Freitag, 26. Mai 2006
Der Condottiere

Sant'Andrea in Mantua.
donalphons, 15:45h
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Alt und steinreich,
das will ich werden. Das mit dem Altern bekomme ich schon ganz ordentlich hin, wie mir ein Blick in den Spiegel versichert, das mit dem Steinreich wird dagegen etwas schwieriger. Vielleicht reicht ja auch wohlhabend, das könnte eventuell was werden, so ganz ohne Kinder und kostenintensive Ehe und sporadischen, kurzfristig teueren und langfristig günstigen Nebenbeziehungen, nie mehr als drei gleichzeitig. Wie das so ist, wenn man viel unterwegs ist.
Ich mache mir sonst über die Zukunft sonst nie Gedanken, weil es sowieso immer anders gekommen ist, als ich erwartet habe. 1997 war ich mir sicher, Kulturhistoriker zu bleiben, 1998 war ich dann Deutschlandskorrspondent der Ostküste. 2004 sollte ich drei Monate nach Berlin, 2005 war ich immer noch dort. Ein Jahr hatte ich hier in der Provinz zur regelung familiärer Angelegenheiten, bevor es weitergehen sollte in die Schweiz, jetzt besorge ich den Stuck für meine neue grosse Wohnung. Es lohnt sich also nicht, es kommt, wie es kommt, sagte meine Grossmutter, und sie hatte wie immer recht.
Aber es gab einen Moment in Italien, genauer gesagt in Mantua, da habe ich mir gedanken über diese Lebensziele gemacht. Meine Besucher waren schon etwas erschöpft und wir suchten ein Cafe, da kamen wir an diesem Geschäft vorbei.

Und ich dachte mir, wie schön es sein muss, als alter, faltiger Mann in einem dreiteiligen Anzug auf einem dieser filigranen Stühle zu sitzen, die dort für solche alte Herren stehen, das zerfurchte Gesicht eines stolzen Puters tragend, einen Stock, auf dem die Linke Hand weit in den Raum ragt, und dann sitze ich da mit einer Tasse Tee und warte, dass meine Lebenspartnerin mit erheblichem, mir heute schockierend verkommenden Altersunterschied wieder aus dem Ankleidezimmer kommt. Um das Verworfene unserer Beziehung zu kaschieren, bei dem sicher auch das Geld eine gewisse Rolle spielt und der Saloonwagen, werde ich ihr zu dezent spiessiger Kleidung raten, und sie bitten, die Haare hochzustecken. Da sitze ich also und warte, rede mit der Verkäuferin in Coco Chanel, und das satte Gefühl meiner dicken, mit viel Papiergeld gefüllten Brieftasche, das auf der Brust, über dem alten, abgeklärten Herz lastet, lässt mich über die goldenen Ziffern, die von Preisen künden, milde lächeln.
Draussen werden italienische Mädchen sich die Nasen an den üblichen Teenieshops plattdrücken, ab und zu tuckert eine Vespa vorbei, bis die, auf die ich warte und für die ich zahle, dann aus der holzvertäfelten Ankleide kommt, mir in ihrer etwas unauffälligen Vorzimmerdamenschönheit sehr gut gefällt, wenn sie sich dreht, wenn ich im Profil ihren geilen Arsch sehe, und wenn es passt, erhebe ich mich gekonnt ohne Ächzen, bezahle, und sage ihr ins Ohr, dass ich sie nicht ficken werde, ohne dass wir vorher noch Schuhe kaufen waren.
Heute finde ich so etwas ganz furchtbar, es hat nichts mit meinen Überzeugungen zu tun, aber wer in so einem Geschäft sitzen will und warten, muss so sein, und mir sind in diesem Moment in Mantua keine Alternativen eingefallen, die mir für mein späteres Leben besser gefallen würden.
Ich mache mir sonst über die Zukunft sonst nie Gedanken, weil es sowieso immer anders gekommen ist, als ich erwartet habe. 1997 war ich mir sicher, Kulturhistoriker zu bleiben, 1998 war ich dann Deutschlandskorrspondent der Ostküste. 2004 sollte ich drei Monate nach Berlin, 2005 war ich immer noch dort. Ein Jahr hatte ich hier in der Provinz zur regelung familiärer Angelegenheiten, bevor es weitergehen sollte in die Schweiz, jetzt besorge ich den Stuck für meine neue grosse Wohnung. Es lohnt sich also nicht, es kommt, wie es kommt, sagte meine Grossmutter, und sie hatte wie immer recht.
Aber es gab einen Moment in Italien, genauer gesagt in Mantua, da habe ich mir gedanken über diese Lebensziele gemacht. Meine Besucher waren schon etwas erschöpft und wir suchten ein Cafe, da kamen wir an diesem Geschäft vorbei.

