führungsriege, bei der alles Photoshop der Welt nichts mehr hilft. Ich gebe Gas.
Ein paar hundert Meter dann, weiter im Westen klatscht ein Regenschauer runter und wandert Richtung Osten, in Richtung des rotweissen Schirms. Mein Leben ist schön.
donalphons, 18:57h
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Dienstag, 18. Januar 2005
Real Life 16.1.05 - Jungfernstieg
Entschuldigung?
Es ist dunkel, es regnet, ein paar Meter schwappt eine ölige Brühe in der Innenalster. Meine in Erwartung nordestdeutscher Verhältnisse gewählte Jacke ist, seitdem ich aus den Hyatt gekommen bin, wahrscheinlich genauso nass wie das weisse Mäntelchen, in dem die junge, schlanke blonde Frau friert.
Ja bitte?
Kennen Sie sich hier aus?
Ich bin seit 7 Stunden in Hamburg. Ich bin 1,80 Meter gross und nicht gerade verhuzelt, wie man in Bayern sagt, aber ich bin auch erkennbar südlicher Abstammung, zumindest, wenn ich mir die hier in rauen Mengen auftretenden grossen, blonden, nordischen Menschen anschaue. Und dann fühle ich mich instinktiv, nun, sagen wir mal andersrassig, was ich ja eigentlich auch bin. In Bayern gehe ich als Bayer durch, aber hier beschleicht mich seit 7 Stunden das Gefühl, in einem Lusttraum von Lebensborn-Fanatikern gelandet zu sein. Die Frau im weissen Mäntelchen müsste eigentlich erkennen, dass ich nicht von hier bin.
Nein, bedaure, ich komme aus München.
Es ist wirklich kalt, eine steife Brise kommt aus dem Norden und weht ihr die Haare aus dem Gesicht, und sie lächekt.
A so, jo, I a. Oba wissns velleicht, wo des via Johreszeitn is, is des des linke oda des rechte von dene erleichtetn Heisan?
Oisa, vom rechtn kumm I grod hear, des woas ned, oiso muass es as linke sei.
Danksche, sagt sie, so breit, dass es irgendwo aus der gegend um Mühldorf kommen muss. Mühldorf am Inn. Die reden so breit. Und haben oft noch Brauereien.
Bittsche, sage ich im gewöhnlichen Mittelbayerisch, von dort, wo die Bäcker um 2 Uhr nachts an die Öfen gehen. An schena Obnd.
Eine hochgeschossene, blonde Frau mit gentomatenroter Haut kommt während des bayerischen Abschiedszeremoniells vorbei, und weil wir in dieser vulgär klungenden Fremdsprache reden, schickt sie uns den Blick eines Schillparteianhängers, der zwei bongospielende Afrikaner sieht.
Ich bin ganz im Norden, ganz oben, und bei der Fahrt zum nächsten Ziel läuft inm Radio ein Lied mit dem Tiel "Nordisch by nature".
Es ist dunkel, es regnet, ein paar Meter schwappt eine ölige Brühe in der Innenalster. Meine in Erwartung nordestdeutscher Verhältnisse gewählte Jacke ist, seitdem ich aus den Hyatt gekommen bin, wahrscheinlich genauso nass wie das weisse Mäntelchen, in dem die junge, schlanke blonde Frau friert.
Ja bitte?
Kennen Sie sich hier aus?
Ich bin seit 7 Stunden in Hamburg. Ich bin 1,80 Meter gross und nicht gerade verhuzelt, wie man in Bayern sagt, aber ich bin auch erkennbar südlicher Abstammung, zumindest, wenn ich mir die hier in rauen Mengen auftretenden grossen, blonden, nordischen Menschen anschaue. Und dann fühle ich mich instinktiv, nun, sagen wir mal andersrassig, was ich ja eigentlich auch bin. In Bayern gehe ich als Bayer durch, aber hier beschleicht mich seit 7 Stunden das Gefühl, in einem Lusttraum von Lebensborn-Fanatikern gelandet zu sein. Die Frau im weissen Mäntelchen müsste eigentlich erkennen, dass ich nicht von hier bin.
Nein, bedaure, ich komme aus München.
Es ist wirklich kalt, eine steife Brise kommt aus dem Norden und weht ihr die Haare aus dem Gesicht, und sie lächekt.
A so, jo, I a. Oba wissns velleicht, wo des via Johreszeitn is, is des des linke oda des rechte von dene erleichtetn Heisan?
Oisa, vom rechtn kumm I grod hear, des woas ned, oiso muass es as linke sei.
Danksche, sagt sie, so breit, dass es irgendwo aus der gegend um Mühldorf kommen muss. Mühldorf am Inn. Die reden so breit. Und haben oft noch Brauereien.
Bittsche, sage ich im gewöhnlichen Mittelbayerisch, von dort, wo die Bäcker um 2 Uhr nachts an die Öfen gehen. An schena Obnd.
Eine hochgeschossene, blonde Frau mit gentomatenroter Haut kommt während des bayerischen Abschiedszeremoniells vorbei, und weil wir in dieser vulgär klungenden Fremdsprache reden, schickt sie uns den Blick eines Schillparteianhängers, der zwei bongospielende Afrikaner sieht.
Ich bin ganz im Norden, ganz oben, und bei der Fahrt zum nächsten Ziel läuft inm Radio ein Lied mit dem Tiel "Nordisch by nature".
donalphons, 17:47h
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Donnerstag, 13. Januar 2005
Real Life November 2001 - Business English
Als die Flugzeuge in die Hochhäuser rasten, war alles vorbei. Der September 2001 sagte Schluss mit Lustig, und all die spassigen Ideen der Startups und ihr immerwährender ideologischer Frühling wirkte plötzlich auch den überzeugtesten Propheten schal und unpassend. Aber wie das Schicksal so spielt: Aufgrund des Flubverbots musste ein Münchner Netzwerk ihren internationalen Summit absagen. Die freiwerdenden Fördergelder wurden statt dessen in Ermangelung von Alternativen in ein jährliches Startup-Treffen in den Bergen gesteckt. Das hatte eigentlich wenige Tage zuvor kurz vor dem Ende gestanden, und wurde jetzt wieder zum Top Event promotet.
