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Sonntag, 5. Mai 2013
Gerecht in Stein
Natürlich kann man auch als Italienfreund Italien schreiendes Unrecht tun. Das ist nicht fein, und als Entschuldigung genügt es nicht, auf das Internet zu verweisen, wo aus Fanatikern Irre und aus Versagern Stalker werden - da hilft nur Einsicht in das eigene Fehlverhalten.
Zu keiner Stadt Italiens bin ich ungerechter als zu Florenz. Ich bin in den letzten Jahren so oft vorbeigefahfren, ich habe sogar über das Haus des exilierten Macchiavelli geschrieben, von dem aus man die Kuppel sieht, weil ich diese distanzierte Sehnsucht kenne - aber ich war nicht dort. Früher war Florenz das Ziel schlechthin, heute habe ich Angst, dass ich meine Jugend darin nicht mehr erkennen kann. Damals war 1 amerikanische Reisegruppe in den Uffizien, in die man einfach so gehen konnte, und diese Gruppe trug Kappen mit der Aufschrift "Road to Rome". Das waren noch Exoten. Heute könnte ich der Fremde in einer Vermarktungsmaschine sein, den sie beiseite drängen, wenn er im Giottokampanile photographieren will.
Ich muss da mal im November hin, wenn sonst keiner dort ist.
Zu Rom bin ich auch ungerecht. Rom ist grossartig, jeder Stein ist interessant, man könnte so viel machen, einen Beitrag auf den Spuren von Marcello aus La Dolce Vita etwa oder über die Höhlen am Stadtrand oder den Faschismus und dessen futuristische Formen - aber Rom ist mir zu gross. Es ist nicht zu gross, der Fehler liegt in mir. Ich kann nicht mehr mit solchen Städten, sie überfordern mich schnell. In Siena will ich bleiben, in Rom fahre ich mit der Mille Miglia weiter.
Sollte ich wirklich diesen Samstag nach Siena fahren, nicht wegen der Autos, eigentlich, sondern wegen der Stadt, der Krawatten und Tücher am Dom, und dann auf die magische Stunde warten, wenn der Himmel tiefblau und der Ziegel dunkelrot wird? Sollte ich danach wieder in die Pinakotheca gehen, wegen dieser einen Lorenzetti-Madonna, an der jeder Glaube zerbricht und die Profanität in Europa gewinnt, noch bevor die grosse Pest kommt? Zu Siena bin ich übergerecht.
Nein, die Stadt, die ich noch wirklich unangemessen schlecht behandle, ist Brescia. Eigentlich ist Brescia nämlich toll, grandios, bezaubernd, und vor allem weitgehend leer von Touristen. Ausser natürlich, wenn ich auch immer dort bin, zur Mille Miglia, die in diesem Jahr vermutlich noch ein wenig kaputtgerittener ist, als im letzten Jahr. Diese wunderbare Stadt ist für mich allenfalls ein verschwommener Hintergrund für Autobilder. Letztes Jahr nun habe ich eine Serie über das Eisen gemacht, das hier die Gärten einrahmt und eine Quelle des Reichtums der Stadt gewesen ist. Und dieses Jahr...
Dieses Jahr bin ich schon vor dem Gedröhne da und widme mich dem weissen Stein, auf dem und aus dem Brescia errichtet wurde. Der Ort steht ja geradezu auf dem Marmor, der hier aus der Erde bricht, hier wurde die erste Regelung zum Schutz antiker Inschriftensteine verabschiedet, und wann immer ich zwischen all dem Blech stand, kam der Moment, da ich den Blick hob und dachte: Hier müsste man mal mit einem Teleobjektiv her, und mit einem lichtstarken Portraitobjektiv.
Man müsste zeigen, was es sonst nich gibt, in dieser Stadt, wo der Cafe noch 80 Cent kostet und man den ganzen Nachmittag in einem Cafe auf dem Platz vor der Loggia sitzen kann, ohne dass man vom nächsten Schub Touristen verdrängt wird. Sonst komme ich doch auch immer, wenn sonst keiner kommt - nur in Brescia laufe ich mit mit geschmierter Journaille und Geschichtsvermarktern und des Deutschen nicht mächtigen Merceedesmitarbeitern ohne Tischmanieren. Das war ungerecht.
Und so bin ich jetzt gekommen, mit einem Teleobjektiv her, und mit einem lichtstarken Portraitobjektiv, und habe Bilder gemacht von Steinen und Menschen, die darin leben. Natürlich sollte man dort hin, wenn die Motoren brüllen. Und nochmal, wenn sie wieder weg sind.
