: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 15. Februar 2010

Der vergessliche Herr Weidermann

Irgendwie scheinen es Mitarbeiter in Kulturredaktionen nicht so ganz mit der Erinnerung zu haben. Da hatten wir etwa den Herrn Daniel Haas von Spiegel Online, der bei seiner kaltschnäuzigen "Klauen ist doch normal"-Verteidigung der Plagiatorin Helene Hegemann vergessen hat darauf hinzuweisen, dass sein bei Spiegel Online heftig beworbenes Buch ebenfalls bei Ullstein erschienen ist. Das hat schon so einen Beigeschmack, und war in meinen Augen einer der unschönen Höhepunkte der Selbstfäkalisierung des deutschen Feuilletons.

Aber nun meldet sich auch noch Volker Weidermann zu Wort, seines Zeichen Literaturredakteur und mit Claudius Seidl Leiter des Feuilletons des bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Man könnte nach dem Griff ins Klo der überschwenglichen Biller-Rezension in jenem Medium vermuten, dass er ein klein wenig bescheiden auftritt, aber nichts da: Er bejubelt und umschmeichelt die Plagiatorin noch immer, aber wirklich schlimm ist der Hass aus dem Netz.

(http://www.faz.net/s/Rub642140C3F55544DE8A27F0BD6A3C808C/Doc~E7C75D40E22EF4947928EC744910344C6~ATpl~Ec
ommon~Scontent.html)

Und es passieren ihm, der das Intenet vorführen möchte, elende Fehler. So schreibt er:

"In der Woche, seit die Übernahme der Passagen bekannt wurde - auch aus der deutschen Drehbuchfassung einer Erzählung von Martin Page hat Hegemann Teile in ihren Roman eingebaut -"

Das ist falsch. Frau Hegemann hat die Szenen aus dem Drehbuch in eine beim Vice-Magazin veröffentlichte Geschichte eingebaut. Und es ist erstaunlich. Erstaunlich, weil der Ullstein-Verlag eigentlich mit einer Liste der Plagiate im Buch bei der Jury des Leipziger Buchpreises vorstellig geworden ist, um die Nominierung für das hegemann-Machwerk zu retten.

Und in eben jener Jury sitzt Volker Weidermann.

Und vergisst die anderen, ebenso geklauten Stellen. Bekannt ist, dass ein Brief im Buch ein übersetzter Liedtext der Band Archive ist. Es sollte noch viel mehr bekannt sein, aber der Verlag ziert sich gerade in Verzögerungen, die Liste der weiteren, geklauten Textstellen herauszugeben. Versprochen war sie bis Freitag, seitdem warte ich. Herr Weidermann hätte da sicher noch bessere Möglichkeiten, aber es bleibt bei dem, was ohnehin schon längst bekannt ist. Aber viel schlimmer als die Vertuschungsversuche des Verlages, das ganze Ausmass der Plagiate öffentlich zu machen - das Verhalten ist absolut mies, aber ökonomisch nachvollziehbar - finde ich Volker Weidermann:

Der nämlich vergisst darauf hinzuweisen, dass er selbst in eben jener kritisierten Jury sitzt, die nichts dabei fand, ein Werk mit geklauten Texten weiterhin für den Preis zu nominieren. Er vergisst es. Einfach so. Interessenskonflikt? Aber was. In einer Welt, in der man auch klauen darf...

Nicht vergessen, sondern auf Druck eines anderen Redakteurs der FAS verändert wurde übrigens ein Blogtext von Andrea Diener bei FAZ.net, in dem sie auf die Tatsache hinwies, dass der begeisterte Hegemann-Rezensent Maxim Biller mit dem Vater der Plagiatorin einen Facebookkontakt habe, Kommentar vom 10. Februar 2010, 16:31:

"Ich habe diesen Text gerade bearbeitet. Ich bekam gerade eine Mail des verantwortlichen Redakteurs von Billers Text, der mir schrieb, er habe 400 Kontake auf Facebook und kenne nicht alle Töchter, ja wisse nicht einmal, ob einige von denen Töchter haben. Insofern sei es eine Unverschämtheit zu behaupten, Maxim Biller kenne Helene Hegemann, weil er ihren Vater als Facebook-Kontakt gelistet habe.
.
Da ich nicht auf Facebook aktiv bin, kenne ich niemanden dort und kann das nur so stehen lassen. Meinen Satz natürlich nicht, den habe ich gestrichen. Nur, damit sich niemand wundert, warum plötzlich was fehlt."