Und ich dachte mir, wie schön es sein muss, als alter, faltiger Mann in einem dreiteiligen Anzug auf einem dieser filigranen Stühle zu sitzen, die dort für solche alte Herren stehen, das zerfurchte Gesicht eines stolzen Puters tragend, einen Stock, auf dem die Linke Hand weit in den Raum ragt, und dann sitze ich da mit einer Tasse Tee und warte, dass meine Lebenspartnerin mit erheblichem, mir heute schockierend verkommenden Altersunterschied wieder aus dem Ankleidezimmer kommt. Um das Verworfene unserer Beziehung zu kaschieren, bei dem sicher auch das Geld eine gewisse Rolle spielt und der Saloonwagen, werde ich ihr zu dezent spiessiger Kleidung raten, und sie bitten, die Haare hochzustecken. Da sitze ich also und warte, rede mit der Verkäuferin in Coco Chanel, und das satte Gefühl meiner dicken, mit viel Papiergeld gefüllten Brieftasche, das auf der Brust, über dem alten, abgeklärten Herz lastet, lässt mich über die goldenen Ziffern, die von Preisen künden, milde lächeln.
Draussen werden italienische Mädchen sich die Nasen an den üblichen Teenieshops plattdrücken, ab und zu tuckert eine Vespa vorbei, bis die, auf die ich warte und für die ich zahle, dann aus der holzvertäfelten Ankleide kommt, mir in ihrer etwas unauffälligen Vorzimmerdamenschönheit sehr gut gefällt, wenn sie sich dreht, wenn ich im Profil ihren geilen Arsch sehe, und wenn es passt, erhebe ich mich gekonnt ohne Ächzen, bezahle, und sage ihr ins Ohr, dass ich sie nicht ficken werde, ohne dass wir vorher noch Schuhe kaufen waren.
Heute finde ich so etwas ganz furchtbar, es hat nichts mit meinen Überzeugungen zu tun, aber wer in so einem Geschäft sitzen will und warten, muss so sein, und mir sind in diesem Moment in Mantua keine Alternativen eingefallen, die mir für mein späteres Leben besser gefallen würden.
donalphons, 13:32h
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Unterwegs
Da geht´s die nächsten Tage parallel weiter. Fertig ist es noch nicht, ich kämpfe mit dem Layout, baut keinen Mist in den Kommentaren, viel Spass.
donalphons, 12:23h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 25. Mai 2006
Rom wir haben ein Problem
oder: Ein kleiner Betriebsunfall beim JC Takeoff Day
3... 2... 1.... and Lifto.... hoooly shit!

Hey, stop! STOP!!! We forgot to take off the goddam cross!
Brescia, Alter Dom, Blick eines Nichtchristen aus der Krypta in die Kuppel des 11. Jahrhunderts
3... 2... 1.... and Lifto.... hoooly shit!

