Samstag, 25. August 2012
Von Rom nach London
Das Label Glossa hat in den letzten Jahren die italienischen Gesangswerke von Händel veröffentlicht, zum Teil mit spektakulären Aufnahmen, wie mit Roberta "Nazionale" Invernizzi, gegen die jede Netrebko halt nur eine Netrebko ist, und auch so klingt, als würde sich ein verstaubter Feuiletonist dafür mit dem Zug nach Salzburg bemühen und in der Pause eine Wurst essen. Roberta Invernizzi dagegen singt, dass keine Fehlzündung eines Fiat Ottovu in den engen Gassen von Siena dagegen ankommt.
Ich hatte die CDs auf jeder Italienreise der letzten 4 Jahre dabei, und wenn man erst mal auf der anderen Seite der Berge ist, stimmt alles. Das sind die Momente, da sich der Geist vom Körper löst, sich über das Auto erhebt und entlang der Kurven über den Seen mitfliegt, sich am Gesamtbild erfreut und sagt: So möchte man sein. Und so sind auch die Aufnahmen und die Musik, stimmig, emotional, man möchte aussteigen und heulen. Und wenn jemand sagt, es gäbe eine neue CD mit Arien von Händel, denke ich deshalb nicht lange nach und kaufe ich sie. Ohne reinzuhören. Der ideale Ort zur Probe ist am Steuer meines Wagens, offen, auf einer Landstrasse.
Bei den italienischen Werken hatte ich immer den Eindruck, als würde die Landschaft hier in Bayern in Süden wie eine Nudel in Trüffelbutter ersäuft. Ohne Händel ist es Bayern, mit Händel Nordnorditalien. Die neue CD enthält jedoch die Arien, die Händel in späteren Jahren in London geschrieben hat. Man singt Englisch, man singt halsbrecherisch auf den Effekt hin, man möchte etwas erreichen. Und man erreicht es: Die Landschaft gefriert wie Eisbein mit Gurke in Aspik. Das mögen wirklich kunstvolle Arien sein, aber sie sind so tot wie das Gewissen eines Londoner Banksters und so aufdringlich wie ein Vertreter für Immobilienfonds.
Ich habe es mit einer Freundin ausprobiert, und wir sind uns da einig: Die Musik passt überhaupt nicht zum Tanz in den Kurven und zur Freude der Bewegung. Wir erklären es uns so, dass Händel in Italien von einem reichen Gönner zum nächsten flatterte, und entsprechend leicht seine Musik zauberte. In London dagegen war er Unternehmer und schrieb nicht mehr für Einzelpersonen, denen das Geld locker sass, sondern für jeden, der ein paar Münzen für den Eintritt bezahlte. In Italien konnte er komponieren, was er wollte, in London musste er schreiben, was das Publikum wollte, und zwar in nicht wirklich angenehmen Atmosphären: Seine Sänger traten durchaus in Örtlichkeiten auf, die man heute als "Vergnügungspark" bezeichnen würde. Da musste natürlich Effekt und Sensation sein. So klingt das auch, Aber das passt nicht zum angenehmen Fluss einer kleinen, offenen Reise.
Und - es ist kalt. Ich kann es nicht anders umschreiben, vielleicht hat das auch mit den Sängern zu tun, die sich auf die Effekte konzentrieren, und nicht auf die Handlung der Opern und Kantaten, wie ich das den Sängerinnen bei Glossa unterstelle. Dieser Londoner Händel, er spricht englisch, aber nicht zu mir. Er berührt mich nicht. Für Easy Listening ist es zu auffällig und für Liebe zu berechnend. Ich setze neben einer schönen Frau, der Motor dreht hoch, der Wagen fliegt durch die Kurven, und es tut sich nichts. Jede andere Musik wäre besser. Italiensiche Hits der 7oer wären besser. Eine Monumentalmesse wäre besser. Roberta Invernizzi wäre perfekt, und sie ist zum Glück auf CD im Handschuhfach, und Bayern erstahlt auf dem Rückweg unter dem wieder italienischen Himmel.
Händel erblindete in London, und er wurde dort zum gefeierten Unternehmer und Millionär. Da ist ein Zusammenhang.
In Italien war er nur glücklich, nehme ich an.
Ich hatte die CDs auf jeder Italienreise der letzten 4 Jahre dabei, und wenn man erst mal auf der anderen Seite der Berge ist, stimmt alles. Das sind die Momente, da sich der Geist vom Körper löst, sich über das Auto erhebt und entlang der Kurven über den Seen mitfliegt, sich am Gesamtbild erfreut und sagt: So möchte man sein. Und so sind auch die Aufnahmen und die Musik, stimmig, emotional, man möchte aussteigen und heulen. Und wenn jemand sagt, es gäbe eine neue CD mit Arien von Händel, denke ich deshalb nicht lange nach und kaufe ich sie. Ohne reinzuhören. Der ideale Ort zur Probe ist am Steuer meines Wagens, offen, auf einer Landstrasse.
Bei den italienischen Werken hatte ich immer den Eindruck, als würde die Landschaft hier in Bayern in Süden wie eine Nudel in Trüffelbutter ersäuft. Ohne Händel ist es Bayern, mit Händel Nordnorditalien. Die neue CD enthält jedoch die Arien, die Händel in späteren Jahren in London geschrieben hat. Man singt Englisch, man singt halsbrecherisch auf den Effekt hin, man möchte etwas erreichen. Und man erreicht es: Die Landschaft gefriert wie Eisbein mit Gurke in Aspik. Das mögen wirklich kunstvolle Arien sein, aber sie sind so tot wie das Gewissen eines Londoner Banksters und so aufdringlich wie ein Vertreter für Immobilienfonds.
Ich habe es mit einer Freundin ausprobiert, und wir sind uns da einig: Die Musik passt überhaupt nicht zum Tanz in den Kurven und zur Freude der Bewegung. Wir erklären es uns so, dass Händel in Italien von einem reichen Gönner zum nächsten flatterte, und entsprechend leicht seine Musik zauberte. In London dagegen war er Unternehmer und schrieb nicht mehr für Einzelpersonen, denen das Geld locker sass, sondern für jeden, der ein paar Münzen für den Eintritt bezahlte. In Italien konnte er komponieren, was er wollte, in London musste er schreiben, was das Publikum wollte, und zwar in nicht wirklich angenehmen Atmosphären: Seine Sänger traten durchaus in Örtlichkeiten auf, die man heute als "Vergnügungspark" bezeichnen würde. Da musste natürlich Effekt und Sensation sein. So klingt das auch, Aber das passt nicht zum angenehmen Fluss einer kleinen, offenen Reise.
Und - es ist kalt. Ich kann es nicht anders umschreiben, vielleicht hat das auch mit den Sängern zu tun, die sich auf die Effekte konzentrieren, und nicht auf die Handlung der Opern und Kantaten, wie ich das den Sängerinnen bei Glossa unterstelle. Dieser Londoner Händel, er spricht englisch, aber nicht zu mir. Er berührt mich nicht. Für Easy Listening ist es zu auffällig und für Liebe zu berechnend. Ich setze neben einer schönen Frau, der Motor dreht hoch, der Wagen fliegt durch die Kurven, und es tut sich nichts. Jede andere Musik wäre besser. Italiensiche Hits der 7oer wären besser. Eine Monumentalmesse wäre besser. Roberta Invernizzi wäre perfekt, und sie ist zum Glück auf CD im Handschuhfach, und Bayern erstahlt auf dem Rückweg unter dem wieder italienischen Himmel.
Händel erblindete in London, und er wurde dort zum gefeierten Unternehmer und Millionär. Da ist ein Zusammenhang.