So ist das also in der Welt der FAS: Man muss nicht erwähnen, dass man in der Jury sitzt, die das gegen den "Hass" aus dem Internet verteidigten Buch nominiert hat. Und überhaupt scheint auch gar niemand je die Frau Hegemann oder ihren Vater persönlich gekannt zu haben, alles Fremde, dieser Kulturbetrieb in Berlin, man glaubt es kaum. Aber nach Meinung des gleichen Umfeldes darf man sich nicht über den Kontakt zwischen Vater der Autorin und eines Rezensenten Gedanken machen, eines Rezensenten, der nun übrigens nicht mehr Stellung zu dem Fall und seinem offenkundigen Versagen nehmen möchte. Warum auch. Die FAS-Leute regeln das schon. Irgendwie.

Disclosure 1: In dem Text von Weidermann, der offensichtlich nicht überrissen hat, dass ich auch für das FAZ-Feuilleton schreibe, ist auch etwas abwertend über meine Entschuldigung an das Internet referiert worden.

Disclosure 2: Ich schreibe für die FAZ. Und sicher auch nochmal was zu dem Thema. Dann aber mit Offenlegung aller Interessenskonflikte. Allerdings sind das eher wenige.

Disclosure 3: Ich werte das alles als Ausdruck der redaktionellen Freiheit innerhalb eines Hauses.

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Freitag, 29. Januar 2010

Optik und Haptik

Als ich den iPad gesehen habe, dachte ich mir im ersten Moment: Wenn es den mit Windows XP gäbe, wäre das gar keine schlechte Sache. Mit so einem Ding könnte man, wenn man unterwegs ist, sehr viel anstellen, gerade als Schreiber: Es muss nicht hochgefahren werden, der Akku würde sogar für die stressigen Tage bei der Mille Miglia reichen, man sucht sich einfach ein offenes WLAN, um schnell was abzusetzen, und es ist nicht so unkommunikativ wie ein Notebook. Es würde in die Phototasche passen. Es ist flach, man könnte auch schnell was darauf machen, wenn man am Steuer eines Autos sitzt und nicht fährt. Doch, ich könnte mir schon - und bei Apple zum ersten Mal - vorstellen, sowas zu kaufen. Nicht, weil ich den Blödsinn glaube, dass dieses Ding der neue Zeitungsvertrieb wird, und was jene Hysteriker sonst noch schreien, die damit und mit Beratung Geld verdienen wollen, ohne zu wissen, wie man passende Inhalte macht (dass so ein Text ausgerechnet vom Gründer des reichlich erfolglosen Videodienstes Sevenload kommt, der miserabel gecodet massenhaft Müll und Trash im Angebot hatte, ich nochmal so eine Ironie am Rande). Ich sehe da einfach ein nettes Arbeitsgerät. Nur ist da die berührungsempfindliche Oberfläche, die das Herumtapsen auf dem Display verlangt.

Das hier ist die Pentax Optio T10.



Pentax versuchte damit, die Bedienungsknöpfe zugunsten so eines Displays abzuschaffen, wie es davor auch schon viele Hersteller von Smartphones versucht hatten, die man heute für einen Appel und ein Ei bei Ebay bekommt. Compaq hatte sowas, Siemens hatte sowas, und Pentax versuchte es eben auch mit diesem damals wirklich teuren Ding. 400 Euro wollte Pentax haben, ich zahlte drei Jahre später sehr, sehr viel weniger, weil sie übrig blieb. Die T10 liegt in meinem Handschuhfach als letzte Notkamera, falls ich mal eine andere vergessen haben sollte. Sie ist absolut nicht schlecht, sie macht wirklich gute Bilder, und sie gefällt mir - neben der Ricoh R8, von der hier gerade die meisten Bilder kommen - äusserlich von allen Kameras am besten.

Aber das Touchdisplay ist die Pest. Ich kann damit nicht arbeiten, obwohl ich mir Mühe gegeben habe. Die virtuellen Tasten sind gross, aber das Gefühl ist schwammig, und das Display ist immer irgendwie betappst. Man wünscht sich dauernd Knöpfe. Bei meiner Sucherkamera geht das, ohne dass ich die Kamera runter nehmen muss. Und dann das schwammige Gefühl beim Drücken. Ich gewöhne mich sehr schnell an neue Geräte, aber ich könnte darauf keinen langen Text schreiben.