Hey, stop! STOP!!! We forgot to take off the goddam cross!
Brescia, Alter Dom, Blick eines Nichtchristen aus der Krypta in die Kuppel des 11. Jahrhunderts
donalphons, 21:32h
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Reden wir mal über "Branding"
Als ich nach Italien gefahren bin (Symbolbild)

habe ich mir schon vorher überlegt, ob ich nicht ein eigenes Blog einrichten soll. Der Hintergrund ist persönliches Natur: Das Jahr der Ruhe geht langsam zu Ende, und ich werde in den nächsten Monaten viel unterwegs sein. Gleichzeitig haben mich schon immer die grottenschlechten kommerziellen Reiseblogs geärgert, die man bei weg.de und HLX betreibt. Reiseliteratur war ein beherrschendes Thema der europäischen Literaturgeschichte vor dem Aufkommen der Flieger und Autobahnen, die Fortbewegung auf eine kurze Zeitspanne reduzierten. Reisen ist nicht mehr unterwegs sein, Reisen ist an einem anderen Ort sein. Ich habe das nie verstanden, diese Pauschalmentalität. Ich will zu jeder Sekunde anhalten können, wenn ich etwas Schönes sehe, ich will heute nicht wissen, wo ich morgen bin, und ich glaube, dass diese Freiheit eine andere Literatur, ein anderes Blog, einen anderen Anspruch verdient als der Dreck der Agenturen.

Ich will Dinge sehen, die sonst keiner sieht. Das Kaputte, das Widerliche, das Gemeine im Schatten des Edlen, ich will es bunt und schwarzweiss, ich will es anders. Ich brauche keinen Baedeker, ich bin Kulturhistoriker, ich sehe selbst und finde allein und wenn ich mich verfahre, ist es auch egal. Ich komme aus einer engen, kleinen Stadt, hineingeboren in die dortige Oligarchie, ich will deshalb nicht verharren und dumm eingehen in den Mauern, ich will etwas sehen von der Welt, und ich will es erzählen. In Italien hätte ich jeden Tag 30.000 Zeichen schreiben können ohne anzuhalten, so voll ist es es mit Geschichten, wie aus einem Schwamm trieft es aus mir, 900 Bilder in 8 Tagen, und es waren immer noch zu wenige. All das, habe ich begriffen, braucht einen anderen Namen, unterwegs bin ich ein Anderer, auch die Mauern des Rebellmarktes sind mit zu eng, ich brauche Luft und Freiheit für die Grand Tour meiner Seele, jenseits der Kerker, der Zwänge und der Pflichten.

Die meisten gängigen URLs für das Reisen hat sich Nico Lumma gesichert, für das Malle und die Pauschalen, die All Inclusives und die Viecher auf den ausgetrampelten Wegen. Reise, Urlaub, blablabla. Es sind die Namen für Kleingeister, die sich selbst nie verlassen, was interessiert mich das Braten am Strand, ich will mehr, ich will die Grand Tour mit Kultur und Sportwagen, mir reichen 150 Liter Gepäckraum, ich ficke die Kombis mit ihrem gestapelten Müll im Heckfenster und den keifenden Blagen auf dem Rücksitz, wann sind wir denn endlich da, niemals, Du blöder Scheisser, es gibt kein da, es gibt nur das hier und jetzt und die nächste Kurve auf der Landstrasse, ich will den Wind und die Kurven, den Duft von Gummi und Zypressen, ich will das Blog, das genau das ausdrückt, was es werden soll.
Es kann nur einen Namen geben. Demnächst mehr davon.


habe ich mir schon vorher überlegt, ob ich nicht ein eigenes Blog einrichten soll. Der Hintergrund ist persönliches Natur: Das Jahr der Ruhe geht langsam zu Ende, und ich werde in den nächsten Monaten viel unterwegs sein. Gleichzeitig haben mich schon immer die grottenschlechten kommerziellen Reiseblogs geärgert, die man bei weg.de und HLX betreibt. Reiseliteratur war ein beherrschendes Thema der europäischen Literaturgeschichte vor dem Aufkommen der Flieger und Autobahnen, die Fortbewegung auf eine kurze Zeitspanne reduzierten. Reisen ist nicht mehr unterwegs sein, Reisen ist an einem anderen Ort sein. Ich habe das nie verstanden, diese Pauschalmentalität. Ich will zu jeder Sekunde anhalten können, wenn ich etwas Schönes sehe, ich will heute nicht wissen, wo ich morgen bin, und ich glaube, dass diese Freiheit eine andere Literatur, ein anderes Blog, einen anderen Anspruch verdient als der Dreck der Agenturen.