In Italien war er nur glücklich, nehme ich an.
donalphons, 22:52h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 26. November 2008
La Pellegrina, Intermediii 1589
es ist keine ganz schlechte Idee, sich in Zeiten wie diesen etwas zu entkoppeln vom Feindlichen da draussen, das nicht nur die geplatzten Giganten wie Lycos und vielleicht auch bald Trash wie Zoomer.de trifft, sondern - wenn ich ehrlich bin, ich kenne im Moment nur drei sorgenfreie Journalisten, und die schreiben nichts, was öffentlich zu lesen oder am Kiosk zu kaufen wäre. Was ich höre, ist wirklich kein Spass; Werbeseiten sind demzufolge nur noch mit extremen Rabatten zu verkaufen, wenn überhaupt. Das ist insofern ärgerlich, weil Verlage schon 2000 bis 2003 erlebt haben, wo die Abhängigkeit von Werbung führen kann. Aber wie der Junkie an der Nadel haben sie auch diesmal nicht in die Qualität, sondern nur in die Vermarktbarkeit investiert, und - nun, ich habe ja gesagt, dass ich meine Kinder eher auf den Bau schicken würde, und die werbekäuflichen Pfeifen, die das uncool fanden, haben sicher noch ein paar Jahreszeiten vor sich, ihre damaligen Aufschreie zu überdenken. Und nein, ich würde mein Frühstück nicht mit ihnen teilen wollen. Auch mein Silber kann ich noch selber putzen - sie sollten bitte in freudlosen Orten bleiben.
Wir Alten wissen ja noch aus der New Economy, wie schnell es jetzt in den nächsten Wochen gehen wird, und ehrlich: Diesmal hätte ich gar keine Lust, das bei Dotcomtod breitzutreten, auch wenn es einen Haufen Neoliberale und Contentverticker erwischt. Ich möchte eigentlich nur in Ruhe und Gelassenheit durchkommen, mein ganzes Streben der letzten Monate war, mich von den Krisenherden zu entfernen. Hilfreich ist dabei auch ein angenehmer Strom schöner CDs mit ruhiger Musik. Daheim höre ich gerade häufig eine sehr feine, neu erschienene Platte mit Intermedii, Zwischenspielen der Spätrenaissance und der manierismus. Intermedii begannen ihre Karriere als einfache Unterbrechungen zwischen den grossen Spektakeln des Hofzeremoniells, wurden im Verlauf des 16. jahrhunderts pompöser und umfangreicher, bis sie eine eigene Kunstgattung darstellten und zu einer Frühform der Oper wurden. Das Capriccio Stravagante Renaissance Orchester und das Collegium Vocale Gent haben unter Skip Sempe nun ,mit La Pellegrina den Höhepunkt dieser Kunstgattung aufgenommen, ein grandioses Schauspiel zwischen Theater, Madrigalgesang, Tanzmusik und Prachtentfaltung, die den Hörer entführt, in den Saal der Monate in Ferrara oder mediceischen Gärten um Florenz.
Thematisch, das gebe ich gerne zu, bringt mich diese Inszenierung griechischer Sagen wie schon die Zeitgenossen an den Rand meines mythologischen Wissens, was erklärtermassen angesichts meiner Studien peinlich ist - aber der Winter wird lange dauern, im Regal sind drei Meter klassische Archäologie, und etwas mehr Bildung schadet keinem. Aber auch ohne Verständnis des Dargebotenen ist es angenehm zu hören, Musik mit Mass und Ruhe, in der so vieles angelegt ist, was später die Musikwelt bereichert. Erste Bildungslücken behebt die zweite CD, in der Skip Sempé die Natur der Intermedii erklärt. Was ich ein wenig schade fand, ist die akademische Natur der Aufnahme; man kann davon ausgehen, dass die originalen Schauspiele Musik und Handlung dynamischer und - wir befinden uns schliesslich in einer extrem lebensfreudigen Epoche - lasziver waren. Ich würde die Intermedii gerne sehen, wie sie waren, ich würde gerne die für damalige Verhältnisse unfassbar teuren Feste feiern, die sie umgaben, und weil es so nicht kommen wird, bleibt mir diese CD, und ein Blick in die Speisepläne der Zeit, um das ein oder andere dazu zu geniessen.
und ja, ich halte sie auch für also dieses konsumfest da, das die christen feiern, tauglich. besser jedenfalls als jingle bells von youtube.
Ich würde übrigens raten, die CD entweder direkt bei Paradizo zu bestellen, oder im fähigen Plattenhandel - dort erhält man nämlich auch die Sampling-CD "Pandora´s Box", was ein wirklich hübscher Name für einen Kaufanreiz dieses neuen Labels ist.
Wir Alten wissen ja noch aus der New Economy, wie schnell es jetzt in den nächsten Wochen gehen wird, und ehrlich: Diesmal hätte ich gar keine Lust, das bei Dotcomtod breitzutreten, auch wenn es einen Haufen Neoliberale und Contentverticker erwischt. Ich möchte eigentlich nur in Ruhe und Gelassenheit durchkommen, mein ganzes Streben der letzten Monate war, mich von den Krisenherden zu entfernen. Hilfreich ist dabei auch ein angenehmer Strom schöner CDs mit ruhiger Musik. Daheim höre ich gerade häufig eine sehr feine, neu erschienene Platte mit Intermedii, Zwischenspielen der Spätrenaissance und der manierismus. Intermedii begannen ihre Karriere als einfache Unterbrechungen zwischen den grossen Spektakeln des Hofzeremoniells, wurden im Verlauf des 16. jahrhunderts pompöser und umfangreicher, bis sie eine eigene Kunstgattung darstellten und zu einer Frühform der Oper wurden. Das Capriccio Stravagante Renaissance Orchester und das Collegium Vocale Gent haben unter Skip Sempe nun ,mit La Pellegrina den Höhepunkt dieser Kunstgattung aufgenommen, ein grandioses Schauspiel zwischen Theater, Madrigalgesang, Tanzmusik und Prachtentfaltung, die den Hörer entführt, in den Saal der Monate in Ferrara oder mediceischen Gärten um Florenz.
Thematisch, das gebe ich gerne zu, bringt mich diese Inszenierung griechischer Sagen wie schon die Zeitgenossen an den Rand meines mythologischen Wissens, was erklärtermassen angesichts meiner Studien peinlich ist - aber der Winter wird lange dauern, im Regal sind drei Meter klassische Archäologie, und etwas mehr Bildung schadet keinem. Aber auch ohne Verständnis des Dargebotenen ist es angenehm zu hören, Musik mit Mass und Ruhe, in der so vieles angelegt ist, was später die Musikwelt bereichert. Erste Bildungslücken behebt die zweite CD, in der Skip Sempé die Natur der Intermedii erklärt. Was ich ein wenig schade fand, ist die akademische Natur der Aufnahme; man kann davon ausgehen, dass die originalen Schauspiele Musik und Handlung dynamischer und - wir befinden uns schliesslich in einer extrem lebensfreudigen Epoche - lasziver waren. Ich würde die Intermedii gerne sehen, wie sie waren, ich würde gerne die für damalige Verhältnisse unfassbar teuren Feste feiern, die sie umgaben, und weil es so nicht kommen wird, bleibt mir diese CD, und ein Blick in die Speisepläne der Zeit, um das ein oder andere dazu zu geniessen.
und ja, ich halte sie auch für also dieses konsumfest da, das die christen feiern, tauglich. besser jedenfalls als jingle bells von youtube.