Vielleicht ist das auch Absicht, vielleicht will Apple ein Gerät auf dem Markt haben, mit dem man nach einer Weile jede Eigenproduktion von Inhalten aufgibt. Und bei ihnen shoppen geht. Wäre das so, wäre es mein Kritikpunkt. Gut für Inhaltehersteller, schlecht für die Kreativität.

Wie auch immer: 500 Dollar ist nicht teuer. Aber für 100 Euro gibt es heute gebrauchte Totschlagwaffen vom Niveau eines Compaq e500 oder IBM T23, die uch noch 10 Jahre klaglos arbeiten werden. Und nachdem Apple kein Wort über die Austauschbarkeit des Akkus sagte, bin ich nach etwas Nachdenken und 10 Jahren Erfahrung mit Touchdisplays - vorsichtig. Hat schon jemand man den Vergleich mit den schlechten, alten Internet-Set-Top-Boxen bemüht, die auch einen breiten Markt öffnen sollten?

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Mittwoch, 23. Dezember 2009

Das Ende der Rottacher Hundedecken.

Ich war jung und brauchte das Geld nicht besonders. Das muss 1992 gewesen sein, im Frühling. Damals war ich in der - inzwischen längst verschwundenen - Designerabteilung von Beck am Rathauseck und sah mir die neuen Kollektionen von Gaultier und Gaultier pour Gibo an. In einer Welt, in der Schwarz das mass aller Dinge war, hatte Gaultier offensichtlich seine Vorliebe für ältere Mathematiklehrer entdeckt. Anders konnten wir - Söhne von Eltern - uns nicht vorstellen, wieso er jetzt nach all den tollen, exzentrischen schwarzen Dingen mit Schalkrägen und Schlitzen Männer unseres Alters in braunbeigem Glenn Check sehen wollte. Wir begriffen, dass wir mit der Mode nicht mehr mitkamen, und fühlten uns plötzlich sehr alt. Zwei Jahre später gab es die Muster auch bei Boss und anderen Häusern, aber da kümmerten wir uns schon nicht mehr drum und hatten, auch wegen Techno und den andrängenden Turnschuhmassen, andere Interessen.

Dieser Tag vor der neuen Linie von Gaultier markierte das Ende meiner nicht gerade bescheidenen Kleidersammelwut. Von da an trug ich auf, kaufte ab und an etwas dazu, aber es war mir nicht mehr so wichtig. Hätte man mir aber an jenem fernen Tag gesagt, dass ich dereinst innerhalb von ein paar Wochen wieder 25 Jacketts erwerben würde, mehr als je zuvor, auch in meinen schlimmsten Zeiten zwischen Annas und Holy's, und davon ein Dutzend, die wir damals verächtlich als "Hundedecken" bezeichneten - ich hätte das nicht geglaubt. Aber ich hätte mir ja auch nicht vorstellen können, dass Umfragen für die CSU auf 40-x lauten könnten. Oder dass meine Freunde von damals als Familienväter Angst habem, ihre Kinder könnten mal so werden, wie wir damals. Wie auch immer:



Über die 30 Hemden reden wir erst besser gar nicht. Aber nun ist es eben endgültig, nach 80 Jahren schliesst die Firma, bei der schon mein Grossvater und mein Vater Masskonfektion einkauften, die einfach zur Stadt gehörte und über die man sie nie besondere Gedanken gemacht hat. "Es ist egal, welche Marke drin steht, solange es von uns gemacht ist", hiess der halb bescheidene, halb grosse Anspruch, und das Elend ist: Wenn man erst mal eine gewisse Qualität gewohnt ist, kann man unendlich schlecht wieder hinabsteigen. Dann lieber ein guter Vorrat an Rottacher Hundedecken von Loro Piano, lieber ein Karo mehr als eines zu wenig, denn mit dem heutigen Tag wird hier nichts mehr nachkommen. Es ist vorbei. Und es ist kein Platz mehr im Schrank. Am Tegernsee, da ist noch Platz.

Als wäre das ferne Hohnlachen von Jean Paul Gaultier über all meine Hundedecken nicht genug, war es dann ausgerechnet auch noch das Shooting Jacket, das mir - wie alles, was mit jagd zu tun hat - bestens gestanden hat. An dieser Stelle bitte das sonore Lachen meines tiereabknallenden Grossvaters vorstellen. Man kann so etwas nicht mal in Rottach tragen, höchsten auf Bergwanderungen und beim Rodeln, aber egal - entweder man greift zu, oder man steht nie mehr, zumindest in diesem Rahmen vor der Wahl, bei so einem Stück zuzugreifen.