Man darf nicht undankbar sein: Diese Tage in den Bergen gehörten immer zum Intensivsten, was ich in diesen Jahren erlebt habe. Die Jahre davor war es voller grenzenloser Zuversicht - 2001 war alles vorbei, und jeder wusste es. Nur der Typ, der als Success Story eingeladen war und mir beim Abendessen gegenüber sass, meinte noch Grund zum Lächeln zu haben. Ja, Software, nein, kein E-Commerce, sondern Dienstleistung für einen immer noch boomenden Markt. Am nächsten Morgen sollte er was über den internetionalen Markt erzählen, den er bediente, und begleitet von seiner Pressesprecherin aka PR-Managerin, machte er an mir gewissermassen die Generalprobe. Er war sehr stolz, dass er gleich nach der ersten Finanzierungsrunde Englisch als Firmensprache eingeführt hatte; neben so tollen Geschichten wie Aktienoptionen und amerikanischer Vergütung für das Management. Die Anlaufverluste bei der Durchsetzung der neuen Firmensprache bestritt er nicht, aber sein US-Office sprach sowieso Englisch, und seine Coder beschaffte er sich vom internationalen Markt. Englisch war Pflicht, auch beim Mittagessen. Auf seiner Website war Deutsch nicht die Regel, sondern nur eine Option. Und weil zwei Tage zuvor so ein Gimpel seinen Pitch auf auswendig gelerntem Englisch runtergerattert hatte, überlegte er sich, ob er seine Key Note nicht ebenfalls in Englisch to the public adressen sollte - vor einem Publikum, das sich ausschliesslich aus Deutschen zusammensetzte.
Zweieinhalb Jahre später war alles vorbei. Der CEO hatte im Lauf der Jahre und der Finanzierungsrunden praktisch seine gesamten Anteile an die diversen VCs übergeben. Die PR-Managerin war schon längst in Richtung Home Office und Stundensatz outgesourced worden. Man sägte ihn nicht ab, weil sich das Einarbeiten eines Nachfolgers an Bord des unrentablen Wracks, das seine Firma geblieben war, nicht mehr lohnte. Man schoss den Laden nicht ab, weil man keine Ausfallbürgschaft vom Bund bekam, und weil es die Hoffnung gab, doch noch vielleicht einen Exit hinzubekommen. Es war die Zeit, als schon die kleinste gute Meldung eine Sensation während des Massensterbens in der Munich Area war. Letztlich kaufte dann ein US-Unternehmen, das bislang ein Hauptkunde gewesen war, die Firma, schloss die Münchner Operation und verleibte sich die US-Tochter mit zwei Tekkies ein, und die wenigen überlebenden Bizz-Websites feierten den Erfolg, und der CEO, sagte man, suchte jetzt einen Job bei einer Beratungsfirma oder Ähnliches.
Wenige Tage später war ich bei einem VC zu Gast, der ebenfalls Geld in der Firma gehabt hatte - und nur einen Teil wieder bekommen hatte. "Wissen Sie", sagte er, "wir können eigentlich alle froh sein, dass es vorbei ist. Besonders der CEO. Eigentlich ein netter junger Mann, er sass auch oft hier, auf dem Stuhl neben Ihnen. Aber ... irgendwie konnte man dem nichts sagen. Diese ganze Spinnerei mit dem internationalen Markt hätte man auch anders machen können. Das waren vielleicht Kosten. Aber er wollte unbedingt selbst und überall Weltmarktführer werden, und wenn er dafür seine Anteile verschleudert, gut, seine Sache." Draussen, im Himmel über der einzigartigen Munich Area, zeichneten Flugzeuge mit weissen Kondensstreifen abstrakte Gemälde in das unendlichen Blau. Und ich war froh, dass es vorbei war.
Man darf nicht undankbar sein: Diese Tage in den Bergen gehörten immer zum Intensivsten, was ich in diesen Jahren erlebt habe. Die Jahre davor war es voller grenzenloser Zuversicht - 2001 war alles vorbei, und jeder wusste es. Nur der Typ, der als Success Story eingeladen war und mir beim Abendessen gegenüber sass, meinte noch Grund zum Lächeln zu haben. Ja, Software, nein, kein E-Commerce, sondern Dienstleistung für einen immer noch boomenden Markt. Am nächsten Morgen sollte er was über den internetionalen Markt erzählen, den er bediente, und begleitet von seiner Pressesprecherin aka PR-Managerin, machte er an mir gewissermassen die Generalprobe. Er war sehr stolz, dass er gleich nach der ersten Finanzierungsrunde Englisch als Firmensprache eingeführt hatte; neben so tollen Geschichten wie Aktienoptionen und amerikanischer Vergütung für das Management. Die Anlaufverluste bei der Durchsetzung der neuen Firmensprache bestritt er nicht, aber sein US-Office sprach sowieso Englisch, und seine Coder beschaffte er sich vom internationalen Markt. Englisch war Pflicht, auch beim Mittagessen. Auf seiner Website war Deutsch nicht die Regel, sondern nur eine Option. Und weil zwei Tage zuvor so ein Gimpel seinen Pitch auf auswendig gelerntem Englisch runtergerattert hatte, überlegte er sich, ob er seine Key Note nicht ebenfalls in Englisch to the public adressen sollte - vor einem Publikum, das sich ausschliesslich aus Deutschen zusammensetzte.
Zweieinhalb Jahre später war alles vorbei. Der CEO hatte im Lauf der Jahre und der Finanzierungsrunden praktisch seine gesamten Anteile an die diversen VCs übergeben. Die PR-Managerin war schon längst in Richtung Home Office und Stundensatz outgesourced worden. Man sägte ihn nicht ab, weil sich das Einarbeiten eines Nachfolgers an Bord des unrentablen Wracks, das seine Firma geblieben war, nicht mehr lohnte. Man schoss den Laden nicht ab, weil man keine Ausfallbürgschaft vom Bund bekam, und weil es die Hoffnung gab, doch noch vielleicht einen Exit hinzubekommen. Es war die Zeit, als schon die kleinste gute Meldung eine Sensation während des Massensterbens in der Munich Area war. Letztlich kaufte dann ein US-Unternehmen, das bislang ein Hauptkunde gewesen war, die Firma, schloss die Münchner Operation und verleibte sich die US-Tochter mit zwei Tekkies ein, und die wenigen überlebenden Bizz-Websites feierten den Erfolg, und der CEO, sagte man, suchte jetzt einen Job bei einer Beratungsfirma oder Ähnliches.
Wenige Tage später war ich bei einem VC zu Gast, der ebenfalls Geld in der Firma gehabt hatte - und nur einen Teil wieder bekommen hatte. "Wissen Sie", sagte er, "wir können eigentlich alle froh sein, dass es vorbei ist. Besonders der CEO. Eigentlich ein netter junger Mann, er sass auch oft hier, auf dem Stuhl neben Ihnen. Aber ... irgendwie konnte man dem nichts sagen. Diese ganze Spinnerei mit dem internationalen Markt hätte man auch anders machen können. Das waren vielleicht Kosten. Aber er wollte unbedingt selbst und überall Weltmarktführer werden, und wenn er dafür seine Anteile verschleudert, gut, seine Sache." Draussen, im Himmel über der einzigartigen Munich Area, zeichneten Flugzeuge mit weissen Kondensstreifen abstrakte Gemälde in das unendlichen Blau. Und ich war froh, dass es vorbei war.
donalphons, 13:23h
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Montag, 10. Januar 2005
Real Life 09.01.04 - 1 kleine Anfrage
nach einer durchgearbeiteten Nacht im Dienste von Anlegerkapital und einem letzten Passus, in dem da steht "ist ein Gläubiger berechtigt, die Liquidation der Firma zu beantragen." 1 kleine Anfrage, bei der ein Verlag einfach nur die Telefonnummer einer Autorn ausspucken soll. Die ist jung und kann froh sein, dass sie ein Angebot bekommt, was zu schreiben, aber: Die Verlagsdame will mein Anliegen aus-for-mu-liert per FAX. Nein, auch nicht per Mail, ein Fax muss es sein. Antwort? Vielleicht irgendwann, dann auch nur als Fax, obwohl ich angegeben habe, dass mir a) Mail, b) cell lieber gewesen wäre.