Ich will Dinge sehen, die sonst keiner sieht. Das Kaputte, das Widerliche, das Gemeine im Schatten des Edlen, ich will es bunt und schwarzweiss, ich will es anders. Ich brauche keinen Baedeker, ich bin Kulturhistoriker, ich sehe selbst und finde allein und wenn ich mich verfahre, ist es auch egal. Ich komme aus einer engen, kleinen Stadt, hineingeboren in die dortige Oligarchie, ich will deshalb nicht verharren und dumm eingehen in den Mauern, ich will etwas sehen von der Welt, und ich will es erzählen. In Italien hätte ich jeden Tag 30.000 Zeichen schreiben können ohne anzuhalten, so voll ist es es mit Geschichten, wie aus einem Schwamm trieft es aus mir, 900 Bilder in 8 Tagen, und es waren immer noch zu wenige. All das, habe ich begriffen, braucht einen anderen Namen, unterwegs bin ich ein Anderer, auch die Mauern des Rebellmarktes sind mit zu eng, ich brauche Luft und Freiheit für die Grand Tour meiner Seele, jenseits der Kerker, der Zwänge und der Pflichten.

Die meisten gängigen URLs für das Reisen hat sich Nico Lumma gesichert, für das Malle und die Pauschalen, die All Inclusives und die Viecher auf den ausgetrampelten Wegen. Reise, Urlaub, blablabla. Es sind die Namen für Kleingeister, die sich selbst nie verlassen, was interessiert mich das Braten am Strand, ich will mehr, ich will die Grand Tour mit Kultur und Sportwagen, mir reichen 150 Liter Gepäckraum, ich ficke die Kombis mit ihrem gestapelten Müll im Heckfenster und den keifenden Blagen auf dem Rücksitz, wann sind wir denn endlich da, niemals, Du blöder Scheisser, es gibt kein da, es gibt nur das hier und jetzt und die nächste Kurve auf der Landstrasse, ich will den Wind und die Kurven, den Duft von Gummi und Zypressen, ich will das Blog, das genau das ausdrückt, was es werden soll.
Es kann nur einen Namen geben. Demnächst mehr davon.

donalphons, 16:11h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 24. Mai 2006
Italien Mitte Mai
Man kann Touristenorte Anfang, Mitte Mai, nach dem ersten Ansturm zu Ostern, als schlichtweg frustrierend enpfinden. Viele Geschäfte sind zu, nichts lässt den Trubel und das Geschrei ahnen, das in wenigen Wochen über den ort hereinbrechen wird. Malcesine ist da ein Musterbeispiel: Hier kommt der Tourismus nur im Sommer her, dann aber mit aller Wucht aus Norden, wie ein stürmischer Vento, und rüttelt die alte Festungsstadt durch. Die Strassen, Plätze und Restaurants, die jetzt so leer sind, werden dann völlig verstopft sein.

Ich dagegen kann mich an dieser Leere nicht sattsehen, nicht genug meine Schritte in den engen Gassen hören, die sonst so voll sind mit schlecht angezogenem Plebs. Ich streife allein und schweigend durch den Ort, ich stehe über dem Parkplatz des örtlichen Coop im Zentrum und schaue hinter auf das Paar, dessen Hund nicht einsieht, jetzt mitzukommen. Sie versucht es mit Zureden, er hat sich solange hingesetzt und wartet. Sie haben viel Zeit. Es passiert nichts die nächsten 20 Minuten, sie bemerken mich nicht, aber diese träge, festgefrorene Zeit im Licht der Laternen hatte für mich etwas Magisches. Irgendwann steht der Hund dann auf, und sie gehen weiter.