Früher war es ein Rausch, solche Stücke zu kaufen und auszuführen. Heute dagegen endet die Geschichte. Ich werde noch 10 Jahre haben, die Stücke aufzutragen, das Leinen zu knittern und das Kaschmir frierenden Frauen um die Schultern zu legen, so exzentrisch wie mein Sunbeam zu wirken und immer noch eine Jacke extra haben - aber lieber wäre es mir gewesen, wenn ich einfach jede Saison zwei, drei Stücke hätte nachkaufen können. So biegt sich der Schrank unter der Last, es ist die beste und einzige Lösung - eine immer noch reichlich teure Lösung, aber das ist es nicht. Es ist das Ende der Tradition, das die beste aller möglichen Welten so schal und elend erscheinen lässt. Wie der Tag, als sie das letzte Hutgeschäft der Stadt geschlossen haben, weil die Sparkasse das Haus an einen Investor verkaufte, der den Inhabern nach drei Generationen sofort kündigte. Früher war Einkaufen Verschwendung. Die letzten Wochen war es Notwehr.

Ich brauche endlich einen Schneider. Immerhin habe ich ein paar Jahre Zeit, einen zu suchen - Rottacher Hundedecken waren nach Gaultier nicht mehr modern und werden auch nicht mehr veraltet sein.

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Dienstag, 15. Dezember 2009

Westviertel vs. das Internet

Meine Mutter fragt mich ab und zu, wer dieser runtergekommene Punk ist, den man ab und zu im TV zujm Thema Internet sieht, und ob ich den kenne. Und eas ich von dem halte, wo der immer im Internet ist und so komisch (unser Wort für nicht gesellschaftsfähig), allen immer zu sagen, was er gerade tut. Ich erkläre ihr dann, dass es so ist wie überall und die Bezeichnung "Blogger" auf jden Deppen angewendet werden kann, und dass ich nichts von dem halte und er im Übrigen davon lebt, sein Gesicht in Kameras zu halten. Meine Mutter ist davon nur mässig angetan und erwartet, dass ich so etwas nicht tue. Ich glaube, es ist besser, ihr das Ganze hier draussen und die durchgeknallten Evangelisten einfach nicht vorzustellen.

Wie auch immer, für solche Freaks gehört es ja zum Rüstzeug, allen und jedem die Fähigkeit zur Beziehungspflege abzusprechen, wenn sie nicht in die sozialen Medien gehen und sich komplett daueronlinen. Lustigerweise kam ich gestern an einem der lustigsten und gastfreundlichsten Häuser im Viertel vorbei, das von Leuten bewohnt wird, die nun wirklich keine sozialen Probleme haben und allseits wohl gelitten sind - und was haben die an ihrem Zaun?



So ist das bei uns. Denken Sie daran, wenn Sie den nächsten Fasler was von Geocaching, augumented reality oder mobile social Media reden hören.

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Sonntag, 6. Dezember 2009

Pommersfeldener Schlosskatzencontent

Generell denke ich, dass es nicht das Schicksal, sondern die grenzenlose Dummheit der Menschen ist, die unser Leben bestimmt: Der eine macht die Kredutkrise, der andere schmiert die FDP, der dritte ist ein Schweizer Rassist und Chefredaktor, der vierte bescheisst als amerikanischer Präsident seine Wähler und macht noch mehr Krieg, und das alles trägt dazu bei, dass die Welt, in der ich mich bewege, so klein, hässlich und widerlich ist. Ginge es nach den Deppen, dann würden sie noch mehr auf mein Leben drücken, als es ein normales Schicksal es sich je herausnehmen würde. Mit in die Reihe der Arschlöcher gehört auch der Raser auf der Autobahn zwischen Würzburg und Nürnberg. Man weiss nie, wo sich dieser Freund der Lichthupe gerade befindet, aber irgendwann habe ich so ein Gefühl, dass es nun an der Zeit ist, dem unerbittlichen Lauf der Arschlöcher ein Schnippchen zu schlagen und sie ins Leere fahren zu lassen, wo sie hoffentlich einen Baum und nicht mich treffen. Ich möchte gern mindestens ein weiteres Jahr für die FAZ, wie jüngst ausgemacht, schreiben, und zwar gesund und in einem Stück. Deshalb schlage ich, karnickelgleich, einen Haken und fahre nach Pommersfelden.