So wird das nichts mit dem Bett, aber was weiss so eine 9-5-Verlagsfrau schon von den typischen Arbeitszeiten des typischen NE-Survivors. Und wenn die Dame bis Mittag trödelt, wird das auch nichts mit dem Artikel - Pech gehabt.
So wird das nichts mit dem Bett, aber was weiss so eine 9-5-Verlagsfrau schon von den typischen Arbeitszeiten des typischen NE-Survivors. Und wenn die Dame bis Mittag trödelt, wird das auch nichts mit dem Artikel - Pech gehabt.
donalphons, 11:21h
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Freitag, 7. Januar 2005
Real Life 07.01.05 - Prada auf dem Weg alles Irdischen
Eine Papiertüte, wie noch zwei weitere. Da sind so ziemlich alle guten Namen drin; Prada gleich mehrfach. Die meisten schon mehr als zehn mal getragen, nur wenige fast neu, weil sie doch nicht zu den Kleidern gepasst haben. Unten irgendwo noch die Echtheitszertifikate; Büttenumschläge in taubenblau mit Magnetkarten innen drin.

Aber es entspricht nicht mehr dem, was die amerikanische Vouge abbildet. Und so geht auch Prada den Weg alles Irdischen - zum Glück konnte die Besitzerin einiges als Berufskleidung steuerlich geltend machen.
Es gibt so Tage, da frage ich mich schon, in was für einer Welt ich eigentlich lebe, und ob diese Welt nicht abgeschafft werden sollte.

Aber es entspricht nicht mehr dem, was die amerikanische Vouge abbildet. Und so geht auch Prada den Weg alles Irdischen - zum Glück konnte die Besitzerin einiges als Berufskleidung steuerlich geltend machen.
Es gibt so Tage, da frage ich mich schon, in was für einer Welt ich eigentlich lebe, und ob diese Welt nicht abgeschafft werden sollte.
donalphons, 15:11h
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Mittwoch, 5. Januar 2005
Real Life 05.01.05 - 200 Meter Richtung Hölle
Davonlaufen macht keinen Sinn. Von hinten, aus dem Wohnheim, kommt eine Elitesse, hoch aufgerichtet, und ihr Stechschritt hallt ihr vorraus. Zackzackzack knallen die Absätze auf das Pflaster in der engen Gasse, schnell, monoton, zielstrebig. Es dauert nur nicht lang, bis zur Ecke, da hat sie mich, der ich im Trott des Müssiggangs und der Provinz schlendere, überholt.
Wenn man aus der Provinz kommt, erkennt man die Elitessen an ihrer Andersartigkeit. Sie san einfach a andere Rass, wie man hier sagt. Die hier trägt einen schlanken Ordner, in dem die Blätter penibel ausgerichtet sind, und eine praktische kleine Thermoskanne. Im Rucksack zeichnet sich das Notebook durch ein tiefhängendes Rechteck ab. Sie schaut nicht nach links oder rechts, die mausbraunen oder rehbraunen Haare, je nach sexueller Bedürftigkeit des Betrachters, sind entgegen der leichten Wellen zu einem Knödel am Hinterkopf festgezurrt. Sie ist lang und dünn, sehr dünn, selbst unter der dicken, gesteppten weissen Jacke erscheinen ihre Bewegungen hart, ruckartig und rabiat. Sie ist vielleicht 23, aber der strenge Zug um ihre Lippen, und die wie Pergament über hohe Wangenknochen gespannte Haut zeigen schon erste Spuren des durch Sekundärtugenden bedingten Niedergangs. Sie riecht nicht unschön nach Sandelholz, aber es ist zu trocken, zu abweisend, es macht sie in den Begriffen ihrer erfolgsorientierten Peergroup sicher begehrenswert, perfekt geeignet für das kleinste, effektivste Netzwerk, die Double Income Family, vorzeigbar, und mit dem gleichen Willen ausgestattet, der es ihnen zusammen erlauben wird, den ganzen Weg nach oben zu gehen.
Und als ich sie rieche, muss ich an meine ruhende Teilzeitgeliebte in Berlin denken; sie ist klein, dunkel, drall und dabei sehr wohlproportioniert, sie riecht warm und laut, und sie hat beruflich oft mit solchen Produkten der Leistungsgesellschaft zu tun, die aus ihren geraden Lebenswegen eine Tugend machen und dafür Unterwerfung einfordern. Meine Teilzeitliebste, die mich gerade beurlaubt hat, ist eine Hermia, um es in den Dramatis Personae von Shakespeares Sommernachtstraum zu sagen, und ich weiss, dass sie diese hochgeschossenen, kargen Helenas hasst; ich stelle mir vor, und wie sie, klein, wütend und innerlich bebend, ihrem Hass Ausdruck verleihen würde:
How low am I, thou painted maypole? speak;
How low am I? I am not yet so low,
but that my nails can reach unto thine eyes. (Act III Scene II)

Die Elitessen-Helena schreitet unaufhaltsam voran, zwängt sich an zwei dicken Biermännern vorbei, die ihren Laster mit leeren Fässern der heimischen Brauerei beladen, und nur einer dreht sich kurz nach ihr um, als sie ihn beinahe anrempelt, ohne auch nur einen Moment an Geschwindigkeit zu verlieren - und dann verschwindet sie um die Ecke, und ihre knallenden Schritte verstummen.
Es dauert, bis ich dann auch um die Ecke komme; ich mache den Biermännern Platz, ich habe Zeit. Gleich hinter der Ecke liegt schon das Ziel meines Wegs; die alte Bäckerei, die hier seit Jahrhunderten ist und in der sich die Menschen der Provinz stur und unbeugsam das immer gleiche Brot holen. Ciabatta kennt hier keiner, und trotzdem ist es hier immer voll. Hinten in der Schlange ist sie wieder, die Elitesse.
Die Bäckermeisterin grüsst mich, ich grüsse sie, die alte Frau Fürnrieder ist auch da, und die Elitesse dreht sich zu mir um. Vielleicht ist sie doch nicht so, vielleicht täuscht der äussere Eindruck, und sie kennt den Müssiggang und schätzt Essen - aber dann quetscht sie sich schnell zwischen den zwei alten Damen vor ihr durch, reicht einen 20-Euro-Schein über die Theke und fragt, ob man ihr das schnell wechseln kann, sie braucht Münzen für den Zigarettenautomaten, die sie auch schnell bekommt. Man ist ja nicht so, hier in der Provinz, auch wenn die Elitesse nicht mal gefragt hat, ob das in Ordnung geht, wenn sie sich vordrängelt. Dann ist sie schon wieder draussen und knallt in Richtung Uni, und die alte Frau Fürnrieder, der man ihre 78 Jahre nicht ansieht, schaut ihr fassungslos hinterher.