Ich würde übrigens raten, die CD entweder direkt bei Paradizo zu bestellen, oder im fähigen Plattenhandel - dort erhält man nämlich auch die Sampling-CD "Pandora´s Box", was ein wirklich hübscher Name für einen Kaufanreiz dieses neuen Labels ist.
donalphons, 16:09h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 5. September 2008
Heute und Morgen in Schwaz
Es fängt ganz normal am Tegernsee an.
Es geht weiter nach Tirol an den Achensee.
Das ist das Zentrum von Schwaz, die vierschiffige und dadurch leicht psychodelische wirkende Kirche Maria Himmelfahrt.
Als wäre das zusätzliche Kirchenschiff nicht schon verwirrend genug, ist das Innere zusätzlich durch das spätgotische Rippengewölbe aufgebrochen; ein reichlich verrückter Ort der Kunstgeschichte für Bergleute, die zwischen den klaustrophobischen Gängen des Silberwerkes und den giftigen Quecksilberdämpfen beim Auslösen des Edelmetalls ohnehin schon zu den psychisch eher labilen Zeitgenossen gehörten.
Dazu passen aktuell im Kirchenschiff verteilte Gerätschaften, die wie Staubsauger, Guillotinen, Orgeln, Foltergeräte oder Alphörner aussehen und - gerade für Kirchenräunme - ungewöhnlich klingen. Eine Bambusorgel. Es gibt davon weltweit nur ein einziges Stück, und das steht gerade in Schwaz.
Hans van Koolwijk, Amsterdam: Bambuso Sonoro
Hans van Eck, Amsterdam: Computer.
Morgen wäre dann das grosse Finale. Extreme Töne in einem extremen Raum der europäischen Kunst.
http://www.avantgarde-tirol.at/
Es geht weiter nach Tirol an den Achensee.
Das ist das Zentrum von Schwaz, die vierschiffige und dadurch leicht psychodelische wirkende Kirche Maria Himmelfahrt.
Als wäre das zusätzliche Kirchenschiff nicht schon verwirrend genug, ist das Innere zusätzlich durch das spätgotische Rippengewölbe aufgebrochen; ein reichlich verrückter Ort der Kunstgeschichte für Bergleute, die zwischen den klaustrophobischen Gängen des Silberwerkes und den giftigen Quecksilberdämpfen beim Auslösen des Edelmetalls ohnehin schon zu den psychisch eher labilen Zeitgenossen gehörten.
Dazu passen aktuell im Kirchenschiff verteilte Gerätschaften, die wie Staubsauger, Guillotinen, Orgeln, Foltergeräte oder Alphörner aussehen und - gerade für Kirchenräunme - ungewöhnlich klingen. Eine Bambusorgel. Es gibt davon weltweit nur ein einziges Stück, und das steht gerade in Schwaz.
Hans van Koolwijk, Amsterdam: Bambuso Sonoro
Hans van Eck, Amsterdam: Computer.
Morgen wäre dann das grosse Finale. Extreme Töne in einem extremen Raum der europäischen Kunst.
http://www.avantgarde-tirol.at/
donalphons, 01:45h
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Sonntag, 20. Juli 2008
Mayumi Hirasaki, Barockvioline,
Concerto Es-Dur für Violine, Streicher und Basso continuo von Antonio Vivaldi, Op. 8 No. 5, RV 253.
(Grossbild)
Wenn schon Sonntag in der Provinz, dann genau so.
(Grossbild)
Wenn schon Sonntag in der Provinz, dann genau so.
donalphons, 15:48h
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Dienstag, 22. April 2008
out in the woods 2
(Danach Klavierkonzerte von Bach in Schloss Tegernsee, sehr fein (und ausserdem ist heute earth day))
donalphons, 10:30h
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Samstag, 8. März 2008
ma non troppo III: Biagio Marini & Dario Castello
Vor anderthalb Jahren habe ich am Originalschauplatz die Werke von Biagio Marini, eines der wichtigsten Vertreters des sogenannten Stil Moderno in der Nachfolge von Monteverdi gehört. Das ist hier nicht besonders schwer, denn Marini, der in der ersten Hälfte des 17. jahrhunderts als neuer Orpheus galt, verbrachte seine Hauptschaffenszeit weder im heimischen Brescia, noch in Venedig; viel mehr floh er von dort, um 26 Jahre seines Lebens in Neuburg an der Donau zu verbringen und dort zu heiraten. In Neuburg eine Neuburgerin. Nachdem ich am Rand des katastrophengebiets wohne, kann ich über Marini sagen: Genies haben manchmal die verrücktesten Einfälle.
Das Konzert war sehr ansprechend, fast ein wenig schmissig, was nicht überrascht, gilt marini heute doch eher als Schreiber von Gassenhauern, was wohl auch dem säkular-höfischen Umfeld in Bayern geschuldet war, das er mit seinen Kompositionen bediente. Was den Konzertbesucher in die Zeiten des wilden Hoflebens mit seinen Jagden, Festen und kriegerischen Auseinandersetzungen fortträgt, ist nicht unbedingt das, was Musikwissenschaftlern zusagt. Denen dürfte die sehr, sehr kluge und feine Einspielung eines angenehmen Quarschnitts durch das Schaffen Marinis von La Fenice sehr gefallen, die mir der CD-Händler meines Vertrauens heute auf dem Weg zum Wochenmarkt verkaufte:
Ja. Oh ja. Ich liebe Tonträger, die man ohne Stilbruch auf dem Frühstückstisch herumliegen lassen kann, die offen und geschlossen und im Regal einen guten Eindruck machen. Solche CDs sind wie Gäste, die dem Gastgeber zur Ehre gereichen, zumal, wenn ich dergestalt einen Marini entdecken darf, den ich so nicht kannte. Ich bin kein grosser Freund englischer Worte, aber bei dieser Aufnahme hatte ich ständig das Wort "sophisticated" im Kopf. La Fenice holt viel, sehr viel aus den Noten Marinis, arbeitet mit schnellen Wechseln und kontrastreichen Effekten; die Musik ist dabei noch nicht so durchentwickelt wie später unter Lully, Torelli oder Stradella, man merkt die Übergangszeit, in der vieles ausprobiert wird, was später beeinflusst, aber nicht zwingend übernommen wird.
Verkürzt, sehr verkürzt gesagt stehen Marini wie auch Castello für eine Unterordnung der menschlichen Stimme unter die Instrumente; Marini bevorzugte die Geige, und obwohl auf der zweiten CD ein wirklich exzellentes "Exultate Deo" zu finden ist, liegt beim - mutmasslichen - Venezianer Castello der Schwerpunkt auf den Blechbläsern. Ich habe die leise Befürchtung, dass man auf einer schlechten Anlage kaum die manieristische Detailfülle und die Räumlichkeit erfassen kann, die für mich einen grossen Teil der Faszination dieser absolut nicht massenkompatiblen Aufnahme ausmachen: Auf der Castello-CD ist eine Echosonate für Horn zu finden, die gnadenlos aufzeigen dürfte, ob die Boxen wirklich räumlich abbilden können, und die Orgelfundamente bei Marini bringen auch meinen nicht ganz schlechten und meist chronisch unterforderten Tieftöner in ordentliche Leistungsbereiche.