Wenn man so allein durch die Strassen des verschlafenen Malcesines geht, nur leicht gestört durch die einzige 2-Mann-Live-Band, die Cucaracca spielt, worauf ein paar grauhaarige Touristinnen auf der Strasse vor dem Cafe wenig ansprechend tanzen, dann fallen einem so gewisse Dinge auf. Zwei Sachen sind merklich zurückgegangen. In den Fenstern ist nicht mehr so oft der blaue Schein der Glotzen wie in den 90er Jahren, als das Gebrüll aus der Kiste noch eine Metaebene des Stimmengewirrs auf der Strasse ausmachte. Und die Italiener scheinen das Telefonino, ihren Liebling der Jahrtausenwende, nicht mehr so wichtig zu nehmen, es wird weniger handyniert als in Deutschland. Es ist sehr ruhig, und es wird noch ruhiger, wenn man sich in die Lounge des Grand Hotels am See setzt, einen Tee bestellt und auf den See hinausblickt. Ich mag das, Italien im Mai.

Beim Click auf das Bild gibt es die ganze Serie mit 14 Bildern, denkt Euch selbst etwas dazu aus.

Ich dagegen kann mich an dieser Leere nicht sattsehen, nicht genug meine Schritte in den engen Gassen hören, die sonst so voll sind mit schlecht angezogenem Plebs. Ich streife allein und schweigend durch den Ort, ich stehe über dem Parkplatz des örtlichen Coop im Zentrum und schaue hinter auf das Paar, dessen Hund nicht einsieht, jetzt mitzukommen. Sie versucht es mit Zureden, er hat sich solange hingesetzt und wartet. Sie haben viel Zeit. Es passiert nichts die nächsten 20 Minuten, sie bemerken mich nicht, aber diese träge, festgefrorene Zeit im Licht der Laternen hatte für mich etwas Magisches. Irgendwann steht der Hund dann auf, und sie gehen weiter.

Wenn man so allein durch die Strassen des verschlafenen Malcesines geht, nur leicht gestört durch die einzige 2-Mann-Live-Band, die Cucaracca spielt, worauf ein paar grauhaarige Touristinnen auf der Strasse vor dem Cafe wenig ansprechend tanzen, dann fallen einem so gewisse Dinge auf. Zwei Sachen sind merklich zurückgegangen. In den Fenstern ist nicht mehr so oft der blaue Schein der Glotzen wie in den 90er Jahren, als das Gebrüll aus der Kiste noch eine Metaebene des Stimmengewirrs auf der Strasse ausmachte. Und die Italiener scheinen das Telefonino, ihren Liebling der Jahrtausenwende, nicht mehr so wichtig zu nehmen, es wird weniger handyniert als in Deutschland. Es ist sehr ruhig, und es wird noch ruhiger, wenn man sich in die Lounge des Grand Hotels am See setzt, einen Tee bestellt und auf den See hinausblickt. Ich mag das, Italien im Mai.

Beim Click auf das Bild gibt es die ganze Serie mit 14 Bildern, denkt Euch selbst etwas dazu aus.
donalphons, 01:39h
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Vorsaison in Malcesine














donalphons, 01:22h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 23. Mai 2006
Ich nannte ihn Peter
Er hiess anders. Und war auch kein Versager, wie ich ihn geschildert habe. Er war nicht allzu gut, nicht Elite, aber das war damals egal. Da konnte auch einer CEO werden, der jetzt für eine Schweizer Luftlinie rumjettet und versucht, auf Credibility zu machen. Oder Leute wie ich Berater. Anything goes. Sagen wir, Peter war guter Durchschnitt. Bevor er im Buch stirbt, denkt er noch einmal darüber nach, nach Italien zu fahren, alles hinter sich zu lassen, zu vergessen, aber das lässt man natürlich nicht zu. Wäre er gefahren, dann wäre er sicher auch nach Gargnano gekommen. Peter war ein Gardesana Occidentale Typ, die Westseite des Sees hat einfach mehr Kultur, und Gargnano wäre mit der Villa Feltrinelli sein Standort gewesen, von dem aus er den Palazzo Bettoni besucht hätte. Wenn man lange mit Leuten zusammen ist, überlegt man sich schon, was sie sich geacht haben, bevor sie gestorben sind. Der Friedhof von Gargnano hätte ihm sicher auch gefallen, hier liegen die, zu deren Schicht er gern gehört hätte.