Nach den Begriffen der verlogenen Wirtschaftsmagazine, der an den Buffets der Grosskonzerne rundgefressennen JouHurnaille geht da draussen die Zukunft, unser aller Zukunft, die Leadership von Morgen, das Business für den globalisierten Markt, effektiv und vorzeigbar im Vergleich zu den alten Frauen und dem unrasierten, spazierenden Libertin. Aber wenn ich überlege, wie fertig die Elitesse in 20 Jahren sein wird, ausgebrannt, abgestresst, kettenrauchend und midlifekriselnd, und wenn ich überlege, dass der halbe Block hier der Bäckermeisterin gehört und dann noch ein Anwesen draussen und die Villen ihrer Kinder, wenn ich an das Fürnrieder-Imperium denke, das nach 200 Jahren immer noch wie ein Uhrwerk läuft und allein von den Patenten dieses unscheinbaren Weltmarktführers leben könnte, und wenn ich daran denke, dass ich nachher die Freiheit habe, Hermias wunderbare Zickigkeiten nachzulesen,
dann drängelt sich da draussen jemand hoch aufgerichtet, schnell und reinlich nicht in unser aller Zukunft, denn die gehört immer noch den Fürnrieders dieses Landes, sondern nur in ihre kleine, private Zukunftshölle mit steuerlich absetzbaren Möbeln und gelebtem Powerpoint.
Wenn man aus der Provinz kommt, erkennt man die Elitessen an ihrer Andersartigkeit. Sie san einfach a andere Rass, wie man hier sagt. Die hier trägt einen schlanken Ordner, in dem die Blätter penibel ausgerichtet sind, und eine praktische kleine Thermoskanne. Im Rucksack zeichnet sich das Notebook durch ein tiefhängendes Rechteck ab. Sie schaut nicht nach links oder rechts, die mausbraunen oder rehbraunen Haare, je nach sexueller Bedürftigkeit des Betrachters, sind entgegen der leichten Wellen zu einem Knödel am Hinterkopf festgezurrt. Sie ist lang und dünn, sehr dünn, selbst unter der dicken, gesteppten weissen Jacke erscheinen ihre Bewegungen hart, ruckartig und rabiat. Sie ist vielleicht 23, aber der strenge Zug um ihre Lippen, und die wie Pergament über hohe Wangenknochen gespannte Haut zeigen schon erste Spuren des durch Sekundärtugenden bedingten Niedergangs. Sie riecht nicht unschön nach Sandelholz, aber es ist zu trocken, zu abweisend, es macht sie in den Begriffen ihrer erfolgsorientierten Peergroup sicher begehrenswert, perfekt geeignet für das kleinste, effektivste Netzwerk, die Double Income Family, vorzeigbar, und mit dem gleichen Willen ausgestattet, der es ihnen zusammen erlauben wird, den ganzen Weg nach oben zu gehen.
Und als ich sie rieche, muss ich an meine ruhende Teilzeitgeliebte in Berlin denken; sie ist klein, dunkel, drall und dabei sehr wohlproportioniert, sie riecht warm und laut, und sie hat beruflich oft mit solchen Produkten der Leistungsgesellschaft zu tun, die aus ihren geraden Lebenswegen eine Tugend machen und dafür Unterwerfung einfordern. Meine Teilzeitliebste, die mich gerade beurlaubt hat, ist eine Hermia, um es in den Dramatis Personae von Shakespeares Sommernachtstraum zu sagen, und ich weiss, dass sie diese hochgeschossenen, kargen Helenas hasst; ich stelle mir vor, und wie sie, klein, wütend und innerlich bebend, ihrem Hass Ausdruck verleihen würde:
How low am I, thou painted maypole? speak;
How low am I? I am not yet so low,
but that my nails can reach unto thine eyes. (Act III Scene II)

Die Elitessen-Helena schreitet unaufhaltsam voran, zwängt sich an zwei dicken Biermännern vorbei, die ihren Laster mit leeren Fässern der heimischen Brauerei beladen, und nur einer dreht sich kurz nach ihr um, als sie ihn beinahe anrempelt, ohne auch nur einen Moment an Geschwindigkeit zu verlieren - und dann verschwindet sie um die Ecke, und ihre knallenden Schritte verstummen.
Es dauert, bis ich dann auch um die Ecke komme; ich mache den Biermännern Platz, ich habe Zeit. Gleich hinter der Ecke liegt schon das Ziel meines Wegs; die alte Bäckerei, die hier seit Jahrhunderten ist und in der sich die Menschen der Provinz stur und unbeugsam das immer gleiche Brot holen. Ciabatta kennt hier keiner, und trotzdem ist es hier immer voll. Hinten in der Schlange ist sie wieder, die Elitesse.
Die Bäckermeisterin grüsst mich, ich grüsse sie, die alte Frau Fürnrieder ist auch da, und die Elitesse dreht sich zu mir um. Vielleicht ist sie doch nicht so, vielleicht täuscht der äussere Eindruck, und sie kennt den Müssiggang und schätzt Essen - aber dann quetscht sie sich schnell zwischen den zwei alten Damen vor ihr durch, reicht einen 20-Euro-Schein über die Theke und fragt, ob man ihr das schnell wechseln kann, sie braucht Münzen für den Zigarettenautomaten, die sie auch schnell bekommt. Man ist ja nicht so, hier in der Provinz, auch wenn die Elitesse nicht mal gefragt hat, ob das in Ordnung geht, wenn sie sich vordrängelt. Dann ist sie schon wieder draussen und knallt in Richtung Uni, und die alte Frau Fürnrieder, der man ihre 78 Jahre nicht ansieht, schaut ihr fassungslos hinterher.
Nach den Begriffen der verlogenen Wirtschaftsmagazine, der an den Buffets der Grosskonzerne rundgefressennen JouHurnaille geht da draussen die Zukunft, unser aller Zukunft, die Leadership von Morgen, das Business für den globalisierten Markt, effektiv und vorzeigbar im Vergleich zu den alten Frauen und dem unrasierten, spazierenden Libertin. Aber wenn ich überlege, wie fertig die Elitesse in 20 Jahren sein wird, ausgebrannt, abgestresst, kettenrauchend und midlifekriselnd, und wenn ich überlege, dass der halbe Block hier der Bäckermeisterin gehört und dann noch ein Anwesen draussen und die Villen ihrer Kinder, wenn ich an das Fürnrieder-Imperium denke, das nach 200 Jahren immer noch wie ein Uhrwerk läuft und allein von den Patenten dieses unscheinbaren Weltmarktführers leben könnte, und wenn ich daran denke, dass ich nachher die Freiheit habe, Hermias wunderbare Zickigkeiten nachzulesen,
dann drängelt sich da draussen jemand hoch aufgerichtet, schnell und reinlich nicht in unser aller Zukunft, denn die gehört immer noch den Fürnrieders dieses Landes, sondern nur in ihre kleine, private Zukunftshölle mit steuerlich absetzbaren Möbeln und gelebtem Powerpoint.