Sehr oft fällt mir beim Hören instinktiv ein, in welcher Lebenslage ich die Musik haben möchte; es gibt Pässe, die verlangen nach Fasch, und Spaziergänge, die nach Händel fragen; bei diesen CDs bin ich mir noch etwas unschlüssig, sie "sprechen" nicht direkt den Bauch an, wie eine sehr kluge, jedoch bewusst nicht allzu verführerische Frau; aber ich weiss, dass sie mir nach ein paar mal Hören sehr, manches gar exzellent gefallen wird. Dass ich dennoch mit so einer unemotionalen und unschlüssigen Haltung meine Empfehlung ausspreche, liegt am Angebot: Das Label Ricercar bietet nicht nur eine Vorhörfunktion im Netz, sondern beide CDs für den Preis von einer an. Ohne, dass darunter Gestaltung, Information oder Qualität leiden würden.
Das Konzert war sehr ansprechend, fast ein wenig schmissig, was nicht überrascht, gilt marini heute doch eher als Schreiber von Gassenhauern, was wohl auch dem säkular-höfischen Umfeld in Bayern geschuldet war, das er mit seinen Kompositionen bediente. Was den Konzertbesucher in die Zeiten des wilden Hoflebens mit seinen Jagden, Festen und kriegerischen Auseinandersetzungen fortträgt, ist nicht unbedingt das, was Musikwissenschaftlern zusagt. Denen dürfte die sehr, sehr kluge und feine Einspielung eines angenehmen Quarschnitts durch das Schaffen Marinis von La Fenice sehr gefallen, die mir der CD-Händler meines Vertrauens heute auf dem Weg zum Wochenmarkt verkaufte:
Ja. Oh ja. Ich liebe Tonträger, die man ohne Stilbruch auf dem Frühstückstisch herumliegen lassen kann, die offen und geschlossen und im Regal einen guten Eindruck machen. Solche CDs sind wie Gäste, die dem Gastgeber zur Ehre gereichen, zumal, wenn ich dergestalt einen Marini entdecken darf, den ich so nicht kannte. Ich bin kein grosser Freund englischer Worte, aber bei dieser Aufnahme hatte ich ständig das Wort "sophisticated" im Kopf. La Fenice holt viel, sehr viel aus den Noten Marinis, arbeitet mit schnellen Wechseln und kontrastreichen Effekten; die Musik ist dabei noch nicht so durchentwickelt wie später unter Lully, Torelli oder Stradella, man merkt die Übergangszeit, in der vieles ausprobiert wird, was später beeinflusst, aber nicht zwingend übernommen wird.
Verkürzt, sehr verkürzt gesagt stehen Marini wie auch Castello für eine Unterordnung der menschlichen Stimme unter die Instrumente; Marini bevorzugte die Geige, und obwohl auf der zweiten CD ein wirklich exzellentes "Exultate Deo" zu finden ist, liegt beim - mutmasslichen - Venezianer Castello der Schwerpunkt auf den Blechbläsern. Ich habe die leise Befürchtung, dass man auf einer schlechten Anlage kaum die manieristische Detailfülle und die Räumlichkeit erfassen kann, die für mich einen grossen Teil der Faszination dieser absolut nicht massenkompatiblen Aufnahme ausmachen: Auf der Castello-CD ist eine Echosonate für Horn zu finden, die gnadenlos aufzeigen dürfte, ob die Boxen wirklich räumlich abbilden können, und die Orgelfundamente bei Marini bringen auch meinen nicht ganz schlechten und meist chronisch unterforderten Tieftöner in ordentliche Leistungsbereiche.
Sehr oft fällt mir beim Hören instinktiv ein, in welcher Lebenslage ich die Musik haben möchte; es gibt Pässe, die verlangen nach Fasch, und Spaziergänge, die nach Händel fragen; bei diesen CDs bin ich mir noch etwas unschlüssig, sie "sprechen" nicht direkt den Bauch an, wie eine sehr kluge, jedoch bewusst nicht allzu verführerische Frau; aber ich weiss, dass sie mir nach ein paar mal Hören sehr, manches gar exzellent gefallen wird. Dass ich dennoch mit so einer unemotionalen und unschlüssigen Haltung meine Empfehlung ausspreche, liegt am Angebot: Das Label Ricercar bietet nicht nur eine Vorhörfunktion im Netz, sondern beide CDs für den Preis von einer an. Ohne, dass darunter Gestaltung, Information oder Qualität leiden würden.
donalphons, 21:24h
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Sonntag, 17. Februar 2008
ma non troppo II: Fernado Sor, Seguidillas Boleras
Eine der reizvollsten Aufgaben der Kulturgeschichte könnte es sein, eine exemplarische Kulturgeschichte der kulturgeschichtlichen Missverständnisse und fehleinschätzungen zu schreiben. Das Problem ist allenfalls die Auswahl der schönsten Beispiele: Das Bild, das sich die Aufklärung von China machte, oder die Bilder, die man in Japan von europäischen Händlern herstellte? Das Mittelalter des verklärenden deutsche Historismus oder der verklärte amerikanische Futurismus der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts? Europas Sucht nach orientalischen Odalisken, deren Vorbilder aufgrund der gewünschten, üppigen Körperlichkeit dafür sicher nicht taugten, oder wiederum deren lächerliche Sucht nach europäischen Silbermünzen, weil der darauf abgebildete fette Ludwig XIV. mit seiner Perücke wiederum dem weiblichen Schönheitsideal entsprach?
Sublimierung nennt der Psychologe diesen Prozess, der in Krankheit ausartet. Seien es im Negativen die armen Würste, die wegen der Unerhörtheit ihrer Wünsche durch meine Bekannte Iris jahrelang, genauer bis zu ihrer Scheidung, die Kissen vollheulten, es dann nochmal - vergeblich - probierten und sich seitdem in unverbrüchlicher Treue und cretinöser Empörung an der Seite des gehörnten Ex-Gatten finden, oder aber im Positiven die wüste Sinnlichkeit, die man in Frankreich von Spaniern haben wollte: Legte Calderon de la Barca selbst noch ein paar verurteilenswerte Sünden in seine Theaterstücke, griffen über zwei Jahrhunderte Lesage, Voltaire, Diderot und Mérimée diese Legenden von Wollust und Leidenschaft auf und bastelten sich daraus das jeweils genehme Spanienbild, bis zum Höhepunkt unter Jan Graf Potozky, der Spaniens falschen Ruhm der Sinnlichkeit mit der schwül-erotische Handschrift von Saragossa für immer in die Geschichte der Missverständnisse eintrug.
Die Folge dieser Schriften war eine grosse musikalische Spanienmode, der wir den Barbier von Sevilla verdanken, die Carmen, den Troubadour, und, da sind wir auch schon beim Thema
den Barden Fernando Sor. Ich persönlich kann mit romantischer Liedsingerei einmal durch den Kontinent getrieben werden, und mag auch der von mir geschätzte Heine vertont worden sein: Niemals! Ich ertrage viel, aber Liederabende gehen gar nicht, Müllerin, Kindertotenlieder, Wesendonk und Forelle würde ich zusammen in den hellen Bach kippen und mit munterer Eil draufsteigen, bis das Gegurgle ein Ende hat.
Aber diesmal war es anders: Obige CD jedoch hörte ich, ohne zu wissen, was es ist, fand es aber sehr spanisch, sehr gittarös und catagnettiert, voller Schmelz und Timbre, süsseste spanische Weisen mit ganz, ganz leichten Männerchoranleihen - aber nicht der gekünstelte Männerchor der Romantik a la castrata, keinerlei Tenoreunchen, sondern eher der lauschige Gesangsverein, den Tucholski singen liess:
"Wenn die Igel in der Abendstunde
still nach ihren Mäusen gehn,
hing auch ich an Deinem Munde
und es war um mich geschehen."