Für die Ziele, für die Vorstellungen von dem, was da kommen mag in diesem Job, sind die Begräbnisse von Beratern schockierend banal. Wenn sich abzeichnet, dass es mit einem Probleme gibt, wenn er nicht mehr die Leistung bringt oder sonstwie aus dem Laden ausschert, wenn er nicht mehr voll dahinter steht oder man ihm den Leader nicht mehr abnimmt, wenn er also innerlich als Berater schon tot ist, dann versucht man eben, ihn rechtzeitig rauszukegeln, Grow or Go ist die Devise. Wenn er draussen stirbt, ist alles paletti, dann ist es nur was für seine verbliebenen Freunde. Nichts von wegen Massenauflauf des Netzwerks, ein paar Versprengte nur, die so irgendwie gar nicht zu den Schulfreunden passen, die auch kommen, weil man in der Kleinstadt eben kommt. Auch wenn er ihnen entfremdet war, weil er keine Zeit mehr hatte und schon vorher mit seinen Träumen von der Kunstgeschichte aneckte.

Über die Stufen hinauf zur Kapelle kommt man an den Gesichtern der Verstorbenen vorbei, noch so eine italienisch-französische Eigenart, die in Deutschland nicht in Frage kommen würde. Da steckt man ein Holzkreuz rein, irgendwann kommt unten, wo noch Platz ist, der Name auf den familiären Grabstein. Für die ehemaligen Kollegen ist sowas eine Erleichterung, weil man, wenn man ehrlich war, beim letzten Absturz aus der Sphäre der Begünstigten auch schon weggeschaut hat, oder versuchte, die Position zu sichern. Mit den Photos aus der Zeit hat es sowieso eine seltsame Bewandtnis. Alle lächeln freundlich, fast wie bei den archaischen Staaten des Tempels von Cap Sunion, wo auch die Gefallenen und Sterbenden dieses Lächeln tragen. Eine andere Regung, ein echtes Lachen gab es nicht, zumindest nicht auf den Bildern, nur in der Erinnerung.

Für die, die aus der grossen Stadt kommen, ist sowas immer ein Einschnitt. Gestorben wird in der Munich Area, man ist zum Begräbnis aber oft drei, vier Stunden unterwegs, und kann nachdenken, warum es ihn erwischt hat und nicht einen selber. Wenn es nicht das erste Mal ist, oder kurz nacheinander passiert, wird das fest gefügte Leben schnell eine flüssige Masse, die einen zu ersticken droht, selbst wenn es keine engen Freunde waren. Warum warum warum, aber vielleicht ist es ja bald soweit, vielleicht waren sie nur die early birds, der Beginn eines Trends, und wenn man sich zwei Wochen später schon wieder zu so einem Anlass trifft, ist die Frage eher: Wer ist der nächste?

Hinter der Kapelle sind die Gräber der Alpini aus dem ersten Weltkrieg. Die Front war nicht weit weg, hier waren die Lazarette, hier sind sie gestorben wie die Fliegen, ohne Kugel, Kälte oder Bajonettstich. Dass jemand mal draufgeht in einer Nacht, wegen einer Überdosis und dem falschen Zeug, ist irgendwo nachvollziehbar, wenn der Stress alles aus ihnen rausgesaugt hat und etwas am Kippen war. Dann macht man eben Fehler in der Bilanz, in der Berechnung oder in der Dosis. Vielleicht ist es auch ein Selbstmord, aber wenn, dann ist er irgendwo zwischen Vorsatz, Existenzangst und Nachlässigkeit festgefroren, ich kenne jedenfalls keinen, der einen Abschiedsbrief hinterlassen hätte. Auch nicht, wenn alles schon vorbei war und sie sich neu hätten orientieren können. Eine Chance gibt es immer, aber im Krieg tötet der Fatalismus und die Selbstaufgabe mehr Menschen als Kugeln. Sagt man.