donalphons, 17:50h
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Samstag, 1. Januar 2005
Real Life 31.12.04 - Zwischen Welten
Ich sage artig Guten Tag zu den Stützen der Gesellschaft, die sich bei meinem Clan versammelt haben, und erkläre, warum ich hier und heute leider nicht die Vorzüge ihrer Gesellschaft geniessen kann. Eine geschmacklose Laune des Architekten unseres Hauses erlaubt es, eine zehn Meter lange Tafel mit grandiosem Blick auf ähnliche Domizile aufzufahren, aber ich werde dieses Fest nicht mit meiner Anwesenheit belasten. Bei den eingeladenen Stützen gilt Anstand und Moral noch etwas; folglich haben sie ihre Kinder, soweit immer noch unverheiratet, mitgebracht. Mein Abschied wird nur oberflächlich bedauert. Seitdem ich Literat bin, wissen sie nicht, wie sie mich einordnen sollen; der Journalist galt ihnen nie viel, aber Bücher sind laut ihrer Ideologie eine Form Erfolgs, der man eine gewisse Achtung nicht verwehren kann, auch wenn man sie nicht gelesen hat. Sie wissen jedoch, jeder hat in diesem Viertel davon gehört, dass ich eine Beschreibungen ihrer Domizile in Liquide verwendet habe, und sie sind erleichtert, sich dergleichen Gehässigkeiten nicht auch noch zum Jahresende anhören zu müssen.
Später dann, als ich für Iris und den Anblick ihres dunkelroten Samtkleids koche, und sie mit der silbernen Vorlegegabel einzelne Blätter aus dem schon angemachten Feldsalat stiehlt, frage ich sie, wie sie eigentlich mit all dem Trara hier fertig wird, dem Repräsentieren, dem Was Sein, dem Was Gelten.
Tu ich ja nicht mehr, meint sie und ausserdem, dass sie gar nicht mal unglücklich ist, jetzt als verwöhntes Flittchen zu gelten, dem nichts gut genug ist. Sie ist eigentlich nicht mehr vorzeigbar, repräsentabel oder Teil der Gesellschaft, denn es muss in den Berichten der Stützen der Gesellschaft immer nach oben gehen, das Neue muss stets gut sein, und wenn so ein grosses Ding wie die Ehe scheitert, dann bekommt man zwar die Aufmerksamkeit, aber nicht den Ruf, den man hier braucht. Dass sie dem Pfarrer ihrer Gemeinde, der mit ihr über die Sache reden wollte, einen Korb gegeben hat, hat es für ihre Eltern auch nicht leichter gemacht. Die haben sich über Silvester aller gesellschaftlichen Verpflichtungen ihres Freundeskreises entzogen, indem sie für drei Wochen in Sachen Wellness an die Algarve gefahren sind.

Man entgeht diesen Mechanismen nie, sage ich und lege das Besteck aus. In der Welt, in der ich war, läuft es heute ähnlich. Wer die Anforderungen der Ideologie nicht erfüllen konnte, hat sich eben was zurechterfunden, oder verheimlicht die frühere Pleitenfirma. Am Ende, heute und noch sicher 2005, werden sie sich alle gegenseitig erzählen, dass sie Erfolg haben, dass ihre neue, verhungerte 1-Personen-Firma das einhält, was sie im auf 100 Mitarbeiter aufgeblasenen Startup nicht geschafft haben. Frauen, die aus dem System rausfliegen, landen plötzlich auf dem Hochzeitsstrich. Und die paar Vorreiter, die das Ganze halbwegs überstanden haben, weil sie brutal genug waren, weil sie die besten Ausbeuter sind, geben immer noch den Takt vor. Und für die, die drin sind, gibt es auch kein Entkommen - wo sollen sie mit ihren Erfahrungen auch hin. Das Establishment gibt weiterhin die Durchhalteparolen aus, dass die New Economy jetzt erwachsen ist, und für den Urlaub hat ohnehin keiner mehr Geld, und die Wochen zwischen den Projekten kann man nicht weg, weil ja ein neuer Auftrag kommen könnte. Solang wird weiter an der Legende des Goldenen Zeitalters gestrickt. Die Mechanismen wurden nicht ausser Kraft gesetzt, sondern den neuen Gegebenheiten der neuen Wirtschaft angepasst. Die Flucht vor den alten Spiessern endet bei den neuen, spiessigen Versagern.
Hmja, sagt sie, beugt sich vor, die nackte Schulter und den Arm lang über den Tisch gestreckt, wo der Kerzenschein ein weiches Licht auf ihre Haut wirft, und piekst ein Stück des Scamorza auf, der die Speisenfolge eigentlich beenden sollte. Auch eine Art der Rebellion.
Später dann, als ich für Iris und den Anblick ihres dunkelroten Samtkleids koche, und sie mit der silbernen Vorlegegabel einzelne Blätter aus dem schon angemachten Feldsalat stiehlt, frage ich sie, wie sie eigentlich mit all dem Trara hier fertig wird, dem Repräsentieren, dem Was Sein, dem Was Gelten.
Tu ich ja nicht mehr, meint sie und ausserdem, dass sie gar nicht mal unglücklich ist, jetzt als verwöhntes Flittchen zu gelten, dem nichts gut genug ist. Sie ist eigentlich nicht mehr vorzeigbar, repräsentabel oder Teil der Gesellschaft, denn es muss in den Berichten der Stützen der Gesellschaft immer nach oben gehen, das Neue muss stets gut sein, und wenn so ein grosses Ding wie die Ehe scheitert, dann bekommt man zwar die Aufmerksamkeit, aber nicht den Ruf, den man hier braucht. Dass sie dem Pfarrer ihrer Gemeinde, der mit ihr über die Sache reden wollte, einen Korb gegeben hat, hat es für ihre Eltern auch nicht leichter gemacht. Die haben sich über Silvester aller gesellschaftlichen Verpflichtungen ihres Freundeskreises entzogen, indem sie für drei Wochen in Sachen Wellness an die Algarve gefahren sind.