Kurz, auch ich bin, wenn ich das Booklet der CD nicht lese, empfänglich für Missverständnisse. Denn Fernando Sor war durchaus Spanier, aber einer der eher ungewöhnlich aufgeklärten Sorte: 1778 in Barcelona geboren, schloss er sich während der Revolutionskriege der napoleonischen Seite an, übernahm ein Amt und musste 1813 Spanien für immer verlassen. Aber in Erinnerung an Barcelona erfand er spanisch anmutende Lieder für Solisten, Gitarre und kleine Ensembles, die mit ihrer Thematik - man ahnt es, Verehrung, Liebe, Beschlaf und wollüstigen Tod - auch dem reaktionärsten Biedemeier erlaubten, im Salon den spanischen Stier rauszulassen. So, wie heute für die Freundinnen das, was auf Malle passierte, Urlaub war und deshalb nicht zählte, konnte man sich damals mit Sors Liedern Extravaganzen erlauben, für die man anderweitig einen Tritt bis zum Brunnen vor dem Tore erhalten hätte. Deshalb klingt es auch so, wie soll ich sagen, na, ganz anders als das, was man sonst aus der Gattung Kunstlied kennt. Verfeinerte, raffinierte Volksmusik, die nur den einen Zweck kennt - nach der Gitarre das Strumpfband zu zupfen.
Fernado Sor, Seguidillas Boleras, brilliant gesungen und eingespielt von Xavier Diaz-Latorre (allein schon der Name!) und Laberintos Ingeniosos, erschienen bei Zig-Zag.
Sublimierung nennt der Psychologe diesen Prozess, der in Krankheit ausartet. Seien es im Negativen die armen Würste, die wegen der Unerhörtheit ihrer Wünsche durch meine Bekannte Iris jahrelang, genauer bis zu ihrer Scheidung, die Kissen vollheulten, es dann nochmal - vergeblich - probierten und sich seitdem in unverbrüchlicher Treue und cretinöser Empörung an der Seite des gehörnten Ex-Gatten finden, oder aber im Positiven die wüste Sinnlichkeit, die man in Frankreich von Spaniern haben wollte: Legte Calderon de la Barca selbst noch ein paar verurteilenswerte Sünden in seine Theaterstücke, griffen über zwei Jahrhunderte Lesage, Voltaire, Diderot und Mérimée diese Legenden von Wollust und Leidenschaft auf und bastelten sich daraus das jeweils genehme Spanienbild, bis zum Höhepunkt unter Jan Graf Potozky, der Spaniens falschen Ruhm der Sinnlichkeit mit der schwül-erotische Handschrift von Saragossa für immer in die Geschichte der Missverständnisse eintrug.
Die Folge dieser Schriften war eine grosse musikalische Spanienmode, der wir den Barbier von Sevilla verdanken, die Carmen, den Troubadour, und, da sind wir auch schon beim Thema
den Barden Fernando Sor. Ich persönlich kann mit romantischer Liedsingerei einmal durch den Kontinent getrieben werden, und mag auch der von mir geschätzte Heine vertont worden sein: Niemals! Ich ertrage viel, aber Liederabende gehen gar nicht, Müllerin, Kindertotenlieder, Wesendonk und Forelle würde ich zusammen in den hellen Bach kippen und mit munterer Eil draufsteigen, bis das Gegurgle ein Ende hat.
Aber diesmal war es anders: Obige CD jedoch hörte ich, ohne zu wissen, was es ist, fand es aber sehr spanisch, sehr gittarös und catagnettiert, voller Schmelz und Timbre, süsseste spanische Weisen mit ganz, ganz leichten Männerchoranleihen - aber nicht der gekünstelte Männerchor der Romantik a la castrata, keinerlei Tenoreunchen, sondern eher der lauschige Gesangsverein, den Tucholski singen liess:
"Wenn die Igel in der Abendstunde
still nach ihren Mäusen gehn,
hing auch ich an Deinem Munde
und es war um mich geschehen."
Kurz, auch ich bin, wenn ich das Booklet der CD nicht lese, empfänglich für Missverständnisse. Denn Fernando Sor war durchaus Spanier, aber einer der eher ungewöhnlich aufgeklärten Sorte: 1778 in Barcelona geboren, schloss er sich während der Revolutionskriege der napoleonischen Seite an, übernahm ein Amt und musste 1813 Spanien für immer verlassen. Aber in Erinnerung an Barcelona erfand er spanisch anmutende Lieder für Solisten, Gitarre und kleine Ensembles, die mit ihrer Thematik - man ahnt es, Verehrung, Liebe, Beschlaf und wollüstigen Tod - auch dem reaktionärsten Biedemeier erlaubten, im Salon den spanischen Stier rauszulassen. So, wie heute für die Freundinnen das, was auf Malle passierte, Urlaub war und deshalb nicht zählte, konnte man sich damals mit Sors Liedern Extravaganzen erlauben, für die man anderweitig einen Tritt bis zum Brunnen vor dem Tore erhalten hätte. Deshalb klingt es auch so, wie soll ich sagen, na, ganz anders als das, was man sonst aus der Gattung Kunstlied kennt. Verfeinerte, raffinierte Volksmusik, die nur den einen Zweck kennt - nach der Gitarre das Strumpfband zu zupfen.
Fernado Sor, Seguidillas Boleras, brilliant gesungen und eingespielt von Xavier Diaz-Latorre (allein schon der Name!) und Laberintos Ingeniosos, erschienen bei Zig-Zag.
donalphons, 18:29h
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Sonntag, 16. September 2007
Georg Friedrich Händel, Saul
Oratorio in three Acts (1738) für Soli, Chor und Orchester, HWV 53. Daheim hörte ich in den letzten Wochen Kantaten aus dem Jugendwerk von Händel, die er in Italien zu Ehren hochgestellter Personen der Kurie schrieb. 30 Jahre später, nach zwei gescheiterten Opernprojekten und einem Schlaganfall, schrieb Händel dann das grosse Oratorium Saul. Da ist nichts mehr von dem ungestümen Genie, das sich wegen eines Dirigentenstuhls duelliert, nur noch der Kampf mit den eigenen Dämonen.
Nichts für daheim. Das kann keine Anlage, da braucht man eine 60 Meter lange Kirche und einen echten Chor, dann geht das.
Nichts für daheim. Das kann keine Anlage, da braucht man eine 60 Meter lange Kirche und einen echten Chor, dann geht das.
donalphons, 23:59h
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Donnerstag, 12. Juli 2007
Ma non troppo I: Bolivian Baroque Vol.2
Es ist, denke ich, allgemein bekannt, was der "Stadtpalast" war, bevor er von meinem Clan erworben wurde: Eines der Zentren der Gesellschaft Jesu, eine ihrer wichtigsten Bildungseinrichtungen nördlich der Alpen, und nur der historische Abstand mildert eine harte Beurteilung nach unseren heutigen Standards. Wer hier wohnte und arbeitete, war führend beteiligt an der Bekämpfung von Vernunft, Aufklärung und der Freiheit des Menschen. Ich bin in diesem Haus geboren worden, ich bin sein Hüter, und es ist ein Stück historischer Gerechtigkeit, hier heute ganz andere Dinge zu tun und schreiben zu dürfen, unfassbar weit entfernt von dem, was sich die Erbauer und Bewohner je hätten vorstellen können. Und dennoch beginnt diese Serie nun mit dem Wirken und der Musik eben jener Herrschaften, die in mir eine Ausgeburt der Hölle sehen würden, deren Vernichtung ihnen einst mit netten Zuwendungen vergütet werden sollte - man kennt das mit den Jungfrauen von 1 bis 70 ja auch aus anderen terroristischen Kulturkreisen.