Dass es so weit weg ist, hat andererseits den Vorteil, dass man vergessen kann. Man muss nicht jedesmal am Nordfriedhof vorbei, was ja keine schlechte Erinnerung ist, hier verschimmelt schliesslich die Drecksau, die einen Teil der Schuld hat, und die anderen Schweine werden es auch nicht mehr lange machen, so wie sie jetzt schon vegetieren. Es ist eine Gnade, diese Zeit manchmal vergessen zu dürfen, es wegschieben zu können, wenn die Erinnerung verblasst, besonders, wenn man gut schläft und lebt, dann wird es weniger, vielleicht ist es irgendwann ganz vorbei, es gibt nichts, was nicht versucht wurde, schreiben, reden, ablenken, rekapitulieren, bis die Erinnerung ausfranst.

Aber immer dann, wenn man es am wenigsten erwartet, in ganz anderem Zusammenhang und ohne Anlass, ist es wieder da, es beisst sich in das Bewusstsein, als wäre es gestern gewesen, als würde man nie geschlafen haben nach dem elenden Warten auf dem Gang, bis das Ende am Morgen kommt. Es wäre vielleicht einfacher, wenn man wüsste, dass er das eine Mal, das er beim Sterben hatte, es zumindest diesmal hierher geschafft hätte, unter die Zypressen am See und den Blick hinaus in den weissen, hellen Dunst.


Für die Ziele, für die Vorstellungen von dem, was da kommen mag in diesem Job, sind die Begräbnisse von Beratern schockierend banal. Wenn sich abzeichnet, dass es mit einem Probleme gibt, wenn er nicht mehr die Leistung bringt oder sonstwie aus dem Laden ausschert, wenn er nicht mehr voll dahinter steht oder man ihm den Leader nicht mehr abnimmt, wenn er also innerlich als Berater schon tot ist, dann versucht man eben, ihn rechtzeitig rauszukegeln, Grow or Go ist die Devise. Wenn er draussen stirbt, ist alles paletti, dann ist es nur was für seine verbliebenen Freunde. Nichts von wegen Massenauflauf des Netzwerks, ein paar Versprengte nur, die so irgendwie gar nicht zu den Schulfreunden passen, die auch kommen, weil man in der Kleinstadt eben kommt. Auch wenn er ihnen entfremdet war, weil er keine Zeit mehr hatte und schon vorher mit seinen Träumen von der Kunstgeschichte aneckte.

Über die Stufen hinauf zur Kapelle kommt man an den Gesichtern der Verstorbenen vorbei, noch so eine italienisch-französische Eigenart, die in Deutschland nicht in Frage kommen würde. Da steckt man ein Holzkreuz rein, irgendwann kommt unten, wo noch Platz ist, der Name auf den familiären Grabstein. Für die ehemaligen Kollegen ist sowas eine Erleichterung, weil man, wenn man ehrlich war, beim letzten Absturz aus der Sphäre der Begünstigten auch schon weggeschaut hat, oder versuchte, die Position zu sichern. Mit den Photos aus der Zeit hat es sowieso eine seltsame Bewandtnis. Alle lächeln freundlich, fast wie bei den archaischen Staaten des Tempels von Cap Sunion, wo auch die Gefallenen und Sterbenden dieses Lächeln tragen. Eine andere Regung, ein echtes Lachen gab es nicht, zumindest nicht auf den Bildern, nur in der Erinnerung.