Man entgeht diesen Mechanismen nie, sage ich und lege das Besteck aus. In der Welt, in der ich war, läuft es heute ähnlich. Wer die Anforderungen der Ideologie nicht erfüllen konnte, hat sich eben was zurechterfunden, oder verheimlicht die frühere Pleitenfirma. Am Ende, heute und noch sicher 2005, werden sie sich alle gegenseitig erzählen, dass sie Erfolg haben, dass ihre neue, verhungerte 1-Personen-Firma das einhält, was sie im auf 100 Mitarbeiter aufgeblasenen Startup nicht geschafft haben. Frauen, die aus dem System rausfliegen, landen plötzlich auf dem Hochzeitsstrich. Und die paar Vorreiter, die das Ganze halbwegs überstanden haben, weil sie brutal genug waren, weil sie die besten Ausbeuter sind, geben immer noch den Takt vor. Und für die, die drin sind, gibt es auch kein Entkommen - wo sollen sie mit ihren Erfahrungen auch hin. Das Establishment gibt weiterhin die Durchhalteparolen aus, dass die New Economy jetzt erwachsen ist, und für den Urlaub hat ohnehin keiner mehr Geld, und die Wochen zwischen den Projekten kann man nicht weg, weil ja ein neuer Auftrag kommen könnte. Solang wird weiter an der Legende des Goldenen Zeitalters gestrickt. Die Mechanismen wurden nicht ausser Kraft gesetzt, sondern den neuen Gegebenheiten der neuen Wirtschaft angepasst. Die Flucht vor den alten Spiessern endet bei den neuen, spiessigen Versagern.
Hmja, sagt sie, beugt sich vor, die nackte Schulter und den Arm lang über den Tisch gestreckt, wo der Kerzenschein ein weiches Licht auf ihre Haut wirft, und piekst ein Stück des Scamorza auf, der die Speisenfolge eigentlich beenden sollte. Auch eine Art der Rebellion.
donalphons, 23:38h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 29. Dezember 2004
Real Life 29.12.04 - Stützen der Gesellschaft
Es könnte Yvonne sein. Und obwohl alles in mir hofft, dass sie nicht Teil dieses Worst Case Szenarios ist, das da durch die schmale Gasse meiner Heimatstadt auf mich zukommt, weiss ich innerlich längst, dass sie es ist. Es sind ihre Augen.
Yvonne war Teil eines Kreises von Schülern, die sich jeden zweiten Freitag bei einem Deutschlehrer meines Gymnasiums trafen, um über Literatur zu sprechen. Der Kreis stand allen offen, aber wie es nun mal in der Provinz ist, fanden sich dort viele Sprösslinge dessen ein, was man allgemein als die besseren Kreise bezeichnet. Also der Leute, die froh waren, wenn sich ihre Kinder im zarten Alter von 15 Jahren nicht auf 70PS-Enduros Verfolgungsjagden mit der Polizei in der Altstadt lieferten - was Yvonnes Bruder tatsächlich gemacht hat, und damit eher unfreiwillig dafür sorgte, dass sein Clan auch bei den niedrigeren Schichten der Stadt plötzlich ein gewisses Renommee erhielt.
Yvonne war das Gegenteil ihres kleinen Bruders, und sehr den Büchern zugetan. Ihre Leidenschaft ging leider eher in Richtung Goethe denn zu Heine, Gide und Stendhal, die zu dieser Zeit wegen ihrer libertinären Einstellungen bei den jungen Herren sehr beliebt waren. Yvonne überstand diese Wellen der Aufklärung, indem sie diese Bücher immer nur anlas, ein paar Worte darüber verlor, dass sie leider so viel lernen musste, und den Rest der Nachmittage damit zubrachte, die Reinkarnation der perfekten, klassizistischen Upper-Class-Prinzessinnen darzustellen, von denen unsere Literaturheroen der vergangenen Jahrhunderte so schwärmten. Allerdings liess Yvonne nie einen Zweifel daran, dass sie die lockeren Sitten der Literaten so ablehnte, wie es ihrer Herkunft aus einem Geschlecht angesehener Apotheker entsprach.
Da sass sie also, immer hoch aufgerichtet mit ihren strahlend blauen Augen auf dem Sofa, hatte inhaltlich nicht viel beizutragen, schaffte es aber, sich wegen ihres Rattenschwanzes an Verehrern in den Mittelpunkt zu stellen. Schliesslich gab es auch andere junge Männer, die ihre Ansichten zu Anstand, Moral und Fortbestand des goldenen Zeitalters der Bürgerlichkeit teilten. Wir, die wir bald Tempo lesen sollten und schon damals den Drang verspürten, dem geistigen Morast unserer Heimat zu entkommen, sahen in Yvonne nie mehr als ein geeignetes Objekt, um zu testen, wie man Frauen zum Erröten bringt; andere hingegen applaudierten ihrem Lebensziel, später mal die Apotheke ihrer Eltern zu übernehmen und somit ebenfalls in den gesellschaftlichen Olymp der Provinz vorzustossen, und wähnten sich dabei an ihrer Seite.
Pech für sie, dass ich der Einzige war, der fast den gleichen Heimweg wie Yvonne hatte. Nachdem sich unsere Eltern die notwendigen Besuche abgestattet und sich gegenseitig ihrer alten provinziellen Abstammung sowie des umfangreichen Besitzes an Immobilien, Gärten, Bäumen, Kachelöfen und Rosenthalgeschirrs versichert hatten, wurde ich gebeten, jedesmal die Tochter abzuholen und auch wohlbehalten wiederzubringen. Ihren endurogeschädigten Eltern erschien ich als passionierter Radfahrer die ideale Begleitung, und der Ruf meiner Familie versprach dümmliche Vernunft in Kant´schem Sinne; vieles, was später kommen sollte und schon angelegt war, war schlichtweg jenseits ihrer provinziellen Vorstellungswelt. Yvonne war ein Fräulein und wirklich schön, und konnte nun mal nicht ungeleit nach Hause gehn.
Manchmal, im Sommer, lieferte ich sie zeitig ab, aber an der Ecke vor ihrem Haus verweilten wir noch und spachen mal über unsere Katzen, und manchmal über die Zukunft, ihre Verehrer und das, was aus ihr mal werden würde. Da war etwas in ihr, das das andere Leben jenseits der Provinz kennen lernen wollte. Vielleicht war es auch nur der romantische Wunsch, vom weissen Ritter entführt zu werden, aber sie hörte zu, gab ein paar schüchterne Antworten, blieb, verweilte und ging nicht, was mir zeigte, dass die Saat meines Bemühens auch auf dem kargen Boden des besseren Viertels nicht ohne Früchte blieb. Die Apotheke, das Kind, den einen Mann für immer, die einzige grosse Liebe, das wollte sie eigentlich schon, aber manchmal eben nur eigentlich... sie wusste, dass es nicht nur eine, sondern unendlich viele Alternativen gab.
Später dann, in München zu den grossen Zeiten des Parkcafes, als ich selten vor 12 Uhr auf der Strasse anzutreffen war, sorgten ihre Eltern dafür, dass sie während des Pharmazie-Studiums in einem katholischen Wohnheim landete - dem Strengsten aller Wohnheime. Ich schaffte es unter Umgehung aller dort genau geprüften Regelungen zwei Mal, sie durch die Münchner Nacht bis zum Licht des nächsten Tages zu schleifen - Parkcafe, BaBaLu, Wunderbar, Nachtcafe. Sie sah, sie erlebte die Optionen, und diese beiden Nächte gab sie sich alle Mühe, als lebenshungrige Tochter aus besserem Haus zu erscheinen. Sie kann es, sie weiss, dass es da draussen weiter geht. Beim zweiten Mal wäre es wegen der Wohnheims-Gestapo beinahe in einer Katastrophe geendet, aber als die schwarzen Krähen bei ihren Eltern Alarm schlugen, waren die eher beruhigt. Selbst im Worst Case wäre es eben der junge Alphonso Porcamadonna gewesen, von dem man damals noch erwartete, dass er dem angesehenen Porcamadonna-Clan nachgeraten würde. Yvonne absolvierte das Studium zielstrebig, ging dann zurück in die Provinz, und mich verschlug es in ein ganz anderes Leben, das nur selten von sporadischen Besuchen in der Provinz unterbrochen ist, so wie heute.