Voltaire nimmt in seinem Candide so gut wie alles an Zeitgeschichte mit. In einem Parforcereritt durch vier Kontinente lässt er seinen Helden die Schattenseiten der Welt des 18. Jahrhunderts erfahren, und überall lauert Betrug, Gier, Dummheit und religiös motiviertes Verbrechen auf die Helden. Eine Ausnahme aber macht er, und die betrifft ausgerechnet die ihm ansonsten höchst verhasste Gesellschaft Jesu. Denn bevor Candide den sog. Jesuitenstaat in Paraguay erreicht und dort den Bruder seiner Angebeteten ersticht, erzählt ihm sein derber Diener Cacombo von den Sitten im Herrschaftsgebiet der Gesellschaft. Und es ist gar nicht so arg negativ: Es geht dort "nur" um die Ausbeutung von den Eingeborenen, Durchsetzung der jesuitischen Staatsdoktrin und um Machtspiele gegen die spanischen Siedler und die spanische Krone. Das ist für Voltaire, relativ betrachtet, ein sehr mildes Urteil, zumal es erkennbar die schlechte Nachrede einer Buffofugur ist.
Der Jesuitenstaat bringt die Aufklärer in Argumentationsnöte. Viel ist darüber in Europa nicht bekannt, denn die rund 30 Mustersiedlungen für einen Indiostamm, die von der Gesellschaft im heutigen Bolivien, Paraguay und Argentinien in abgelegenen Regionen gebaut werden, legen keinen Wert auf Einmischung von aussen. Die Jesuiten hatten die Erlaubnis direkt von der spanischen Krone, sich nach ihren eigenen Vorstellungen um die Indios zu kümmern. Im Gegensatz zu den weltlichen Siedlern, die Indios gnadenlos bis zur - man kann es nicht anders sagen - Vernichtung durch Arbeit treiben durften, solange sie nur einen Geistlichen zu ihrer Bekehrung unterhielten, versuchten die Jesuiten, die eingeborene Bevölkerung behutsam für ihre Werte zu begeistern und ihre Existenz zu sichern. Die heute als Weltkulturerbe geschätzten Jesuitenreduktionen waren tatsächlich eine Art gelebte Sozialutopie, die sich zumindest von der umgebenden Ideologie der Ausrottung fundamental unterschied.
Man könnte jetzt lange darüber diskutieren, ob das Angebot "sanfte Bekehrung gegen Schutz vor der Vernichtung und Sklaverei" fair war. Jedenfalls waren die Reduktionen durch ihre straffe Organisation wirtschaftlich so erfolgreich, dass man in Europa vermutete, die Siedlungen würden durch Gold- und Silberbergwerke und Ausbeutung der Indios das Vermögen der Nachfolger des Ignatius mehren. Genaues wusste keiner, denn der Zutritt zu den Siedlungen war Europäern nicht gestattet, und auch die Priester hielten sich weitgehend fern von den zumindest teilweise autonomen Gemeinschaften. Bis auf die Messen, die man zusammen zelebrierte, und die den Schäfchen alle Herrlichkeit des Ordens vorführen sollten.
Womit wir bei der CD "Bolivian Baroque volume 2" des auf alte Musik spezialisierten Ensembles Florilegium aus England und seiner Entdeckungsreise zu den musikalischen Schätzen der Gesellschaft in Bolivien sind. Florilegium hat früher schon eine Reihe aussergewöhnlicher Tonträger produziert, wie etwa feinste Aufnahmen der Kammerkonzerte von Telemann, die sich fundamental und wohltuend von den Kurorchesterfassungen unterscheiden, die man für 2,99 Euro in Massenmärkten in MP3-Krachwürfelabmischung bekommt.
Im Gegensatz dazu ist die vorliegende CD keine "sichere Bank". Die Komponisten, deren Musik in bolivianischen Archiven schlummerte, sind teilweise trotz der Recherchen des Ensebles anonym geblieben, und selbst Locatelli, Balbi, Bassani und Brentner gehören nicht zwingend zum Kreis derer, die man im Konzertverein Hinterbüschelhausen aufführen würde. Aber was für ein Verlust! Schon das Allegro Assai von Balbis Sonate No. 9, mit dem die CD eröffnet, lässt dem Ensemble freien Raum zur Entfaltung seiner ganzen Könnerschaft, die Aufnahme ist nicht weniger als brilliant, und wunderbar saftig im Hall der originalen Jesuitenkirche. Wenn man dem Ensemble glauben darf, ging es dem Tontechniker nicht allzu gut - aber davon hört man auf der CD absolut nichts.
Der Punkt, an dem ich wusste, dass ich die CD haben muss, und für den allein sich die 25 Euro für die Super Audio CD gelohnt haben, sind die knapp vier Minuten des "Glória et honóre" aus der Feder des tschechischen Komponisten Jan Josef Brentner, das voller Stolz und Selbstbewusstsein kongenial alles zusammenfasst, was so ein Jesuitenmissionar empfunden haben muss, wenn er sich im bolivianischen Dschungel zum Herrscher in seinem eigenen kleinen Reich aufgeschwungen hatte. Hybris, Arroganz, in dieser geistlichen Chormusik ist so viel von der schwärzesten Form der Weltzugewandtheit, ein völliges Fehlen jeder Demut, es ist ein fast schon totalitärer Lecktmich-Track, den man sich wirklich mitten im tiefsten bolivianischen Urwald vorstellen muss, tausende von Kilometer und ein Ozean entfernt von der nächsten Kontrollinstanz, zum Ruhme des Ordens aufgeführt und der Verherrlichung seiner Ziele. Dann entfaltetet das Stück seine volle Wucht. Sollte man vorhaben, sich jemals mit 30o Sachen auf Koks in einem Ferrari in den Brückenpfeiler zu knallen, den man voller Überheblichkeit noch mit "Verpiss Dich" anbrüllt - dann ist das der passende Soundtrack dafür.
Mit dem Arakaendar Bolivia Choir stehen dafür Stimmen zur Verfügung, die zudem nicht im Mindesten so gezügelt, kontrolliert und gefällig glatt sind, wie europäische Chöre. Es ist eben nicht mehr europäisches Barock, das in Bolivien aufgeführt wird, es ist Lateinamerika über europäischen Vorbildern, und es bemächtigt sich der strengen liturgischen Kompositionen wie der Urwald einer Kirchenruine. Wer allerdings Latino-Remmidemmi erwartet, wird enttäuscht - Arien wie "Quis me a te sponse separábit" stellen höchste Ansprüche an die Sänger. Wer etwas über die Aufnahmequalität wissen will, spiele Track 8 an - 8 Glockenschläge mit allen Nebengeräuschen in 31 Sekunden, danach kann man sich jede Debatte sparen, selbst wenn man im Booklet nicht nachgelesen hat, was da verwendet wurde.
Was ich persönlich ein wenig schade finde, ist die unvollständige Darstellung der Jesuitenreduktion und ihrer historischen Hintergründe. Die Grundlagen stehen zwar im ersten Teil der Serie, werden aber nicht tief genug diskutiert, um den kompletten geistesgeschichtlichen Hintergrund der Musik darzustellen. Die Musik steht zwar für sich selbst, aber es ist noch erheblich mehr als europäischer Barock in Südamerika. Es ist sicher nicht das übelste Kapitel in der Geschichte des Ordens, nicht im Mindesten, aber man sollte bei all der Gewalt und Kraft, die der Musik innewohnen, nie vergessen, dass es mit ein wenig Pech und Indoktrination an den Höfen des 18. Jahrhunderts ganz schnell zur Begleitmusik der Vernichtung der Aufklärung in Europa hätte werden können. Denn wer sich so masslos im Urwald feiern lässt, kennt keine Zurückhaltung und würde auch die Welt in Brand setzen, um seine Ziele zu erreichen.