In Pommersfelden mache ich stets eine halbe Stunde Urlaub: Begleitet von Musik von Telemann gleite ich über die sanften, fränkischen Hügel, stelle den Wagen vor dem Eingang von Schloss Pommersfelden ab, gehe über den Schlosshof und bewundere die Ansicht - es wird mir auch nie langweilig - sehe mit Freuden, dass sie nun den Barocksaal restauriert haben, und darin ihr Restaurant führen, und gehe dann über die Allee hinter zum Konditpr, wo ich Käse- und Apfelkuchen kaufe. Diesmal schickt mir das Schicksal jedoch die wohlgenährte Pommersfeldener Schlosskatze in den Weg. Als ich den Schlosshof verlassen will, kommt sie mir entgegen, schaut mich an, streicht mir um die Beine und maunzt. Also streichlich ich sie. Nach einer Weile bewegt sie sich etwas weg, ich gehe ein paar Schritte, sie bemerkt, dass sie noch etwas mehr Zuneigung möchte, läuft mir maunzend hinterher, lässt sich streicheln, und so geht das eine halbe Stunde, bis sie wirklich genug hat. Sie ist sehr hübsch, mit einem Harlekingesicht und einem dicken, weichen Fell.



Vielleicht weiss die Pommersfeldener Schlosskatze einfach mehr vom Schicksal und berechnet in ihrem Kopf, wie weit der Raser ist, der mich von der Strasse schubsen will, stellt komplizierte Stochastik an und berücksichtigt die Fraktalität der Ereignisse, realisiert Veränderungen und beschliesst, dass ich sie noch streicheln sollte, um etwas Sicherheitspuffer zwischen mich und den nicht stattfindenden Ereignissen zu legen. Ich kann das nicht, und die Wahrscheinlichkeit, dass die Katze es beherrscht, ist sicher nicht kleiner. Also tue ich, was sie will. Dann kaufe ich Kuchen, gehe zu meinem Auto, während die Schlosskatze vielleicht schon wieder zufrieden auf der Bank beim Kachelofen sitzt, dessen Feuer einen würzigen Rauch in den Himmel über dem Schloss schickt. Kurz vor Nürnberg kleben ein BMW und ein Schnelllaster an der Leitplanke. Ich komme gesund und froh am Tegernsee an, der Kuchen ist wie immer exzellent, und die Schlosskatze überlegt schon, wen sie morgen vor den Arschlöchern der Prädestination rettet.

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Samstag, 21. November 2009

Was die FDP mit der CSU in den Hotelbetten treibt

Das hier ist einer der Beiträge, die ich gerne lesen würde, die aber keiner schreibt: Die Linke, weil ihr der Sachverstand fehlt, und die Braungelbe Brühe, weil sie es zwar wissen, aber es keinesfalls laut sagen können.

Es ist ziemlich klar erkennbar, warum die CSU die Mehrwertsteuer für Hotels gesenkt werden möchte - in Bayern liegt der Umsatz mit Reisenden direkt bei 25 Milliarden Euro, und daran hängen auch noch andere Wirtschaftszweige, Baugewerbe, Entsorgung, Landwirtschaft. Der Einbruch bei den Übernachtungszahlen im letzten Jahr tut natürlich weh, und die CSU war schon immer die erste Partei, die jeden Grundsatz über Bord warf, wenn es denn opportun erschien. Und mit dem Hinweis, dass die Ösis ja auch weniger Steuern zahlen, kann man in Bayern durchaus Wahlen gewinnen - Hauptsache, die Troler haben den Schaden. Aber die FDP?



Die FDP behauptet von sich, gegen Subventionen zu sein. Natürlich ist eine Steuersenkung für Hotels eine Subvention, und deshalb argumentiert die FDP mit der Marktwirtschaft, denn in anderen Ländern sei die Steuer auch niedriger, und so wäre der Wettbewerb verzerrt - da müsse man nachziehen. Die logische Frage aber wäre: Wenn das so ist, warum macht man das nicht auch in anderen Bereichen? Warum senkt man nicht durchgehend die Mehrwertsteuer? Warum nur Hotels - und warum liegen gerade die der FDP so am Herzen? So viele FDP-wählende Hotelbesitzer, sollte man meinen, gibt es auch nicht.

