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Samstag, 10. Mai 2008
Real Life 8.5.2008: Brettabordä
Und? meint Iris und räkelt sich zufrieden auf dem beifahrersitz. Zufrieden? Hinter ihr knarzen zu viele Papiertüten an ihrer schweren Füllung, und vorne müht sich der Motor eines Autos ab, das nicht wirklich dazu passt.
Ich mein, spricht sie weiter, als unhöflicherweise keine Antwort kommt, ich finde es wirklich gut. Wenn es am See kühler wird, am Abend, zum Beispiel. Als wir letztens dort waren, war es drei Grad kälter als in der Provinz. Tagsüber legst du sie über die Schulter, am Abend ziehst du sie an, und es ist schick, ohne aufgedonnert zu sein. Man wird denken, dass du ein Segelboot hast, und dann wirst du ein passendes Boot kaufen, ich komme vorbei, und dann fährst du mich auf den See, und alles ist prima. Ich finde, du brauchst unbedingt ein Segelboot. Sagt sie, und kichert, weiss sie doch, dass du Segelboote nicht zwingend aufregend und spannend findest, und Surfboards bevorzugst, auf denen nicht mal einer allein stehen kann.
Das, liebe Iris, war ein Zweckkauf. Ich brauche was zum Anziehen, und Hemden allein sind auf Passstrassen etwas zu wenig. Ich brauche was mit hohen Krägen für die endlosen Kilometer zwischen Verona und Modena in der Nacht, und am Gardasee kann es am Abend empfindlich kalt, ganz einfach kalt, arschkalt sein. Die ganze Bardot-Hausschneider-Geschichte, die Nizza-Connection, die mehr-als-Lacoste-Denke, das alles ist mir offen gesagt egal. Krawatten hätte ich nicht gebraucht, aber nachdem du darauf bestehst, auch Krawatten. Aber kein Segelboot, kein Monte Carlo, und das hier ist auch nicht Paris, oder ein Flagship Store, das ist nur die übliche Provinz und ein Witz der Globalisierung.
Und weil diesmal Iris nicht antwortet und du leichte Sorgen hast, dass es zu unhöflich ausgedrückt war, redest du weiter: Du kennst doch Frau W.? Herr W. hat ihr in den 70er Jahren das Zeug von seinen Reisen mitgebracht. Ihr Sohn P. bekam diese Nippesflugzeuge mit den Namen der Fluglinien drauf, und Frau W., die von sich dachte, dass sie aussieht wie Bardot, bekam diese Kleider. Die dann umgearbeitet werden mussten, um zu passen. Das war jedesmal ein enormer logistischer Aufwand, Herr W. musste manchmal die Flüge umbuchen, um in Paris Zwischenaufenthalte zu haben. Legenden kommen noch aus einer Zeit, in der nicht jeder immer alles haben konnte. Legenden entstehen nicht, wenn alles immer sofort verfügbar ist. Legenden sterben, wenn sie zu reduplizieren sind. Das war mal was, vor Jahrzehnten. Inzwischen ist er tot und seine Firma aufgekauft worden, und irgendeine Entscheidung eines Münchner Konzerns sorgt dafür, dass hier Leute sind, die Zugänge zu dem vermitteln, was heute hier hergestellt wird. Paris? Die Legende. Das hier?
Draussen gleitet die Bebauung der 50er Jahre vorbei, nicht gerade das beste Viertel der Provinz.
Das hier ist Globalisierung. Es ist verfügbar. Ich kann in zehn Minuten hinfahren und kaufen. Weil es gut ist, weil es einfacher ist, als nach München zu fahren, weil es sich durchaus lohnt. Es scheint vielleicht Luxus zu sein bei denen, die noch nicht wissen, wie die Globalisierung den Luxus umbringt, aber der Name, den sie reinsticken, könnte beliebig sein. Da steht kein Genuis mehr dahinter, nur noch die brüchige Legende und die Einbildung, selbst wenn es zum sonstigen Wesen passen würde, das auch nur aus brüchigen Legenden besteht. Es ist rational, so etwas zu fertigen, wie es rational ist, so etwas hier zu kaufen, den Rest erfinden wir uns dazu, weil wir es natürlich nicht so haben möchten. Wir würden es natürlich bevorzugen, wenn dergleichen mitgebracht wird, in Flugzeugen, derer sich nur die wenigsten bedienen und die frei sind von Pauschaltouristen, aus Städten, die man nicht für 19 Euro ansteuern kann und von Stoffkünstlern, die wirklich noch mitwirken an der Herstellung. Die Illusion, dass es immer noch so sein könnte, schafft die irrwitzigen Preise auf den Bapperln, und der Umstand, dass es nicht mehr so ist, lässt Susi mit Leuten essen, die es ermöglichen, dass du Möglichkeiten kennst, die illusorischen Preise zerstäuben zu lassen, als wären sie die Legende. Ich, meine Liebe, ich würde doch nie nach solchen Marken gehen. Ich...
Du, mein Bester, mischt sich Iris nun doch ein, bist doch derjenige, der sich mal für 400 Mark mal ein Byblos-Hemd gekauft hat, mit Spitzen am Kragen, und einen lindgrünen Gaultieranzug, und da war doch auch mal so ein schwarzer Yamamoto-Frack, oder?
Nein, sagst du empört.