Das ist es, was mir diese Musik sagt. Sie ist grandios, gewaltig und nicht weit entfernt von der Gewalttätigkeit. Es ist die Musik von Ausbeutern, Gehirnwäschern und Unterdrückern, sie ist es wert, gehasst zu werden, und zu allem Überfluss höre ich sie in diesem Moment genau an dem Ort, von wo aus sich der Orden über die Welt verbreitete. Wo ich sitze, war ihre Bibliothek, nebenan starb ihr brutalster Verfechter, und nur diese Musik und der Raum, allein in der Nacht mit drei Kerzen, während im Giftschrank neben mir Neumayrs Religio Prudentum von 1764 in ihrem weissen Pergamenteinband schimmert - das wäre zu viel. Diese CD von Channel Classics schafft etwas, das noch keiner vor ihr gelungen ist.
Sie macht mir Angst.
Voltaire nimmt in seinem Candide so gut wie alles an Zeitgeschichte mit. In einem Parforcereritt durch vier Kontinente lässt er seinen Helden die Schattenseiten der Welt des 18. Jahrhunderts erfahren, und überall lauert Betrug, Gier, Dummheit und religiös motiviertes Verbrechen auf die Helden. Eine Ausnahme aber macht er, und die betrifft ausgerechnet die ihm ansonsten höchst verhasste Gesellschaft Jesu. Denn bevor Candide den sog. Jesuitenstaat in Paraguay erreicht und dort den Bruder seiner Angebeteten ersticht, erzählt ihm sein derber Diener Cacombo von den Sitten im Herrschaftsgebiet der Gesellschaft. Und es ist gar nicht so arg negativ: Es geht dort "nur" um die Ausbeutung von den Eingeborenen, Durchsetzung der jesuitischen Staatsdoktrin und um Machtspiele gegen die spanischen Siedler und die spanische Krone. Das ist für Voltaire, relativ betrachtet, ein sehr mildes Urteil, zumal es erkennbar die schlechte Nachrede einer Buffofugur ist.
Der Jesuitenstaat bringt die Aufklärer in Argumentationsnöte. Viel ist darüber in Europa nicht bekannt, denn die rund 30 Mustersiedlungen für einen Indiostamm, die von der Gesellschaft im heutigen Bolivien, Paraguay und Argentinien in abgelegenen Regionen gebaut werden, legen keinen Wert auf Einmischung von aussen. Die Jesuiten hatten die Erlaubnis direkt von der spanischen Krone, sich nach ihren eigenen Vorstellungen um die Indios zu kümmern. Im Gegensatz zu den weltlichen Siedlern, die Indios gnadenlos bis zur - man kann es nicht anders sagen - Vernichtung durch Arbeit treiben durften, solange sie nur einen Geistlichen zu ihrer Bekehrung unterhielten, versuchten die Jesuiten, die eingeborene Bevölkerung behutsam für ihre Werte zu begeistern und ihre Existenz zu sichern. Die heute als Weltkulturerbe geschätzten Jesuitenreduktionen waren tatsächlich eine Art gelebte Sozialutopie, die sich zumindest von der umgebenden Ideologie der Ausrottung fundamental unterschied.
Man könnte jetzt lange darüber diskutieren, ob das Angebot "sanfte Bekehrung gegen Schutz vor der Vernichtung und Sklaverei" fair war. Jedenfalls waren die Reduktionen durch ihre straffe Organisation wirtschaftlich so erfolgreich, dass man in Europa vermutete, die Siedlungen würden durch Gold- und Silberbergwerke und Ausbeutung der Indios das Vermögen der Nachfolger des Ignatius mehren. Genaues wusste keiner, denn der Zutritt zu den Siedlungen war Europäern nicht gestattet, und auch die Priester hielten sich weitgehend fern von den zumindest teilweise autonomen Gemeinschaften. Bis auf die Messen, die man zusammen zelebrierte, und die den Schäfchen alle Herrlichkeit des Ordens vorführen sollten.
Womit wir bei der CD "Bolivian Baroque volume 2" des auf alte Musik spezialisierten Ensembles Florilegium aus England und seiner Entdeckungsreise zu den musikalischen Schätzen der Gesellschaft in Bolivien sind. Florilegium hat früher schon eine Reihe aussergewöhnlicher Tonträger produziert, wie etwa feinste Aufnahmen der Kammerkonzerte von Telemann, die sich fundamental und wohltuend von den Kurorchesterfassungen unterscheiden, die man für 2,99 Euro in Massenmärkten in MP3-Krachwürfelabmischung bekommt.
Im Gegensatz dazu ist die vorliegende CD keine "sichere Bank". Die Komponisten, deren Musik in bolivianischen Archiven schlummerte, sind teilweise trotz der Recherchen des Ensebles anonym geblieben, und selbst Locatelli, Balbi, Bassani und Brentner gehören nicht zwingend zum Kreis derer, die man im Konzertverein Hinterbüschelhausen aufführen würde. Aber was für ein Verlust! Schon das Allegro Assai von Balbis Sonate No. 9, mit dem die CD eröffnet, lässt dem Ensemble freien Raum zur Entfaltung seiner ganzen Könnerschaft, die Aufnahme ist nicht weniger als brilliant, und wunderbar saftig im Hall der originalen Jesuitenkirche. Wenn man dem Ensemble glauben darf, ging es dem Tontechniker nicht allzu gut - aber davon hört man auf der CD absolut nichts.
Der Punkt, an dem ich wusste, dass ich die CD haben muss, und für den allein sich die 25 Euro für die Super Audio CD gelohnt haben, sind die knapp vier Minuten des "Glória et honóre" aus der Feder des tschechischen Komponisten Jan Josef Brentner, das voller Stolz und Selbstbewusstsein kongenial alles zusammenfasst, was so ein Jesuitenmissionar empfunden haben muss, wenn er sich im bolivianischen Dschungel zum Herrscher in seinem eigenen kleinen Reich aufgeschwungen hatte. Hybris, Arroganz, in dieser geistlichen Chormusik ist so viel von der schwärzesten Form der Weltzugewandtheit, ein völliges Fehlen jeder Demut, es ist ein fast schon totalitärer Lecktmich-Track, den man sich wirklich mitten im tiefsten bolivianischen Urwald vorstellen muss, tausende von Kilometer und ein Ozean entfernt von der nächsten Kontrollinstanz, zum Ruhme des Ordens aufgeführt und der Verherrlichung seiner Ziele. Dann entfaltetet das Stück seine volle Wucht. Sollte man vorhaben, sich jemals mit 30o Sachen auf Koks in einem Ferrari in den Brückenpfeiler zu knallen, den man voller Überheblichkeit noch mit "Verpiss Dich" anbrüllt - dann ist das der passende Soundtrack dafür.
Mit dem Arakaendar Bolivia Choir stehen dafür Stimmen zur Verfügung, die zudem nicht im Mindesten so gezügelt, kontrolliert und gefällig glatt sind, wie europäische Chöre. Es ist eben nicht mehr europäisches Barock, das in Bolivien aufgeführt wird, es ist Lateinamerika über europäischen Vorbildern, und es bemächtigt sich der strengen liturgischen Kompositionen wie der Urwald einer Kirchenruine. Wer allerdings Latino-Remmidemmi erwartet, wird enttäuscht - Arien wie "Quis me a te sponse separábit" stellen höchste Ansprüche an die Sänger. Wer etwas über die Aufnahmequalität wissen will, spiele Track 8 an - 8 Glockenschläge mit allen Nebengeräuschen in 31 Sekunden, danach kann man sich jede Debatte sparen, selbst wenn man im Booklet nicht nachgelesen hat, was da verwendet wurde.