Und da irrt man. Es gibt sie, und es sind viele, und sie wählen häufig die Besserverdienendenpartei. Denn das Hotelgewerbe wird längst nicht mehr von kleinen Pensionen und Mittelständlern betrieben. Das grosse Geschäft läuft nach dem gleichen System wie alle anderen Transaktionen mit Geschäftsimmobilien ab. Sprich, man hat einen Immobilienfonds, einen Vertrieb, Investoren und Objekte, die an Hotelbetreiber vermietet werden. Solche Fonds gehen in aller Regel von einer positiven Geschäftsentwicklung aus: Die Rendite soll in den späteren Jahren nach hohen Anfangsverlusten steigen. Ziemlich viel Krempel, den solche Fonds Mitte der Neunziger bis Anfang des Jahrzehnts entwickelt haben, hat die aktuelle Krise einfach nicht kommen sehen und entsprechend nicht eingeplant. Kommen die Hotelbetreiber jetzt in Zahlungsengpässe, ist es aufgrund der enormen Kosten eines Betreiberwechsels ziemlich normal, dass die Betreiber Mietminderungen durchsetzen können - denn in der Krise ist es schwer, solche Immobilien wieder an den Mann zu bringen, wenn es durch die vielen derartig investierenden Fonds ohnehin schon einen übersättigten Markt gibt.

Niedrigere Mieten aber ändern nichts daran, dass die Fremdfinanzierung solcher Fonds weiterhin die üblichen Zinsen verlangt. Die Einnahmen sinken, die Ausgaben bleiben gleich. Oder, was in diesem Sektor angesichts der Neufinanzierung von abgelaufenen Krediten auch nicht selten ist: Nachdem durch die Miete eines derartigen Objekts auch der Immobilienwert berechnet wird, kann es sein, dass bei der versuchten neuen Kreditaufnahme die benötigte Summe höher als der Wert der Immobilie ist. Dann müssen die Anleger mitunter nachschiessen. Oder der Fonds muss in den schlechten Markt hinein Immobilien verkaufen, um liquide Mittel zu haben. Wie man es dreht und wendet: Die Banken sind bei diesem Spiel mit ihren Sicherheiten auf der besseren Seite. Aber die Investoren sind im Feuer. Schenkt man den Hotelbetreibers aber eine Milliarde, können die grösseren Häuser noch eine Weile länger ihren Verpflichtungen für die Fonds nachkommen.

Dann gibt es zwar keine billigeren Übernachtungspreise, aber die FDP sorgt dafür, dass das besserverdienende Klientel mit entsprechenden, momentan hochriskant gewordenen Investitionen hoffen kann, dass ihre Geldanlagen bis zum Ende der Krise durchhalten. An dieser Milliarde für die Hotelbetreiber hängt eben nicht nur der Job der osteuropäischen Putzfrau, sondern auch viele Millarden, die bei den Fonds in den Büchern stehen. Aber nur solange die Zahlungen kommen. Wenn nicht, verlieren die Anleger wirklich viel Geld. Und vielleicht auch das Vertrauen in die FDP.

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Offizielle Stellungnahme

1. Nein, bedaure, ich weiss nicht, warum das Projekt Blogjournalisten.de abgeschaltet wurde.

2. Ich werde keinen Verriss schreiben, weil ich den Versuch durchaus ehrenwert fand - wenn offensichtlich der ein oder andere darauf wartet, Pech gehabt.

3. Ausserdem bin ich seit Jahren aus diesem Umfeld draussen. Entsprechende Anfragen könnte ich also nicht mal beantworten, selbst wenn ich sie beantworten wollte, was ich aber auch nicht wollen würde.

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Montag, 16. November 2009

Beste Lage im November

Die kleinen Hundehütten rechts im Bild am See - 5500 Euro der Quadratmeter. Liegt in Tegernsee. Was man dazu wissen muss: Laut bayerischer Verfassung ist der Zugang zum See frei zu halten. Darüber streitet man sich gerade in Tegernsee. Es kann also sein, dass irgendwann Touristenscharen in fünf Meter Abstand zur Terrasse vorbeigehen. Ist aber schon eingepreist



Die Hoffnung, dass die Aussicht wenig Spass am Vorbeigehen macht, dürfte vergebens sein, denn das Hotel gegenüber, das gerade aussieht wie der Leipziger Flughafen während eines Umbaus, ist weit genug entfernt. Man muss schon etwas näher gehen, um dieses exklusive Ding zu sehen. Übernachtungen ab 248 Euro. Wenn erst mal Schnee liegt, wird alles besser.



Für die paar Stunden, da Rottach nicht im Schatten der Berge liegt. Ich weiss schon, warum ich an einen Ort gezogen bin, dessen Gemarkung "Am Sonnenhang" heisst. Und nicht Rottach.