Für die, die aus der grossen Stadt kommen, ist sowas immer ein Einschnitt. Gestorben wird in der Munich Area, man ist zum Begräbnis aber oft drei, vier Stunden unterwegs, und kann nachdenken, warum es ihn erwischt hat und nicht einen selber. Wenn es nicht das erste Mal ist, oder kurz nacheinander passiert, wird das fest gefügte Leben schnell eine flüssige Masse, die einen zu ersticken droht, selbst wenn es keine engen Freunde waren. Warum warum warum, aber vielleicht ist es ja bald soweit, vielleicht waren sie nur die early birds, der Beginn eines Trends, und wenn man sich zwei Wochen später schon wieder zu so einem Anlass trifft, ist die Frage eher: Wer ist der nächste?

Hinter der Kapelle sind die Gräber der Alpini aus dem ersten Weltkrieg. Die Front war nicht weit weg, hier waren die Lazarette, hier sind sie gestorben wie die Fliegen, ohne Kugel, Kälte oder Bajonettstich. Dass jemand mal draufgeht in einer Nacht, wegen einer Überdosis und dem falschen Zeug, ist irgendwo nachvollziehbar, wenn der Stress alles aus ihnen rausgesaugt hat und etwas am Kippen war. Dann macht man eben Fehler in der Bilanz, in der Berechnung oder in der Dosis. Vielleicht ist es auch ein Selbstmord, aber wenn, dann ist er irgendwo zwischen Vorsatz, Existenzangst und Nachlässigkeit festgefroren, ich kenne jedenfalls keinen, der einen Abschiedsbrief hinterlassen hätte. Auch nicht, wenn alles schon vorbei war und sie sich neu hätten orientieren können. Eine Chance gibt es immer, aber im Krieg tötet der Fatalismus und die Selbstaufgabe mehr Menschen als Kugeln. Sagt man.

Dass es so weit weg ist, hat andererseits den Vorteil, dass man vergessen kann. Man muss nicht jedesmal am Nordfriedhof vorbei, was ja keine schlechte Erinnerung ist, hier verschimmelt schliesslich die Drecksau, die einen Teil der Schuld hat, und die anderen Schweine werden es auch nicht mehr lange machen, so wie sie jetzt schon vegetieren. Es ist eine Gnade, diese Zeit manchmal vergessen zu dürfen, es wegschieben zu können, wenn die Erinnerung verblasst, besonders, wenn man gut schläft und lebt, dann wird es weniger, vielleicht ist es irgendwann ganz vorbei, es gibt nichts, was nicht versucht wurde, schreiben, reden, ablenken, rekapitulieren, bis die Erinnerung ausfranst.

Aber immer dann, wenn man es am wenigsten erwartet, in ganz anderem Zusammenhang und ohne Anlass, ist es wieder da, es beisst sich in das Bewusstsein, als wäre es gestern gewesen, als würde man nie geschlafen haben nach dem elenden Warten auf dem Gang, bis das Ende am Morgen kommt. Es wäre vielleicht einfacher, wenn man wüsste, dass er das eine Mal, das er beim Sterben hatte, es zumindest diesmal hierher geschafft hätte, unter die Zypressen am See und den Blick hinaus in den weissen, hellen Dunst.

donalphons, 01:00h
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Innenhöfe
Für Italienkenner dürfte es die langweiligste Sache der Wekt sein, aber: Es lohnt sich, wenn die Tore offen sind, in den Städten Venziens und der Lombardei einen Blick in die Innenhöfe zu werfen.

Ein paar kleine Impressionen vom Palazzo Ducale in Mantua über Klöster bishin zu Privatgärten und Details. Beim Click auf das Bild.
what the fuck am I doing here?

Ein paar kleine Impressionen vom Palazzo Ducale in Mantua über Klöster bishin zu Privatgärten und Details. Beim Click auf das Bild.
what the fuck am I doing here?
donalphons, 16:04h
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Innenhofbilder: Brescia, Verona, Mantua











donalphons, 16:03h
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