: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 23. März 2004

Alptraumvision

für Bessermenschen. Wer sowas isst, verrät die Bloggerbewegung und ihre hehren Ziele, mit der sie startete.



Ich war vor ein paar Jahren mal beim Bürgerradio. Da gab es eine echte Hexenjagdstimmung gegen alles, was es wagte, nicht für die Weltrevolution hier, jetzt und heute zu sein. Was immer die Welt nicht als politischen Prozess sah, galt als unwert, sinnlos, Stütze des Schweinesystems. Und besonders böse war der selbstreduplizierende Medienbetrieb. Verwerflich war Genuss in allen Spielarten, solange es nicht die Marx-Lesegruppe war. Hart, musste aber so sein: Die Leute dort waren doch ganz allein gegen diese böse Welt da draussen. Dachten sie.

Und die Weltrevolution konnte nur von ihnen kommen, dem frühpensionierten Elektriker, der immer die Post anderer Leute las, dem Jungrevoluzzer, der eine feste Anstellung beim Staatsfunk wollte, dem Luxusöko in seiner Finca, der aus Spanien Themenvorschläge schickte, und der überidentifizierten Unausgelasteten, die sich so gern als Opfer sah und förmlich danach lechzte, Juden für ihre Weltsicht zu instrumentalisieren.

Geflogen bin ich dort wegen "bildungsbürgerlichem Konservativismus". Ich putzte den Staub der Alt-68er von meinen Kleidern, und machte mich auf ins damals noch junge Internet, wo nicht einer gegen viele, sondern jeder für sich selbst verantwortlich ist. Ich schrieb und schreibe über alles. Es ist mir egal, ob eine Revolution kommt.

Solange sie bloss nicht von Psychos kommt, die in Chips eine Bedrohung für ihr System sehen.

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Schicksenlokal

sagte das New Economy Ideal, und dass ich dort das zu sehen bekommen würde, was ich in München auch sehen könnte, wenn ich auf dieStrasse ginge: Das typische Gott-was-sind-wir-toll-Publikum mit ihren Projektvorschlägen, dem unfeinen Benehmen beim Bestellen überteuerter Alcoholoci und notorisch überzogenem Konto. Ein Hauch von zuhause inMitten der Stadt, die noch immer nicht richtig aus Ruinen erstanden ist, weil sie sich als Intensivpatient des Landes mit ihrem Gejammer gut eingerichtet hat.



Ich verkniff mir diese Bemerkung und sprach auch nicht davon, dass das Abstellen der Geldinsulininjektionen und der Beatmungsmaschinen eigentlich ein Akt der Menschlichkeit wäre, und ging mit ihr und den beiden anderen DCT-Urgesteinen rein.

Es war sehr dunkl. Es dauerte eine Weile, bis sich die Augen an das schummrig-gelbe Licht gewöhnt hatten. Es spielte keine besondere Rolle, denn mehr als die immer gleichen Lounge Chairs waren nicht zu sehen. Keine Tussis, keine Schicksen. Die Letzte hatte offenbar wenig Spass mit dem Typen an ihrer Seite gehabt und zog sich ziemlich ungraziös an. Wer sich so anzieht, zieht sich nachher sicher nicht aus. Dann waren wir allein, mit drei unaufmerksamen Barleuten.

Das New Economy Ideal rekapitulierte die Geschichte des Lokals. Die Miete sei hoch und hätte schon etlichen Vorgängern das Genick gebrochen. Und die Lage, faktisch am Strassenstrich, sei auch nicht so doll.

Wir blieben eine Weile, und wir blieben allein. Das Mädchen, das draussen auf der Strasse ihre Runden drehte, bekam auch keine weitere Kundschaft. Allerdings muss sie keine überzogene Miete für den Platz zahlen. Mal schaun, wer in einem Monat noch da ist, sie oder der schicksenfreie Schicksenladen.

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