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Mittwoch, 28. Oktober 2009

Nicht mein Beruf

In den letzten Tagen hatte ich etwas Zeit zum Nachdenken. während andernorts wenig erfreuliche Dinge geschahen. Es ist ja nicht so, dass mich die Kündigungen bei der Süddeutschen Zeitung betreffen, und die offenkundigen Zahlungsprobleme von Medienpreisveranstaltern stören mich auch nicht weiter. Was mir zu denken gibt, ist dagegen die Kündigung eines wirklich guten Autors mit der Begründung, dass er keine Lust hat, für seine - im Übrigen klar übertarifliche Bezahlung - in einem Umfeld zu arbeiten, das ihm nicht gefällt. Und ich muss sagen: Sobald ich auf meine journalistische Tätigkeit angesprochen werde, falle ich auch in eine Verteidigungshaltung, es wären eben keine Medien, sondern eine ganz bestimmte Zeitung, für die man sich nicht schämen müsste, es gäbe keine Vorgaben und keinen Werberdruck, ich könnte frei schreiben - einfach, weil die äussere Erscheinung des Berufes sehr, sehr schlecht ist. Weil ich nicht will, dass man mich mit dem Rest in einen Topf wirft.



Im Branchenschnitt ist die Bezahlung der Leute so erbärmlich wie ihre Leistungen. Man muss einen Redakteur einer Lokalzeitung als Mieter gehabt haben um zu verstehen, warum die durchschnittliche Zeitung so unfassbar mies und dumm ist. Hunger ist nicht gut für das Denken. Soziale Unsicherheit ist nicht gut für die Recherche. Kostendruck ist keine echte Motivation. Zusammen mit der weitgehend elenden Verbohrtheit von alten Knackern und Nachwuchs, das Internet betreffend, ist es insgesamt ein sehr übles Arbeitsumfeld. Anders gesagt: Ich empfinde gegenüber dem Journalismus die gleichen Vorbehalte, nur stärker, wie bei meiner Heimat. Ich bin kein Bewohner der kleinen, dummen Stadt an der Donau, mein Haus steht in dieser Stadt. Ich bin kein Journalist. Ich bin Autor und schreibe ein Blog bei einer angesehenen Zeitung. Und das nicht unbedingt aus finanziellen Interessen.



Ich habe Zeit und muss nicht um 7 Uhr raus, ich muss keine Klickstrecken formen und Polizeiberichte kopieren, ich werde nicht mit schlechten Häppchen vergiftet und von PRlern telefonisch belästigt. Trotzdem hatte ich nie vor, Journalist zu werden, und angesichts dessen, was gerade geschieht, muss ich sagen, dass diese alte Haltung angesichts dieser wirklich - man muss es so sagen - armen, gierigen, "notigen", würde man in Bayern sagen - Szene ihre Berechtigung hatte. Das Schielen auf Nebenjobs, auf Kontakte und Netzwerke, dazu noch diese impertinente Einbildung, keine Veränderungen zu brauchen - ich würde mich privat nicht mit Typen abgeben, die dem journalistischen Durchschnitt entsprechen. Das ist nicht meine Welt. "Edelfeder" stand vor Kurzem in einer Abwerbemail, aber das heisst wenig. Und seitdem ich wieder mehr professionell schreibe, werde ich auch wieder ungnädiger, wenn ich all den Müll der Medien sehe.



Es wird dem Printfeudalismus ergehen wie dem echten Feudalismus, ein paar Paläste werden stehen bleiben und gegen Geld zu besichtigen sein, aber die Kaschemmen wird man wegreissen, weil es weder finanzierbar sein wird, noch gefragt. Irgendwann wird auch der Trick einer Berliner Tageszeitung nicht mehr laufen, Leute umsonst arbeiten zu lassen - weil die Leute irgendwann verstehen, dass in dem Beruf nur für wenige etwas zu holen ist. Die Qualitätsdebatte kann man sich vor diesem Hintergrund sparen, und es ist kein Zufall, wenn man gleichzeitig schon beginnt, die Bedeutung von 140-Zeichen-Müll für den Journalismus diskutiert. Die Medien haben vollkommen vergessen, wie man die Menschen fordert, es ihnen nicht leicht macht, ihnen etwas beibringt und neue Sichtweisen vermittelt, sie sind nicht mal mehr ideologisch, sondern nur noch profitmaximiert. Nicht meine Welt. Wirklich nicht.

Wenn ich das mal nicht mehr mache, werde ich Kronleuchterputzer in Bayreuth und schreibe nebenher Romane.

