: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 8. Mai 2008

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Geburtstagstarte für ein kleines Land im Nahen Osten, das von sich behauptet, auch mein Land zu sein, qua Geburt und so.



Zwischenzeitlich hat übrigens ein gewisser Herr Broder, der heutigentags versucht, unter anderem bei einer widerlichen Onlinegosse auf der islamfeindlichen Welle zu reiten, auch mal den Versuch unternommen, in Israel mit seiner einnehmenden Art und seinen Wortbeiträgen Fuss zu fassen. Bald war er wieder in Deutschland, wo man sowas erstaunlicherweise sogar abdruckt, einlädt und, was ich wirklich schlimm finde, als "jüdische Stimme" wahrnimmt.



Gratuliere, Israel. Wären dort alle nur extremistische, publicitygeile Maulhelden gewesen, gäbe es nichts zu feiern.

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Empfehlung heute - Reisebegleitung

Ich hoffe, dass irgendwann einmal auch die andere Geschichte, die mit der Oma, erzählt wird.

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Ich habe vorgestern Abend mit dem Vorsatz gebrochen, dieses Früh/Sommerhalbjahr keinerlei Podiumsveranstaltungen zu besuchen, besonders nicht in Ostdeutschland, und werde im Juni in Weimar sein. Das öffentliche Interesse sucht sich andere Wege; Buchbeiträge, Einschätzungen und Meinungen werden gefragt, und weil die Tage schön und die Reisespesen vorhanden sind, kommen auch manche vorbei und machen so eine Art "Home Story". Weitgereiste Gäste, die schon hier und dort waren und aus anderen Städten, namentlich dem grossen Berlin und seinen kleinen Geistern zu berichten wissen, wie dort mein "hier" beurteilt wird. Hintenrum, natürlich.

Heute ist gerade mal keiner da, ich sitze auf meiner Dachterasse und im Ofen zergeht langsam der Grana Padano unter den Auberginenscheiben und den Tomatenschnitten, ich habe etwas Zeit, und deshalb würde ich gerne mal die Frage umdrehen: Wenn meine Gegenwart woanders schon als unerträglich betrachtet wird - wie ist das dann mit der eigenen Zukunft?

Mein geschätzter Namensvetter hat ein Stück verfasst, dem ich ausnahmsweise keinesfalls zustimmen möchte, denn mit 15 Jahren Abstand, das im Alter der üblichen "Topblogger" kein allzu weiter Zeithorizont ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass einer von denen noch so hochmütig auf die herabsieht, die nicht zu dem Jobhoppertum und Quarterlifecrisis kennenden und praktizierenden digitalen Lumpenproletariat gehören. Meine Erfahrungen mit der Industrie sind auch dergestalt, dass man sowohl als Firma als auch als Mitarbeiter versucht, der Tätigkeit einen Sinn zu geben, und ich habe sehr viele Firmen kennengelernt, in denen das vorzüglich gelungen ist.

Berliner Arroganz könnte es sich niemals vorstellen, mal 6 Monate über einem Bauabschnitt ein Planum freizukratzen, obwohl sie dank der Alimentierung des Staates für Akademiker sowas wie die geistigen Voraussetzungen haben könnten, darin einen Sinn zu sehen. Die Leute, mit denen ich das gemacht habe, waren weder gebildet, noch standen ihnen irgendwelche anderen Optionen des arbeitsvermeidenden Verarschens von zahlungswilligen Deppen, das Geschäftsmodell derer Adicalinkis, zur Verfügung. Es waren schlecht bezahlte ABM-Stellen, man war auf dieser Siedlung der Chamer Gruppe dem Wetter ausgesetzt, und die Befunde waren nicht so, dass man dabei viel Besonderes hätte erkennen können: Scherben statt Gold, Hauspfosten statt Statuen, das übliche Klein-Klein eines chalkolithischen Dorfes, und nein, in der Chamer Gruppe sind noch nicht mal die Scherben schön, wie etwa noch bei den Bandkeramikern. Trotzdem gab es ein gemeinsames Ziel, eine Arbeitsauffassung, und den gemeinsamen Willen, alle Unterschiede zwischen Studenten des Fachs und arbeitslosen Gemeindearbeitern bei der Erfassung der Fundstellen zu überbrücken, und das bei einer Aufgabe, die Aussenstehenden zumindest leicht esotherisch erscheinen mag.