Es ist Yvonne, vor ihr ein dreirädriger, sportlicher Kinderwagen mit Inhalt, neben ihr ein Mann mit den typischen kurzen Beinen und breiten Hals der Provinz. Ihre Augen leuchten noch immer, aber ansonsten - früher fand ich ihre langen Haare langweilig und spiessig, jetzt, so aufgewuscht und kurz, wünsche ich sie mir zurück. Wir tauschen die letzte Dekade über das quengelnde Balg und den frierenden, sich erkennbar blöd und überflüssig fühlenden Typen an ihrer Seite hinweg aus. Das heisst, ich erzähle von meinem Leben, den Städten, der Freiheit, zu entscheiden und sich jeden Tag neu zu definieren; sie spricht von Apotheke, die sie übernimmt, dem anstrengenden Haushalt und dem wahrscheinlich auch nicht gerade einfachem Kind. Der Typ, der mehr einem Bauern denn einem Hidalgo gleicht, wird mir noch nicht mal vorgestellt, was nach den Regeln der besseren Gesellschaft ein deutliches Zeichen für Risse in ihrer Beziehung ist. Vielleicht hat er auch nur heute nicht abgetrocknet, wer weiss. Ich verspreche, dass ich vorbei kommen werde, und ihr mein Buch bringe. Sie wird es vielleicht lesen und denken, dass wir da draussen, ausserhalb ihrer Welt der Stützen der Gesellschaft, auch nicht glücklich sind.
Womit sie nicht Unrecht hat, als ich durch die engen Gassen zu Stammhaus meines Clans gehe. Aber was soll´s, es ist doch immer die gleiche Geschichte. Vergiftet sind meine Lieder, wie könnt es anders sein? Da hast mir ja Gift gegossen ins blühende Leben hinein - sagt Heine.
Yvonne war Teil eines Kreises von Schülern, die sich jeden zweiten Freitag bei einem Deutschlehrer meines Gymnasiums trafen, um über Literatur zu sprechen. Der Kreis stand allen offen, aber wie es nun mal in der Provinz ist, fanden sich dort viele Sprösslinge dessen ein, was man allgemein als die besseren Kreise bezeichnet. Also der Leute, die froh waren, wenn sich ihre Kinder im zarten Alter von 15 Jahren nicht auf 70PS-Enduros Verfolgungsjagden mit der Polizei in der Altstadt lieferten - was Yvonnes Bruder tatsächlich gemacht hat, und damit eher unfreiwillig dafür sorgte, dass sein Clan auch bei den niedrigeren Schichten der Stadt plötzlich ein gewisses Renommee erhielt.
Yvonne war das Gegenteil ihres kleinen Bruders, und sehr den Büchern zugetan. Ihre Leidenschaft ging leider eher in Richtung Goethe denn zu Heine, Gide und Stendhal, die zu dieser Zeit wegen ihrer libertinären Einstellungen bei den jungen Herren sehr beliebt waren. Yvonne überstand diese Wellen der Aufklärung, indem sie diese Bücher immer nur anlas, ein paar Worte darüber verlor, dass sie leider so viel lernen musste, und den Rest der Nachmittage damit zubrachte, die Reinkarnation der perfekten, klassizistischen Upper-Class-Prinzessinnen darzustellen, von denen unsere Literaturheroen der vergangenen Jahrhunderte so schwärmten. Allerdings liess Yvonne nie einen Zweifel daran, dass sie die lockeren Sitten der Literaten so ablehnte, wie es ihrer Herkunft aus einem Geschlecht angesehener Apotheker entsprach.
Da sass sie also, immer hoch aufgerichtet mit ihren strahlend blauen Augen auf dem Sofa, hatte inhaltlich nicht viel beizutragen, schaffte es aber, sich wegen ihres Rattenschwanzes an Verehrern in den Mittelpunkt zu stellen. Schliesslich gab es auch andere junge Männer, die ihre Ansichten zu Anstand, Moral und Fortbestand des goldenen Zeitalters der Bürgerlichkeit teilten. Wir, die wir bald Tempo lesen sollten und schon damals den Drang verspürten, dem geistigen Morast unserer Heimat zu entkommen, sahen in Yvonne nie mehr als ein geeignetes Objekt, um zu testen, wie man Frauen zum Erröten bringt; andere hingegen applaudierten ihrem Lebensziel, später mal die Apotheke ihrer Eltern zu übernehmen und somit ebenfalls in den gesellschaftlichen Olymp der Provinz vorzustossen, und wähnten sich dabei an ihrer Seite.
Pech für sie, dass ich der Einzige war, der fast den gleichen Heimweg wie Yvonne hatte. Nachdem sich unsere Eltern die notwendigen Besuche abgestattet und sich gegenseitig ihrer alten provinziellen Abstammung sowie des umfangreichen Besitzes an Immobilien, Gärten, Bäumen, Kachelöfen und Rosenthalgeschirrs versichert hatten, wurde ich gebeten, jedesmal die Tochter abzuholen und auch wohlbehalten wiederzubringen. Ihren endurogeschädigten Eltern erschien ich als passionierter Radfahrer die ideale Begleitung, und der Ruf meiner Familie versprach dümmliche Vernunft in Kant´schem Sinne; vieles, was später kommen sollte und schon angelegt war, war schlichtweg jenseits ihrer provinziellen Vorstellungswelt. Yvonne war ein Fräulein und wirklich schön, und konnte nun mal nicht ungeleit nach Hause gehn.
Manchmal, im Sommer, lieferte ich sie zeitig ab, aber an der Ecke vor ihrem Haus verweilten wir noch und spachen mal über unsere Katzen, und manchmal über die Zukunft, ihre Verehrer und das, was aus ihr mal werden würde. Da war etwas in ihr, das das andere Leben jenseits der Provinz kennen lernen wollte. Vielleicht war es auch nur der romantische Wunsch, vom weissen Ritter entführt zu werden, aber sie hörte zu, gab ein paar schüchterne Antworten, blieb, verweilte und ging nicht, was mir zeigte, dass die Saat meines Bemühens auch auf dem kargen Boden des besseren Viertels nicht ohne Früchte blieb. Die Apotheke, das Kind, den einen Mann für immer, die einzige grosse Liebe, das wollte sie eigentlich schon, aber manchmal eben nur eigentlich... sie wusste, dass es nicht nur eine, sondern unendlich viele Alternativen gab.