Ja. Rom und Florenz, das werden noch harte Brocken.
Zu keiner Stadt Italiens bin ich ungerechter als zu Florenz. Ich bin in den letzten Jahren so oft vorbeigefahfren, ich habe sogar über das Haus des exilierten Macchiavelli geschrieben, von dem aus man die Kuppel sieht, weil ich diese distanzierte Sehnsucht kenne - aber ich war nicht dort. Früher war Florenz das Ziel schlechthin, heute habe ich Angst, dass ich meine Jugend darin nicht mehr erkennen kann. Damals war 1 amerikanische Reisegruppe in den Uffizien, in die man einfach so gehen konnte, und diese Gruppe trug Kappen mit der Aufschrift "Road to Rome". Das waren noch Exoten. Heute könnte ich der Fremde in einer Vermarktungsmaschine sein, den sie beiseite drängen, wenn er im Giottokampanile photographieren will.
Ich muss da mal im November hin, wenn sonst keiner dort ist.
Zu Rom bin ich auch ungerecht. Rom ist grossartig, jeder Stein ist interessant, man könnte so viel machen, einen Beitrag auf den Spuren von Marcello aus La Dolce Vita etwa oder über die Höhlen am Stadtrand oder den Faschismus und dessen futuristische Formen - aber Rom ist mir zu gross. Es ist nicht zu gross, der Fehler liegt in mir. Ich kann nicht mehr mit solchen Städten, sie überfordern mich schnell. In Siena will ich bleiben, in Rom fahre ich mit der Mille Miglia weiter.
Sollte ich wirklich diesen Samstag nach Siena fahren, nicht wegen der Autos, eigentlich, sondern wegen der Stadt, der Krawatten und Tücher am Dom, und dann auf die magische Stunde warten, wenn der Himmel tiefblau und der Ziegel dunkelrot wird? Sollte ich danach wieder in die Pinakotheca gehen, wegen dieser einen Lorenzetti-Madonna, an der jeder Glaube zerbricht und die Profanität in Europa gewinnt, noch bevor die grosse Pest kommt? Zu Siena bin ich übergerecht.
Nein, die Stadt, die ich noch wirklich unangemessen schlecht behandle, ist Brescia. Eigentlich ist Brescia nämlich toll, grandios, bezaubernd, und vor allem weitgehend leer von Touristen. Ausser natürlich, wenn ich auch immer dort bin, zur Mille Miglia, die in diesem Jahr vermutlich noch ein wenig kaputtgerittener ist, als im letzten Jahr. Diese wunderbare Stadt ist für mich allenfalls ein verschwommener Hintergrund für Autobilder. Letztes Jahr nun habe ich eine Serie über das Eisen gemacht, das hier die Gärten einrahmt und eine Quelle des Reichtums der Stadt gewesen ist. Und dieses Jahr...
Dieses Jahr bin ich schon vor dem Gedröhne da und widme mich dem weissen Stein, auf dem und aus dem Brescia errichtet wurde. Der Ort steht ja geradezu auf dem Marmor, der hier aus der Erde bricht, hier wurde die erste Regelung zum Schutz antiker Inschriftensteine verabschiedet, und wann immer ich zwischen all dem Blech stand, kam der Moment, da ich den Blick hob und dachte: Hier müsste man mal mit einem Teleobjektiv her, und mit einem lichtstarken Portraitobjektiv.
Man müsste zeigen, was es sonst nich gibt, in dieser Stadt, wo der Cafe noch 80 Cent kostet und man den ganzen Nachmittag in einem Cafe auf dem Platz vor der Loggia sitzen kann, ohne dass man vom nächsten Schub Touristen verdrängt wird. Sonst komme ich doch auch immer, wenn sonst keiner kommt - nur in Brescia laufe ich mit mit geschmierter Journaille und Geschichtsvermarktern und des Deutschen nicht mächtigen Merceedesmitarbeitern ohne Tischmanieren. Das war ungerecht.
Und so bin ich jetzt gekommen, mit einem Teleobjektiv her, und mit einem lichtstarken Portraitobjektiv, und habe Bilder gemacht von Steinen und Menschen, die darin leben. Natürlich sollte man dort hin, wenn die Motoren brüllen. Und nochmal, wenn sie wieder weg sind.
Ja. Rom und Florenz, das werden noch harte Brocken.
donalphons, 22:17h
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