Es war eine gute Zeit, und es waren gute Leute. Das ist etwas, das ich von einer Reihe nachfolghender, besser bezahlter und nach aussen auch besser wirkenden Beschäftigungen nicht behaupten kann. Es gab in der Audi welche, die am Tag einen halben Kasten soffen, aber das waren - auffällige - Ausnahmen. In der New Economy waren die meisten entweder naturprall, drogensüchtig oder einfach nur Kriminelle, trotzdem fand man diese Leute toll und wollte dort arbeiten. Es hat lange gedauert, bis manche begriffen haben, dass verbindliche Arbeitszeiten, Urlaubsgeld und Feiertage ebenso sinnvoll sind, wie ein Tarifvertrag und ein Arbeitszeugnis, das den Namen einer Firma enthält, deren erste Suchtreffer nicht bei Dotcomtod sind.

Natürlich hat einer, der sich 35 Jahre mit Unterbrechungen von Kleinjob zu Kleinjob hangelt, weniger Ansprüche an das Rentensystem, als ein Bandarbeiter. Ich denke sogar, dass er das Recht hat, Bandarbeiter zu bemitleiden - Bandarbeiter, Angestellte, Sachbearbeiter und Beamte fänden den Zustand derer, die in Berlin bleiben müssen, weil sie woanders so nicht existieren können, auch nicht cool, und legen Wert auf ein Eigenheim mit Garten, Terasse, zwei Kinder und Zweitwagen.

Ich kenne beide Seiten. Ich möchte keine Rente, kein Auto, kein sicherheitsrelevantes Teil, keine Meinungsbildung, keinen Flugzeugmotor, kein Brötchen, keine Möbel, keine Wohnung, bei der das digitale Lumpenpack mitzureden hat. Jenseits von Blogvermarktung, gehäkelten iPodtaschen,Trashtalkshows und Zoomer.de ist für diese Leute Todeszone, man muss dort was können und in Zyklen leisten, die erheblich länger sind als die durchschnittliche Lebensdauer eines Startups von Sascha Lobo. Am Ende gibt es dafür eine Rente, die nicht so sicher ist, wie man es sich wünschen würde. Aber immer noch sicherer als die Gefühle, die solche Typen haben, wenn sie mal etwas älter sind. Weil die anderen am Band nämlich vorgesorgt haben. 1200 Euro Rente sind gar nicht so wenig, wenn man ein eigenes Haus hat, etwas Vermögen und ein intaktes Umfeld mit Beziehungen, die einem das Brennholz für den Kamin billiger beschaffen können, und einen im Sommer mit Obst und Gemüse zuwerfen.

Das ist nicht jedermanns Sache, aber man schliesse jetzt mal die Augen und stelle sich so einen Vorzeige-Hanswursten und seine Arbeitsauffassung mit den 55 Jahren vor, mit denen der normale Bandarbeiter an den Vorruhestand denkt. Grau, sicher auch etwas abgehetzt, nicht wirklich erfolgsverwöhnt und das, was über die Jahre angefallen ist, ging drauf für Miete, Umziehen, Fahrerei, Repräsentation, aber nichts Bleibendes. Das Wissen, mal der König der Berliner Penner gewesen zu sein, ist dann vermutlich weniger wert, als drei Hunderter mehr Rente. Bleiben noch 30 Jahre Lebenszeit, die auch irgendwie gefüllt werden müssen. Aber mit was? Profibloggen? IPhonehüllen häkeln?

Bandarbeit ist nicht cool, und ich würde auch nicht die Arbeit meiner Eltern machen wollen. Genauso, wie meine Eltern den Kopf schütteln, wenn ich ihnen erzähle, wie ich mein Geld verdiene. Das finden sie nicht cool. Alt werden ist auch nicht cool. Vorsorgen ist nicht cool.

Aber Altersarmut ist noch weitaus uncooler. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Politik, die der arbeitenden Mehrheit verpflichtet ist, später mal Ausnahmeregelungen für berufsjugendliche Leute schafft, die sich nicht quälen wollen, sondern das tun, was ihnen Spass macht. Das muss man sich erst mal lei.. oh. Himmel! Mein Grana-Padano-Baguette!

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