Später dann, in München zu den grossen Zeiten des Parkcafes, als ich selten vor 12 Uhr auf der Strasse anzutreffen war, sorgten ihre Eltern dafür, dass sie während des Pharmazie-Studiums in einem katholischen Wohnheim landete - dem Strengsten aller Wohnheime. Ich schaffte es unter Umgehung aller dort genau geprüften Regelungen zwei Mal, sie durch die Münchner Nacht bis zum Licht des nächsten Tages zu schleifen - Parkcafe, BaBaLu, Wunderbar, Nachtcafe. Sie sah, sie erlebte die Optionen, und diese beiden Nächte gab sie sich alle Mühe, als lebenshungrige Tochter aus besserem Haus zu erscheinen. Sie kann es, sie weiss, dass es da draussen weiter geht. Beim zweiten Mal wäre es wegen der Wohnheims-Gestapo beinahe in einer Katastrophe geendet, aber als die schwarzen Krähen bei ihren Eltern Alarm schlugen, waren die eher beruhigt. Selbst im Worst Case wäre es eben der junge Alphonso Porcamadonna gewesen, von dem man damals noch erwartete, dass er dem angesehenen Porcamadonna-Clan nachgeraten würde. Yvonne absolvierte das Studium zielstrebig, ging dann zurück in die Provinz, und mich verschlug es in ein ganz anderes Leben, das nur selten von sporadischen Besuchen in der Provinz unterbrochen ist, so wie heute.
Es ist Yvonne, vor ihr ein dreirädriger, sportlicher Kinderwagen mit Inhalt, neben ihr ein Mann mit den typischen kurzen Beinen und breiten Hals der Provinz. Ihre Augen leuchten noch immer, aber ansonsten - früher fand ich ihre langen Haare langweilig und spiessig, jetzt, so aufgewuscht und kurz, wünsche ich sie mir zurück. Wir tauschen die letzte Dekade über das quengelnde Balg und den frierenden, sich erkennbar blöd und überflüssig fühlenden Typen an ihrer Seite hinweg aus. Das heisst, ich erzähle von meinem Leben, den Städten, der Freiheit, zu entscheiden und sich jeden Tag neu zu definieren; sie spricht von Apotheke, die sie übernimmt, dem anstrengenden Haushalt und dem wahrscheinlich auch nicht gerade einfachem Kind. Der Typ, der mehr einem Bauern denn einem Hidalgo gleicht, wird mir noch nicht mal vorgestellt, was nach den Regeln der besseren Gesellschaft ein deutliches Zeichen für Risse in ihrer Beziehung ist. Vielleicht hat er auch nur heute nicht abgetrocknet, wer weiss. Ich verspreche, dass ich vorbei kommen werde, und ihr mein Buch bringe. Sie wird es vielleicht lesen und denken, dass wir da draussen, ausserhalb ihrer Welt der Stützen der Gesellschaft, auch nicht glücklich sind.
Womit sie nicht Unrecht hat, als ich durch die engen Gassen zu Stammhaus meines Clans gehe. Aber was soll´s, es ist doch immer die gleiche Geschichte. Vergiftet sind meine Lieder, wie könnt es anders sein? Da hast mir ja Gift gegossen ins blühende Leben hinein - sagt Heine.
donalphons, 20:18h
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Real Life 28.12.04 - Natura morte
oder das langsame Versacken in der Provinz. Es gibt Leute, die mein Verhalten nicht verstehen: Wann immer ich auf Flohmärkten oder in Antiquitätengeschäften bin, steuere ich zielsicher auf alte Kerzenhalter aus den Epochen vor der Elektrifizierung zu; und wenn sie mir leisten kann, nehme ich sie auch mit. In meiner Wohnung in unserem Stadthaus gibt es schon derer zehn; sechs im Hauptraum, zwei im Gang und zwei weitere im Bad.
Warum es nicht zu viele sind, zeigt sich an Abenden wie heute, wenn man die Tafel bereitet, mit frischen badischen Eiernudeln und würzigem Gouda, in Butter gedünsteten Austernpilzen und milden Zwiebeln, dazu Feldsalat mit Öl und altem Balsamico und eine Kanne Assamtee.

Denn genau dann, wenn man die Nudeln servieren will, kommen die Nachteile des Bauwerks zum Vorschein, in dessen oberstem Geschoss man sich befindet. Mit einem Schlag ist der Strom weg, irgendwo ausgeknipst zwischen den Bauperioden des 14. und 16. Jahrhunderts. Wenn man dennoch in Ruhe essen will, ohne bis zum Erkalten der Speisen durch die Strom- und Verteilerkästen zu kriechen - dann ist verständlich, warum man so viele Kerzenhalter sein eigen nennt. Dieses Szenario ergab heute letztlich nur ein hübsch abzusehendes Natura Morte, aber es gibt auch schlimmere Situationen, in denen man ohne Kerzen verloren wäre: Nachts beim Stromausfall unter der Dusche stehen etwa, oder endlich den nackten Rücken einer Frau zu sehen bekommen, auf den man schon so lange gewartet hat. Alles schon erlebt und überstanden. Und deshalb stürze ich mich auch weiterhin auf jeden Kerzenhalter, den ich kriegen kann.
Denn die Wege des Stroms sind in provinzieller Bausubstanz des 16. Jahrhunderts unergründlich, wie auch in Bauten der 20er Jahre in Berlin.
Warum es nicht zu viele sind, zeigt sich an Abenden wie heute, wenn man die Tafel bereitet, mit frischen badischen Eiernudeln und würzigem Gouda, in Butter gedünsteten Austernpilzen und milden Zwiebeln, dazu Feldsalat mit Öl und altem Balsamico und eine Kanne Assamtee.

Denn genau dann, wenn man die Nudeln servieren will, kommen die Nachteile des Bauwerks zum Vorschein, in dessen oberstem Geschoss man sich befindet. Mit einem Schlag ist der Strom weg, irgendwo ausgeknipst zwischen den Bauperioden des 14. und 16. Jahrhunderts. Wenn man dennoch in Ruhe essen will, ohne bis zum Erkalten der Speisen durch die Strom- und Verteilerkästen zu kriechen - dann ist verständlich, warum man so viele Kerzenhalter sein eigen nennt. Dieses Szenario ergab heute letztlich nur ein hübsch abzusehendes Natura Morte, aber es gibt auch schlimmere Situationen, in denen man ohne Kerzen verloren wäre: Nachts beim Stromausfall unter der Dusche stehen etwa, oder endlich den nackten Rücken einer Frau zu sehen bekommen, auf den man schon so lange gewartet hat. Alles schon erlebt und überstanden. Und deshalb stürze ich mich auch weiterhin auf jeden Kerzenhalter, den ich kriegen kann.
Denn die Wege des Stroms sind in provinzieller Bausubstanz des 16. Jahrhunderts unergründlich, wie auch in Bauten der 20er Jahre in Berlin.
donalphons, 04:11h
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