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Freitag, 25. September 2009

Vielleicht ist es nicht dumm, nicht zu können

Prinzipiell halte ich Politiker nicht für dumm. Gerade, wenn es um den Machterhalt geht. Und daher halte ich es nicht für ausgemacht, dass es keine Obamastrategie im Internet für die Bundestagswahl gibt, weil sie es nicht könnten. Ich halte es für überlegenswert, dass sie es aus durchaus nachvollziehbaren Gründen einfach nicht wollen, von Westerwelle, der dafür aber zu schleimig ist, und dem Springerkonzern, dem es dafür an Hirn ebenso mangelt, wie er Poschardt und Dieckmann hat, mal abgesehen.



Denn Obama ist erkennbar auf dem absteigenden Ast. Der angebliche Held lässt gerade in Pittsburg Demonstranten mit Tränengas auseinandertreiben, um ungestört nach eigenen Angaben vorstellen zu können, wie weit man sich inzwischen aus der Krise herausgearbeitet habe (meines Erachtens hat man das Problem von den Bank- zu den Staatsbilanzen verschoben und aufgrund der bankkosten nochmal vergrössert, während alle Probleme von der Verbriefung über die Reglementierung bis zu den Konsumenten und Hauskrediten zumindest weiter bestehen). Obama hat die Gesundheitsreform in den USA wieder weitgehend von der Agenda und aus der öffentlichen Debatte genommen - das war ein zentrales Wahlversprechen. Statt sich von der vollversagenden Republikanerkreatur Bernanke zu trennen, erlaubt ihm Obama, weiter die Staatsfinanzen mit einem enormen Geldmengenwachstum zu ruinieren. Und der neueste Beweis dafür, dass "Change" und "Hope" auch nur Phrasen waren, wird bei der Frage sichtbar, ob Banken in Zukunft weiterhin ihre Kreditnehmer austricksen dürfen - sie dürfen natürlich.

Die ganze Messiasshow des Wahlkampfes hat nicht mehr als ein paar nette Reden und extrem fragwürdige Resultate hervorgebracht. Man muss kein Hellseher sein um zu erkennen, dass der Schwung, der Obama ins Amt brachte, inzwischen abgeebbt ist und ausgerechnet den Republikanern wieder auf die Beine hilft. Obama ist ein höchst abschreckendes Beispiel für das, was geschieht, wenn man vollkommen überzogene Hoffnungen auf einen Erlöser weckt, eine ganze Generation für sich entdeckt und anschliessend diese Leute vor den Kopf stösst. Obama ist sowas wie der verbriefte und mit AAA-Rating versehene Subprimekredit der amerikanischen Politik. Entsprechend begrenzt ist inzwischen die Bildchenschunkelei mit dem Präsidenten zu beobachten.



Die übertriebene Selbststilisierung kann in Amerika noch gehen, wo man nur die Wahl zwischen zwei Übeln hat und die Kandidaten auf Teufel komm raus gezwungen ist, Wahlkampfspenden zu sammeln. In Deutschland, wo es zu jeder politischen Richtung mindestens zwei Alternativen gibt und im Kern das Kreuzerl an der richtigen Stelle reicht, würde man eher Gefahr laufen, vergrätzte Wähler zu hoch motivierten Anhängern anderer Kräfte zu machen. Zumal es bei dieser Runde ohnehin nicht ohne sofortigen Wahlbetrug von welcher Partei auch immer gehen wird. Das Wecken vollkommen überzogener Hoffnungen würde da nur schaden; entsprechend wachsweich und nichtssagend sind auch die Parolen.

Und so wichtig ist das Internet nun auch nicht. Im Gegenteil, im Vergleich zu 2005 war diesmal erheblich weniger im Netz los, und die diversen Ideen, die im Angebot waren, wollte niemand haben. Die grosse "Blogger bringen Jungwählern die Politik nahe"-Plattform hat es ebensowenig gegeben wie die brillianten "Lass Dir von Twitter sagen wie Du Deine Politik machen musst"-Geschäftsmodelle. Man hätte massenhaft Leute kaufen können - es geschah nicht. Wahlen werden nichtg mit 10000 Freunden beim sozialen Netzwerk entschieden, sondern mit Millionen Wählern. Dieses Argument wird niemanden abhalten, am Sonntag nach der Wahl den Verlierern einzureden, es hätte mit einer Obamakampagne besser laufen können. Aber ich denke, die Parteien wussten schon, warum sie den Schwerpunkt nicht bei den überhypten Grossmäulern gesetzt und sich vielleicht noch von denen abgeängig gemacht haben.

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