Was ich persönlich ein wenig schade finde, ist die unvollständige Darstellung der Jesuitenreduktion und ihrer historischen Hintergründe. Die Grundlagen stehen zwar im ersten Teil der Serie, werden aber nicht tief genug diskutiert, um den kompletten geistesgeschichtlichen Hintergrund der Musik darzustellen. Die Musik steht zwar für sich selbst, aber es ist noch erheblich mehr als europäischer Barock in Südamerika. Es ist sicher nicht das übelste Kapitel in der Geschichte des Ordens, nicht im Mindesten, aber man sollte bei all der Gewalt und Kraft, die der Musik innewohnen, nie vergessen, dass es mit ein wenig Pech und Indoktrination an den Höfen des 18. Jahrhunderts ganz schnell zur Begleitmusik der Vernichtung der Aufklärung in Europa hätte werden können. Denn wer sich so masslos im Urwald feiern lässt, kennt keine Zurückhaltung und würde auch die Welt in Brand setzen, um seine Ziele zu erreichen.
Das ist es, was mir diese Musik sagt. Sie ist grandios, gewaltig und nicht weit entfernt von der Gewalttätigkeit. Es ist die Musik von Ausbeutern, Gehirnwäschern und Unterdrückern, sie ist es wert, gehasst zu werden, und zu allem Überfluss höre ich sie in diesem Moment genau an dem Ort, von wo aus sich der Orden über die Welt verbreitete. Wo ich sitze, war ihre Bibliothek, nebenan starb ihr brutalster Verfechter, und nur diese Musik und der Raum, allein in der Nacht mit drei Kerzen, während im Giftschrank neben mir Neumayrs Religio Prudentum von 1764 in ihrem weissen Pergamenteinband schimmert - das wäre zu viel. Diese CD von Channel Classics schafft etwas, das noch keiner vor ihr gelungen ist.
Sie macht mir Angst.
donalphons, 02:44h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 11. Juli 2007
Ma non troppo
Es geht noch. Bitterkalt, aber wenigstens stimmt die Optik wieder.
Optik jedoch ist nicht alles. Nachdem wir wieder alle drin sitzen und die Katze schon auf das Befeuern des Kachelofens wartet, und ausserdem das Dasein zu kurz ist, um sich immer nur mit Abschaum und Kommerzdreck im Netz auseinanderzusetzen, wird es hier eine weitere, neue Kategorie geben, die sich mit dem Schönen und Angenehmen auseinandersetzt. Wie allgemein bekannt ist, schreibe ich gern über Themen, die meine Leser hoffnungslos überfordern, um herauszufinden, was man eigentlich tun muss, um sie zu vergraulen. Nachdem mein Wegzug aus Berlin aber ebenso wenig geholfen hat wie Erzählungen aus der langweiligen Provinzgesellschaft oder 300 Jahre alte Bücher oder die immer gleichen Flohmarktbesuche und das Herzeigen meiner Silberbestände, kommt nun nochmal schwerere Kost.
Ich habe zu allem Sonderlichen nämlich auch noch einen höchst eigenen Musikgeschmack. Selbst aus Sicht der Liebhaber klassischer Musik höre ich immer noch mit Vorliebe Aufnahmen, die dem üblichen Konzertvereinsmitglied verschlossen bleiben. Meine Lieblingslabels führen auf, welches Kabel sie an welche B&K-Mikrophone angeschlossen haben, und welche Monitore sie zum Abmischen verwendeten. Um überhaupt die nötige Menge an Käufern zu erreichen, werden die CDs global gehandelt; in kleinen High-End-Geschäften, deren Besitzer genau diese exzellenten Tonträger brauchen, um den Verkauf von Spezialkabeln zu rechtfertigen. Von so einem Herrn beziehe ich auch meine Musik, was die ganze Sache zusätzlich auf sehr ungerechte Weise auf wenige Labels beschränkt.
Will sagen: Ich werde wöchentlich eine CD in höchsten Tönen loben, die die meisten Leser vermutlich nicht mal erwerben könnten, verstünden sie überhaupt, was ich da von mir gebe. Aus diesem Grunde der beabsichtigten Überlastung nenne ich die Kategorie auch "ma non troppo". Dazu kommt noch ein wenig hochspezalisierter, kulturgeschichtlicher Hintergrund, und so bin ich also guter Dinge, dass in baldiger Zukunft die grosse Mehrheit meiner Leser Entspannung bei Subplebs sucht, der auch in einem Alter jenseits des Kindergartens der Kombination von Hundekot und Zahnbürsten amüsante Seiten abgewinnen kann. Vielleicht geligt es mir sogar, damit einen feindlichen Kommerzmitleser einzuschläfern. Das würde mich jedenfalls sehr freuen.
Optik jedoch ist nicht alles. Nachdem wir wieder alle drin sitzen und die Katze schon auf das Befeuern des Kachelofens wartet, und ausserdem das Dasein zu kurz ist, um sich immer nur mit Abschaum und Kommerzdreck im Netz auseinanderzusetzen, wird es hier eine weitere, neue Kategorie geben, die sich mit dem Schönen und Angenehmen auseinandersetzt. Wie allgemein bekannt ist, schreibe ich gern über Themen, die meine Leser hoffnungslos überfordern, um herauszufinden, was man eigentlich tun muss, um sie zu vergraulen. Nachdem mein Wegzug aus Berlin aber ebenso wenig geholfen hat wie Erzählungen aus der langweiligen Provinzgesellschaft oder 300 Jahre alte Bücher oder die immer gleichen Flohmarktbesuche und das Herzeigen meiner Silberbestände, kommt nun nochmal schwerere Kost.
Ich habe zu allem Sonderlichen nämlich auch noch einen höchst eigenen Musikgeschmack. Selbst aus Sicht der Liebhaber klassischer Musik höre ich immer noch mit Vorliebe Aufnahmen, die dem üblichen Konzertvereinsmitglied verschlossen bleiben. Meine Lieblingslabels führen auf, welches Kabel sie an welche B&K-Mikrophone angeschlossen haben, und welche Monitore sie zum Abmischen verwendeten. Um überhaupt die nötige Menge an Käufern zu erreichen, werden die CDs global gehandelt; in kleinen High-End-Geschäften, deren Besitzer genau diese exzellenten Tonträger brauchen, um den Verkauf von Spezialkabeln zu rechtfertigen. Von so einem Herrn beziehe ich auch meine Musik, was die ganze Sache zusätzlich auf sehr ungerechte Weise auf wenige Labels beschränkt.
Will sagen: Ich werde wöchentlich eine CD in höchsten Tönen loben, die die meisten Leser vermutlich nicht mal erwerben könnten, verstünden sie überhaupt, was ich da von mir gebe. Aus diesem Grunde der beabsichtigten Überlastung nenne ich die Kategorie auch "ma non troppo". Dazu kommt noch ein wenig hochspezalisierter, kulturgeschichtlicher Hintergrund, und so bin ich also guter Dinge, dass in baldiger Zukunft die grosse Mehrheit meiner Leser Entspannung bei Subplebs sucht, der auch in einem Alter jenseits des Kindergartens der Kombination von Hundekot und Zahnbürsten amüsante Seiten abgewinnen kann. Vielleicht geligt es mir sogar, damit einen feindlichen Kommerzmitleser einzuschläfern. Das würde mich jedenfalls sehr freuen.
donalphons, 01:56h
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