Ich weiss es aber noch ganz genau, betont Iris.
der frack war nicht schwarz, sondern schwarz mit weissen Kreidestreifen, gibst du klein bei und beginnst, über das wetter zu reden, das ausnehmend schön ist
Ich mein, spricht sie weiter, als unhöflicherweise keine Antwort kommt, ich finde es wirklich gut. Wenn es am See kühler wird, am Abend, zum Beispiel. Als wir letztens dort waren, war es drei Grad kälter als in der Provinz. Tagsüber legst du sie über die Schulter, am Abend ziehst du sie an, und es ist schick, ohne aufgedonnert zu sein. Man wird denken, dass du ein Segelboot hast, und dann wirst du ein passendes Boot kaufen, ich komme vorbei, und dann fährst du mich auf den See, und alles ist prima. Ich finde, du brauchst unbedingt ein Segelboot. Sagt sie, und kichert, weiss sie doch, dass du Segelboote nicht zwingend aufregend und spannend findest, und Surfboards bevorzugst, auf denen nicht mal einer allein stehen kann.
Das, liebe Iris, war ein Zweckkauf. Ich brauche was zum Anziehen, und Hemden allein sind auf Passstrassen etwas zu wenig. Ich brauche was mit hohen Krägen für die endlosen Kilometer zwischen Verona und Modena in der Nacht, und am Gardasee kann es am Abend empfindlich kalt, ganz einfach kalt, arschkalt sein. Die ganze Bardot-Hausschneider-Geschichte, die Nizza-Connection, die mehr-als-Lacoste-Denke, das alles ist mir offen gesagt egal. Krawatten hätte ich nicht gebraucht, aber nachdem du darauf bestehst, auch Krawatten. Aber kein Segelboot, kein Monte Carlo, und das hier ist auch nicht Paris, oder ein Flagship Store, das ist nur die übliche Provinz und ein Witz der Globalisierung.
Und weil diesmal Iris nicht antwortet und du leichte Sorgen hast, dass es zu unhöflich ausgedrückt war, redest du weiter: Du kennst doch Frau W.? Herr W. hat ihr in den 70er Jahren das Zeug von seinen Reisen mitgebracht. Ihr Sohn P. bekam diese Nippesflugzeuge mit den Namen der Fluglinien drauf, und Frau W., die von sich dachte, dass sie aussieht wie Bardot, bekam diese Kleider. Die dann umgearbeitet werden mussten, um zu passen. Das war jedesmal ein enormer logistischer Aufwand, Herr W. musste manchmal die Flüge umbuchen, um in Paris Zwischenaufenthalte zu haben. Legenden kommen noch aus einer Zeit, in der nicht jeder immer alles haben konnte. Legenden entstehen nicht, wenn alles immer sofort verfügbar ist. Legenden sterben, wenn sie zu reduplizieren sind. Das war mal was, vor Jahrzehnten. Inzwischen ist er tot und seine Firma aufgekauft worden, und irgendeine Entscheidung eines Münchner Konzerns sorgt dafür, dass hier Leute sind, die Zugänge zu dem vermitteln, was heute hier hergestellt wird. Paris? Die Legende. Das hier?
Draussen gleitet die Bebauung der 50er Jahre vorbei, nicht gerade das beste Viertel der Provinz.
Das hier ist Globalisierung. Es ist verfügbar. Ich kann in zehn Minuten hinfahren und kaufen. Weil es gut ist, weil es einfacher ist, als nach München zu fahren, weil es sich durchaus lohnt. Es scheint vielleicht Luxus zu sein bei denen, die noch nicht wissen, wie die Globalisierung den Luxus umbringt, aber der Name, den sie reinsticken, könnte beliebig sein. Da steht kein Genuis mehr dahinter, nur noch die brüchige Legende und die Einbildung, selbst wenn es zum sonstigen Wesen passen würde, das auch nur aus brüchigen Legenden besteht. Es ist rational, so etwas zu fertigen, wie es rational ist, so etwas hier zu kaufen, den Rest erfinden wir uns dazu, weil wir es natürlich nicht so haben möchten. Wir würden es natürlich bevorzugen, wenn dergleichen mitgebracht wird, in Flugzeugen, derer sich nur die wenigsten bedienen und die frei sind von Pauschaltouristen, aus Städten, die man nicht für 19 Euro ansteuern kann und von Stoffkünstlern, die wirklich noch mitwirken an der Herstellung. Die Illusion, dass es immer noch so sein könnte, schafft die irrwitzigen Preise auf den Bapperln, und der Umstand, dass es nicht mehr so ist, lässt Susi mit Leuten essen, die es ermöglichen, dass du Möglichkeiten kennst, die illusorischen Preise zerstäuben zu lassen, als wären sie die Legende. Ich, meine Liebe, ich würde doch nie nach solchen Marken gehen. Ich...
Du, mein Bester, mischt sich Iris nun doch ein, bist doch derjenige, der sich mal für 400 Mark mal ein Byblos-Hemd gekauft hat, mit Spitzen am Kragen, und einen lindgrünen Gaultieranzug, und da war doch auch mal so ein schwarzer Yamamoto-Frack, oder?
Nein, sagst du empört.
Ich weiss es aber noch ganz genau, betont Iris.
der frack war nicht schwarz, sondern schwarz mit weissen Kreidestreifen, gibst du klein bei und beginnst, über das wetter zu reden, das ausnehmend schön ist
donalphons, 01:36h
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4 Jahre für Falk
Auch wenn die alten New Economy Skandale gegenüber der aktuellen Krise Kleinigkeiten sind, so freut es moch doch, dass Alexander Falk in erster Instanz zu vier Jahren Haft verurteilt wurde -wegen versuchten Betruges. Da wäre vielleicht noch mehr gegangen, aber immerhin. Ein kleiner Wink für die Pfeifen der 2. Generation, die auch gerne ihre Zahlen schönlügen.
donalphons, 15:21h
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